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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: VII B 6/03
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) meldete am 29. Juni 1999 Hühner mit Hals und Innereien der Marktordnungswarenlistennummer 0207 1290 9990 zur Ausfuhr in die Vereinigten Arabischen Emirate an und legte eine Ausfuhrlizenz für Grillhähnchen ohne Hals und Innereien der Marktordnungswarenlistennummer 0207 1290 9190 vor. Das Zollamt B fertigte die Ausfuhrsendung ohne Beschau ab.

Mit Schreiben vom 3. August 1999 übersandte die Klägerin dem Beklagten und Beschwerdeführer (Hauptzollamt --HZA--) ihren Zahlungsantrag und wies unter Hinweis auf ein an das Zollamt B gerichtetes Schreiben vom 7. Juli 1999 darauf hin, dass in ihrer Ausfuhranmeldung die Warenbezeichnung und Marktordnungswarenlistennummer unzutreffend eingetragen worden seien. Das HZA setzte mit Bescheid vom 12. November 1999 Ausfuhrerstattung für Waren der Marktordnungswarenlistennummer 0207 1290 9190 fest. Nach einer Überprüfung kam das HZA zu dem Ergebnis, dass die Ausfuhrerstattung zu Unrecht festgesetzt worden sei, weil die vorgelegte Ausfuhrlizenz nicht für die in der Ausfuhranmeldung bezeichneten Waren habe verwendet werden dürfen. Es forderte deshalb die Ausfuhrerstattung mit Bescheid vom 3. Mai 2000 zurück.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, es könne dahinstehen, ob die Ausfuhrerstattung zu Unrecht gewährt worden sei. Selbst wenn die Klägerin die Beschaffenheitsvermutung des Art. 71 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex --ZK--) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 302/1) nicht widerlegt habe, könne sie sich gegenüber der Rückforderung der Ausfuhrerstattung auf Vertrauensschutz berufen. Da sie das HZA auf die unterschiedlichen Warenbezeichnungen und Marktordnungswarenlistennummern hingewiesen habe, sei ihr die Ausfuhrerstattung auf Grund eines aktiven Irrtums der Behörde gewährt worden. Diesen Irrtum habe sie nicht erkennen können. Vertrauensschutz zu gewähren schließe auch nicht aus, dass ein Verhalten einer Behörde, das einer klaren gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung widerspreche, kein berechtigtes Vertrauen begründen könne. Denn der Annahme, dass die Beschaffenheitsvermutung des Art. 71 Abs. 2 ZK widerlegt sei, stehe eine klare und eindeutige gemeinschaftsrechtliche Regelung nicht entgegen. Die Klägerin habe daher darauf vertrauen dürfen, dass das HZA die Beschaffenheitsvermutung als widerlegt angesehen habe.

Hiergegen richtet sich die auf Divergenz gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des HZA.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nicht vor. Hiernach kommt eine Zulassung der Revision nur in Betracht, wenn das angefochtene Urteil auf der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Divergenz beruhen kann (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 2002 X B 144/01, BFH/NV 2002, 1336, 1337). Das ist der Fall, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass das Urteil des FG bei Zugrundelegung der Divergenzentscheidung anders ausgefallen wäre, d.h. wenn sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Abweichung und dem Ergebnis der Entscheidung nicht ausschließen lässt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Mai 1987 IV B 78/86, BFH/NV 1988, 161, 162; vom 30. Juli 1997 II B 37/97, BFH/NV 1998, 436, 437). Dies trifft im Streitfall nicht zu, falls überhaupt eine Divergenz vorliegen sollte. Selbst bei Zugrundelegung des vom HZA zitierten Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 21. Januar 1999 Rs. C-54/95 (EuGHE 1999, I-35 Rdnr. 75) kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorentscheidung anders ausgefallen wäre.

