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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 05.10.1999
Aktenzeichen: VII R 25/98
Rechtsgebiete: StBerG, AO 1977, VwZG, FGO
Vorschriften:
StBerB § 164 a Abs. 1 | |
AO 1977 § 130 Abs. 1 | |
AO 1977 § 130 Abs. 2 Nr. 4 | |
VwZG § 8 Abs. 2 | |
VwZG § 9 Abs. 1 | |
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 1 | |
FGO § 120 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 | |
FGO § 118 Abs. 3 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 115 Abs. 3 | |
FGO § 118 Abs. 1 | |
FGO § 120 Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 105 Abs. 2 Nr. 4 | |
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1 |
Gründe
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) streiten gegen die Rücknahme ihrer Bestellung als Steuerbevollmächtigte nach der Steuerberatungsordnung der DDR (StBerO). Beide Kläger haben eine Ausbildung als Fachgehilfe in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen erfolgreich abgeschlossen und in diesem Beruf längere Zeit gearbeitet. Mit Schreiben vom 6. September 1990 haben sie bei der Bezirksverwaltung X ihre Zulassung als Steuerbevollmächtigte beantragt. Sie haben dabei Nachweise über ihre Ausbildung und berufliche Tätigkeit sowie eine Bestätigung des Landratsamtes Y vorgelegt, wonach sie zwecks Beantragung der Staatsbürgerschaft der DDR vorgesprochen hätten. Noch im September 1990 sind sie, gestützt auf die StBerO, als Steuerbevollmächtigte bestellt worden.
Diese Bestellungen hat die Beklagte und Revisionsklägerin (die Oberfinanzdirektion --OFD--) mit auf § 164 a Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) i.V.m. § 130 Abs. 1, 2 Nr. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Bescheiden zurückgenommen, weil die Kläger weder Staatsbürger der DDR gewesen seien, noch Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR hätten nachweisen können, noch eine Prüfung abgelegt hätten und von der Prüfung auch nicht befreit worden seien. Die Bescheide sind den Klägern am 24. Dezember 1991 durch Niederlegung bei der Postanstalt in Z zugestellt worden, wo die Kläger damals ihre Kanzlei, jedoch keine Wohnung hatten. Nachdem sich Mitte Januar 1992 auf ein den Rücknahmebescheiden vorausgegangenes Ankündigungsschreiben der OFD für die Kläger ein Verfahrensbevollmächtigter gemeldet hatte und dieser von der OFD mit Schreiben vom 17. März 1992 auf die Zustellung der Bescheide am 24. Dezember 1991 hingewiesen worden war, wurden gegen die Rücknahmebescheide Beschwerden eingelegt, die unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Beschwerdefrist als unbegründet zurückgewiesen wurden. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Rücknahmebescheide seien den Klägern nicht wirksam zugestellt und auch nicht anderweit bekanntgegeben worden. Eine Ersatzzustellung durch Niederlegung an dem Ort, an dem sich die Gewerberäume der Kläger befunden haben, sei nicht möglich.
Gegen dieses Urteil richtet sich die von dem erkennenden Senat zugelassene Revision der OFD, die im wesentlichen folgendermaßen begründet wird:
Die Rücknahmebescheide seien den Klägern wirksam bekanntgegeben worden. Dem vorgenannten Schreiben der OFD seien sie in Kopie beigefügt gewesen. § 8 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) sei dabei beachtet worden. Zumindest sei nach § 9 Abs. 1 VwZG Heilung eingetreten. Hiermit habe sich das FG nicht befaßt. Darauf beruhe sein Urteil. Denn das FG habe das Schreiben der OFD im Sachverhalt seines Urteils selbst zitiert.
Aus den Unterlagen und aus dem Tatbestand des FG-Urteils ergebe sich ferner, daß die Kläger zu Unrecht zu Steuerbevollmächtigten bestellt worden seien und daß sie die Rechtswidrigkeit ihrer Bestellung kannten, zumindest erkennen mußten.
Die OFD beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie meinen, die Rücknahmebescheide seien nicht wirksam geworden; bei ihrer Übersendung an den Bevollmächtigten der Kläger habe es der OFD am Bekanntgabewillen gefehlt. Heilung durch die Beschwerdeentscheidung sei nicht eingetreten; die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) betreffe Steuerbescheide und sei auf berufsrechtliche Entscheidungen nicht übertragbar.
