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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 05.09.2002
Aktenzeichen: VII B 71/02
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
AO 1977 § 284
AO 1977 § 284 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Nachdem Vollstreckungsversuche des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) in das bewegliche Vermögen des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wegen rückständiger Steuern und Nebenleistungen in Höhe von rd. 300 000 DM fruchtlos verlaufen waren, hat das FA den Kläger mit Verfügung vom ... 2001 zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) aufgefordert. Daraufhin legte der Kläger dem FA ein ausgefülltes Vermögensverzeichnis vor, das zu weiteren Pfändungen und Drittschuldnerzahlungen in Höhe von ca. 5 800 DM geführt hat.

In der --abweisenden-- Einspruchsentscheidung führte das FA u.a. aus, die Vorlage des Vermögensverzeichnisses habe nur in ganz geringem Umfang zur Minderung der Steuerschulden geführt und einen umfassenden Einblick in die Vermögensverhältnisse des Klägers nicht gewährt, so dass es auch unter Berücksichtigung der für den Kläger nachteiligen Folgen ermessensgerecht sei, die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zu verlangen.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Das FG führt hierzu aus, das FA habe das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für die Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bejaht und im Rahmen der Ermessensentscheidung zutreffend dargelegt, dass die Vorlage des Vermögensverzeichnisses nicht geeignet gewesen ist, dem FA eine zuverlässige Überzeugung davon zu vermitteln, dass zur Vollstreckung taugliche Vermögensgegenstände nicht vorhanden seien. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt, wenn das FA trotz der beruflich nachteiligen Folgen für den Kläger in Anbetracht der Höhe der rückständigen Steuern der Pflicht der Behörde zur gleichmäßigen Steuererhebung den Vorrang eingeräumt habe. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der Vollstreckungsschuldner nach dem Gesetzeswortlaut die eidesstattliche Versicherung "abzugeben hat", wenn sich aus dem vorgelegten Vermögensverzeichnis ausreichende Vollstreckungsmöglichkeiten nicht entnehmen lassen (§ 284 Abs. 3 Satz 1 AO 1977). Daraus ergebe sich, dass der Gesetzgeber die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung als den Regelfall angesehen und lediglich das ausnahmsweise mögliche Absehen von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung in das Ermessen der Behörde gestellt hat.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision stützt der Kläger sinngemäß auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen der Tatbestand erfüllt ist, nach dem die Finanzbehörde zu der Überzeugung gelangen muss, dass das vorgelegte Vermögensverzeichnis vollständig und wahrheitsgemäß ist und wie rechtlich abgesichert werden könne, dass nicht durch die bloße Behauptung des Steuergläubigers, den Vermögensstand nicht zuverlässig zu kennen, dieser Rechtsgrundsatz unterlaufen wird und wer darüber zu befinden hat.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat kann dabei offen lassen, ob der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen hinreichend i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt hat. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die erforderlichen Angaben dazu, von welcher Seite und mit welcher Begründung die in der Entscheidung vom 9. Mai 1989 VII B 205/88 (BFH/NV 1990, 79) vom erkennenden Senat vertretene Auffassung, dass konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Vollstreckungsschuldner Vermögenswerte verborgen hält, nicht vorliegen müssen, umstritten ist. Denn im Streitfall kommt den vom Kläger herausgearbeiteten Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung ohnedies nicht zu.

