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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 13.08.1998
Aktenzeichen: VII R 30/98
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 4
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
FGO § 119 Nr. 5
FGO § 104 Abs. 2
FGO § 126 Abs. 1
FGO § 116
FGO § 119 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) hat den Kläger und Revisionskläger (Kläger) durch Steuerbescheid vom ... als Abgabenschuldner gesamtschuldnerisch für Abschöpfung und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt ... DM in Anspruch genommen. Einspruch und Klage dagegen blieben ohne Erfolg. In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) am 25. September 1997 wurde der Beschluß verkündet, daß eine Entscheidung den Beteiligten schriftlich zugestellt wird. Das Urteil ist am 19. Januar 1998 zur Geschäftsstelle gelangt und dem Kläger am 2. Februar 1998 zugestellt worden.

Seine nicht zugelassene Revision stützt der Kläger auf § 116 Abs. 1 Nr. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 119 Nr. 5 FGO. Er macht geltend, die gewählte Form der Zustellung des Urteils verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte vom 4. November 1950 --MRK-- (BGBl II 1952, 686, 953). Danach sei die Entscheidung des Gerichts in irgendeiner Weise öffentlich bekanntzugeben. Diesem Erfordernis genüge die Zustellung des Urteils nicht. Außerdem sei § 104 Abs. 2 FGO verletzt, weil das Urteil nicht binnen zweier Wochen der Geschäftsstelle übergeben worden sei. Aufgrund der Komplexität des Sach- und Streitstandes, der schon in dem überaus ausführlichen Tatbestand sowie der Entscheidungsgründe zum Ausdruck komme, könne nicht mehr mit hinreichender Sicherheit die erforderliche Übereinstimmung von beratenen und wiedergegebenen Gründen garantiert werden. Das Urteil sei daher als nicht mit Gründen versehen anzusehen.

Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.

Das HZA beantragt, die Revision zu verwerfen.

II. Die Revision des Klägers ist unzulässig und daher durch Beschluß zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO), weil seinem Vortrag nicht schlüssig zu entnehmen ist, daß einer der genannten Verfahrensmängel vorliegt.

1. Der Umstand, daß das Urteil nicht öffentlich verkündet, sondern gemäß § 104 Abs. 2 FGO zugestellt worden ist, vermag den vom Kläger gerügten Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 119 Nr. 5 FGO nicht zu begründen.

Es begegnet bereits erheblichen Zweifeln, ob Art. 6 Abs. 1 Satz 2 MRK überhaupt geeignet ist, die gesetzliche Vorschrift des § 104 Abs. 2 FGO zu modifizieren oder gar außer Kraft zu setzen, nach der die Bekanntgabe eines finanzgerichtlichen Urteils durch Zustellung erfolgen kann (vgl. dazu näher Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 104 Anm. 8, m.w.N.). Einer näheren Auseinandersetzung mit dieser Frage bedarf es jedoch nicht. Denn jedenfalls ist die Aufzählung der Gründe, die zu einer zulassungsfreien Revision nach § 116 FGO führen, abschließend. Eine etwaige Verletzung von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 MRK läßt sich unter keinen dieser Gründe subsumieren.

Der vom Kläger in diesem Zusammenhang gerügte Verfahrensfehler nach § 116 Abs. 1 Nr. 4, § 119 Nr. 5 FGO läge nur vor, wenn das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind. Die Vorschrift stellt somit nur auf die mündliche Verhandlung ab, auf die hin das Urteil ergangen ist, befaßt sich aber nicht mit den Umständen in Verbindung mit der Verkündung oder sonstigen Bekanntgabe des Urteils. Daß Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens in bezug auf die mündliche Verhandlung verletzt wurden, läßt sich indes dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen, er beschränkt sich vielmehr darauf, die Verletzung von Vorschriften zu rügen, die seiner Ansicht nach eine öffentliche Verkündung des Urteils im finanzgerichtlichen Verfahren verlangen.

2. Auch die Rüge, daß das Urteil nicht mit Gründen versehen sei, weil das schriftliche Urteil entgegen § 104 Abs. 2 FGO, wonach das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übergeben ist, erst gut drei Monate nach Schluß der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle übergeben worden sei, vermag die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen.

Zwar ist ein Urteil, das erst längere Zeit nach der letzten mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle übergeben wird, nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6 FGO), wenn die Umstände dafür sprechen, daß der Zusammenhang zwischen mündlicher Verhandlung und Urteilsabsetzung so weit gelöst ist, daß den Urteilsgründen ein ausreichender Beurkundungswert nicht mehr zugesprochen werden kann (vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 119 Anm. 26, m.w.N.). In Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 GmS-OGB 1/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 674) ist davon aber auch im Falle der Zustellung des Urteils nach § 104 Abs. 2 FGO erst auszugehen, wenn das vollständige Urteil nicht binnen fünf Monaten, gerechnet von dem in § 104 Abs. 2 FGO vorgeschriebenen Termin, an die Geschäftsstelle übergeben worden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21. August 1997 V R 30/97, BFH/NV 1998, 589; Beschluß vom 24. August 1993 VII R 126/92, BFH/NV 1994, 252).

Nach dem Vortrag des Klägers ist das Urteil im Streitfall der Geschäftsstelle innerhalb der genannten Frist am 19. Januar 1998 übergeben und anschließend zugestellt worden; ein absoluter Revisionsgrund i.S. des § 119 Nr. 6 FGO und damit ein Grund für die zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO ergibt sich deshalb aus dem Vortrag des Klägers nicht.

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