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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.03.2001
Aktenzeichen: VII R 42/99
Rechtsgebiete: VO Nr. 1224/80, VO Nr. 1495/80, VO Nr. 1496/80


Vorschriften:

VO Nr. 1224/80 Art. 1 Abs. 1 Buchst. g
VO Nr. 1224/80 Art. 3 Abs. 1
VO Nr. 1224/80 Art. 3 Abs. 3
VO Nr. 1495/80 Art. 3 Abs. 2 Buchst. a
VO Nr. 1496/80 Art. 1 Abs. 1
VO Nr. 1496/80 Art. 1 Abs. 1 Anhang I
BUNDESFINANZHOF

1. Ist Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1495/80 der Kommission vom 11. Juni 1980 zur Durchführung einiger Vorschriften der Artikel 1, 3 und 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates über den Zollwert der Waren (ABlEG Nr. L 154/14) i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 220/85 (ABlEG Nr. L 25/7) dahin gehend auszulegen, dass Zinszahlungen getrennt von dem Warenpreis ausgewiesen sind, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung der Zollstelle lediglich die Rechnung über den Netto-Warenpreis vorliegt, aus der sich --wie im Übrigen auch aus der Zollwertanmeldung-- weder ausdrücklich noch konkludent entnehmen lässt, dass im Rahmen des zu bewertenden Kaufgeschäfts auch Zinsen vom Käufer an den Verkäufer gezahlt worden sind?

2. Falls die Frage 1 zu verneinen ist: Gehören die Zinszahlungen dann zum Zollwert der Waren?

VO Nr. 1224/80 Art. 1 Abs. 1 Buchst. g, Art. 3 Abs. 1 und 3 VO Nr. 1495/80 Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1496/80 Art. 1 Abs. 1 und Anhang I

Beschluss vom 1. März 2001 - VII R 42/99 -

Vorinstanz: FG Düsseldorf


Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Einbeziehung von Zinszahlungen in den Zollwert. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezog von ihrer japanischen Muttergesellschaft (KC) verschiedene elektronische Waren. Hinsichtlich der der Klägerin in Rechnung gestellten Preise, die nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) nicht durch die Verbundenheit beeinflusst waren, war der Klägerin zunächst ein Zahlungsziel von 120 Tagen nach Verschiffung (ab Datum des Konnossements) eingeräumt. Die Klägerin zahlte die Rechnungen in voller Höhe.

Im Mai 1987 vereinbarte KC mit der Klägerin angesichts der geltenden Zahlungsbedingungen Zinszahlungen für 90 Tage, wobei die Zinsen bei einem jährlichen Zinssatz von 4,5 % monatlich berechnet werden sollten. Dieser Zinssatz galt auch für die hier noch streitigen acht Einfuhrfälle aus den Jahren 1990 und 1991. Entsprechend dieser Vereinbarung erstellte KC monatliche Zinsrechnungen, in denen für die einzelnen Lieferungen an die Klägerin die Zinsen berechnet waren.

Die eingeführten Waren wurden in den streitigen Fällen von einer Spedition namens der Klägerin zur Abfertigung in das der Spedition bewilligte Zolllager angemeldet und von der Spedition später auch wieder namens der Klägerin in den zollrechtlich freien Verkehr entnommen. Weder bei den Anmeldungen zum Zollla-ger noch bei den Anmeldungen der Lagerentnahmen wurden die Zinsen in den abgegebenen Zollwertanmeldungen oder auf sonstige Weise angemeldet. Dies wurde anlässlich einer Einfuhrhandelsprüfung bei der Klägerin von den Prüfungsbeamten beanstandet. Bei einer weiteren Außenprüfung ermittelten die Prüfungsbeamten die auf die jeweiligen Lagerentnahmen entfallenden Zinsbeträge und den sich daraus ergebenden Mehrzoll.

Mit Steueränderungsbescheid setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) den nachzuerhebenden Zoll fest. Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage beim FG. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung waren zwischen den Beteiligten noch acht Einfuhrfälle mit einem Nachforderungsbetrag an Zoll in Höhe von ... DM streitig.

