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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.12.2004
Aktenzeichen: VII R 21/04
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
FGO § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Geschäftsführer der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) verbrachte im Juli 1998 ein in den USA zugelassenes Flugzeug in das Zollgebiet der Gemeinschaft. Das Flugzeug, das der Klägerin auf Grund eines "Finance-Leasing-Contracts" zur Nutzung überlassen worden war, sollte im Werksverkehr eingesetzt und an Dritte vermietet werden. Der Geschäftsführer der Klägerin landete mit dem Flugzeug am 18. Juli 1998 aus den USA kommend auf dem Flughafen X, nachdem er zuvor in S/Großbritannien einen Tankstop eingelegt hatte. In der Folgezeit flog der Geschäftsführer der Klägerin mit dem Flugzeug bis zum 26. Juli 1998 verschiedene Flughäfen im Zollgebiet der Gemeinschaft an (Bremerhaven, London, Berlin, Sachsen, Brandenburg, Salzburg).

Nachdem der Geschäftsführer der Klägerin am 26. Juli 1998 aus Salzburg kommend auf dem Flughafen X gelandet war, wurde das Flugzeug von Beamten des Hauptzollamts W, dessen Zuständigkeit zwischenzeitlich auf den Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) übergegangen ist, kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, dass das Flugzeug von einer im Zollgebiet der Gemeinschaft ansässigen Person verwendet worden war. Die Klägerin meldete das Flugzeug daraufhin am 5. August 1998 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur zollfreien besonderen Verwendung an. Das Hauptzollamt W nahm die Anmeldung an und setzte zunächst nur Einfuhrumsatzsteuer fest. Mit Bescheid vom ... November 1998 forderte es von der Klägerin Zoll nach.

Das Finanzgericht (FG) wies die von der Klägerin nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, das Flugzeug sei zu Unrecht auf Grund der Zollanmeldung vom 5. August 1998 zunächst zollfrei belassen worden. Die Zollschuld sei bereits vor dem 5. August 1998 entstanden, als der Klägerin eine Bewilligung zur zollfreien besonderen Verwendung noch nicht erteilt worden sei. Gehe man von dem Vortrag des HZA aus, sei die Zollschuld gemäß Art. 202 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften --ZK-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 302/1) am 18. Juli 1998 entstanden, weil das Flugzeug nach seinem Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft nicht unverzüglich gestellt worden sei. Gehe man von dem Vortrag der Klägerin aus, wonach die Ankunft des Flugzeugs angekündigt worden sei, es auf dem Flughafen von Zollbeamten erwartet worden sei und ihr Geschäftsführer diesen mitgeteilt habe, dass es in den zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung habe übergeführt werden sollen, habe zwar eine Gestellung stattgefunden. Entsprechendes gelte, wenn die Behauptung der Klägerin zutreffen sollte, dass die Ankunft des Flugzeugs zuvor den britischen Zollbeamten in S mitgeteilt worden sei. Bei einer Gestellung des Flugzeugs in S oder X sei die Zollschuld zwischen dem 18. Juli und dem 5. August 1998 nach Art. 203 Abs. 1 ZK entstanden. Das Flugzeug habe nach seinem Eintreffen in X weiterhin der zollamtlichen Überwachung unterlegen und habe nicht ohne Zustimmung der Zollbehörde vom Ort der Gestellung entfernt werden dürfen. Dies sei indessen geschehen, weil mit dem Flugzeug nach seiner Landung in X am 18. Juli 1998 mehrere andere Orte angeflogen worden seien. Damit sei das Flugzeug der zollamtlichen Überwachung entzogen worden, ohne dass es darauf ankomme, ob der Geschäftsführer der Klägerin die zollrechtlichen Folgen der Entziehungshandlung gekannt habe oder habe kennen müssen. Ihr Vortrag, die bei der Landung des Flugzeugs am 18. Juli 1998 vor Ort tätigen Zollbeamten hätten nicht darauf hingewiesen, dass das Flugzeug nicht von seinem Standplatz habe entfernt werden dürfen, sei daher für die Entscheidung des Streitfalls unerheblich. Die Klägerin behaupte nicht, dass ihr vom Hauptzollamt W eine ausdrückliche Zustimmung erteilt worden sei, bereits vor der Überführung des Flugzeugs in den zollrechtlich freien Verkehr den Flughafen X zu verlassen und andere europäische Flughäfen anzufliegen. Es könne auch nicht von einer konkludent erteilten Zustimmung ausgegangen werden. Soweit die Klägerin im Einspruchsverfahren vorgetragen habe, den Zollbeamten habe deutlich sein müssen, dass das Flugzeug wegen einer erforderlichen Werkstattkontrolle nicht in X habe bleiben können, habe dies nicht die Annahme rechtfertigen können, mit Zustimmung der Zollbehörde verschiedene Flughäfen in Deutschland und dem europäischen Ausland ohne Beschränkung anfliegen zu dürfen. Dass eine Werkstattkontrolle des Flugzeugs noch während der Zeit der vorübergehenden Verwahrung durchgeführt werden würde, habe den Zollbeamten nicht deutlich sein müssen. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Behauptung der Klägerin, den Zollbeamten sei am 18. Juli 1998 mitgeteilt worden, dass ihr Geschäftsführer noch am selben Tag mit dem Flugzeug nach Bremerhaven weiterfliegen werde. Falls dies zutreffend sei und die Zollbeamten die Mitteilung widerspruchslos hingenommen hätten, würde dies ebenfalls nicht bedeuten, dass die Zollbeamten dem Anfliegen auch jedes anderen Flughafens zugestimmt hätten. Einer Vernehmung der von der Klägerin im Einspruchsverfahren benannten Zeugen bedürfe es daher nicht.

