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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.05.2007
Aktenzeichen: VII R 18/05
Rechtsgebiete: AO, BGB, GesO, InsO


Vorschriften:

AO § 37
AO § 73
AO § 191 Abs. 1
AO § 220 Abs. 2
AO § 226 Abs. 1
AO § 226 Abs. 4
BGB § 387
GesO § 7 Abs. 5
InsO § 95 Abs. 1 Satz 3
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 1
1. Besteht zwischen einer Haftungsforderung und einem Erstattungsanspruch (hier: hinsichtlich des Bundesanteils von einer Organgesellschaft gezahlter Umsatzsteuer) materiell-rechtlich Gegenseitigkeit, kann die Körperschaft, welche den Erstattungsanspruch verwaltet, die Aufrechnung erklären, selbst wenn sie nicht Gläubiger der Haftungsforderung ist und diese auch nicht verwaltet.

2. Das FA kann in einem Insolvenzverfahren mit Haftungsforderungen aufrechnen, die vor der Eröffnung des Verfahrens entstanden sind, ohne dass es des vorherigen Erlasses eines Haftungsbescheides, der Feststellung der Haftungsforderung oder ihrer Anmeldung zur Tabelle bedarf (Fortführung des Urteils vom 4. Mai 2004 VII R 45/03, BFHE 205, 409, BStBl II 2004, 815).


Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verwaltet in einem im September 1997 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren das Vermögen einer GmbH (im Folgenden: Gemeinschuldnerin). Diese ist vom Finanzamt B durch als Berechnung bezeichnetes Schreiben vom Februar 2000 als Organgesellschaft für rückständige Umsatzsteuern der Organträgerin aus den Jahren 1995 bis 1997 in Haftung genommen worden. Dem steht ein Umsatzsteuerguthaben der Gemeinschuldnerin für die Jahre 1994 bis 1997 gegenüber, das in dem bestandskräftigen Abrechnungsbescheid des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --FA--) vom Juli 2002 festgestellt worden ist; die Umsatzsteuerbescheide 1994 und 1995 hatte das FA zuvor aufgehoben. Ein Teilbetrag hiervon ist der Klägerin erstattet worden, ein weiterer Teilbetrag ist vom FA mit der Haftungsforderung des Finanzamts B auf dessen Ersuchen, hiergegen den Bundesanteil des Erstattungsbetrages aufzurechnen, durch den angefochtenen Abrechnungsbescheid vom Februar 2004 verrechnet worden.

Hiergegen hat die Klägerin mit Zustimmung des FA Sprungklage erhoben. Das Finanzgericht (FG) hat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1906 veröffentlichten Urteil festgestellt, dass zugunsten der Klägerin ein Erstattungsanspruch fortbestehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA.

Die Klägerin trägt vor, die Aufrechnung des beklagten FA sei unwirksam, weil es an einer Aufrechnungslage gefehlt habe. Es habe keine wirksame Gegenforderung i.S. des § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gegeben. Im Gesamtvollstreckungsverfahren entstehe eine solche erst durch die Anmeldung der Forderung des FA zur Tabelle oder die Eintragung der Forderung in die Tabelle. Dieser Beurteilung stehe das Urteil des Senats vom 4. Mai 2004 VII R 45/03 (BFHE 205, 409, BStBl II 2004, 815) nicht entgegen, weil der Senat dort nur entschieden habe, dass die Fälligkeit der Gegenforderung ungeachtet ihrer Festsetzung oder ihrer Anmeldung und Eintragung in die Tabelle eintrete.

Darüber hinaus fehle es an der Gegenseitigkeit von Forderung (Umsatzsteuererstattungsanspruch) und Gegenforderung (Haftungsanspruch). Da der Erstattungsanspruch gegenüber dem beklagten FA, der Haftungsanspruch jedoch gegenüber dem Finanzamt B entstanden sei, habe zunächst keine Gläubiger- und Schuldneridentität vorgelegen. Diese ergebe sich auch nicht aus § 226 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO), da die Verwaltung von Forderung und Gegenforderung verschiedenen Körperschaften zugestanden habe. Die Gegenseitigkeit von Haupt- und Gegenforderung ergebe sich nach § 226 Abs. 4 AO ebenso wenig aus der Ertragshoheit des Bundes an dem allein streitgegenständlichen Umsatzsteueranteil. Schuldner des Umsatzsteuererstattungsanspruches sei nämlich das beklagte FA, weil es Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO gewesen sei. Die Körperschaft, der (nur) die Ertragshoheit zustehe, sei nicht Leistungsempfänger im Sinne dieser Vorschrift. Im Übrigen gebe es keinen Bundesanteil an den von der Gemeinschuldnerin gezahlten Umsatzsteuerbeträgen, denn die betreffenden Zahlungen seien ohne Rechtsgrund erfolgt, hätten also nicht dem Bund "zugestanden".