Die Sache sei jedenfalls nicht spruchreif. Es fehle eine tatrichterliche Prüfung, ob die Kläger die Rechtswidrigkeit ihrer Bestellung erkannt haben oder hätten erkennen können. Die Kläger würden insofern unter Beweis stellen, daß sowohl die Sachbearbeiterin im zuständigen Landratsamt als auch der zuständige Sachbearbeiter bei der Bezirksregierung ihnen versichert haben, daß die Staatsbürgerschaft der DDR nicht Voraussetzung für eine Bestellung als Steuerbevollmächtigter sei, und daß letzterer sie davon unterrichtet hat, daß ihre Bestellungsanträge einer Prüfungskommission vorgelegt worden seien und diese sie von der Prüfung befreit habe.
Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Revision ist wirksam eingelegt und begründet worden.
Die von den Klägern gerügten inhaltlichen Mängel der Revisionsbegründung --die entgegen der Auffassung der Kläger nicht zur Unbegründetheit, sondern bereits zur Unzulässigkeit der Revision führen würden-- liegen nicht vor.
Allerdings ist den Klägern einzuräumen, daß es die Revisionsbegründung der OFD als zweifelhaft erscheinen lassen kann, ob --wie noch im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision-- ein Verfahrensmangel, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann, geltend gemacht werden soll und ob die Tatsachen, die einen solchen Verfahrensmangel ergeben können, ausreichend bezeichnet sind (§ 120 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 FGO). Wenn die OFD vorträgt, das FG habe sich mit § 9 Abs. 1 VwZG und der infolge dieser Vorschrift eingetretenen Heilung der nicht erfolgten Zustellung der angefochtenen Rücknahmebescheide "nicht befaßt", und wenn in diesem Zusammenhang geltend gemacht wird, entgegen der Ansicht des FG seien die Bescheide infolge des vom FG selbst erwähnten Schreibens der OFD an den Verfahrensbevollmächtigten der Kläger wirksam zugestellt worden, zielt dies dem ersten Anschein nach nicht auf die Rüge eines Verfahrensmangels i.S. des § 118 Abs. 3 FGO, sondern auf einen materiell-rechtlichen Mangel der angegriffenen Entscheidung, nämlich das Übersehen des § 9 Abs. 1 VwZG. Das würde, wenn es so zu verstehen wäre, zwar nicht etwa deshalb zur Unzulässigkeit der Revision führen, weil die Nichtzulassungsbeschwerde der OFD ausschließlich auf einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützt war und folglich die Revisionszulassung wegen eines Mangels des Verfahrens der Vorinstanz erfolgt ist; denn die Zulassung einer Revision nach § 115 Abs. 3 FGO führt ungeachtet der Gründe, aus denen sie erfolgt, zur "Vollrevision", mit der alle nach § 118 Abs. 1 FGO zulässigen Revisionsgründe vorgebracht werden können (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 24. März 1993 I R 27/92, BFHE 171, 198, BStBl II 1993, 637, und Beschluß vom 9. Januar 1990 VII B 127/89, BFH/NV 1990, 473).
Sofern jedoch die Revisionsbegründung der OFD dahin zu verstehen wäre, daß mit ihr ein materiell-rechtlicher Mangel, nämlich der der fehlerhaften (Nicht-)Anwendung des § 9 Abs. 1 VwZG, gerügt werden soll, wäre die Zulässigkeit der Revision deshalb zweifelhaft, weil die Revisionsbegründung den inhaltlichen Anforderungen an eine auf einen solchen Mangel gestützte Revisionsbegründungsschrift nicht genügte. Denn zur ausreichenden Begründung einer Revision gehört, daß der Revisionskläger in sich geschlossen und verständlich darlegt, inwiefern das angefochtene Urteil seiner Meinung nach auf der Verletzung von Bundesrecht beruht; dabei muß der Revisionskläger die tatsächlichen Feststellungen des FG zugrunde legen (vgl. Beermann/Rüsken, Steuerliches Verfahrensrecht, § 120 FGO Rdnr. 172 f., m.w.N.).
