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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: VII R 30/04
Rechtsgebiete: UStG, TabStG, StGB, FGO


Vorschriften:

UStG § 21 Abs. 2
UStG § 21 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1
TabStG § 21 Satz 1
StGB § 27
FGO § 118 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Heranziehung des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) zur Zahlung von Einfuhrabgaben.

Kurze Zeit vor dem 27. September 1999 verabredete der Kläger mit einem anderen Tatbeteiligten, eine Schmuggelfahrt mitzuorganisieren, mit der eine größere Anzahl Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden sollte. Dabei sagte der Kläger zu, bei dem Abladen der Zigaretten zu helfen, wofür er 500 DM erhalten sollte.

Entsprechend der vorangegangenen Absprache begab sich der Kläger am 27. September 1999 zu der Werkstatthalle des J in X, wo die Zigaretten entladen und an Abnehmer zur weiteren Verteilung übergeben werden sollten. Ungefähr zur gleichen Zeit traf dort auch der LKW-Fahrer G mit einem Lastzug ein, mit dem er von Polen kommend in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingereist war. Hinter einer Tarnladung aus Sägespänen waren in dem Lastzug 4 000 000 Stück unverzollte und unversteuerte Zigaretten verladen, die G nicht zur Einfuhr angemeldet hatte.

Kurz nach Beginn der Entladung wurden der Kläger, G und J von Beamten des Zollfahndungsdienstes festgenommen, die das Geschehen in der Halle durch ein Fenster von außen verfolgt hatten. Die Zigaretten wurden beschlagnahmt und im weiteren Verlauf des Strafverfahrens eingezogen.

Wegen dieses Geschehens verurteilte das Amtsgericht (AG) den Kläger wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe.

Mit Steuerbescheid vom 4. Oktober 1999 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) gegen den Kläger gesamtschuldnerisch neben G und J Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer, Einfuhrumsatzsteuer) fest. In der Einspruchsentscheidung vom 7. November 2000 erläuterte das HZA ergänzend, dass es alle namentlich bekannten Abgabenschuldner wegen ihres gleichgewichtigen und arbeitsteiligen Vorgehens als Gesamtschuldner in Anspruch nehme.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die festgesetzten Einfuhrabgaben seien entstanden, weil die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden seien. Der Kläger sei nach Art. 202 Abs. 3 2. Anstrich des Zollkodex (ZK) Abgabenschuldner, weil er dadurch am Verbringen der Zigaretten beteiligt gewesen sei, dass er sich bereit erklärt habe, beim Entladen der Schmuggelwaren zu helfen und planmäßig zum Abladen der Zigaretten in der Werkstatt des J erschienen sei. Außerdem habe das AG den Kläger wegen der gemeinsamen Organisation und Durchführung der Schmuggelfahrt sogar als Täter einer Steuerhinterziehung angesehen, so dass sein Verhalten steuerrechtlich mindestens als Beteiligung am vorschriftswidrigen Verbringen gewertet werden müsse. Die Abgabenschuld sei auch nicht nach Art. 233 Buchst. d ZK erloschen, weil zum Zeitpunkt des Eingreifens und der Beschlagnahme der Waren durch die Zollfahndungsbeamten das vorschriftswidrige Verbringen bereits beendet gewesen sei. Aus einer Gesamtschau der Art. 202 Abs. 1 Satz 2, Art. 32 Abs. 1 Buchst. e, Art. 37 bis 41 und Art. 177 2. Anstrich ZK ergebe sich, dass der Vorgang des Verbringens allenfalls das Geschehen bis zu dem Zeitpunkt und Ort einer ordnungsgemäßen Gestellung umfasse. Eine Beschlagnahme, die erst erfolge, nachdem die Ware die "Ausgangsgrenze" des Amtsplatzes der nach Art. 38 ZK bestimmten Zollstelle passiert habe, führe folglich nicht mehr zum Erlöschen der Zollschuld.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und bringt hierzu vor:

