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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.08.2000
Aktenzeichen: VII B 87/00
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO, BFHEntlG


Vorschriften:

AO 1977 § 284 Abs. 1
AO 1977 § 284
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 120 Abs. 2 Satz 2
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
BFHEntlG Art. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Finanzgericht (FG) erkannt, dass die mit Verfügung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) vom 10. Mai 1994 gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ausgesprochene Aufforderung, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen und die eidesstattliche Versicherung abzugeben, i.d.F. der dem Kläger am 30. Mai 1996 zugestellten Einspruchsentscheidung rechtmäßig ist. Das FG hielt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 284 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) für erfüllt und die behördliche Ermessensentscheidung, vom Kläger die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verlangen, frei von Ermessensfehlern. Das FG führte hierzu aus, dem FA seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers nicht bereits aus anderen Quellen bekannt gewesen. Die vom Kläger für seine gegenteilige Auffassung beantragte Hinzuziehung der Einkommensteuer- und Erlassakten hielt das FG für nicht geboten, da die vom Kläger im Veranlagungs- oder Erlassverfahren zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen abgegebenen Erklärungen nicht geeignet seien, der Behörde eine zuverlässige und sichere Kenntnis bestehender Vollstreckungsmöglichkeiten zu verschaffen. Auch im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitige Höhe der Rückstände sei ein Ermessensfehler des FA nicht erkennbar. Selbst nach der abweichenden Berechnung des Klägers verblieben im Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung noch Steuerrückstände in Höhe von 9 000 DM (das FA ist ausweislich der Anlage zur Verfügung von einem Rückstand in Höhe von 82 769,82 DM ausgegangen). Auch im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung sei ausweislich einer Aufstellung im Erörterungsschreiben des FA vom 14. März 1996, also etwa zwei Monate vor Ergehen der Einspruchsentscheidung, noch ein erheblicher Rückstand (einschließlich der neu einzubeziehenden Steuerschulden in Höhe von etwa 97 000 DM) vorhanden gewesen. Darin sei eine erneute Ausübung des Ermessens zu sehen, was für die nachfolgend ergangene Einspruchsentscheidung ausreichend sei.

Mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision aus allen drei Zulassungsgründen des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Kläger einen Grund für die Zulassung der Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, insbesondere einen Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht in einer den Anforderungen entsprechenden Weise bezeichnet hat (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Mit der Behauptung der Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG (§ 76 Abs. 1 FGO) macht der Kläger einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend, der bei ordnungsgemäßer Bezeichnung (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) grundsätzlich eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte. Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob sich aus dem Vorbringen des Klägers schlüssig die erforderlichen Angaben zum Beweisantritt und zum Beweisthema, also die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen, ergeben, denn dem Kläger kommt für seine Verfahrensrüge insoweit eine in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung anerkannte Begründungserleichterung zugute. Denn soweit das FG --wie im Streitfall-- selbst begründet hat, weshalb von der Erhebung einzelner Beweise (hier: der vom Kläger ausdrücklich beantragten Zuziehung der Einkommensteuer- und Erlassakten, die hier nicht zu den "den Streitfall betreffenden Akten" i.S. des § 71 Abs. 2 FGO gehören) abgesehen worden ist, ergeben sich die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen aus dem Urteil selbst, so dass die Forderung nach ihrer Angabe zusätzlich auch in der Beschwerdeschrift eine unnötige Förmelei darstellen würde. Es genügt daher insoweit bereits die schlichte Rüge der Nichtbefolgung des Beweisantritts den Anforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO, die auch bei einer auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützten Nichtzulassungsbeschwerde maßgeblich sind (Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 21. Juni 1988 VII R 135/85, BFHE 153, 393, BStBl II 1988, 841; Beschluss vom 30. Mai 1996 VII B 171/95, BFH/NV 1996, 912).

Allerdings gehört zur "Bezeichnung" des Verfahrensmangels eines übergangenen Beweisantrags i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106, BStBl II 1989, 727; Beschlüsse vom 12. Dezember 1994 X B 222/94, BFH/NV 1995, 787, und vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge.