Das FG wies die Klage ab, weil es der Auffassung war, dass die von der Klägerin an KC gezahlten Zinsen in den Streitfällen zum jeweiligen Zollwert der aus dem Lager in den zollrechtlich freien Verkehr entnommenen Waren gehörten. Vom Käufer an den Verkäufer gezahlte Zinsen gehörten als Bedingung für das Kaufgeschäft grundsätzlich zum Transaktionswert i.S. des im Streitfall noch zur Anwendung kommenden Art. 3 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 (VO Nr. 1224/80) des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 134/1). Sie würden nur dann nicht in den zu ermittelnden Zollwert einbezogen, wenn die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1495/80 (VO Nr. 1495/80) der Kommission vom 11. Juni 1980 zur Durchführung einiger Vorschriften der Artikel 1, 3 und 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates über den Zollwert der Waren (ABlEG Nr. L 154/14) i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 220/85 (ABlEG Nr. L 25/7) erfüllt seien. Im Streitfall fehle es allerdings an der Voraussetzung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1495/80, dass nämlich die Zinsen getrennt von dem für die Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis ausgewiesen seien. Dieser getrennte Ausweis müsse spätestens im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldungen erfolgen und sich aus den der Zollstelle vorgelegten Unterlagen ergeben, denn nur dann sei eine Prüfung des getrennten Ausweises durch die Zollstelle möglich. Obwohl die Klägerin in den meisten Fällen bereits wenigstens ca. einen Monat vor Abgabe der Sammelzollanmeldungen (über die Einlagerungen in das offene Zolllager) im Besitz der Zinsrechnungen gewesen sei, habe sie diese der Zollstelle nicht vorgelegt, und auch bei der späteren Anmeldung der Lagerentnahmen sei dies nicht geschehen. Damit sei der erforderliche getrennte Ausweis nicht geführt worden, so dass die Zinszahlungen im Ergebnis zum Zollwert gehörten und daher zu Recht der darauf entfallende Zoll nacherhoben worden sei.

Mit ihrer Revision gegen das vorinstanzliche Urteil rügt die Klägerin namentlich die Verletzung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1495/80. Das FG habe in dieser Vorschrift ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal des getrennten Ausweises aufgestellt, welches es darin nicht gebe, nämlich dass die Unterlage über das getrennt auszuweisende Element (hier: die getrennte Zinsrechnung) im Zeitpunkt der Annahme der Zollwertanmeldung der Zollstelle vorliegen müsse. Dies verkehre das Merkmal des getrennten Ausweises in das Gegenteil dessen, was es nach der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) beinhalte. Nach dieser Rechtsprechung genüge es für den getrennten Ausweis, wenn der auszuweisende Betrag in irgendeiner Weise vom Kaufpreis unterscheidbar sei. Erfolge der getrennte Ausweis in einem von der Rechnung über den Kaufpreis getrennten Schriftstück, sei damit automatisch getrennt ausgewiesen, wenn im Augenblick der Verzollung der Zollstelle lediglich die Rechnung mit dem isoliert ausgewiesenen Warenpreis (ohne jeglichen Einbezug von Zinsen) vorliege. Die Nichtvorlage der getrennten Rechnung über die Zinsen könne an der Tatsache des ordnungsgemäß geführten getrennten Ausweises nichts ändern. Das zollwertrechtliche Ziel, den materiell richtigen Zollwert zu ermitteln, werde erreicht, wenn der Zollwertanmeldung eine Rechnung zugrunde gelegt werde, die, wie im Streitfall, ausschließlich den "reinen Transaktionswert" ausweise. Der Vorlage eines zusätzlichen Dokuments bedürfe es nur dann, wenn etwas betragsmäßig aus der Handelsrechnung ausgegrenzt werden solle, in der Handelsrechnung selbst aber nicht als separater Posten abgesetzt und damit nicht im Sinne der gesetzlichen Vorschrift getrennt ausgewiesen sei.

II.