Entgegen der Ansicht des FG sei bei der Beschlagnahme der Ware das vorschriftswidrige Verbringen der Zigaretten noch nicht beendet gewesen. Die Auslegung des Art. 233 Buchst. d ZK müsse den Wirtschaftszollgedanken berücksichtigen, nach dem Zoll grundsätzlich nur für Waren erhoben werden solle, die auch tatsächlich in den Wirtschaftskreislauf der Gemeinschaft eingingen. Einfuhrschmuggel, d.h. das vorschriftswidrige Verbringen von Waren, sei ein einheitlicher Lebensvorgang, der erst dann beendet sei, wenn die Ware Eingang in den Wirtschaftskreislauf gefunden habe bzw. zur Ruhe gekommen sei. Dies sei nicht der Fall, solange die Beförderung der Ware im Anschluss an das Überschreiten der Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft noch andauere. Hiervon sei im Streitfall auszugehen, weil die Beschlagnahme noch bei der Entladung erfolgt sei. Dafür, dass das vorschriftswidrige Verbringen im Zeitpunkt der Beschlagnahme noch nicht beendet gewesen sei, spreche auch, dass noch eine strafrechtlich relevante Beteiligung an dem vorschriftswidrigen Verbringen möglich gewesen sei. Außerdem dürfe es nicht vom Zeitpunkt des Zugriffs und damit von einsatztaktischen Erwägungen der Zollfahndungsbeamten abhängen, ob eine Beschlagnahme der Waren zu einem Erlöschen der Zollschuld führe. Die Ansicht des FG führe im Ergebnis dazu, dass die Zollschuld lediglich aufgrund einer Pflichtverletzung entstanden sei. Sie habe im Streitfall die Wirkung einer Sanktion oder Strafe, die selbständig neben die gegen ihn verhängte Kriminalstrafe träte. Darin liege eine unzulässige Doppelbestrafung und eine Verletzung europäisch verbürgter Grundrechte.

Der Kläger beantragt, Zoll und Einfuhrumsatzsteuer unter Abänderung der Vorentscheidung und des Steuerbescheides vom 4. Oktober 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. November 2000 auf Null herabzusetzen.

Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es hält das Urteil des FG und insbesondere auch die Auffassung des FG zur Auslegung des Art. 233 Buchst. d ZK für zutreffend.

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2005 VII S 13/04 (PKH) --BFH/NV 2006, 628--, auf den verwiesen wird, hat der Senat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das vorliegende Revisionsverfahren abgelehnt.

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).

1. Für die insgesamt 4 000 000 Stück Zigaretten ist unstreitig eine Zollschuld nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK entstanden. Entsprechendes gilt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) für die Einfuhrumsatzsteuer und nach § 21 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) für die Tabaksteuer. Die Zigaretten wurden vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht, weil sie entgegen Art. 38 Abs. 1 Buchst. a, Art. 40 ZK der Zollbehörde nicht gestellt worden sind. Da die Zigaretten hinter einer Tarnladung versteckt waren, wäre für eine ordnungsgemäße Gestellung im Streitfall eine ausdrückliche Mitteilung an die Zollbehörde erforderlich gewesen (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 4. März 2004 Rs. C-238/02 und C-246/02 --Viluckas/Jonusas--, EuGHE 2004, I-2141 Rn. 24; Senatsurteil vom 20. Juli 2004 VII R 38/01, BFHE 207, 81; auch § 8 Satz 2 der Zollverordnung), die nicht erfolgt ist.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers sind Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuld nicht nach Art. 233 Buchst. d ZK erloschen, weil das vorschriftswidrige Verbringen der Ware im Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits beendet war.