Das hat die OFD in ihrer Revisionsbegründung nicht getan. Sie geht davon aus, dem Verfahrensbevollmächtigten der Kläger seien mit dem Schreiben vom 17. März 1992 Kopien der Rücknahmebescheide übersandt worden. Das FG hat dies aber nicht festgestellt. Die OFD gibt auch nicht an, woraus sie eine solche Feststellung des FG meint entnehmen zu können, sondern behauptet statt dessen, die Bescheide seien dem Schreiben vom 17. März 1992 beigefügt gewesen, daher sei die fehlgeschlagene erste Zustellung an die Geschäftsadresse der Kläger nach § 9 Abs. 1 VwZG geheilt worden. Insoweit trifft also der Vorwurf der Kläger zu, daß die OFD ihre Revision auf unzulässiges neues tatsächliches Vorbringen stützt, dessen Richtigkeit das FG nicht festgestellt hat, was zur Unzulässigkeit der Revision mangels ausreichender Begründung führen müßte, wenn sich die Bedeutung des betreffenden Vortrages in einer Sachrüge erschöpfte. Denn das nachfolgende Vorbringen der Revision, daß nämlich die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bestellung der Kläger als Steuerbevollmächtigte vorlägen, stellt keine Begründung der Revision i.S. des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO dar, sondern betrifft ausschließlich die Frage, ob die Sache spruchreif ist oder zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden muß. Diese Frage stellt sich indes erst bei einer begründeten Revision (§ 126 Abs. 3 Halbsatz 1 FGO). Mit diesbezüglichen Ausführungen kann eine Revision nicht in der erforderlichen Weise begründet werden.
Der erkennende Senat betrachtet indes das Vorbringen der Revision unbeschadet der ihm eigenen Unklarheiten --u.a. des fehlgehenden Hinweises auf § 8 Abs. 2 VwZG, der die Bestellung eines Zustellungs-, nicht eines Verfahrensbevollmächtigten voraussetzt-- als eine ausreichende Begründung der Revision, weil der Revisionsbegründungsschrift bei sinnentsprechender Ermittlung des von der OFD Gemeinten noch entnommen werden kann, daß die Revision (zumindest auch) auf die Rüge eines Verfahrensmangels gestützt werden soll. Denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich, daß die OFD beanstandet, daß das FG zwar ihr Schreiben vom 17. März 1992 im Sachverhalt seines Urteils (gemeint: Tatbestand nach § 105 Abs. 2 Nr. 4 FGO) erwähnt, gleichwohl aber bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe, daß mit diesem Schreiben Kopien der angefochtenen Rücknahmebescheide an den Bevollmächtigten der Kläger übersandt worden sind, und daß das FG, hätte es dies berücksichtigt (hätte es sich damit "befaßt"), wegen § 9 Abs. 1 VwZG zu dem Ergebnis gekommen wäre, daß die Zustellungsmängel geheilt sind, folglich seine Entscheidung auf der unterlassenen Berücksichtigung der Übersendung der Bescheide beruhen könne. Dieser Vortrag genügt seinem Inhalt nach den Anforderungen an eine schlüssige Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht werden soll, der Tatrichter habe den Inhalt der Akten nicht vollständig zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidungsfindung nicht gewürdigt. Eine ausdrückliche Hervorhebung, daß die Revision eine Verfahrensrüge erheben wolle, und eine genaue Benennung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO als verletzter Rechtsnorm, war unter diesen Umständen für eine zulässige Verfahrensrüge nicht notwendig.
Soll gerügt werden, das Gericht habe den Inhalt der Akten bei seiner Entscheidung nicht (vollständig) gewürdigt, bedarf es für die Berechtigung eines solchen Vorwurfs allerdings besonderer Anhaltspunkte (vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 11. Aufl. 1998, § 108 Rdnr. 31, m.zahlr.Nachw.); denn grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein Gericht die ihm vorliegenden Akten wie die Äußerungen der Beteiligten und das Ergebnis einer Beweisaufnahme bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt und die sich daraus ergebenden Tatsachen würdigt (vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Mai 1992 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133, 145 im Zusammenhang mit der Gewährung rechtlichen Gehörs).