Die Klägerin sei Zollschuldnerin geworden, weil das Flugzeug sowohl am 18. Juli 1998 als auch in der Folgezeit von ihrem Geschäftsführer in seiner Funktion als deren Organ geflogen worden sei. Sie sei deshalb die Person gewesen, welche das Flugzeug in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht und es anschließend der zollamtlichen Überwachung entzogen habe.

Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK stehe der Nacherhebung des Zolls nicht entgegen. Selbst wenn ein aktiver Irrtum des Hauptzollamts W vorgelegen habe, sei dieser für die Klägerin erkennbar gewesen. Aus den Vorschriften des ZK ergebe sich eindeutig, dass eine in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Ware der zollamtlichen Überwachung unterliege und den Zollbehörden zu gestellen sei, dass eine gestellte Ware nicht ohne Zustimmung der zuständigen Zollbehörde vom Ort der vorübergehenden Verwahrung entfernt werden dürfe und dass bei einer unterbliebenen Gestellung oder bei einem Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung eine Zollschuld entstehe. Auf Nichtkenntnis des in den ABlEG veröffentlichten Gemeinschaftsrechts könne sich niemand berufen.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, weil es keinen Beweis darüber erhoben habe, was die Zollbeamten gegenüber ihrem Geschäftsführer bei der Ankunft des Flugzeugs auf dem Flughafen in X gesagt hätten. Die Zollbeamten hätten das Flugzeug bereits erwartet und erklärt, ihr Geschäftsführer habe seine erste Pflicht erfüllt. Er müsse nun noch innerhalb von 20 Tagen eine Anmeldung zur Überführung des Flugzeugs in den zollrechtlich freien Verkehr zur besonderen Verwendung abgeben. Der Zeuge G habe zudem im Einspruchsverfahren bestätigt, die Zollbeamten hätten erklärt, dass die Klägerin das Flugzeug bis zum Ablauf dieser Frist problemlos nutzen könne. Die Zollbeamten hätten ihr daher konkludent eine Zustimmung zur Benutzung des Flugzeugs für Flüge innerhalb der Gemeinschaft erteilt, so dass eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung ausscheide. Das FG habe Art. 47 ZK zu eng ausgelegt. Die Zustimmung der Zollbehörde nach dieser Bestimmung sei eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung. Entscheidend sei, wie der Bürger die Erklärung habe verstehen dürfen, wobei Zweifel zu Lasten der Behörde gingen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und den Bescheid des Hauptzollamts W vom ... November 1998 sowie die Einspruchsentscheidung vom ... August 2000 aufzuheben; hilfsweise die Vorentscheidung aufzuheben sowie die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das HZA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Der von der Klägerin gerügte Verfahrensmangel eines Verstoßes des FG gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegt nicht vor bzw. ist nicht ausreichend dargelegt worden, wie dies § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO erfordert.

a) Soweit das FG selbst begründet hat, weshalb es von der Erhebung einzelner Beweise abgesehen hat, ergeben sich die den angeblichen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen aus dem Urteil selbst, so dass die Forderung nach ihrer Angabe zusätzlich auch in der Revisionsbegründung eine unnötige Förmelei darstellen würde. Es genügt daher insoweit bereits die schlichte Rüge der Nichtvernehmung der benannten Zeugen den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 1985 VII R 137/81, BFH/NV 1986, 136, 137; Senatsbeschluss vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63).