Nach Art. 233 Buchst. d ZK erlischt eine Zollschuld, wenn Waren, für die eine Zollschuld gemäß Art. 202 ZK entstanden ist, bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder später eingezogen werden. Das Gleiche gilt nach § 21 Abs. 2 UStG auch für die Einfuhrumsatzsteuer. Das vorschriftswidrige Verbringen von Waren i.S. des Art. 233 Buchst. d ZK ist nach Auffassung des Senats bereits dann beendet, wenn die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren den Ort, an dem sie den Zollbehörden nach Art. 40 ZK hätten gestellt werden müssen, wieder verlassen haben, ohne dass eine ordnungsgemäße Gestellung erfolgt ist. Denn mit dem Verlassen des Amtsplatzes haben die Waren das "Innere" des Zollgebiets der Gemeinschaft erreicht: Sie sind vorschriftswidrig verbracht.

a) Der Begriff des Verbringens ist im Gemeinschaftsrecht nicht ausdrücklich definiert. Gewöhnlich wird das Verbringen als ein vom menschlichen Willen getragener Realakt des körperlichen Gelangens in das EG-Zollgebiet verstanden (Senatsurteil vom 20. Juli 2004 VII R 39/01, nicht veröffentlicht; vgl. auch Witte/Kampf, Zollkodex, 3. Aufl., Art. 37 Rz. 3). So bestimmt z.B. Art. 37 ZK, dass Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, vom "Zeitpunkt des Verbringens" an der zollamtlichen Überwachung unterliegen. Im Sinne dieser Vorschrift ist also das Verbringen mit dem Überschreiten der Zollgrenze der Gemeinschaft beendet, weil die Waren damit in das Zollgebiet der Gemeinschaft gelangt (also verbracht) sind. Mitunter greift der Begriff des Verbringens nach den Regelungen des ZK aber auch über diesen Zeitpunkt hinaus.

b) Im Zollwertrecht etwa werden dem Transaktionswert einer eingeführten Ware gemäß Art. 32 Abs. 1 Buchst. e a.E. ZK die Beförderungskosten bis zum "Ort des Verbringens" zugeschlagen. Als diesen Ort definiert Art. 163 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) für im Eisenbahn-, Binnenschiffs- oder Straßenverkehr beförderte Waren den Ort der ersten Zollstelle nach dem Grenzübertritt in das Zollgebiet der Gemeinschaft (Art. 163 Abs. 1 Buchst. c ZKDVO), für im Seeverkehr beförderte Waren den Entlade- oder Umladehafen bzw. den ersten für eine Entladung in Betracht kommenden Hafen an einer Fluss- oder Kanalmündung oder weiter landeinwärts (Art. 163 Abs. 1 Buchst. a und b ZKDVO) und für auf andere Weise beförderte Waren den Ort, an dem die Landesgrenze des Zollgebiets der Gemeinschaft überschritten wird. Damit wird der Ort des Verbringens auf einen bestimmten, vergleichsweise nahe an der Zollgrenze der Gemeinschaft gelegenen Punkt fixiert.

c) Für das Zollschuldrecht geht in ähnlicher Weise aus dem in Art. 202 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK enthaltenen Verweis auf die Art. 38 bis 41 ZK hervor, dass das Verbringen nach dem Überschreiten der Zollgrenze der Gemeinschaft noch bis zum Zeitpunkt und Ort einer ordnungsgemäßen Gestellung, im gewerblichen Landstraßenverkehr also bis zum Amtsplatz bzw. bis zum Passieren der "Ausgangsgrenze" des Amtsplatzes der jeweils nach Art. 38 ZK bestimmten Zollstelle andauern kann (vgl. auch Witte, a.a.O., Art. 202 Rz. 2). Unter Umständen bewirkt nämlich erst die unterlassene Gestellung, dass das Verbringen der Waren vorschriftswidrig wird.