Selbst wenn man Gegenseitigkeit hinsichtlich des Bundesanteils der geleisteten Zahlungen und des Haftungsanspruches bejahe, habe nicht das beklagte FA, sondern nur der Bund die Aufrechnung erklären können. Zudem fehle es an Feststellungen dahin, dass der restliche Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin dem aufrechenbaren Bundesanteil entspreche. Das FA habe zwei Auszahlungen mit dem Verwendungszweck "... USt 1994 bis 1997 ..." und "... USt 1994 ..." vorgenommen, deren Tilgungsreihenfolge in entsprechender Anwendung des § 366 Abs. 2 BGB dahin zu bestimmen sei, dass der Reihe nach die Erstattungsansprüche Umsatzsteuer 1994, 1995 und 1996 getilgt worden sind. Das FA habe danach nur noch den Bundesanteil an der Umsatzsteuer 1996 aufrechnen können, sowie bezüglich der Erstattungsansprüche für Umsatzsteuer Januar, April und Juni 1997.

Die Klägerin ist ferner der Auffassung, dass der Aufrechnung § 7 Abs. 5 der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) entgegenstehe. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens habe nämlich eine Aufrechnungslage jedenfalls noch nicht bestanden. Denn die Hauptforderung (der Erstattungsanspruch) sei noch nicht erfüllbar gewesen, weil sie erst infolge Aufhebung der gegen die Gemeinschuldnerin ergangenen Umsatzsteuerfestsetzung nach Eröffnung des Verfahrens entstanden sei.

Letztendlich stehe aber der Aufrechnung der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen, weil das Finanzamt B seinen Haftungsanspruch i.S. des § 14 GesO verspätet angemeldet habe und durch die Aufrechnung in die Lage versetzt werde, die deshalb zurückgewiesene Forderung zu befriedigen und dadurch die vorgenannte Gläubigerschutzvorschrift zu umgehen.

II.

A. ...

B. Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 FGO). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO) und ist auch im Ergebnis nicht richtig (§ 126 Abs. 4 FGO).

Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gelten sinngemäß die Vorschriften des BGB (§ 226 Abs. 1 AO). Die Wirksamkeit der Aufrechnung, über die zwischen den Beteiligten Streit besteht, richtet sich folglich nach § 387 BGB. Sie setzt voraus, dass das FA im Zeitpunkt seiner Aufrechnungserklärung gegen die Gemeinschuldnerin fällige Gegenforderungen hatte, die dem von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin (Hauptforderung) als gleichartige Forderungen gegenüberstanden.

Dies ist entgegen der Ansicht der Klägerin der Fall, und es stehen der Aufrechnung des FA auch keine gesamtvollstreckungsrechtlichen Aufrechnungsverbote entgegen.

1. Ein Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin ergab sich, wie das FG richtig ausgeführt hat, --jedenfalls-- daraus, dass er vom FA so festgestellt worden ist, wie die Klägerin ihn geltend macht; ob er so hätte festgestellt werden dürfen, insbesondere ob zuvor die Voranmeldungen für 1996 hätten aufgehoben oder die Jahressteuer auf Null hätte festgesetzt werden müssen, ist angesichts der Bestandskraft des Abrechnungsbescheides vom Juli 2002 ohne Belang.

2. Die Aufrechnung des FA gegen diesen Anspruch scheitert nicht bereits daran, dass die gegen jenen Anspruch verrechnete Haftungsforderung mangels Festsetzung durch Verwaltungsakt oder der einer Festsetzung gleichstehenden Feststellung des Haftungsanspruches zur Tabelle keine wirksame (Gegen-)Forderung darstellte, die Haftungssumme also nicht i.S. des § 387 BGB von dem aufrechnenden FA als eine ihm "gebührende Leistung" gefordert werden konnte.