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Das Gericht ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Von einer Beweiserhebung kann das Gericht unter anderem absehen, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zugunsten des betreffenden Beteiligten unterstellt (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2003, 63). So liegt es hier, soweit das FG begründet hat, warum es auf die Vernehmung der von der Klägerin im Einspruchsverfahren benannten Zeugen verzichtet hat.

Das FG hat zu Recht angenommen, dass das Vorbringen der Klägerin im Einspruchsverfahren, den Zollbeamten habe deutlich sein müssen, dass das Flugzeug wegen einer erforderlichen Werkstattkontrolle nicht in X habe bleiben können, nicht bedeutete, dass ihr damit konkludent die Zustimmung zum Anfliegen verschiedener Flughäfen in Deutschland und dem europäischen Ausland ohne Einschränkung erteilt worden sei. Das FG hat überdies zutreffend darauf hingewiesen, es sei nicht erkennbar gewesen, dass eine Werkstattkontrolle des Flugzeugs noch während der Zeit der vorübergehenden Verwahrung habe durchgeführt werden sollen. Das FG konnte auch die Behauptung der Klägerin, den Zollbeamten sei am 18. Juli 1998 mitgeteilt worden, dass ihr Geschäftsführer noch am selben Tag mit dem Flugzeug nach Bremerhaven weiterfliegen werde, als nicht entscheidungserheblich ansehen. Die Klägerin hat noch nicht einmal behauptet, dass die Zollbeamten diese Mitteilung widerspruchslos hingenommen haben. Unbeschadet dessen hätte auch das nicht bedeutet, dass die Zollbeamten hiermit dem Anfliegen jedes anderen Flughafens innerhalb der Gemeinschaft zugestimmt hätten.

b) Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel nicht ausreichend dargelegt, soweit sie rügt, das FG habe den Zeugen G nicht vernommen, der im Einspruchsverfahren bestätigt habe, dass die Zollbeamten erklärt hätten, sie könne das Flugzeug bis zum Ablauf der Frist für die Abgabe der Zollanmeldung problemlos nutzen. Insoweit hat das FG nicht begründet, warum es von der Vernehmung des Zeugen G abgesehen hat.

Wird als Verfahrensfehler die Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) gerügt, so ist unter anderem aufzuzeigen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung oder Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag des anwaltlich vertretenen Beteiligten hätte aufdrängen müssen (vgl. Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 72/99, BFHE 192, 390, 394; Senatsbeschluss vom 28. August 2003 VII B 71/03, BFH/NV 2004, 493, 494). Daran fehlt es hier. Näherer Ausführungen hierzu hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem FG erklärt hat, eine Beweisaufnahme erscheine seiner Rechtsansicht nach nicht erforderlich.

2. Das Urteil des FG verletzt auch nicht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FG hat zutreffend erkannt, dass die Voraussetzungen für die Nachforderung des Zolls nach den Art. 220 Abs. 1 Satz 1, 221 Abs. 1 ZK vorlagen. Von dieser Nachforderung war nicht gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK abzusehen.

Der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag ist im Streitfall mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden (Art. 220 Abs. 1 Satz 1 ZK). Für das Flugzeug war von der Klägerin nicht nur Einfuhrumsatzsteuer, sondern auch Zoll zu erheben.