Darüber hinaus sieht der Senat keinen Grund, das vorschriftswidrige Verbringen noch weiter auszudehnen. Entgegen der Auffassung des Klägers und der in Teilen der Literatur, der Rechtsprechung und der Verwaltung vertretenen Meinungen (vgl. z.B. Witte, a.a.O., Art. 233 Rz. 18; Lichtenberg in Dorsch, Zollrecht, Art. 233 Rz. 8; Deimel in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Art. 233-234 ZK Rz. 33; Österreichischer Verwaltungsgerichtshof, Erkenntnis vom 24. April 2002 2001/16/0410, 0443, Beilage zur Österreichischen Steuerzeitung --ÖStZB-- 2003, 145; FG Düsseldorf, Urteil vom 9. Februar 2005 4 K 5532/03 VTa, Z, EU, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2005, 421; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 1996 11 K 81/95, ZfZ 1997, 91; Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --VSF-- Z 09 01 Abs. 69) ist es nach dem Wortlaut der Vorschrift, aus systematischen und teleologischen Erwägungen und nicht zuletzt auch aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit nicht gerechtfertigt, die Frage des Erlöschens der Zollschuld von völlig unbestimmten Begriffen ("Eingang in den Wirtschaftskreislauf", "Zur-Ruhe-Kommen") oder subjektiven Vorstellungen der Tatbeteiligten ("Bestimmungsort") abhängig zu machen.

Die in Art. 38 bis 40 ZK geregelten Pflichten sollen die in Art. 37 ZK postulierte zollamtliche Überwachung praktisch ermöglichen. Sie haben den Zweck, den Zollbehörden die verbrachten Waren vor Augen zu führen, damit die tatsächliche zollamtliche Überwachung dieser Waren einsetzen kann. Dementsprechend entsteht die Zollschuld nach Art. 202 ZK zugleich mit der Zuwiderhandlung gegen die Pflichten aus Art. 38 bis 41 ZK, weil dadurch die zollamtliche Überwachung beeinträchtigt wird und mithin die Gefahr besteht, dass eine spätere ordnungsgemäße Zollbehandlung vereitelt wird. Wird bis zu diesem Zeitpunkt die Ware beschlagnahmt, lässt sich ein Erlöschen der Zollschuld durch die nachfolgende Einziehung damit begründen, dass die Ware im Rahmen der zollamtlichen Überwachung an der Grenzzollstelle und damit in direkter Nähe zu der Außengrenze des Zollgebiets der Gemeinschaft abgefangen wurde, ohne dass die innergemeinschaftliche Wirtschaft durch den Schmuggelversuch konkret gefährdet gewesen wäre. Auch kann der Verbringer noch nicht nach Belieben mit der Ware verfahren, solange er sich noch unter den Augen des Zolls befindet, sozusagen noch der zollamtlichen Überwachung im engeren Sinn unterliegt.

Anders liegt es, wenn die Ware den Bereich der intensiven zollamtlichen Überwachung bereits verlassen hat. Ab diesem Zeitpunkt hat der Verbringer faktisch die Verfügungsmacht über die Ware. In diesem Fall sind die Interessen der innergemeinschaftlichen Wirtschaft bereits konkret gefährdet, denn dann ist eine zollamtliche Behandlung der Ware nur im Falle eines späteren Aufgriffs, d.h. selten, möglich. Es besteht demnach ein nachvollziehbarer Grund, die Waren zollschuldrechtlich differenzierend zu behandeln, je nach dem, ob sie während des Verbringens oder danach beschlagnahmt worden sind. Der Zweck der differenzierenden Regelungen lässt sich allerdings nur sinnvoll realisieren, wenn der Begriff des Verbringens, wie oben ausgeführt, auf den unmittelbaren Bereich des Grenzübertritts mit anschließender Beförderung zur ersten zuständigen Zollstelle beschränkt wird.