Im Streitfall ist eine Vorschrift des gemeinschaftlichen Zollwertrechts aus der Zeit vor Inkraftsetzung des Zollkodex anzuwenden, deren Auslegung zweifelhaft erscheint. Es ist daher geboten, den EuGH um eine Vorabentscheidung zur Auslegung der maßgebenden Vorschrift zu ersuchen (Art. 234 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Das Auslegungsproblem stellt sich im Übrigen in gleicher Weise auch für Art. 33 Buchst. c der VO (EWG) Nr. 2913/92 (ZK) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 302/1), der zum 1. Januar 1994 an die Stelle der bis dahin maßgeblichen Zollwertvorschrift getreten ist.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits (wie auch für zahlreiche weitere noch zwischen den Beteiligten und anderen Beteiligten auf Verwaltungsebene anhängige Verfahren) kommt es darauf an, ob die Klägerin die an KC im Rahmen der zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Finanzierungsvereinbarung in Bezug auf den Kauf der eingeführten Waren gezahlten Zinsen i.S. des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1495/80 "getrennt von dem für die Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis ausgewiesen" hat. Wäre dies der Fall, wäre der Revision der Klägerin stattzugeben und das Urteil des FG sowie die Verwaltungsentscheidungen in dem angefochtenen Umfang aufzuheben, denn alle übrigen Voraussetzungen des Art. 3 VO Nr. 1495/80 (s. dazu das EuGH-Urteil vom 4. Juni 1992 Rs. C-21/91 --Wünsche--, Slg. 1992, I-3647) sind nach den den BFH bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) erfüllt. Anderenfalls wäre die Revision zurückzuweisen und das vorinstanzliche Urteil zu bestätigen.

1. Zu entscheiden ist im vorliegenden Fall, ob Zinsen getrennt von dem Warenpreis ausgewiesen sind, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung der Zollstelle lediglich die Rechnung über den Netto-Warenpreis vorliegt, aus der sich --wie im Übrigen auch aus der Zollwertanmeldung-- weder ausdrücklich noch konkludent entnehmen lässt, dass im Rahmen des zu bewertenden Kaufgeschäfts auch Zinsen vom Käufer an den Verkäufer gezahlt worden sind, wohingegen der Importeur/Zollwertanmelder die Rechnung über die Zinsen, obschon bei ihm im maßgeblichen Zeitpunkt vorhanden (in sieben der acht Fälle), der Zollstelle nicht vorgelegt hat bzw. (im achten Fall) der Zollstelle keinen Hinweis auf die noch ausstehende Zinsrechnung gegeben hat.

Ist der Zollwert einer eingeführten Ware nach dem Transaktionswert des Art. 3 VO Nr. 1224/80 zu ermitteln, sieht das gemeinschaftliche Zollwertrecht eine ganze Reihe von Kosten oder Elementen vor, die bei getrenntem Ausweis von dem für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis nicht in den Zollwert einbezogen werden.

a) Hinsichtlich der Beförderungskosten nach der Einfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft (innergemeinschaftliche Beförderungskosten) nach Art. 15 Abs. 1 VO Nr. 1224/80 entnimmt der Senat dem Urteil des EuGH vom 10. Dezember 1985 Rs. 290/84 --Mainfrucht-- (Slg. 1985, 3909), dass ein getrennter Ausweis jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn die innergemeinschaftlichen Beförderungskosten vom Importeur aufgrund einer gesonderten Rechnung bezahlt worden sind (vgl. den Leitsatz dieses Urteils sowie Abs. 25 und 33 der Gründe). Allerdings hatte der Importeur in diesem Fall beide Rechnungen, also sowohl die Warenrechnung als auch die gesonderte Rechnung über die innergemeinschaftlichen Beförderungskosten, der Zollstelle bei der Abfertigung vorgelegt.