a) Die für Flugzeuge der Unterpos. 8802 30 10 der Kombinierten Nomenklatur (KN) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2086/97 der Kommission vom 4. November 1997 (ABlEG Nr. L 312/1) vorgesehene Zollbefreiung setzte nach Art. 291 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (Zollkodex-Durchführungsverordnung --ZKDVO--) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 253/1) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 75/98 der Kommission vom 12. Januar 1998 (ABlEG Nr. L 7/3) eine besondere Bewilligung voraus (vgl. auch die Fußnote zur Unterpos. 8802 30 10 KN sowie Titel II Buchst. B der Einführenden Vorschriften). Diese Bewilligung ist der Klägerin erst am 5. August 1998 erteilt worden, nachdem die Zollschuld bereits am 18. Juli 1998 bzw. in dem Zeitraum vom 18. bis zum 26. Juli 1998 entstanden war. Geht man mit dem HZA davon aus, dass das Flugzeug nach seinem Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft entgegen Art. 40 ZK nicht gestellt worden ist, so ist mit seinem Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft am 18. Juli 1998 nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK eine Zollschuld entstanden (Art. 202 Abs. 2 ZK). Folgt man dem Vortrag der Klägerin, das Flugzeug sei sowohl in S als auch in X von Zollbeamten erwartet worden, nachdem ihnen sein Eintreffen zuvor angekündigt worden sei, wäre zwar von einer Gestellung i.S. des Art. 4 Nr. 19 ZK auszugehen. In diesem Fall ist jedoch in dem Zeitraum vom 18. bis zum 26. Juli 1998 eine Zollschuld nach Art. 203 Abs. 1 ZK entstanden (Art. 203 Abs. 2 ZK), weil das Flugzeug der zollamtlichen Überwachung entzogen worden ist.

b) Der Begriff der Entziehung einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus der zollamtlichen Überwachung i.S. des Art. 203 Abs. 1 ZK umfasst jede Handlung oder Unterlassung, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfungen gehindert wird (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--, Urteile vom 1. Februar 2001 Rs. C-66/99 --Wandel--, EuGHE 2001, I-873 Rdnr. 47; vom 12. Februar 2004 Rs. C-337/01 --Hamann International GmbH Spedition + Logistik--, BFH/NV-Beilage 2004, 153 Rdnr. 31; vom 29. April 2004 Rs. C-222/01 --British American Tobacco Manufacturing BV--, BFH/NV-Beilage 2004, 286 Rdnr. 47). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Zollbehörde tatsächlich eine solche Prüfung durchzuführen beabsichtigt und ob der Beteiligte ggf. dann der Zollbehörde die Waren zu einer solchen Prüfung zur Verfügung stellen könnte. Entscheidend ist allein, dass die Zollbehörde --auch nur vorübergehend-- objektiv nicht in der Lage ist, die zollamtliche Überwachung sicherzustellen. Insbesondere stellt jede von der zuständigen Zollbehörde nicht genehmigte Entfernung einer Ware, die unter zollamtlicher Überwachung steht, vom zugelassenen Lagerort eine Entziehung i.S. von Art. 203 Abs. 1 ZK dar (vgl. EuGH-Urteil in EuGHE 2001, I-873 Rdnr. 50).

Im Streitfall unterlag das Flugzeug nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 ZK vom Zeitpunkt seines Verbringens in das Zollgebiet der Gemeinschaft an der zollamtlichen Überwachung. Die zollamtliche Überwachung bestand nach Art. 37 Abs. 2 ZK fort, als der Geschäftsführer der Klägerin mit dem Flugzeug von X aus andere Flughäfen in der Gemeinschaft anflog. Das Flugzeug durfte ohne Zustimmung der zuständigen Zollbehörde nicht vom Flughafen X entfernt werden, weil dies bei einer erstmaligen Gestellung dort der Ort war, an den es ursprünglich verbracht worden war (Art. 47 ZK), oder bei einer vorangegangenen Gestellung in S der zugelassene Lagerort i.S. des Art. 51 Abs. 1 ZK war (vgl. Witte/Kampf, Zollkodex, 3. Aufl., Art. 47). Da die zuständige Zollbehörde der Entfernung des Flugzeugs vom Flughafen X nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG nicht zugestimmt hatte (§ 118 Abs. 2 FGO), ist es durch die mit ihm in dem Zeitraum vom 18. bis zum 26. Juli 1998 durchgeführten Flüge der zollamtlichen Überwachung entzogen worden.