Der zur Aufrechnung verwandte Haftungsanspruch war vor der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens insolvenzrechtlich entstanden. Aus der von der Klägerin angeführten Senatsrechtsprechung ist, anders als diese meint, nicht zu folgern, dass eine Aufrechnung nur mit durch Verwaltungsakt festgesetzten Gegenforderungen in Betracht kommt; die Entscheidungen betreffen vielmehr Fallgestaltungen, in denen ein solcher Verwaltungsakt tatsächlich ergangen, jedoch nicht bestandskräftig war, und machen insofern die Wirksamkeit der Aufrechnung davon abhängig, dass der Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Hingegen ergibt sich aus den Erwägungen des von der Klägerin selbst angeführten Urteils des Senats in BFHE 205, 409, BStBl II 2004, 815, dass eine Aufrechnung auch mit nicht festgesetzten Gegenforderungen zulässig ist. § 387 BGB ist nämlich im Insolvenzsteuerrecht mit der Maßgabe anzuwenden, dass das FA im Insolvenz- bzw. Gesamtvollstreckungsverfahren steuerliche Leistungen auch dann fordern kann, wenn es sie nicht mit Verwaltungsakt festgesetzt oder zur Tabelle angemeldet hat bzw. die materiell-rechtlich bestehende Forderung nicht zur Tabelle festgestellt worden ist. § 218 Abs. 1 AO, wonach die Steuerbescheide Grundlage der Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind, wird durch die Vorschriften der GesO überlagert, nach denen ein Steuerbescheid nach Eröffnung des Verfahrens gerade nicht mehr ergehen darf, sondern sich die Verwirklichung der Rechte der Gläubiger des Schuldners --nicht anders als im früheren Konkursverfahren und im Verfahren nach der Insolvenzordnung-- ausschließlich nach Maßgabe der GesO richtet. Diese verlangt für eine Aufrechnung keine Feststellung der Gegenforderung, weder eine solche durch Verwaltungsakt noch eine solche zur Tabelle.

3. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Gegenforderung waren gegeben. Denn nach § 73 Satz 1 AO haftet eine Organgesellschaft, wie es die Gemeinschuldnerin ist, für Steuern des Organträgers (sofern die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist). Das Bestehen eines Haftungsanspruches des FA setzt also nichts anderes als das Bestehen einer steuerrechtlich bedeutsamen Organschaft sowie das Entstehen einer Steuer zulasten des Organträgers voraus. Mithin ist der Haftungsanspruch, wie die Revision richtig vorträgt, mit dem Ablauf der jeweiligen Voranmeldungszeiträume, auf die sich die Haftung bezieht, materiell-rechtlich entstanden.

4. Der Aufrechnung steht anders als die Klägerin meint nicht entgegen, dass bei Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Umsatzsteuerfestsetzungen gegen die Gemeinschuldnerin noch Bestand hatten, deren Erstattungsanspruch gegen das FA (Hauptforderung) also steuerverfahrensrechtlich noch nicht entstanden war. Denn bei einer Aufrechnung muss die gegen den Aufrechnenden gerichtete (Haupt-)Forderung weder wirksam noch fällig, sondern nur "erfüllbar" sein; der Aufrechnende muss mit anderen Worten i.S. des § 387 BGB die ihm obliegende Leistung bewirken können.

