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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.11.2005
Aktenzeichen: VII R 16/05
Rechtsgebiete: AO 1977, EStG
Vorschriften:
AO 1977 § 37 Abs. 2 | |
AO 1977 § 44 Abs. 1 | |
EStG § 26 | |
EStG § 26b |
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die seit dem Jahr der Eheschließung zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Aus dem Abrechnungsteil des an die Kläger gerichteten Bescheids für 2000 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag ergaben sich (u.a.) Erstattungsansprüche der Kläger in Höhe von ... DM Einkommensteuer und ... DM Solidaritätszuschlag, die aus der Verrechnung der festgesetzten Steuern mit den gegen beide Eheleute festgesetzten und geleisteten Vorauszahlungen resultierten. Auf Antrag der Klägerin und aufgrund entsprechender Abtretungsanzeigen der Kläger verrechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Erstattungsbetrag Einkommensteuer zum Teil mit Umsatzsteuerschulden der Klägerin. Hinsichtlich des verbleibenden Erstattungsbetrags von ... DM Einkommensteuer und des Erstattungsbetrags von ... DM Solidaritätszuschlag teilte das FA mit, dass es von einer hälftigen Aufteilung dieser Beträge auf die Eheleute, mithin von einem Erstattungsanspruch des Klägers in Höhe von insgesamt ... DM ausgehe, der mit Einkommensteuerforderungen gegen den Kläger der Veranlagungszeiträume 1979, 1989 und 1990 verrechnet werde. Nachdem die Kläger dieser Aufteilung widersprochen hatten, erteilte das FA einen entsprechenden Abrechnungsbescheid; der Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 746 veröffentlichten Gründen statt und änderte den angefochtenen Abrechnungsbescheid dahin, dass für die Klägerin noch ein Erstattungsanspruch in Höhe von ... DM festgestellt wurde.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des materiellen Rechts. Das angefochtene Urteil entspreche nicht der Auslegung des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) durch die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach im Allgemeinen anzunehmen sei, dass die Leistungen eines Ehegatten an das FA auch die Steuerschuld des anderen, mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen sollten, sofern dieser Annahme nicht ausdrückliche Absichtsbekundungen entgegenstünden. Da es auf die dem FA im Zeitpunkt der Zahlung erkennbaren Umstände ankomme, könne nicht vom FA erwartet werden, dass es eine Prognose darüber anstelle, ob die angenommene auch auf die Steuerschuld des jeweils anderen bezogene Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten für diesen wirtschaftlich unvernünftig sein könnte.
Die Kläger schließen sich der Rechtsauffassung des FG an und verweisen erneut darauf, dass die Festsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen in der Vergangenheit nur auf den Einkünften der Klägerin aus Gewerbebetrieb beruht habe und dass der Klägerin keine Tilgungsabsicht für die Einkommensteuer 2000 des Klägers unterstellt werden könne, weil aufgrund der dem FA bekannten Vermögens- und Ertragssituation eine festzusetzende Einkommensteuer für den Kläger nicht habe entstehen können.
Wegen eines geänderten und inzwischen rechtsbeständigen Bescheids für 2000 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag mit jeweils höheren Steuerfestsetzungen hat das FA den angefochtenen Abrechnungsbescheid im Revisionsverfahren geändert und einen geänderten Abrechnungsbescheid erlassen, mit dem auf der Grundlage der bisherigen Abrechnung die Tilgung bzw. Fälligkeit der nunmehr noch zu leistenden Zahlungen festgestellt wird.
II.
Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Streitgegenstand ist nach § 68 Satz 1 FGO, der nach § 121 Satz 1 FGO auch im Revisionsverfahren gilt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 121 Rz. 1), der Abrechnungsbescheid vom ..., welcher den angefochtenen Abrechnungsbescheid vom ... geändert hat. Da der Abrechnungsbescheid vom ... die streitige Aufteilung der Erstattungsbeträge auf die Kläger nach Kopfteilen unverändert gelassen hat und der geänderte Teil der Abrechnung zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, kommt eine Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 127 FGO nicht in Betracht. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache spruchreif ist.
Der Abrechnungsbescheid vom ... ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klägerin ist hinsichtlich des streitigen Erstattungsbetrags nicht anspruchsberechtigt.
