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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: VII R 32/03
Rechtsgebiete: VO Nr. 3665/87


Vorschriften:

VO Nr. 3665/87 Art. 11 Abs. 1
VO Nr. 3665/87 Art. 33 Abs. 1
Die für den Fall, dass ein Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat, in Art. 11 VO Nr. 3665/87 (seit April 1995) vorgesehene Sanktion besteht in einer Verminderung des Erstattungsanspruches. Ist ein Erstattungsbetrag vorfinanziert worden, der höher ist als der für die ausgeführte Menge tatsächlich fällige Betrag, so bezieht sich folglich die in Art. 33 Abs. 1 dieser Verordnung vorgeschriebene Erhöhung des von dem Beteiligten zu erstattenden Differenzbetrages um 20 % auch auf den nach Art. 11 der Verordnung zu berechnenden Sanktionsbetrag.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat 1995 Vorfinanzierung von Ausfuhrerstattung in Höhe von rd. 200 000 DM in Anspruch genommen. Die Ware ist ausgeführt und die Sicherheit freigegeben worden. Später wurde jedoch festgestellt, dass die ausgeführte Ware teilweise nicht der angemeldeten Ware entsprach. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) fordert deshalb von der Klägerin einen Betrag von (jetzt noch) rd. ... € zurück. In diesem Betrag ist eine Sanktion gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 351/1) i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 2945/94 (ABlEG Nr. L 310/57) in Höhe von ... € und ein darauf vom HZA, gestützt auf Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 3665/87 (i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 1615/90 --VO Nr. 1615/90--, ABlEG Nr. L 152/33, später in hier nicht interessierender Weise geändert) erhobener Zuschlag von 20 %, also von rd. ... €, enthalten.

Im Revisionsverfahren streiten die Beteiligten nur über die Berechtigung dieses Zuschlages. Das Finanzgericht (FG) hat in dem angegriffenen Urteil den Bescheid des HZA insoweit aufgehoben, als mit ihm vorgenannter Zuschlag auf den Sanktionsbetrag festgesetzt worden ist. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des HZA.

Das HZA beantragt, das Urteil des FG zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des HZA zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, der Verordnungsgeber meine mit dem fälligen Betrag in Art. 33 vorgenannter Verordnung eindeutig den Betrag, welcher sich aus der Differenz zwischen der geltenden Erstattung und der von dem Marktbeteiligten beantragten Erstattung errechne; nur auf diesen Differenzbetrag sei der Zuschlag zu erheben. Die dem Marktbeteiligten zustehende Erstattung bezeichne die Verordnung im Unterschied dazu als die geschuldete Erstattung, um die es in Art. 33 aber nicht gehe.

II.

Die Revision des HZA ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt, soweit es den Bescheid des HZA aufgehoben hat, Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Wie das FG richtig erkannt hat, muss Ausgangspunkt der rechtlichen Würdigung Art. 33 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 sein (vgl. jetzt Art. 35 der Verordnung (EWG) Nr. 800/1999 --VO Nr. 800/1999--, ABlEG Nr. L 102/11). Nach dieser Vorschrift wird der Betrag, auf den der Erstattungsantragsteller wegen der Ausfuhr von Marktordnungswaren Anspruch hat, mit dem ihm vorfinanzierten Betrag verrechnet. Ist jedoch, so heißt es im Unterabs. 2 der eben genannten Vorschrift, der für die ausgeführte Menge der Marktordnungsware "fällige" Betrag niedriger als der vorfinanzierte Betrag, so hat der Beteiligte den Differenzbetrag zu erstatten, der um 20 % erhöht wird.

Bei der Ermittlung dieses Differenzbetrages, um dessen Erhöhung zwischen den Beteiligten allein Streit besteht, und der dafür erforderlichen Berechnung des für die betreffende Ausfuhr "fälligen Betrages" ist Art. 11 VO Nr. 3665/87 zu berücksichtigen (vgl. jetzt Art. 51 VO Nr. 800/1999). Denn dieser Artikel enthält Vorschriften, wie die Ausfuhrerstattung zu berechnen ist, wenn die Erstattung, auf die der Antragsteller für die betreffende Ausfuhr Anspruch hat, geringer ist als die Ausfuhrerstattung, die sich auf der Grundlage der von dem Antragsteller gemachten Angaben dazu, d.h. seines Antrages ergibt. Art. 11 VO Nr. 3665/87 schreibt also nicht etwa vor, gleichsam neben der Rückforderung des Differenzbetrages, der sich aus der Gegenüberstellung der Erstattung ergibt, die beantragt worden ist, und der Erstattung, auf die ein Ausführer nach Maßgabe der Beschaffenheit der ausgeführten Ware und des für sie geltenden, nämlich des durch eine Satz-Verordnung festgelegten Erstattungssatzes Anspruch hat, eine Sanktion zu erheben, sondern die in dieser Vorschrift vorgesehene Sanktion besteht darin, dass dem Ausführer, der falsche Angaben gemacht und eine zu hohe Ausfuhrerstattung beantragt hat, nur eine geringere Ausfuhrerstattung zugestanden wird, als an sich in der Satz-Verordnung vorgesehen ist und als sie dem Ausführer folglich zugestanden hätte, wenn er die Ausfuhrerstattung in richtiger Höhe beantragt hätte. Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 ergänzt mit anderen Worten die Satz-Verordnung und modifiziert in den in ihm bezeichneten Fällen die Erstattungsberechnung.