d) Die gegenteilige Meinung widerspricht dem Wortlaut des Art. 233 Buchst. d ZK. Soweit nach dieser Ansicht das vorschriftswidrige Verbringen solange fortbestehen soll, wie die "Beförderung im Anschluss an das Verbringen" ins Zollgebiet der Gemeinschaft noch andauert (Witte, a.a.O., Art. 233 Rz. 18), ist das schon in sich widersprüchlich, denn wenn sich die weitere Beförderung an das Verbringen anschließt, muss das Verbringen in Wahrheit bereits beendet sein. Außerdem würde der Kreis der begünstigten Zollschuldner ohne Veranlassung deutlich erweitert werden. Das verstieße gegen den Zweck der Vorschrift, denn durch den Wegfall der Zollschuld sollen nur die Fälle privilegiert werden, in denen der Schmuggel noch während der eigentlichen Tathandlung, d.h. während der Pflichtverletzung, spätestens am Amtsplatz der Grenzzollstelle aufgedeckt wird.

Dass der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung das Nichterlöschen der Zollschuld gemäß Art. 233 Buchst. d ZK vornehmlich damit begründet hat, dass die betroffenen Waren ihren (ersten) Bestimmungsort erreicht hätten und deshalb die Beschlagnahme nach dem vorschriftswidrigen Verbringen erfolgt sei (Senatsbeschlüsse vom 5. Februar 1998 VII B 192/97, BFH/NV 1998, 1393; vom 21. Dezember 2001 VII S 13/01, BFH/NV 2002, 692; in BFH/NV 2006, 628, und vom 13. Oktober 2005 VII S 46/05 (PKH), BFH/NV 2006, 631), bedeutet nicht, dass das jeweilige Verbringen bis zu diesem Zeitpunkt und Ort tatsächlich angedauert hat. In diesen Fällen kam es auf die genaue Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem das vorschriftswidrige Verbringen beendet war, nicht an. In seinen Beschlüssen in BFH/NV 2006, 628 und 631 hat der Senat zudem darauf hingewiesen, dass das Erreichen des ersten Bestimmungsorts und der Beginn der Entladung der Waren aus dem für den grenzüberschreitenden Transport verwendeten Transportmittel lediglich der späteste in Betracht kommende Zeitpunkt für eine Beendigung des vorschriftswidrigen Verbringens sei.

3. Der Senat kann über die Revision des Klägers entscheiden, ohne eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zu der Frage einzuholen, wann das vorschriftswidrige Verbringen i.S. des Art. 233 Buchst. d ZK beendet ist.

a) Die genaue Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem das vorschriftswidrige Verbringen beendet war, ist im Streitfall nämlich nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn --entgegen der Senatsauffassung-- das vorschriftswidrige Verbringen und die grenzüberschreitende Beförderung der Ware als einheitlicher Lebensvorgang anzusehen sein sollte mit der Folge, dass das Verbringen erst dann als beendet anzusehen wäre, wenn der Transport mit der Ware an seinem ersten Bestimmungsort eingetroffen ist (Witte, a.a.O., Art. 233 Rz. 18; VSF Z 09 01, Abs. 69; Österreichischer Verwaltungsgerichtshof in ÖStZB 2003, 145), wäre dieser Zeitpunkt im Streitfall spätestens mit dem Beginn der Entladung des für die grenzüberschreitende Beförderung verwendeten LKW erreicht (Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2006, 628 und 631; a.A. Urteil des FG Düsseldorf in ZfZ 2005, 421). Da die Beschlagnahme im Streitfall erst nach dem Beginn der Entladung des LKW erfolgt ist, wäre die Zollschuld auch nach dieser Auffassung nicht nach Art. 233 Buchst. d ZK erloschen. Der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH bedarf es daher nicht.

b) Im Übrigen hat der Senat keinen Zweifel daran, dass es bei der Frage des Erlöschens der Zollschuld nach Art. 233 Buchst. d ZK nicht darauf ankommen kann, ob die vorschriftswidrig verbrachten Waren Eingang in den Wirtschaftskreislauf der Gemeinschaft gefunden haben oder ob sie zur Ruhe gekommen sind (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1998, 1393, wonach ein In-Verkehr-Bringen der Waren nicht erforderlich ist und eine Beschlagnahme der Waren bei der Umladung in das Fahrzeug eines Abnehmers nicht zum Erlöschen der Zollschuld führt, obwohl die Ware ersichtlich nicht zur Ruhe gekommen war; auch Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2006, 628 und 631; a.A. Witte, a.a.O., Art. 233 Rz. 18; VSF Z 09 01 Abs. 69; Lichtenberg in Dorsch, a.a.O., Art. 233 Rz. 8). Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht daher insoweit ebenfalls nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 --C.I.L.F.I.T.--, EuGHE 1982, 3415 Rn. 16).