b) In einem weiteren Urteil vom 18. April 1991 Rs. C-79/89 --BBC-- (Slg. 1991, I-1853) hat sich der EuGH hinsichtlich von Montagekosten nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. a VO Nr. 1224/80 zwar nicht dazu geäußert, unter welchen Umständen ein getrennter Ausweis anzunehmen ist; er hat jedoch den maßgeblichen Zeitpunkt für den getrennten Ausweis in der Weise festgelegt, dass dieser "in" (s. Abs. 35 und den Leitsatz) der Zollwertanmeldung (richtiger wohl: "bei", d.h. bei Abgabe der Zollwertanmeldung außerhalb derselben, vgl. Abs. 29 des Urteils; zu diesen Formulierungsdifferenzen s. auch das EuGH-Urteil vom 9. August 1994 Rs. C-340/93 --Thierschmidt--, Slg. 1994, I-3905, Abs. 25 und 28 mit Leitsatz 2) zu führen ist, d.h. spätestens im maßgebenden Zeitpunkt für die Ermittlung des Zollwerts i.S. von Art. 1 Abs. 1 Buchst. g VO Nr. 1224/80 erbracht sein muss und (vorbehaltlich des Sonderfalles der unvollständigen Anmeldung, s. Slg. 1991, I-1853, Abs. 30 und 31) nach der Freigabe der Waren durch die Zollstelle eine Berichtigung der Zollanmeldung in Form einer Nachholung des getrennten Ausweises nicht mehr in Betracht kommt.

Nur beiläufig bemerkt der Senat in diesem Zusammenhang, dass sich im Streitfall der maßgebliche Zeitpunkt nicht nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. g Ziff. i VO Nr. 1224/80 bestimmt, weil die betreffenden Waren nicht unmittelbar in den freien Verkehr übergeführt worden sind, sondern nach Ziff. ii dieser Vorschrift, denn diese Waren sind aus dem Zolllagerverfahren, einem besonderen Zollverkehr, in den freien Verkehr der Gemeinschaft übergegangen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung des Zollwerts und damit auch für die Führung des getrennten Ausweises war nach dem damals noch maßgeblichen nationalen Recht (s. auch Art. 20 VO Nr. 1224/80) grundsätzlich --vorbehaltlich bestimmter Sonderfälle-- bereits der Zeitpunkt der Abfertigung zur Zollgutlagerung, weil zu diesem Zeitpunkt Menge, Beschaffenheit und Zollwert des Zollguts von der Zollstelle durch Feststellungsbescheid festzustellen waren (§ 45 Abs. 1 Satz 1 des nationalen Zollgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 18. Mai 1970, BGBl I, 529; zitierte Vorschrift i.d.F. des 14. Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes vom 3. August 1973, BGBl I, 933, 936). Aus diesem Grund ist es auch zu erklären, dass das FG in seinem Urteil den Zeitpunkt der Annahme der Sammelzollanmeldungen durch die Zollstelle in Form eines Feststellungsbescheids als maßgeblichen Zeitpunkt ansieht und die Frage nach dem getrennten Ausweis in erster Linie auf diesen Zeitpunkt bezieht. Freilich kommt es im Streitfall auf die exakte Festlegung des maßgeblichen Zeitpunkts nicht an, denn die Zinsrechnungen lagen auch im Zeitpunkt der Überführung der Lagerwaren in den zollrechtlich freien Verkehr der Zollstelle noch nicht vor. Sie wurden erst bei der Einfuhrhandelsprüfung im Betrieb der Klägerin aufgefunden.

c) In seinem Urteil in Slg. 1992, I-3647, ist der EuGH davon ausgegangen, dass hinsichtlich von Zinsen im Rahmen einer Finanzierungsvereinbarung in Bezug auf den Kauf eingeführter Waren nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1495/80 das Erfordernis des getrennten Ausweises erfüllt ist, wenn auf der für den Käufer bestimmten (Waren-) Rechnung die geschuldeten Zinsen als gesonderter Posten aufgeführt sind. Die betreffenden Rechnungen --davon ist aufgrund des Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1496/80 (VO Nr. 1496/80) der Kommission vom 11. Juni 1980 über die Anmeldung der Angaben für den Zollwert und über vorzulegende Unterlagen (ABlEG Nr. L 154/16) auszugehen-- lagen indessen der Zollstelle bei Abgabe der Zollwertanmeldung vor.