Die eingangs erwähnten Begründungserleichterungen führen im Übrigen nicht etwa dazu, dass in der Beschwerdebegründung auch auf Ausführungen zum Nichteintritt eines Rügeverlustes verzichtet werden könnte. Denn unabhängig davon, ob das angefochtene Urteil Aufschluss über die angebotenen Beweismittel und die Gründe für ihre Nichtbeachtung gibt, kann das Übergehen eines Beweisantrags auf Zuziehung bestimmter Akten dann nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung seines Beweisantrags erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. den Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597). Wird in der Beschwerdeschrift nicht dargelegt, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder weshalb diese Rüge nicht möglich war, ist es auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes anzusehen, wenn eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen wird (vgl. Beschluss des BVerfG vom 19. Februar 1993 2 BvR 620/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 331).

Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG das Unterlassen der Zuziehung seiner Einkommensteuer- und Erlassakten durch seinen fachkundigen Prozessbevollmächtigten gerügt hat oder weshalb diesem die Erhebung einer solchen Rüge etwa nicht möglich gewesen wäre. Es sind aufgrund der Aktenlage auch keine Gründe dafür erkennbar, dass die rechtzeitige Rüge des behaupteten Verfahrensfehlers aufgrund des Verhaltens des FG nicht möglich gewesen wäre. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung hat das FG nach Stellung der gegenseitigen Anträge den Beschluss verkündet, dass eine Entscheidung den Beteiligten zugestellt wird. Der Kläger hat weder zu diesem Zeitpunkt noch in einem bis zum Ergehen des Urteils nachgereichten Schriftsatz die Aufmerksamkeit des Gerichts auf seinen Beweisantrag gelenkt bzw. das Übergehen gerügt. Auf die Rüge ist damit wirksam verzichtet, so dass die Beschwerde jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben kann. Gleiches hätte im Übrigen auch für die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu gelten, sollte der Kläger eine solche Rüge in der Beschwerdeschrift erhoben haben.

Der Senat braucht nach alldem die Frage nicht zu erörtern, ob die vom FG für die Nichtzuziehung der Einkommensteuer- und Erlassakten gegebene Begründung auch trägt. Zutreffend ist allerdings, dass sich die Vollstreckungsbehörde nicht auf Erklärungen und Darlegungen des Vollstreckungsschuldners, die dieser noch dazu in seinen eigenen vorgängigen Steuer- bzw. Erlassverfahren der Behörde gegenüber abgegeben oder gemacht hat, verweisen lassen muss, um allein daraus eine zuverlässige und sichere Kenntnis bestehender Vollstreckungsmöglichkeiten zu erhalten. Denn so wie sich die Behörde, will sie ihr Ermessen im Rahmen des § 284 AO 1977 pflichtgemäß ausüben, nicht mit einer vom Vollstreckungsschuldner freiwillig abgegebenen eidesstattlichen Versicherung nach den §§ 249 Abs. 2, 95 AO 1977 begnügen muss (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 24. September 1991 VII R 34/90, BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57), so haben auch sonstige Erklärungen und Darlegungen des Vollstreckungsschuldners zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen für sich allein regelmäßig keine ermessensbindende oder -einschränkende Wirkung.

2. Die vom Kläger ferner als gegeben behaupteten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) sind nicht in ausreichender Weise dargelegt bzw. bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Von näheren Ausführungen hierzu sieht der Senat nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

3. Die im Beschwerdeverfahren vor dem BFH vom Kläger beantragte Akteneinsicht (§ 78 Abs. 1 FGO) war nicht zu gewähren, denn bei einem --wie im Streitfall-- unzulässigen Rechtsmittel ist die Einsichtnahme in die dem Gericht vorliegenden Akten unter keinem Gesichtspunkt geeignet, der Verwirklichung des Rechtsschutzes zu dienen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 6. März 1997 VII R 121/96, BFH/NV 1997, 430). Ebenso unbehelflich ist der Antrag des Klägers, die Steuerakten (die das FG nicht beigezogen hat) im vorliegenden Beschwerdeverfahren beizuziehen, denn der BFH ist im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde, jedenfalls soweit es um Fragen des materiellen Rechts geht, kein Tatsachengericht.

Ende der Entscheidung

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