Das FA kann eine materiell zu Urecht gezahlte Steuer dem Steuerpflichtigen erstatten, auch wenn die Steuerfestsetzung noch nicht aufgehoben worden ist, obgleich der Anspruch des Steuerpflichtigen auf eine solche Zahlung erst mit der Aufhebung dieser Festsetzungen entsteht. Das insolvenzrechtliche Entstehen eines Steuererstattungsanspruches ist nämlich erstens unabhängig von seiner Festsetzung in einem Erstattungsbescheid (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Mai 1979 VIII R 58/77, BFHE 128, 146, BStBl II 1979, 639; vom 6. Februar 1990 VII R 86/88, BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523, 524; vom 29. Januar 1991 VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791, und vom 13. Januar 2000 VII R 91/98, BFHE 191, 5, BStBl II 2000, 246) und zweitens nicht nur vor einer solchen Festsetzung, sondern selbst dann "erfüllbar", wenn dem steuerrechtlichen Entstehen eines solchen Anspruches noch (materiell rechtswidrige) Steuerfestsetzungen als Rechtsgrund der zu erstattenden Leistung entgegenstehen (vgl. Senatsurteil vom 26. April 1994 VII R 109/93, BFH/NV 1994, 839; FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 12. Juli 2005 3 K 1669/02, EFG 2006, 1480). Denn ein steuerlicher Anspruch ist in einer die Anwendung des § 387 BGB rechtfertigenden Weise existent und erfüllbar, wenn er i.S. des § 38 AO entstanden ist, d.h. der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 3. Mai 1991 V R 105/86, BFH/NV 1992, 77, und vom 10. November 1953 I 108/52 S, BFHE 58, 294, BStBl III 1954, 26) gilt dies auch für einen Steuererstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO). Es ist deshalb in diesem Zusammenhang (insolvenzrechtlich) ausreichend, dass der Sachverhalt (hier: Bestehen einer Organschaft) verwirklicht ist, der zu der Entstehung des Steuer(erstattungs)anspruches führt (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 2004 VII R 69/03, BFHE 208, 10, BStBl II 2005, 195, und vom 16. November 2004 VII R 75/03, BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193). Dies war, was keiner näheren Ausführung bedarf, schon vor Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens und allemal im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA der Fall.

5. Es handelt sich bei der vom FA zur Aufrechnung verwandten Gegenforderung, also dem vom Finanzamt B nach § 73 AO geltend gemachten Haftungsanspruch, und den Erstattungsforderungen der Gemeinschuldnerin auch um gegenseitige Forderungen.

Gläubiger der Haftungsforderung waren allerdings der Bund, soweit es um seinen Umsatzsteueranteil geht, der hier allein vom Streit betroffen ist, sowie --fiktiv-- das (nordrhein-westfälische) Finanzamt B, welches den Haftungsanspruch zu verwalten hatte (vgl. § 226 Abs. 4 AO); hingegen richtete sich der Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin gegen das beklagte FA, welches die Aufrechnung erklärt hat, bzw. das Land Brandenburg, an welches die Gemeinschuldnerin Zahlungen erbracht hat, für die der Rechtsgrund fehlte oder jedenfalls inzwischen --infolge Aufhebung der entsprechenden Umsatzsteuerfestsetzungen-- weggefallen ist.

Dass die so gesehen fehlende Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung im Streitfall dadurch hätte hergestellt werden können, dass diese an das beklagte FA abgetreten wird, wie der erkennende Senat erwogen hat, bezweifelt die Klägerin mit triftigen Gründen, weil eine solche Abtretung --sofern sie zwischen Hoheitsträgern überhaupt zulässig ist, was vielfach bezweifelt wird (vgl. aber Senatsurteil vom 15. Juni 1999 VII R 3/97, BFHE 189, 14, BStBl II 2000, 46)-- zu spät gekommen sein dürfte, da nach den Umständen davon ausgegangen werden muss, dass sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erklärt worden ist (und mangels Aufdeckung der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft sie zu erklären auch noch gar kein Anlass bestand), und da ungeachtet des Fehlens eines entsprechenden Aufrechnungsverbots in der GesO auch im Gesamtvollstreckungsverfahren § 55 Satz 1 Nr. 1 der Konkursordnung bzw. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO analog anzuwenden sein dürfte, der eine Aufrechnung mit erst nach Verfahrenseröffnung erworbenen Gegenforderungen ausschließt (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 27. Februar 1997 IX ZR 79/96, BGHZ 135, 39).

Die Gegenseitigkeit ergibt sich aber bereits aus § 226 Abs. 4 AO. Nach dieser Vorschrift gilt für die Aufrechnung als Gläubiger und Schuldner eines Anspruches aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet.