Aus dem Urteil des EuGH vom 29. Mai 1997 Rs. C-93/96 --ICT-- (Slg. 1997, I-2881) dürften sich nach Auffassung des Senats, obwohl Entscheidungsgegenstand auch eine Finanzierungsvereinbarung nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1495/80 (s. insbesondere Abs. 16 und 17) war, keine Erkenntnisse für die Frage des getrennten Ausweises ergeben, weil der EuGH dort nicht zum Zollwertrecht, sondern zum Antidumpingzollrecht entschieden hat.

2. Die Analyse der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH führt zu keiner unmittelbaren Lösung der aufgeworfenen Rechtsfrage, ob ein getrennter Ausweis angenommen werden kann, wenn der Anmelder lediglich den bereinigten Nettowarenpreis anmeldet, von dem er stillschweigend die seiner Ansicht nach berücksichtigungsfähigen Elemente bereits abgezogen hat, und die Zollstelle daher im Ungewissen darüber lässt, wie sich der Bruttopreis zusammensetzt und welche Aufwendungen/Kosten eigentlich abgezogen worden sind. Auch im einschlägigen deutschsprachigen Schrifttum wird die Lösung dieser Frage letztlich als noch offen angesehen (vgl. Witte/Reiche, Zollkodex, 2. Aufl. 1998, Art. 33 Rz. 4 und 5; Müller-Eiselt, EG-Zollrecht, Zollkodex/Zollwert, Fach 4233 Rz. 20 und 21 zu Art. 33 ZK). Der BFH hat in einer älteren Entscheidung (Urteil vom 15. Oktober 1991 VII R 167, 168/85, BFH/NV 1992, 352) mehr beiläufig den Standpunkt vertreten, dass die "stillschweigende Reduzierung des Gesamtrechnungspreises um die Montagekosten" nicht als getrennter Ausweis angesehen werden könne. Der Senat hat nach alldem Zweifel, wie im Streitfall zu entscheiden ist. a) Für den Standpunkt der Klägerin könnte sprechen, dass sie im Ergebnis den materiell zutreffenden Zollwert angemeldet hat und damit den Zielen der VO Nr. 1224/80 und den Vorgaben des GATT-Zollwertrechts Genüge getan ist. Diesem Gesichtspunkt kommt in der Rechtsprechung des EuGH herausragende Bedeutung zu. Er könnte auch im Streitfall durchschlagen. Im Hinblick auf das Erfordernis des getrennten Ausweises könnte --etwas überspitzt-- argumentiert werden, in der Vorlage lediglich der Rechnung über den bereinigten Nettowarenpreis liege die klarste Form des getrennten Ausweises.

b) Andererseits hat der Senat aber auch Verständnis für den Standpunkt der Zollverwaltung. Für deren Standpunkt könnte zunächst sprechen, dass ein getrennter Ausweis --so der Senat in seinem Urteil vom 16. Oktober 1990 VII R 32/89 (BFHE 162, 520)-- schon nach dem Wortlaut voraussetzt, "dass zuvor zollwertrechtlich unterschiedlich zu behandelnde Beträge ungetrennt, d.h. in einem Betrag, angemeldet worden sind. Getrennt ausweisen bedeutet, wie es die Kommission in ihrer Stellungnahme in der Rs. 290/84 (EuGHE 1985, 3909, 3914) ausgedrückt hat, einen Betrag 'unterscheidbar', 'als getrennter Kostenbestandteil erkennbar' kenntlich zu machen. Es geht also stets um die Abtrennung (und den Abzug) eines Teilbetrages von einem angemeldeten Gesamtbetrag." Folgte man dieser Ansicht, hätte die Klägerin einen getrennten Ausweis bei ihren Zollwertanmeldungen nicht geführt.