Nach § 37 Abs. 2 AO 1977 ist erstattungsberechtigt derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Das ist nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. Dies gilt auch für den Fall, dass mehrere Personen als Gesamtschuldner die überzahlte Steuer schuldeten, wie es bei zusammen veranlagten Ehegatten hinsichtlich der Einkommensteuer und der daran anknüpfenden Steuern der Fall ist (§ 26b des Einkommensteuergesetzes --EStG--, § 44 Abs. 1 AO 1977); auch hier steht der Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. In Ermangelung entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen kann allerdings das FA als Zahlungsempfänger, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben, was nach § 26 Abs. 1 EStG Voraussetzung für die Zusammenveranlagung ist, davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41; vom 4. April 1995 VII R 82/94, BFHE 177, 224, BStBl II 1995, 492; vom 18. Februar 1997 VII R 117/95, BFH/NV 1997, 482). Soweit also im Zeitpunkt der Zahlung Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen, ist davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer auf Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist. Das hat zur Folge, dass beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO 1977 erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist dann --wie im Streitfall geschehen-- zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen.
An dieser Rechtsauffassung hat der Senat auch in jüngerer Zeit stets festgehalten (Senatsbeschlüsse vom 10. Februar 2000 VII B 152/99, BFH/NV 2000, 940; vom 4. November 2003 VII B 382/02, BFH/NV 2004, 314; vom 30. Januar 2004 VII B 157/03, nicht veröffentlicht --n.v.--; vom 15. April 2004 VII B 63/03, BFH/NV 2004, 1214; vom 18. November 2004 VII B 107/04, BFH/NV 2005, 830; vom 3. Dezember 2004 VII B 114/04, n.v.; vom 11. Januar 2005 VII B 136/04, BFH/NV 2005, 833; vom 22. Februar 2005 VII B 33/04, n.v.).
Anders als das FG meint, gibt auch der Streitfall keinen Anlass, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen. Die Ansicht des FG, dass die Rechtsprechung des Senats Ehegatten als Gesamtschuldner sowohl gegenüber getrennt lebenden Ehegatten als auch gegenüber anderen Gesamtschuldnern ungerechtfertigt benachteilige und dass sie im Widerspruch zur wirtschaftlichen Interessenlage der Ehegatten stehe, trifft nicht zu. Zum einen findet --soweit Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht fehlen-- die Annahme einer Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten auch für die Steuerschulden des anderen Ehegatten ihre Rechtfertigung in der bei nicht dauernd getrennt lebenden Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1997, 482), die nach § 26 EStG Voraussetzung für die beantragte Zusammenveranlagung ist und die bei getrennt lebenden Eheleuten und anderen Gesamtschuldnern nicht vorliegt. Zum anderen ist die Wirkung der Zahlung der Einkommensteuer durch einen Ehegatten auf Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner keineswegs stets nachteilig für die Eheleute. Im Streitfall hat zwar die hälftige Aufteilung des Erstattungsbetrags auf die Kläger zu einer Aufrechnungsmöglichkeit des FA gegenüber dem Kläger geführt, weil gegen diesen offene Steuerforderungen bestanden; im Fall einer allein gegenüber der Klägerin bestehenden Aufrechnungslage oder eines gepfändeten oder abgetretenen Erstattungsanspruchs der Klägerin wäre dagegen die hälftige Aufteilung des Erstattungsbetrags für die Kläger von Vorteil gewesen.
Der Senat hat auch bereits entschieden, dass die vermutete Zahlung auch auf Rechnung des jeweils anderen Ehegatten ungeachtet des Güterstandes der Eheleute, der für die Zusammenveranlagung keine Rolle spielt, gerechtfertigt ist (Senatsurteil in BFH/NV 1997, 482), und dass insoweit auch das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20. März 2002 XII ZR 176/00 (Neue Juristische Wochenschrift 2002, 1570) nicht entgegensteht, da diese Entscheidung zu der Frage des gesamtschuldnerischen Ausgleichs zwischen Ehegatten ergangen ist, welche gemeinsam veranlagt worden sind und von denen einer die Einkommensteuervorauszahlungen entrichtet hat, während die Rechtsprechung des Senats auf § 37 Abs. 2 AO 1977 beruht, mithin das Steuerrechtsverhältnis und nicht das Verhältnis zwischen einzelnen Steuerpflichtigen betrifft (Senatsbeschluss in BFH/NV 2005, 830). Im Übrigen hat auch der BGH in jener Entscheidung die Ansicht vertreten, dass bei bestehender ehelicher Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft die Annahme gerechtfertigt ist, dass derjenige, der die Zahlung auf die gemeinsame Schuld bewirkt, nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen von seiner Schuld befreien will, ohne von ihm Rückgriff zu nehmen.