Das beklagte FA verwaltet (auch) den Bundesanteil an der Umsatzsteuer, auf welche die Klägerin als Organgesellschaft rechtsgrundlose Leistungen erbracht hat. Es gilt deshalb ungeachtet des von der Klägerin hervorgehobenen Umstandes, dass es diese Leistungen tatsächlich --allerdings auf Rechnung des Bundes-- erhalten hat und deshalb als Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 AO anzusehen sein mag, als Schuldner der Umsatzsteuererstattungen. Ob der Bund Schuldner auf seinen vermeintlichen Umsatzsteueranteil rechtsgrundlos geleisteter Zahlungen ist, was die Klägerin bezweifelt, ist folglich ohne Bedeutung; schon deshalb bedarf es keines näheren Eingehens auf das von der Klägerin in Bezug genommene Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. November 1984 2 BvL 19/83 u.a. (BVerfGE 67, 256, BStBl II 1984, 858), das überdies eine Zwangsanleihe betrifft und Zahlungen hierauf nicht als (dem Bund zustehende) Steuern einordnet, für eine rechtsgrundlose Zahlung, die auf eine Forderung geleistet worden ist, die unzweifelhaft eine Steuer betraf, wenn sie auch zu Unrecht erhoben (bzw. von der Gemeinschuldnerin im Rahmen ihrer Steueranmeldungen für gegeben erachtet) wurde, hat dieses Urteil indes keine Bedeutung.

Aus § 226 Abs. 4 AO ergibt sich dessen Wortlaut nach nicht ohne weiteres, dass das beklagte FA --fiktiv-- als Gläubiger auch des dem Bund zustehenden Teils des Umsatzsteuer-Haftungsanspruches gilt, obwohl die Verwaltungszuständigkeit für die Haftungsinanspruchnahme der Gemeinschuldnerin gerade nicht dem beklagten FA, sondern dem Finanzamt B als dem für die Organträgerin zuständigen FA zusteht.

Indes ist es aufgrund dieser Gesetzesvorschrift für eine Aufrechnung anders als die Klägerin meint nicht erforderlich, dass die aufrechnende Körperschaft sowohl Gläubiger als auch Schuldner der betreffenden steuerlichen Forderungen ist. Die Aufrechnung kann nach § 387 BGB, der gemäß § 226 Abs. 1 AO im Steuerrecht sinngemäß gilt, zwar nur von denjenigen erklärt werden, die "einander Leistungen schulden". Würde man daraus den Schluss ziehen, dass eine Aufrechnung nicht möglich sei, wenn die Körperschaft, der die aufrechnende Behörde angehört, hinsichtlich beider Forderungen nicht materiell berechtigt bzw. verpflichtet ist, wäre eine Aufrechnung von steuerlichen Forderungen gegen den Bund mit solchen des Bundes weitgehend praktisch unmöglich, weil die Verwaltung solcher Forderungen im Allgemeinen den Behörden der Länder zusteht. Wenn § 226 Abs. 4 AO die Verwaltungshoheit fiktiv für die Gläubiger- und Schuldnerstellung genügen lässt, ist dies vielmehr dahin zu verstehen, dass eine Körperschaft, die eine steuerliche Forderung verwaltet, die Aufrechnung --vorbehaltlich ihrer verwaltungsmäßigen Zuständigkeit-- materiell-rechtlich im Gegenseitigkeitsverhältnis stehender Forderungen (hier: des Bundes) erklären kann, selbst wenn sie nicht Gläubiger und Schuldner der beiden betreffenden Forderungen ist und auch nicht beide Forderungen verwaltet (so im Ergebnis offenbar auch Stadie, Umsatzsteuer-Rundschau 2000, 87).

So liegt es hier. Der Bund ist hinsichtlich der strittigen Erstattung ebenso wie hinsichtlich der Haftungsforderung materiell verpflichtet bzw. berechtigt; dem Bund fehlt allerdings die Verwaltungshoheit sowohl hinsichtlich der Hauptforderung wie der Gegenforderung. Deshalb hätte der Bund gleichsam materiell-rechtlich gesehen im Streitfall die Aufrechnung erklären können, worauf die Klägerin selbst sinngemäß hinweist. Nach § 124 der Reichsabgabenordnung ebenso wie nach der ursprünglichen Fassung des § 226 Abs. 4 AO hätte diese materiell-rechtliche Aufrechnungsbefugnis das beklagte FA für den Bund ausüben können. Die --mehrmalige-- Neufassung dieser Vorschrift sollte diese Aufrechungsmöglichkeit des Fiskus nicht einschränken, sondern eine Aufrechung erleichtern und insbesondere von einer vorherigen Abtretung zwischen den beteiligten Hoheitsträgern unabhängig machen (vgl. Frotscher in Schwarz, AO, § 226 Rz 14).