Beide Kriterien sind so unbestimmt, dass sie nicht geeignet sind, einen konkreten Zeitpunkt festzulegen, zu dem das vorschriftswidrige Verbringen beendet sein soll. Es bleibt unklar, wann konkret eine Ware Eingang in den Wirtschaftskreislauf gefunden haben soll oder wann eine Ware zur Ruhe gekommen ist. Überdies wird insbesondere das Kriterium des Zur-Ruhe-Kommens der Ware überwiegend floskelhaft und gewissermaßen als Synonym für die Beendigung des vorschriftswidrigen Verbringens gebraucht, ohne dass deutlich wird, ob ihm tatsächlich eine eigenständige Bedeutung zukommen soll. Erkennbar wird das insbesondere daran, dass das vorschriftswidrige Verbringen beispielsweise auch an einem Weiterverteilungs- oder Übernahmeort soll beendet sein können (vgl. Witte, a.a.O., Art. 233 Rz. 18; VSF Z 09 01 Abs. 69), mithin an einem Ort, an dem die Ware typischerweise gerade nicht zur Ruhe kommt.

Art. 233 Buchst. d ZK macht nach seinem klaren Wortlaut das Erlöschen der Zollschuld allein davon abhängig, dass die Waren "bei" dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder später eingezogen werden. Was mit den Waren nach der Beendigung des vorschriftswidrigen Verbringens geschieht, ist für die Frage des Erlöschens der Zollschuld ohne Bedeutung. Daher macht es keinen Unterschied, ob die Waren im Anschluss an das Verbringen zunächst in einem Versteck bleiben, in ein Zwischenlager eingelagert werden und dort zur Ruhe kommen oder ob sie unmittelbar entladen, umgeladen, an Zwischenhändler bzw. Endabnehmer übergeben und von diesen weiter befördert werden. Selbst ein unmittelbarer Weitertransport der verbrachten Waren durch andere Personen und/oder mit einem anderen Beförderungsmittel wäre ein bloßer Binnentransport, dem es an dem erforderlichen engen Bezug zu der ursprünglichen Verbringungshandlung, d.h. der grenzüberschreitenden Beförderung, fehlt.

Auch das Erkenntnis des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs in ÖStZB 2003, 145 ist nicht geeignet, den Senat insoweit zu Zweifeln an seiner Rechtsauffassung zu veranlassen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar die von Witte (a.a.O., Art. 233 Rz. 18) geprägte Formel aufgegriffen, dass das vorschriftswidrige Verbringen erst dann beendet sei, wenn die Ware "am ersten Bestimmungsort eingetroffen und mithin zur Ruhe gekommen" sei. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof dem Zur-Ruhe-Kommen der Ware oder dem Eingang in den Wirtschaftskreislauf eine eigenständige (tragende) Bedeutung zugemessen hat. In dem dort entschiedenen Fall hatte nämlich der Transport mit der Ware seinen ersten Bestimmungsort noch nicht erreicht; auf das Zur-Ruhe-Kommen der Ware oder den Eingang derselben in den Wirtschaftskreislauf kam es nicht an.