Ferner spricht für den Standpunkt der Zollverwaltung, dass bei Zulässigkeit der Anmeldung des bloßen Nettowarenpreises ein Kontrolldefizit mit ggf. unerwünschten Folgen für die eigenen Einnahmen der Gemeinschaft entstehen könnte. Die Zollstelle wäre dann nämlich nicht der Lage, beim Eingang der Waren in die Gemeinschaft (sei es bei der Überführung in ein Zolllagerverfahren, sei es bei unmittelbarer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr der Gemeinschaft) zu überprüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nichteinbeziehung eines Elements in den Zollwert durch den Importeur erfüllt sind. Gerade bei den Zinszahlungen müssen nach Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1495/80 einige gesetzliche Voraussetzungen für die Nichteinbeziehung solcher Zahlungen in den Zollwert erfüllt sein (vgl. dazu etwa das EuGH-Urteil in Slg. 1997, I-2881, Abs. 15). Eine Nachprüfung könnte dann lediglich innerhalb des nichtverjährten Zeitraums (vgl. jetzt Art. 221 Abs. 3 ZK) im Betrieb des Importeurs erfolgen. Stellt sich dabei heraus, dass der "Abzug" materiell zu Unrecht vorgenommen worden ist, wären die dann nachzuerhebenden Einfuhrabgaben ungesichert. Dabei kann es um Größenordnungen gehen, die den relativ niedrigen Streitwert des vorliegenden Verfahrens erheblich überschreiten. Ein von der Zollstelle unkontrollierter Selbstabzug durch den Importeur birgt somit die Gefahr, dass dem Haushalt der Gemeinschaft Mittel verloren gehen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch die formellen Erfordernisse bei der Zollwertanmeldung Gemeinschaftsrecht sind, welches der Importeur zu beachten und einzuhalten hat. Im Zeitpunkt der im Streitfall getätigten Einfuhren war die Zollwertanmeldung nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Anhang I VO Nr. 1496/80 auf einem Vordruck nach dem Muster D.V. 1 abzugeben. Die derart formalisierte Zollwertanmeldung verlangt in Teil A Feld 11 die Angabe des tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises (d.h. einschließlich der Zinszahlungen) und in Teil C (Abzüge) Feld 21 die spezifizierte Angabe von "anderen Zahlungen" (andere als innergemeinschaftliche Beförderungskosten = Feld 19, Montagekosten = Feld 20 und Zölle/Steuern = Feld 22), z.B. also Zinszahlungen, deren Nichteinbeziehung in den Zollwert begehrt wird. Verstößt ein Importeur, wie im Streitfall, gegen diese Anmeldungspflicht, indem er in Feld 11 lediglich den um die Zinszahlungen bereinigten Nettowarenpreis anmeldet, und legt er gleichzeitig der Zollstelle auch nur die Rechnung über diesen Nettowarenpreis vor, wird der Zollstelle jede Möglichkeit der sofortigen Überprüfung genommen. Sie wäre dann entgegen der Absicht, die der Gemeinschaftsgesetzgeber augenscheinlich mit der formalisierten Zollwertanmeldung verbunden hat, nicht mehr Herrin des Verfahrens.

c) Sähe der EuGH nach den Umständen des Streitfalls einen getrennten Ausweis durch die Klägerin als nicht erbracht an, wäre nach Auffassung des Senats die Folge, dass die dann nicht getrennt ausgewiesenen Zinszahlungen als Teil des tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preises gemäß Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 VO Nr. 1224/80 zum Transaktionswert und damit zum Zollwert für die eingeführte Ware gehörten. Wenn nämlich eine der in Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1495/80 aufgeführten materiellen Voraussetzungen für die Nichteinbeziehung von Zinszahlungen in den Transaktionswert, also auch die Voraussetzung des getrennten Ausweises, nicht erfüllt ist, gehören die betreffenden Zinszahlungen zum Transaktionswert. Dieser wird dadurch nicht etwa falsch. Auch ein Transaktionswert unter Einschluss von Zinszahlungen kann ein korrekter Zollwert sein. Im Gegensatz zu der vom Senat in seinem Urteil in BFHE 162, 520 vertretenen Auffassung könnte die Einbeziehung eines (auch implizit) nicht angemeldeten Betrages in den Zollwert dann doch mit dem Fehlen eines getrennten Ausweises allein gerechtfertigt werden.

Aus diesen Gründen legt der Senat dem EuGH die im Tenor dieses Beschlusses formulierten Auslegungsfragen zur Vorabentscheidung vor.

Ende der Entscheidung

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