6. Wenn wie hier die Behörden mehrerer Körperschaften an der Verwaltung gegenseitiger Forderungen des Bundes bzw. gegen den Bund beteiligt sind, kann danach nur fraglich sein, welcher Behörde eine Aufrechnungsbefugnis zusteht. Diese Frage ist nach den Regeln der allgemeinen Verwaltungszuständigkeit zu beantworten. Für das beklagte FA ergibt sich eine Zuständigkeit jedenfalls aus § 24 AO; denn als erstattungspflichtiges FA musste es bei Gefahr eines Rechtsverlustes des Fiskus die Möglichkeit prüfen, die Erstattungsforderung auf andere Weise als durch Zahlung zu tilgen; es hatte mithin im Sinne vorgenannter Vorschrift Anlass zu der im Streit stehenden Amtshandlung (im Ergebnis ebenso Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 226 Nr. 4).

7. Der Aufrechnung des beklagten FA kann auch nicht mangelnde Gleichartigkeit von Haupt- und Gegenforderung deshalb entgegengehalten werden, weil es sich bei der zu erstattenden Steuer nicht um (den Bundesanteil der) Umsatzsteuer handele, da Umsatzsteuer zulasten der Gemeinschuldnerin nicht entstanden sei, diese vielmehr auf eine vermeintliche Steuerschuld geleistet habe. Denn abgesehen davon, dass dies an der umsatzsteuerrechtlichen Tilgungsbestimmung der Zahlungen der Gemeinschuldnerin nichts ändert, setzt die Gleichartigkeit der aufzurechnenden Forderungen, die § 387 BGB verlangt, nur voraus, dass beide auf Geld gleicher Währungseinheit lauten, nicht etwa, dass sie die gleiche Steuer betreffen (vgl. Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 226 Rz 25).

8. Wie das FG richtig erkannt hat, hängt jedoch die Wirksamkeit der Aufrechnung weiter davon ab, dass die Haftungsforderung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung fällig war. Denn auch dies verlangt § 387 BGB. Die Annahme des FG, es habe an der Fälligkeit der Gegenforderung gefehlt, beruht indes auf Rechtsirrtum.

Nach dem Urteil des erkennenden Senats in BFHE 205, 409, BStBl II 2004, 815 kann ein FA im Insolvenzverfahren mit Forderungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, aufrechnen, ohne dass es deren vorheriger Festsetzung, Feststellung oder Anmeldung zur Insolvenztabelle bedarf. Dies gilt, wie keiner weiteren Vertiefung bedarf, auch im Gesamtvollstreckungsverfahren.

Die von dem Senat in vorgenanntem Urteil angestellten Überlegungen gelten auch für Haftungsansprüche. Denn nicht anders als bei Steueransprüchen ist das FA bei ihnen von der Verfahrenseröffnung an gehindert, seinen Anspruch gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Verwaltungsakt (Bescheid) festzusetzen. Das hat Folgen (auch) für die Fälligkeit eines solchen Anspruches im Insolvenz- bzw. Gesamtvollstreckungsverfahren. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen nach § 37 Abs. 1 AO auch ein Haftungsanspruch gehört, werden nämlich nach § 220 Abs. 2 Satz 2 AO zwar erst mit der Bekanntgabe ihrer Festsetzung fällig, wenn sich der Anspruch aus der Festsetzung ergibt, d.h. wenn er einer Festsetzung bedarf, wie es bei Haftungsansprüchen gemäß § 191 Abs. 1 AO an sich der Fall ist. Aus den gleichen Gründen wie bei Steuern kann diese Vorschrift jedoch bei Haftungsansprüchen von dem Zeitpunkt an nicht angewandt werden, in dem das Insolvenzrecht --hier: die GesO-- den Erlass eines solchen Bescheides ausschließt; es greift dann die Grundregel des § 220 Abs. 2 Satz 1 AO ein, wonach Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis mit ihrer Entstehung fällig werden.