Wie der Senat in den grundlegenden Entscheidungen in BFH/NV 1990, 79 und vom 24. September 1991 VII R 34/90 (BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57) ausgeführt und seither in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (s. zuletzt Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember 2000 VII B 206/00, BFH/NV 2001, 577, und vom 12. Dezember 2001 VII B 318/00, BFH/NV 2002, 617) liegt die Bedeutung der Bekräftigung eines vom Vollstreckungsschuldner abgegebenen Vermögensverzeichnisses durch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung darin, dass er dort an Eides Statt versichert, er habe das Vermögensverzeichnis nach bestem Wissen und Gewissen vollständig und richtig erstellt (§ 284 Abs. 3 AO 1977). Das Gesetz mache sich damit den psychologischen Druck der Strafbarkeit einer vorsätzlichen oder falschen eidesstattlichen Versicherung (§§ 156, 163 des Strafgesetzbuches --StGB--) für die Durchsetzung der Steueransprüche zunutze. Nur so bekräftigte Erklärungen des Schuldners genügen daher nach der gesetzlichen Wertung, um dem Gläubiger der Steueransprüche zuverlässige Kenntnis über die Vermögenslage des Schuldners zu geben. Dagegen seien andere, nichtstrafbewehrte Erklärungen für sich allein, wenn sich nicht aus anderen Umständen sichere Anhaltspunkte für deren Richtigkeit ergeben, nicht ausreichend, um dem FA die sichere Überzeugung zu vermitteln, dass pfändbares Vermögen nicht vorhanden ist. Wenn der Senat dann weiter ausführt, dass konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, der Vollstreckungsschuldner halte Vermögensgegenstände verborgen, nicht verlangt werden können, weil mit der angeordneten Maßnahme der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gerade erst festgestellt werden soll, ob dies der Fall ist, so ist damit auch die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage bereits beantwortet, nämlich dass sichere Kenntnis von der Vermögenslosigkeit in der Regel erst durch die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung erlangt werden kann und dass es entscheidend auf die subjektive Überzeugung des FA davon ankommt, ob es mit der angeordneten Abgabe der eidesstattlichen Versicherung doch noch Erkenntnisse über verborgene Vermögenswerte gewinnen kann (vgl. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2001, 577, und in BFH/NV 2002, 617, sowie vom 14. August 2000 VII B 87/00, BFH/NV 2001, 147, und BFH in BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57). Naturgemäß handelt es sich hierbei um die Überprüfung und Würdigung der Umstände im konkreten Einzelfall, so dass schon deshalb die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen und deren Klärungsbedürftigkeit im Interesse der Allgemeinheit zu verneinen ist.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber die Frage nach der Überzeugungskraft eines vom Vollstreckungsschuldner vorgelegten Vermögensverzeichnisses selbst in der Weise beantwortet hat, dass nach der in § 284 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 zum Ausdruck gebrachten gesetzlichen Wertung vorrangig die Bekräftigung des abgegebenen Vermögensverzeichnisses durch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung angeordnet ist ("hat abzugeben") und dass das Ermessen der Vollstreckungsbehörde erst bei der Frage einsetzt, ob sie im konkreten Einzelfall von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung absehen kann (§ 284 Abs. 3 Satz 2 AO 1977, vgl. dazu auch Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 284 AO 1977 Rz. 54, 63, 65). Der Senat hat dazu in den Entscheidungen in BFH/NV 2002, 617, in BFH/NV 2001, 577, und vom 14. Mai 2002 VII B 52/01 (zur Veröffentlichung in BFH/NV bestimmt) bereits deutlich gemacht, dass es der Behörde in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens obliege, nach Vorlage des Vermögensverzeichnisses durch den Vollstreckungsschuldner nochmals zu prüfen, ob nicht von der Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung abgesehen werden kann. Da das Gesetz die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung auch nach Abgabe des Vermögensverzeichnisses als Regelfall ansieht, von dem abzuweichen der Behörde nur ausnahmsweise gestattet ist, wenn besondere Gründe im konkreten Einzelfall vorliegen, handelt es sich jedoch um ein sog. "intendiertes Ermessen" (dazu ausführlich Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 16. Juni 1997 3 C 22/96, Neue Juristische Wochenschrift 1998, 2233), das nur dann einer besonderen Begründung bedarf, wenn im konkreten Einzelfall besondere Gründe, die eine ausnahmsweise Abstandnahme von der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nahe legen könnten, ersichtlich sind (s. dazu Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., Rz. 65, und Urteil des FG des Saarlandes vom 31. Mai 2001 1 K 322/00, Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 1174). Hierfür müssten konkrete Anhaltspunkte erkennbar sein, die entweder eine Ermessensreduzierung auf Null begründeten oder die Nichtabnahme der Versicherung an Eides Statt nach dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als geboten erscheinen ließen. Der Senat hat in seiner Entscheidung in BFH/NV 2002, 617 die Auffassung vertreten, dass nur im Falle der subjektiven Überzeugung der Behörde von der Vollständigkeit und Richtigkeit des vorgelegten Vermögensverzeichnisses aus objektiven Gründen dann von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung abgesehen werden könnte, wenn die rückständigen Steuerschulden gering sind, der Schuldner bereits Tilgungsleistungen erbracht hat und zu erwarten ist, dass sich der Rückstand durch weitere regelmäßige Tilgungsleistungen auch weiterhin vermindern werde (ausführlich dazu Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., Rz. 67, 68).

Im Streitfall würde sich die Frage erneuter Ermessensausübung der Vollstreckungsbehörde indes schon deshalb nicht stellen, weil besondere Gründe, die ein Absehen von der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung rechtfertigen könnten, bei einem Steuer- und Abgabenrückstand von rd. 300 000 DM, auf den bisher angemessene freiwillige Tilgungsleistungen nicht erfolgt sind, nicht ersichtlich sind.

Ende der Entscheidung

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