Nach diesem Urteil kann zwar eine von einer nationalen Behörde gezahlte Ausfuhrerstattung nicht als nach den Gemeinschaftsvorschriften gewährt angesehen werden, wenn die tatsächlich ausgeführte Ware infolge eines dem Ausführer zurechenbaren Verhaltens nicht der angemeldeten Ware entspricht. Hätte das FG diese Entscheidung berücksichtigt, so hätte dies indes nicht ohne weiteres zur Abweisung der Klage führen können. Denn nach dem das Urteil des FG tragenden rechtlichen Ansatz ist der angefochtene Rückforderungsbescheid des HZA unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzgrundsatzes daraufhin zu überprüfen, ob die Klägerin die ihr gewährte Ausfuhrerstattung aufgrund eines aktiven Irrtums des HZA erhalten hat, beim Empfang der Ausfuhrerstattung gutgläubig gewesen ist und einen etwaigen Rechtsirrtum des HZA nicht erkennen konnte. Diese Prüfung hat das FG zwar nur dahin angestellt, ob die Klägerin davon ausgehen durfte, dass das HZA die durch ihre Anmeldung ausgelöste Beschaffenheitsvermutung als widerlegt angesehen hat und nach dem Inhalt des Gemeinschaftsrechts als widerlegt ansehen durfte; es ist jedoch davon auszugehen, dass das FG dieselbe Prüfung auch im Hinblick auf die von der Klägerin abgegebene unzutreffende Ausfuhranmeldung angestellt hätte (oder sogar stillschweigend angestellt hat) und dabei nicht anders als bei der Widerlegung der Beschaffenheitsvermutung zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass der Klägerin unbeschadet vorgenannten EuGH-Urteils auch insoweit Vertrauensschutz zu gewähren ist.

Denn es gibt keine klare gemeinschaftsrechtliche Regelung, die der Gewährung von Ausfuhrerstattung bei Abgabe einer unzutreffenden Ausfuhranmeldung, die jedoch --wenn auch erst nachdem die Ware überlassen worden ist-- von dem Ausführer berichtigt worden ist, entgegensteht. Der Senat hat vielmehr in seinem Vorlagebeschluss vom 29. Oktober 2002 VII R 46/01 (BFH/NV 2003, 218, 220) die Auffassung vertreten, dass die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil in EuGHE 1999, I-35 Rdnr. 75 nur für den Fall gelten, dass eine nachträgliche Berichtigung der Ausfuhranmeldung, die durch die Behörde nach Art. 78 Abs. 3 ZK jederzeit vorgenommen werden könne, nicht stattgefunden hat. Hierfür spricht das zwischenzeitlich ergangene Urteil des EuGH vom 5. Dezember 2002 Rs. C-379/00 --Overland Footwear-- (EuGHE 2002, I-11133 Rdnr. 20 ff.), wonach die Behörde unbeschadet des Art. 65 Unterabs. 2 Buchst. c ZK noch eine Überprüfung der Zollanmeldung nach Art. 78 Abs. 3 ZK vornehmen kann (vgl. auch das zu Art. 150 Abs. 2 ZK ergangene EuGH-Urteil vom 2. Oktober 2003 in der Rs. C-411/01 --Gefco-- Rdnr. 50 f.). Die Klägerin durfte deshalb davon ausgehen, dass das HZA eine Überprüfung und Berichtigung ihrer Ausfuhranmeldung nach Art. 78 Abs. 3 ZK vorgenommen hatte, wenngleich ihr die Ware bereits überlassen worden war und daher eine Berichtigung der Ausfuhranmeldung auf Antrag nach Art. 65 Unterabs. 2 Buchst. c ZK nicht mehr zulässig war. Folglich kann sie sich gegenüber dem Bescheid des HZA auf Vertrauensschutz berufen, auch wenn der EuGH auf den Vorlagebeschluss in BFH/NV 2003, 218, 220 im Anschluss an sein Urteil in EuGHE 1999, I-35 Rdnr. 75 die Möglichkeit einer nachträglichen Berichtigung der Ausfuhranmeldung verneinen sollte.

Da es mithin für die Frage, ob die Klägerin sich auf Vertrauensschutz berufen kann, nicht darauf ankommt, ob die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil in EuGHE 1999, I-35 Rdnr. 75 nur für den Fall gelten, dass tatsächlich keine nachträgliche Überprüfung und Berichtigung der Ausfuhranmeldung durch die Behörde nach Art. 78 Abs. 3 ZK stattgefunden hat und ob eine solche Berichtigung durch die Behörde auch dann noch erfolgen kann, wenn die Ware dem Anmelder überlassen worden ist, kommt die Zulassung der Revision auch nicht im Hinblick auf eine vom Senat einzuholende Vorabentscheidung des EuGH in Betracht.

Ende der Entscheidung

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