Dass eine Haftungsinanspruchnahme nach § 191 Abs. 1 AO eine Ermessensentscheidung erfordert, ändert daran nichts. Denn die Ermessensausübung einer Behörde setzt nicht notwendigerweise den Erlass eines Verwaltungsaktes voraus; Ermessen kann auch anderweit zum Ausdruck gebracht werden, z.B. durch schlichtes Verwaltungshandeln wie das Geltendmachen einer Haftungsforderung in einem Insolvenz- oder Gesamtvollstreckungsverfahren. Keine Vorschrift verlangt auch, dass sich die für eine Haftungsinanspruchnahme erforderliche Ermessensausübung sich in der (rechtzeitigen) Anmeldung der Haftungsforderung zur Tabelle niederschlägt, so dass der Senat auch nicht der Annahme des FG zu folgen vermag, eine Haftungsforderung werde erst mit der Anmeldung zur Tabelle fällig. Sie wird es vielmehr mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sofern in diesem Zeitpunkt der Haftungsanspruch besteht.

9. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO steht der Aufrechnung nicht entgegen, selbst wenn diese Vorschrift im Gesamtvollstreckungsverfahren entsprechend anzuwenden sein sollte. Denn das FA ist steuerrechtlich zwar erst nach Verfahrenseröffnung etwas "schuldig" geworden, der Erstattungsanspruch ist jedoch bereits zuvor aufschiebend bedingt durch die Aufhebung ihm entgegenstehender Umsatzsteuerfestsetzungen im insolvenzrechtlichen Sinne entstanden, so dass zugunsten des FA § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO eingriffe, wenn insofern die InsO entsprechend anzuwenden ist. Wie der Senat in dem Urteil vom 20. Juli 2004 VII R 28/03 (BFHE 206, 321, BStBl II 2005, 10) bereits entschieden hat, ist auch eine im Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens noch aufschiebend bedingte (hier: durch die Aufhebung der rechtswidrigen Umsatzsteuerfestsetzungen) Forderung in dem hier maßgeblichen, eine Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausschließenden (insolvenzrechtlichen) Sinne entstanden. Dies ist bei der Anwendung des hier einschlägigen § 7 Abs. 5 GesO zu berücksichtigen (zuletzt BGH-Beschluss vom 23. September 2004 IX ZR 323/00, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2005, 89), der folglich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht gleichsam im Umkehrschluss dahin zu verstehen ist, dass er die Aufrechnung des FA im Streitfall ausschloss, weil bei Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Erstattungsforderung steuerverfahrensrechtlich noch nicht entstanden war.

10. Die Aufrechnung war dem FA schließlich auch nicht durch § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO verboten. Nach dieser Vorschrift, auf deren entsprechende Anwendbarkeit im Gesamtvollstreckungsverfahren ebenfalls nicht näher eingegangen zu werden braucht, darf zwar nicht aufgerechnet werden, wenn die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann. Die Erstattungsforderung der Gemeinschuldnerin, gegen die das FA aufgerechnet hat, ist indes nicht vor diesem Zeitpunkt fällig geworden. Denn die Erstattungsansprüche der Gemeinschuldnerin sind, wie bereits erwähnt, überhaupt erst mit der Aufhebung der gegen sie ergangenen Umsatzsteuerfestsetzungen entstandenen (vgl. Senatsurteil vom 23. August 2001 VII R 94/99, BFHE 196, 18, BStBl II 2002, 330). Deren Zeitpunkt hat das FG nicht ausdrücklich festgestellt; da nach seinem Urteil die Organschaft jedoch erst nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens vom Finanzamt B erkannt worden ist, begreift sich, dass bis zur Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens die Steuerzahlungen der Gemeinschuldnerin in deren Steueranmeldungen bzw. in gegen sie erlassenen Umsatzsteuerbescheiden einen Rechtsgrund hatten und so lange, also auch im Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens, ein Erstattungsanspruch der Gemeinschuldnerin gemäß § 37 Abs. 2 AO noch nicht bestanden hat. Soweit sich der Erstattungsanspruch, wie es hinsichtlich Umsatzsteuer 1996 der Fall zu sein scheint, trotz fortbestehender Umsatzsteuerfestsetzungen allein aus dem bestandskräftigen Abrechnungsbescheid vom Juli 2002 ergibt, ist er ebenfalls, wie auf der Hand liegt, nicht früher entstanden und folglich auch nicht früher fällig geworden, als mit der Haftungsforderung aufgerechnet werden konnte. Denn die Aufrechnung konnte, obwohl noch kein Haftungsbescheid ergangen war, erfolgen, seit es eines solchen Bescheides nicht mehr bedurfte, weil ein Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden war; die Erstattungsansprüche aber sind erst während dieses Verfahrens entstanden.