Dass nur dieses Verständnis der Sanktionsregelung des Art. 11 VO Nr. 3665/87 richtig sein kann, ergibt sich klar und eindeutig aus dem Wortlaut dieser Vorschrift. Nach ihrem Abs. 1 entspricht nämlich "die für die betreffende Ausfuhr geschuldete Erstattung der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung, vermindert um einen Betrag", der sich aus dem Unterschied zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung ergibt und der Höhe nach davon abhängig ist, ob dem Ausführer zur Last fällt, dass er in seinem Erstattungsantrag vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat, oder ob dies nicht der Fall ist, er also nur fahrlässig oder sogar schuldlos gehandelt hat. Dieser gesetzlichen Konstruktion der Sanktion als einer Verminderung des Erstattungsanspruches entspricht die Fassung des Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 VO Nr. 3665/87, der die Zahlungspflicht des Begünstigten normiert und der den nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 3665/87 errechneten Sanktionsbetrag ausdrücklich als Teil des dem Begünstigten zu Unrecht gewährten und deshalb von ihm zurückzuzahlenden Betrages anspricht ("... zahlt der Begünstigte den zu Unrecht erhaltenen Betrag - einschließlich ... Sanktionen - ... zurück"). Nur vor diesem Hintergrund ist es auch verständlich, dass die VO Nr. 3665/87 in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 4 und Unterabs. 5 eine --im Unterschied zu der sonst gegebenen Rückzahlungspflicht, für welche der Sanktionsbetrag lediglich ein unselbständiger Rechnungsposten ist, eintretende-- besondere Zahlungspflicht des Ausführers für den Fall normiert, dass sich bei der in Abs. 1 Unterabs. 1 vorgeschriebenen Verminderung der Erstattung ein negativer Betrag ergibt oder dass mangels Entstehens eines ausreichend hohen Anspruches auf Erstattung die Durchsetzung der Sanktionierung durch eine Verminderung des Anspruches auf die Erstattung nicht möglich ist.

Ist also in dem hier vorliegenden Fall, dass eine höhere Erstattung beantragt worden ist als dem Ausführer tatsächlich zusteht, die in Art. 11 VO Nr. 3665/87 vorgesehene Sanktion die Verminderung des Erstattungsbetrages, so muss dieser mindere Erstattungsbetrag auch der Ermittlung des Differenzbetrages nach Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 3665/87 zugrunde gelegt werden und auf den so ermittelten Differenzbetrag der dort vorgeschriebene Zuschlag von 20 % erhoben werden. Dass Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 3665/87 den zwecks Ermittlung des Differenzbetrages von dem vorfinanzierten Erstattungsbetrag abzuziehenden Betrag als den "fälligen Betrag" anspricht, während Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 3665/87 insofern von der "für die betreffende Ausfuhr geschuldeten Erstattung" spricht, stellt demgegenüber allenfalls eine terminologische Unebenheit dar, die jedoch kein sachliches Gewicht hat und die sich z.B. in der englischen und französischen Fassung der Verordnung nicht wiederfindet (Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1: the refund due for the relevant exportation; la restitution due pour l'exportation). Dass vielmehr mit dem "fälligen Betrag" in Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 3665/87 genau der Betrag gemeint ist, auf den der Ausführer für die von ihm getätigte Ausfuhr nach den einschlägigen Vorschriften, zu denen, wie dargelegt, auch Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 gehört, tatsächlich Anspruch hat, die ihm also die Behörde schuldet, wird zusätzlich daran deutlich, dass die eingangs bezeichnete ursprüngliche Fassung der VO Nr. 3665/87 in Art. 33 Abs. 1, der damals keine Unterabsätze hatte, dort, wo später von einem "fälligen Betrag" die Rede sein wird (Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 VO Nr. 3665/87 i.d.F. der VO Nr. 1615/90), von dem Betrag sprach, auf den ein "Anspruch besteht".