Die Klägerin ist nach Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 ZK bzw. nach Art. 203 Abs. 3 Anstrich 1 ZK Zollschuldnerin geworden. Zollschuldnerin kann hiernach auch eine juristische Person werden (Art. 4 Nr. 1 Anstrich 2 ZK), die mit ihrem Verhalten den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen bzw. das Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung gesetzt hat (vgl. EuGH-Urteil vom 23. September 2004 Rs. C-414/02 --Spedition Ulustrans--, BFH/NV-Beilage 2005, 25 Rdnr. 26). So liegt es hier, weil der Geschäftsführer der Klägerin in seiner Eigenschaft als deren Organ das Flugzeug in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat und für die in dem Zeitraum vom 18. bis 26. Juli 1998 durchgeführten Flüge benutzt hat. Ob der Geschäftsführer der Klägerin wusste oder hätte wissen müssen, dass er vorschriftwidrig handelte bzw. das Flugzeug der zollamtlichen Überwachung entzog, ist unerheblich (vgl. EuGH-Urteil in EuGHE 2001, I-873 Rdnr. 48 f. --zu Art. 203 Abs. 3 Anstrich 1 ZK--).

c) Eine "Heilung" der Abgabenschuldentstehung nach Art. 204 Abs. 1 ZK i.V.m. Art. 859 Nr. 5 ZKDVO kommt nicht in Betracht. Denn der Zollschuldentstehungstatbestand des Art. 204 Abs. 1 ZK kann nur Anwendung finden, wenn der Zollschuldentstehungstatbestand des Art. 203 Abs. 1 ZK nicht eingreift (vgl. EuGH-Urteil in BFH/NV-Beilage 2004, 153 Rdnr. 29 f.). Auch Art. 212a ZK i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2700/2000 (VO Nr. 2700/2000) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2000 (ABlEG Nr. L 311/17), wonach eine Abgabenbefreiung auf Grund der besonderen Verwendung einer Ware selbst in den Fällen in Anspruch genommen werden kann, in denen die Zollschuld nach Art. 202 ZK oder nach Art. 203 ZK entstanden ist, sofern im Verhalten des Beteiligten weder betrügerische Absicht noch offensichtliche Fahrlässigkeit vorliegt und dieser nachweist, dass die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Abgabenbefreiung vorliegen, kann im Streitfall noch nicht angewendet werden. Denn diese Vorschrift ist in der vorgenannten Fassung erst am 19. Dezember 2000 in Kraft getreten (Art. 2 VO Nr. 2700/2000). Da es sich hierbei nicht um eine Verfahrensvorschrift, sondern um eine materiell-rechtliche Bestimmung handelt, kann sie nur auf Zollschulden angewendet werden, die nach dem Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens entstanden sind (vgl. Senatsurteil vom 7. November 2002 VII R 37/01, BFHE 200, 444, 451, BStBl II 2003, 145, 149 --zu Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK--).

d) Von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung des Zolls konnte auch nicht nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK abgesehen werden. Dabei kann zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass das Hauptzollamt W den Zollschuldbetrag auf Grund eines Irrtums zunächst nicht buchmäßig erfasst hat. Diesen Irrtum hätte die Klägerin jedoch erkennen können. Die Erkennbarkeit des Irrtums ist auf Grund einer konkreten Beurteilung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, wobei namentlich die Art des Irrtums, die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers zu berücksichtigen sind (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 1. April 1993 Rs. C-250/91 --Hewlett Packard France--, EuGHE 1993, I-1819 Rdnr. 22; vom 14. November 2002 Rs. C-251/00 --Ilumitronica--, EuGHE 2002, I-10433 Rdnr. 54, sowie Senatsurteil vom 20. Juli 1999 VII R 85/98, BFHE 189, 244, 251).

Die Klägerin hat das Flugzeug am 5. August 1998 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur zollfreien besonderen Verwendung angemeldet, nachdem es zuvor am 26. Juli 1998 von Beamten des Hauptzollamts W kontrolliert worden war. Dabei wurde festgestellt, dass das Flugzeug von einer im Zollgebiet der Gemeinschaft ansässigen Person verwendet worden war, so dass sich für die Zollbeamten ausweislich des vom FG sinngemäß in Bezug genommenen Aktenvermerks über die durchgeführte Kontrolle der Verdacht einer zollrechtlichen Pflichtverletzung ergab. Da die Klägerin offensichtlich als Reaktion auf die Kontrolle vom 26. Juli 1998 die Zollanmeldung vom 5. August 1998 abgab, konnte sie nicht darauf vertrauen, dass es bei der Erhebung von Einfuhrumsatzsteuer verblieb. Sie musste vielmehr als sorgfältige Wirtschaftsteilnehmerin mit einer weiteren Überprüfung des Sachverhalts durch die Zollbehörde und mit einer Nachforderung von Zoll rechnen.

Ende der Entscheidung

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