An einem solchen Anhaltspunkt fehlt es jedoch vorliegend nicht. Aus dem von der Revision angeführten Schreiben der OFD vom 17. März 1992 ergeben sich gewichtige Anhaltspunkte dafür, daß mit diesem Schreiben dem damaligen Bevollmächtigten der Kläger die angefochtenen Rücknahmebescheide übersandt worden sind. In der Kopfzeile dieses Schreibens sind nämlich als Anlagen "2 Heftungen" erwähnt, wozu es im Text des Schreibens heißt: "Die Zustellung [der Rücknahmebescheide] erfolgte durch Niederlegung ... (siehe Anlagen)"; bei den "Heftungen" dürfte es sich also --entsprechend der dem Schreiben zugrundeliegenden Verfügung, die an dieser Stelle den Vermerk trägt: "Kopien Bescheide u. PZU"-- um Kopien der jeweiligen Postzustellungsurkunde und des dazu gehörigen Rücknahmebescheides gehandelt haben. Zudem wäre es aus der damaligen Sicht der OFD schwerlich verständlich gewesen, dem Bevollmächtigten der Kläger, der nicht im Besitz der Bescheide zu sein angegeben hatte, auf die Möglichkeit einer Beschwerde unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Beschwerdefrist hinzuweisen --wie in dem Schreiben geschehen--, ohne ihm zugleich den Inhalt der Bescheide bekannt zu machen. Wenn das FG in seinem Urteil auf die Anlagen des Schreibens vom 17. März 1992 dennoch nicht eingegangen ist, läßt dies angesichts der entscheidenden Bedeutung der Übersendung der Anlagen für die Frage des Wirksamwerdens der angefochtenen Rücknahmebescheide nur den Schluß zu, daß es den betreffenden Hinweis auf diese übersehen hat. Denn in rechtlicher Hinsicht war für das FG offenbar --mit Recht-- zweifelsfrei, daß ein Bescheid außer durch ordnungsgemäße Ausführung der von der Behörde verfügten Zustellung auch durch anderweit vorgenommene Bekanntgabe wirksam werden kann. Das FG hat dementsprechend die Möglichkeit einer solchen Bekanntgabe in seinem Urteil ausdrücklich erwähnt. Da es seine Entscheidung auf die fehlende Bekanntgabe der Bescheide stützen wollte, mußten die vorgenannten, aus den Akten klar ersichtlichen Anhaltspunkte dafür, daß die angefochtenen Bescheide im Streitfall tatsächlich (nachträglich) an den Verfahrensbevollmächtigten der Kläger übersandt und dadurch bekanntgegeben worden sind, so große Bedeutung haben, daß es schlechterdings unverständlich erschiene, wenn das FG sie weder im Tatbestand des Urteils ausdrücklich dargestellt noch bei der rechtlichen Würdigung erwähnt hätte, obgleich es sie gewürdigt hat (vgl. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Mai 1976 VI ER 201.76, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 94, Rechtsspruch 17).
Zu Unrecht ziehen die Kläger die Rechtserheblichkeit der Übersendung vorgenannter Kopien damit in Zeifel, daß der OFD bei Übersendung der Kopien der Bescheide der Bekanntgabewille gefehlt habe. Zwar mag die OFD bei der Übersendung der Kopien davon ausgegangen sein, daß die Behauptung der Kläger, die Bescheide nicht erhalten zu haben, nicht glaubhaft ist; daß die OFD gleichwohl dem Schreiben an die Bevollmächtigten der Kläger Kopien der Bescheide beigefügt hat, legte indes die Annahme nahe, daß die OFD hilfsweise, d.h. für den Fall, daß die Kläger die Bescheide tatsächlich noch nicht erhalten haben sollten, die Bescheide ihrem Bevollmächtigten bekanntmachen wollte, daß es ihr also (auch) im Zusammenhang mit diesem Schreiben an dem Bekanntgabewillen hinsichtlich der Bescheide nicht gefehlt hat.
Deshalb kann die Rechtsfrage unentschieden bleiben, ob ein Bescheid i.S. des § 122 AO 1977 wirksam auch dann bekanntgegeben worden ist, wenn die von dem Willen der Behörde getragene Bekanntgabe fehlschlägt, der Betroffene jedoch auf andere, nicht von dem Bekanntgabewillen der Behörde umfaßte Weise von dem Inhalt des Bescheids Kenntnis erhält, wovon die Rechtsprechung des BFH bisher ausgegangen ist. Der BFH hat insbesondere entschieden, daß eine Heilung einer fehlgeschlagenen Bekanntgabe bzw. Zustellung nach § 9 Abs. 1 VwZG eintritt, wenn die Behörde dem Empfangsbevollmächtigten eine Abschrift des dem Adressaten des Verwaltungsakts zugestellten Bescheids zur Kenntnis übersendet; der Bevollmächtigte müsse nicht gerade das Schriftstück erhalten, das dem Steuerpflichtigen zugegangen ist, sondern nur eine Ausfertigung oder Kopie, welche die dem Steuerpflichtigen zugegangene Ausfertigung des Steuerbescheids nach Inhalt und Fassung vollständig wiedergibt (Urteil vom 4. Oktober 1989 V R 39/84, BFH/NV 1990, 409).