11. Die Aufrechnung stellt unbeschadet der verspäteten Anmeldung des Haftungsanspruches zur Tabelle keine unzulässige Rechtsauübung dar. Sie stellt nur die Ausübung eines Rechts dar, das dem FA schon bei Eröffnung des Verfahrens zugestanden hat und das es auch nicht verloren hat. Denn die verspätete Anmeldung bewirkt nicht den Verlust des betreffenden Rechts, sondern hat lediglich zur Folge, dass dieses im Gesamtvollstreckungsverfahren nicht geprüft und im Verteilungsverfahren nicht befriedigt wird (vgl. § 14 Abs. 2 GesO).

C. Die Sache bedarf allerdings noch weiterer tatsächlicher Aufklärung, weshalb sie gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG zurückverwiesen wird. Das Urteil des FG enthält nämlich --aufgrund des abweichenden materiell-rechtlichen Ausgangspunktes des FG-- keinerlei Feststellungen, ob der Bundesanteil der Erstattungsforderung noch wie vom FA angenommen in vollem Umfang der Haftungsforderung aufrechenbar gegenüberstand oder das FA durch seine vom FG festgestellte Erstattung des ihm vom Finanzamt B überwiesenen Teils des Erstattungsbetrages den Bundesanteil der Erstattungsforderung bereits teilweise getilgt hat.

Die Klägerin selbst hat in dieser Hinsicht die Gegenrüge (hierzu Rüsken in Beermann/Gosch, FGO § 126 Rz 53) erhoben, es lägen bei einer im Ansatzpunkt gegenüber dem FG-Urteil abweichenden rechtlichen Beurteilung der Streitsache die vom FA erklärte Aufrechnung (teilweise) ausschließende Tatsachen vor. Dabei handelt es sich allerdings, soweit ersichtlich, um im Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich unzulässiges neues tatsächliches Vorbringen der Klägerin. Die betreffenden Tatsachen bereits im ersten Rechtsgang beim FG hilfsweise geltend zu machen, dürfte die Klägerin indes nach den Umständen des Falles keinen zwingenden Anlass gehabt haben (vgl. Rüsken in Beermann/Gosch, a.a.O., Rz 51.1), nachdem im ersten Rechtsgang insofern nur darüber gestritten worden ist, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine Verrechnung von Ansprüchen aus Organhaftung und Umsatzsteuererstattung gegeben sind.

Im zweiten Rechtsgang wird das FG in diesem Zusammenhang freilich auch die in der Sachakte des FA enthaltene Telefonnotiz mit zu berücksichtigen haben, nach der es den Anschein hat, dass die Klägerin (jedenfalls) aufgrund jenes Telefongespräches mit dem FA wusste, dass ihr das beklagte FA den Bundesanteil nicht erstatten wollte, sondern dass insofern eine Aufrechnung mit der Haftungsforderung erfolgen solle. Da die dann erfolgten Zahlungen zudem den Erstattungsbetrag, den die Klägerin aufgrund des Abrechnungsbescheides vom Juli 2002 genau kannte, offensichtlich nicht abdeckten, sondern nur Teilzahlungen waren, könnte anzunehmen sein, dass sich der Klägerin ungeachtet des etwaigen Fehlens einer ausdrücklichen Tilgungsbestimmung nur hinsichtlich des Landesanteils aufdrängen musste, dass durch jene Zahlungen der Bundesanteil nicht getilgt werden sollte. Einer ausdrücklichen diesbezüglichen Tilgungsbestimmung im unmittelbaren zeitlichen oder sogar gegenständlichen Zusammenhang mit den betreffenden Zahlungen bedürfte es dann nicht, um annehmen zu können, der Bundesanteil sei durch die Zahlungen des FA nicht entsprechend § 366 Abs. 2 BGB getilgt worden.

Ende der Entscheidung

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