4. Der Umstand, dass im Streitfall gegebenenfalls ein früheres Eingreifen der Zollfahndung und damit eine frühere Beschlagnahme der Zigaretten möglich gewesen wäre, führt ebenfalls nicht zu einem Erlöschen der Abgabenschuld. Für ein Anknüpfen an bloße Möglichkeiten und hypothetische Geschehensabläufe im Rahmen des Art. 233 Buchst. d ZK ist kein Raum. Dass das Erlöschen der Einfuhrabgaben auch von dem Ausgang ermittlungstaktischer Überlegungen der Zollbehörden über den Zeitpunkt des Zugriffs abhängt, ist hinzunehmen. Die Zollbehörden sind nicht verpflichtet, ein vorschriftswidriges Verbringen von Waren zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden und damit die Entstehung von Einfuhrabgaben zu verhindern bzw. die Voraussetzungen für das Erlöschen der Abgaben zu schaffen, wenn ermittlungs- oder einsatztaktische Gründe ein anderes Vorgehen nahe legen (vgl. EuGH-Urteile vom 7. September 1999 Rs. C-61/98 --De Haan--, EuGHE 1999, I-5003 Rz. 32 ff.; vom 14. Dezember 2004 Rs. T-332/02 --Nordspedizionieri--, Rz. 51, ZfZ 2005, 53).

5. Der Kläger ist nach Art. 202 Abs. 3 2. Anstrich ZK Zollschuldner geworden, weil er am vorschriftswidrigen Verbringen der Zigaretten beteiligt war, obwohl er wusste, dass er damit vorschriftswidrig handelte. Entsprechendes gilt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 UStG für die Einfuhrumsatzsteuer.

a) Der Begriff der Beteiligung ist weit auszulegen. Es handelt sich um einen gegenüber dem Verbringen selbständigen Tatbestand, der über die Täterschaft hinausgeht und jeden erfasst, der sich in irgendeiner Weise an dem vorschriftswidrigen Verbringen der Waren beteiligt hat, ohne selbst Verbringer zu sein (FG Düsseldorf, Urteil vom 6. April 2001 4 K 4702/99 VTa, Z, EU, ZfZ 2001, 244). Der Tatbestand der Beteiligung schließt demnach jedenfalls denjenigen ein, der i.S. des § 27 des Strafgesetzbuches (StGB) Beihilfe zu dem vorschriftswidrigen Verbringen leistet (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- in BFH/NV 2002, 692; FG München, Urteil vom 17. März 2004 3 K 4114/01, ZfZ 2004, 309). Hilfeleistung i.S. des § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 18. April 1996 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 136). Das setzt voraus, dass das vorschriftswidrige Verbringen noch nicht beendet ist, wenn der Gehilfenbeitrag geleistet wird, denn eine bloß nachträgliche Beteiligung kann eine bereits beendete Haupttat nicht mehr fördern (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juli 2003 11 K 162/99, ZfZ 2004, 97, zur Beteiligung an der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung).

b) Ob, wie das FG meint, die Mithilfe bei der Entladung des Schmuggel-LKW noch eine Beteiligung am vorschriftswidrigen Verbringen sein kann, obwohl das Verbringen jedenfalls für die Frage des Erlöschens der Zollschuld nach Art. 233 Buchst. d ZK zu diesem Zeitpunkt bereits beendet ist, erscheint dem Senat zweifelhaft (vgl. auch Witte, Beteiligte als Zollschuldner, Außenwirtschaftliche Praxis 2005, 300, der eine Beteiligungsmöglichkeit nach der Beendigung des vorschriftswidrigen Verbringens i.S. des Art. 233 Buchst. d ZK ablehnt). Eine eingehende Auseinandersetzung hiermit ist jedoch im Streitfall nicht geboten, denn die Würdigung des FG, wonach sich der Kläger bereits durch die vorangegangenen Absprachen in psychischer Form an dem vorschriftswidrigen Verbringen beteiligt hat, ist nicht zu beanstanden.