2. Da die Revision, wie ausgeführt, in zulässiger Weise nur auf das Vorliegen eines Verfahrensmangels gestützt ist, ist die Prüfung des erkennenden Senats nach § 118 Abs. 3 Satz 1 FGO auf diesen Verfahrensmangel beschränkt. Der Verfahrensmangel liegt vor. Die Revision ist folglich begründet. Das FG hat, wie sich ebenfalls aus den obigen Ausführungen ergibt, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben.
3. Die Sache ist spruchreif. Daß das Urteil des FG auf einen Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 3 FGO beruht, steht einer abschließenden Entscheidung des Senats nicht entgegen (vgl. u.a. BFH-Entscheidungen vom 8. November 1989 I R 14/88, BFHE 159, 112, BStBl II 1990, 386, und vom 6. Februar 1992 V R 38/85, BFH/NV 1993, 102); denn auf die nachträgliche Bekanntgabe der Rücknahmebescheide durch das Schreiben vom 17. März 1992 kommt es im Ergebnis nicht an. Die Klage ist vielmehr ungeachtet dieser Tatsache abzuweisen.
a) Die Rücknahmebescheide der OFD sind nicht aus formell-rechtlichen Gründen aufzuheben. Sie sind wirksam geworden. Es kann offen bleiben, ob dies deshalb der Fall ist, weil sie, wie die Revision behauptet, dem Verfahrensbevollmächtigten der Kläger mit dem Schreiben der OFD vom 17. März 1992 bekanntgegeben worden sind. Selbst wenn das nicht so wäre oder der erkennende Senat zumindest diese vom FG nicht festgestellte --von den Revisionsbeklagten allerdings auch nicht bestrittene-- Tatsache seiner Entscheidung zugrunde zu legen nach dem § 118 Abs. 2 FGO zugrundeliegenden Rechtsgedanken gehindert sein sollte, könnte nämlich die Klage nicht wegen Unwirksamkeit der Rücknahmebescheide Erfolg haben. Denn das FG hat festgestellt, daß die gegen die Rücknahmebescheide, welche den Klägern angeblich nicht wirksam bekanntgegeben worden sind, von diesen erhobenen Beschwerden als unbegründet zurückgewiesen worden sind. Jedenfalls dadurch ist der angebliche Mangel fehlender Bekanntgabe dieser Bescheide geheilt worden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH wird durch eine fehlerfreie Zustellung der Rechtsbehelfsentscheidung, selbst wenn sich deren Tenor in der Zurückweisung des Rechtsbehelfs als unbegründet erschöpft, der in der fehlerhaften Bekanntgabe eines Bescheides liegende (Wirksamkeits-)Mangel geheilt (BFH-Entscheidungen vom 14. November 1990 II R 255/85, BFHE 162, 380, BStBl II 1991, 49; vom 5. Dezember 1990 II R 109/86, BFHE 163, 223, BStBl II 1991, 181; vom 12. November 1992 XI B 69/92, BFHE 170, 106, BStBl II 1993, 263, und vom 10. Dezember 1992 IV R 136/91, BFH/NV 1993, 577). Dieser Rechtsprechung zu folgen und sie auch bei berufsrechtlichen Entscheidungen anzuwenden hat der erkennende Senat insbesondere dann keine Bedenken, wenn die Rechtsbehelfsentscheidung den wesentlichen Inhalt des Ausgangsbescheides wiedergibt und den Betroffenen dadurch ebenso wie bei einer nachgeholten Bekanntgabe des Ausgangsbescheides ohne weiteres in die Lage versetzt, seine Rechte geltend zu machen. So liegt es hier.
b) Die Rücknahmebescheide sind ihrem Inhalt nach rechtmäßig.
Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (zuletzt Urteile vom 19. Januar 1999 VII R 49 und 50/98, BFH/NV 1999, 976) bot die StBerO der DDR vom 27. Juni 1990 (Gesetzblatt der DDR --GBl DDR-- Sonderdruck Nr. 1455) keine rechtliche Grundlage für die Zulassung von Personen als Steuerbevollmächtigte, die nicht Staatsbürger der DDR waren und die nicht über Erfahrungen auf dem Gebiete des Steuerrechts der DDR verfügten, sofern die StBerO überhaupt über ihren § 19 Abs. 3 hinaus, der bei den Klägern offenkundig nicht einschlägig war, eine Bestellung als Steuerbevollmächtigter zuließ. Ferner mußten nach dieser Rechtsprechung zumindest Bewerber, die unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die StBerO zugelassen worden sind, die vorgenannten Voraussetzungen jedoch nicht erfüllten, die Rechtswidrigkeit ihrer Bestellung erkennen und sich grobe Fahrlässigkeit vorhalten lassen, wenn sie sie nicht erkannt haben.