Im Streitfall kann nach den Feststellungen des FG nicht davon ausgegangen werden, dass dem FA in dem maßgeblichen Zeitpunkt, als die Einkommensteuer-Vorauszahlungen geleistet wurden (vgl. insoweit Senatsurteil in BFH/NV 1997, 482; Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 940), eine hiervon abweichende Tilgungsabsicht der Klägerin erkennbar war. Insoweit ist es unerheblich --was auch das FG nicht verkannt hat--, dass die Vorauszahlungen durch die Klägerin von ihrem betrieblichen Konto geleistet wurden, weil es im Rahmen einer bestehenden Ehe als Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft oft von Zufälligkeiten wie der Aufgabenverteilung und Zeiteinteilung der Ehegatten abhängt, welcher von ihnen die Zahlung der Einkommensteuer durch Bareinzahlung oder Überweisung vom eigenen oder gemeinsamen Bankkonto tatsächlich besorgt; von der Zufälligkeit des jeweils zahlenden Ehegatten kann mithin nicht auf einen bestimmten Tilgungswillen geschlossen werden. Anders als in sonstigen Fällen der Gesamtschuldnerschaft ist daher bei gemeinsam veranlagten Eheleuten in bestehender ehelicher Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht ohne weiteres der Schluss gerechtfertigt, dass der jeweils zahlende Gesamtschuldner nur seine eigene Steuerschuld tilgen will (Senatsurteile in BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41; in BFHE 177, 224, BStBl II 1995, 492; Senatsbeschluss in BFH/NV 2005, 830).
Anders als das FG meint, kommt es aber auch nicht darauf an, dass die gegen die Kläger festgesetzten Einkommensteuer-Vorauszahlungen ausschließlich auf den gewerblichen Einkünften der Klägerin beruhten, denn es spielt hinsichtlich der Tilgungsabsicht keine Rolle, welcher der Ehegatten in seiner Person Tatbestände verwirklicht hat, die zum Entstehen der die Eheleute als Gesamtschuldner treffenden Steuerschuld geführt haben (Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2000, 940; in BFH/NV 2004, 314; und in BFH/NV 2004, 1214).
Schließlich war auch die wirtschaftliche Interessenlage auf Seiten der Klägerin, derzufolge es für sie --wie das FG meint-- in Anbetracht der geringen Einkünfte und der aus vorehelicher Zeit stammenden Steuerschulden des Klägers keinen vernünftigen Grund gab, auf dessen Schuld Vorauszahlungen zu leisten und sich selbst eines möglichen eigenen Erstattungsanspruchs zu begeben, für das FA im Zeitpunkt der Zahlung nicht erkennbar. Weder konnte und musste das FA im Zeitpunkt der Zahlung Vermutungen darüber anstellen, ob der Kläger auch im Veranlagungszeitraum 2000 wieder nur über geringe, unter dem Grundfreibetrag liegende Einkünfte und die Klägerin demgegenüber unverändert über höhere Einkünfte verfügen würden, noch darüber, ob die Steuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum 2000 nach Verrechnung mit den geleisteten Vorauszahlungen zu einem Erstattungsanspruch der Kläger und bei hälftiger Aufteilung dieses Betrags zu einer Aufrechnungslage gegenüber dem Kläger wegen dessen noch offener Steuerschulden führen würde. Ob sich die Einkommensverhältnisse des aktuellen Veranlagungszeitraums im Vergleich zu dem Veranlagungszeitraum, auf dem die Festsetzung der Vorauszahlungen beruht, in einer Weise verändert haben, dass die Leistung der Steuervorauszahlungen voraussichtlich zu einem Steuererstattungsanspruch führen wird, und ob sich die hälftige Aufteilung des möglichen Erstattungsanspruchs aufgrund besonderer Umstände wirtschaftlich nachteilig für die Eheleute auswirken könnte oder aus sonstigen Gründen eine unerwünschte Folge wäre, kann allein von den Eheleuten selbst beurteilt werden. Um derartige nachteilige bzw. unerwünschte Folgen zu vermeiden, bedarf es lediglich eines Hinweises an das FA im Zeitpunkt der Leistung der Steuervorauszahlung, auf wessen Rechnung diese Zahlung bewirkt werden soll. Dieser Hinweis auf eine bestehende bestimmte Tilgungsabsicht ist den Eheleuten eher zuzumuten, als es dem FA zuzumuten wäre, einen mutmaßlichen Tilgungswillen des kommentarlos auf die gemeinsame Steuerschuld zahlenden Ehegatten zu ermitteln.
Ende der Entscheidung
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