Die mithin dem klaren Wortlaut der vorgenannten Vorschriften nach gebotene Berechnung des bei Inanspruchnahme einer überhöhten Vorfinanzierung zu erhebenden Zuschlages von 20 % führt, anders als die Klägerin und das angefochtene Urteil meinen, dessen Rechtsansicht das FG inzwischen in dem Urteil vom 1. April 2003 IV 294/01 selbst korrigiert hat, nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis. Hat der Begünstigte --wie hier-- auch nach Verminderung seines Erstattungsanspruches gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 3665/87 einen (betragsmäßig positiven) Anspruch auf Ausfuhrerstattung, ist also die ihm vorfinanzierte Erstattung höher als die ihm unter Berücksichtigung der vorgenannten Sanktionsregelung zustehende Erstattung, so wird allerdings der in Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 2 VO 3665/87 vorgesehene 20%-Zuschlag gleichsam auch auf den Betrag erhoben, um den sich der Erstattungsanspruch des Ausführers wegen der von ihm zu hoch beantragten Erstattung gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 3665/87 vermindert hat. Richtig ist auch, wovon das angefochtene Urteil ausgeht, dass jener Zuschlag in erster Linie den dem Beteiligten durch Inanspruchnahme des Vorfinanzierungsverfahrens gewährten Vermögensvorteil (pauschalierend) abschöpfen soll (zu diesem Zweck des Zuschlages vgl. Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 5. Februar 1987 Rs. 288/85, EuGHE 1987, 621, 625 Tz. 14, und vom 27. Februar 1992 vbd. Rs. C-5/90 und C-206/90, EuGHE 1992, I-1157, 1223 Tz. 36). Zu Unrecht meint das angefochtene Urteil aber, der Zuschlag könne nicht auf die Differenz des Vorfinanzierungsbetrages zu dem unter Berücksichtigung der Sanktionsregelung berechneten Erstattungsanspruch erhoben werden, weil der Beteiligte "einen Betrag in Höhe der Sanktion" von der Behörde nicht erhalten und folglich auch keinen abzuschöpfenden Vermögensvorteil erlangt habe. Denn das ist nur in dem --hier nicht gegebenen-- Fall und insofern richtig, als der dem Ausführer tatsächlich zustehende Erstattungsbetrag durch die Anwendung der Sanktionsregelung ins Minus gerät, der Ausführer also nicht nur das ihm Gewährte zurückzahlen, sondern gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 4 VO Nr. 3665/87 etwas an die Behörde zahlen muss. Dass auf einen solchen Zahlbetrag nicht der nach Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 3665/87 auf einen zu erstattenden Differenzbetrag zu erhebende Zuschlag zu berechnen wäre, ist hier jedoch nicht zu entscheiden, weil die Klägerin nur den vorfinanzierten Betrag (teilweise) zurückzahlen soll.

Wäre der Zuschlag nur auf den Differenzbetrag zwischen der beantragten und der nach Maßgabe der Satz-Verordnung geltenden Erstattung zu erheben, würde sich im Übrigen für den Ausführer das finanzielle Risiko, das er bei Beantragung einer höheren als der geltenden Erstattung eingeht, verringern, wenn er die Vorfinanzierung des Erstattungsbetrages in Anspruch nimmt. Denn er käme dann bis zur Rückforderung des ihm nicht zustehenden, um die Sanktion zu kürzenden Erstattungsbetrages in den Genuss der nach Maßgabe der einschlägigen Satz-Verordnung geltenden Erstattung, ohne dass der Vorteil abgeschöpft würde, der darin besteht, dass der Betreffende den der Sanktion entsprechenden Teil der beantragten Erstattung zunächst erhalten hat und vorläufig nutzen konnte, und ohne dass er deshalb mit einer höheren Sanktion belegt werden könnte als ein Antragsteller, der im normalen Verfahren falsche Angaben gemacht hat und deshalb von vornherein nur eine verminderte Erstattung erhält. Die von dem angefochtenen Urteil und der Klägerin für richtig gehaltene Handhabung der VO Nr. 3665/87 würde mit anderen Worten die Wirkung der Sanktionsregelung bei Inanspruchnahme des Vorfinanzierungsverfahrens mildern, was schwerlich den Absichten des Verordnungsgebers entsprechen dürfte.

Die Revision des HZA muss nach alledem Erfolg haben. Der Senat kann entscheiden, ohne nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft eine Vorabentscheidung des EuGH einholen zu müssen. Denn die richtige Auslegung der maßgebenden Vorschriften ist zweifelsfrei (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415).



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