Danach liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bestellung der Kläger als Steuerbevollmächtigte nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG vor. Denn abgesehen davon, daß unstreitig und nach dem Inhalt der Akten auch nicht zweifelhaft ist, daß die Kläger im Zeitpunkt ihrer Bestellung als Steuerbevollmächtigte nicht Staatsbürger der ehemaligen DDR waren, hat das FG ausdrücklich festgestellt, daß sie wegen der Staatsbürgerschaft der DDR bei den zuständigen Behörden (lediglich) "vorgesprochen" haben, was auch darauf hindeutet, daß ihnen deren Bedeutung für die angestrebte Bestellung als Steuerbevollmächtigte bekannt war und sie folglich die Rechtswidrigkeit der trotz fehlender DDR-Staatsbürgerschaft erfolgten Bestellung erkannt haben.
Vor allem aber ergibt sich aus dem Urteil des FG sinngemäß, daß die Kläger nicht die langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet des Steuerrechts der DDR besaßen, die von § 70 StBerO i.V.m. der Anordnung über die Zulassung zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit als Helfer in Steuersachen und der Registrierung von Stundenbuchhaltern (MdF-AnO) vom 7. Februar 1990 (GBl DDR Teil I Nr. 12 S. 92) verlangt wurden, aufgrund welcher Vorschriften die Bestellung der Kläger allenfalls rechtmäßig hätte erfolgen können. Denn die Kläger hatten ihre steuerliche Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland erhalten und sind dort bis 1990 steuerlich tätig gewesen. Diese Tatsachen kann der erkennende Senat der von ihm zu treffenden Revisionsentscheidung zugrunde legen. Die diesbezüglichen Ausführungen des FG tragen zwar dessen Urteil nicht; sie können jedoch gleichwohl jedenfalls deshalb im Revisionsverfahren berücksichtigt werden, weil eindeutig erkennbar ist, daß die fehlende Erfahrung der Kläger auf dem Gebiete des Steuerrechts der DDR auch vom FG zur Entscheidungsgrundlage gemacht worden wäre, wenn es über die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Rücknahme der Bestellung der Kläger als Steuerbevollmächtigte entschieden hätte (vgl. Beermann, a.a.O., § 118 FGO Rdnr. 49), der Sachverhalt also nach dem Ergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens entsteht und nicht denkbar ist, daß das FG bei erneuter Prüfung in einem zweiten Rechtsgang zu einem anderen Ergebnis kommen könnte (vgl. Beermann/Rüsken, a.a.O., § 120 FGO Rdnr. 225, m.w.N.). Hätten sich die Kläger mit den Vorschriften der StBerO und der MdF-AnO so gründlich auseinandergesetzt, wie dies von dem Bewerber um die Zulassung zu einem steuerberatenden Beruf erwartet werden kann, hätten sie auch erkennen können und müssen, daß sie nicht rechtmäßig zu Steuerbevollmächtigten bestellt und daß sie nicht ebenso behandelt werden können wie die in § 19 Abs. 3 StBerO genannten ehemaligen verantwortlichen und leitenden Mitarbeiter der VEB Rechnungsführung und Wirtschaftsberatung sowie der Finanzorgane, denen durch die Bestellung zum Steuerbevollmächtigten ein beruflicher Neubeginn ermöglicht werden sollte, weil sie ihrer bisherigen, vom wirtschaftlichen und politischen System der ehemaligen DDR abhängigen Tätigkeit nicht länger nachgehen konnten (vgl. u.a. Urteile des Senats vom 11. Mai 1993 VII R 98/92, BFH/NV 1994, 194; vom 4. November 1993 VII R 26/93, BFH/NV 1994, 663; vom 1. Februar 1994 VII R 27/93, BFHE 173, 471, BStBl II 1994, 822; zum Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit siehe Urteil vom 7. März 1996 VII R 61, 62/95, BFHE 179, 539, BStBl II 1996, 334).
Die Rücknahmebescheide der OFD sind folglich rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
4. Da die Kläger unterlegen sind, haben sie nach § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Kosten der nicht erforderlichen Beweiserhebung, die das FG durchgeführt hat, werden jedoch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes nicht erhoben.
Ende der Entscheidung
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