Hilfe zu einer Tat kann nämlich auch schon durch die bloße Zusage einer späteren Unterstützungshandlung geleistet werden, indem der Gehilfe den Haupttäter in seinem schon gefassten Tatentschluss bestärkt und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt (BGH-Urteil vom 15. Juli 1999 5 StR 155/99, Neue Zeitschrift für Strafrecht 1999, 609). Die Beurteilung, ob dies so gewesen ist, beruht auf der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung im Einzelfall, die dem FG obliegt und revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Unter Berücksichtigung des insoweit eingeschränkten Prüfungsmaßstabes begegnet die Ansicht des FG, der Kläger habe sich bereits durch die vorangegangenen Absprachen an dem vorschriftswidrigen Verbringen beteiligt, keinen Bedenken.

c) Dass der Kläger seine Mithilfe bei der Entladung zugesagt hat, vermag zwar für sich allein die Annahme einer zollrechtlich relevanten Beteiligung am vorschriftswidrigen Verbringen noch nicht zu tragen. Da die zugesagte Unterstützung zu einer Zeit stattfinden sollte, in der das vorschriftswidrige Verbringen bereits beendet war, und weil die Zusage einer bloßen Hilfstätigkeit bei der Entladung der Waren nicht ohne weiteres eine solche Bedeutung für die Ausführung der eigentlichen Tat hat, dass sie --wie z.B. das Zur-Verfügung-Stellen einer Halle als Umladeort, vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 692-- als wesentlicher Teil der Logistik für die Ausführung der Tat selbst angesehen werden kann, bedurfte es ergänzender Feststellungen dafür, dass die vom Kläger in den vorangegangenen Absprachen erbrachten Unterstützungsleistungen so gewichtig waren, dass sie den Haupttäter in seinem schon gefassten Tatentschluss bestärkt und ihm für die Begehung der eigentlichen Tat ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt haben.

Solche Feststellungen hat das FG im Streitfall getroffen. Das FG hat zur Begründung seiner Ansicht, der Kläger habe sich am vorschriftswidrigen Verbringen beteiligt, nicht nur dessen Zusage der Mithilfe bei der Entladung angeführt, sondern es hat ergänzend auf das Strafurteil des AG Bezug genommen und sich dessen Feststellungen über die gemeinschaftliche Organisation und Durchführung der Schmuggelfahrt durch den Kläger und einen weiteren Beteiligten zu Eigen gemacht. Auch der sich aus der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung ergebende Umstand, dass der Kläger bei seiner Festnahme ein Mobiltelefon mit sich führte, mit dem er die wartenden Abnehmer über das Ende der Entladung informieren sollte, ist ein Indiz dafür, dass der Kläger in weiterem Umfang als nur durch die Zusage der Mithilfe bei der Entladung in die Organisation und Durchführung des Zigarettentransports eingebunden war. Daraus, dass auch das FG bei der Prüfung der ordnungsgemäßen Gesamtschuldnerauswahl ausgeführt hat, dass die Ermessensausübung des HZA, alle namentlich bekannten Beteiligten aufgrund ihres gleichgewichtigen und arbeitsteiligen Handelns als Abgabenschuldner in Anspruch zu nehmen, nicht zu beanstanden sei, geht hervor, dass das FG den Gesamttatbeitrag des Klägers aufgrund einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Beweismittel und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung als gleichwertig mit dem Fahren des Schmuggel-LKW und dem Zur-Verfügung-Stellen der Werkstatt als Umladeort ansah. An diese Feststellungen, gegen die Revisionsrügen nicht vorgebracht wurden, ist der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

6. Die Erhebung der Einfuhrabgaben führt weder zu einer unzulässigen Doppelbestrafung noch liegt sonst ein Verstoß gegen europäisch verbürgte Grundrechte vor. Strafe i.S. von Art. 103 Abs. 3 des Grundgesetzes ist nur die Kriminalstrafe (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1976 2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101). Art. 202 ZK ist jedoch keine Strafnorm, sondern dient allein der Sicherung einer ordnungsgemäßen Besteuerung in Fällen, in denen Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden.

Ende der Entscheidung

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