Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.01.2004
Aktenzeichen: VII R 42/99 (1)
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezog von ihrer japanischen Muttergesellschaft (J) verschiedene elektronische Waren. Hinsichtlich der der Klägerin in Rechnung gestellten Preise, die nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) nicht durch die Verbundenheit beeinflusst waren, war der Klägerin zunächst ein Zahlungsziel von 120 Tagen nach Verschiffung (ab Datum des Konnossements) eingeräumt. Die Klägerin zahlte die Rechnungen in voller Höhe.

Im Mai 1987 vereinbarte J mit der Klägerin angesichts der geltenden Zahlungsbedingungen Zinszahlungen für 90 Tage, wobei die Zinsen bei einem jährlichen Zinssatz von 4,5 % monatlich berechnet werden sollten. Dieser Zinssatz galt auch für die hier noch streitigen acht Einfuhrfälle aus den Jahren 1990 und 1991. Entsprechend dieser Vereinbarung erstellte J monatliche Zinsrechnungen, in denen für die einzelnen Lieferungen an die Klägerin die Zinsen berechnet waren.

Die eingeführten Waren wurden in den streitigen Fällen von einer Spedition namens der Klägerin zur Abfertigung in das der Spedition bewilligte Zolllager angemeldet und von der Spedition später auch wieder namens der Klägerin in den zollrechtlich freien Verkehr entnommen. Weder bei den Anmeldungen zum Zolllager noch bei den Anmeldungen der Lagerentnahmen wurden die Zinsen in den abgegebenen Zollwertanmeldungen oder auf sonstige Weise angemeldet. Dies wurde anlässlich einer Einfuhrhandelsprüfung bei der Klägerin für den Zeitraum vom 1. August 1990 bis zum 31. Juli 1993 von den Prüfungsbeamten beanstandet. Bei einer weiteren Außenprüfung ermittelten die Prüfungsbeamten die auf die jeweiligen Lagerentnahmen entfallenden Zinsbeträge und den sich daraus ergebenden Mehrzoll.

Mit Steueränderungsbescheid vom ... 1994, später aufgrund der Berechnung der Prüfer geändert durch den Bescheid vom ... 1994, setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) den nachzuerhebenden Zoll fest. Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage beim FG. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung waren zwischen den Beteiligten noch acht Einfuhrfälle mit einem Nachforderungsbetrag an Zoll in Höhe von ... DM streitig.

Das FG wies die Klage ab, weil es der Auffassung war, dass die von der Klägerin an J gezahlten Zinsen in den Streitfällen zum jeweiligen Zollwert der aus dem Lager in den zollrechtlich freien Verkehr entnommenen Waren gehörten. Vom Käufer an den Verkäufer gezahlte Zinsen gehörten als Bedingung für das Kaufgeschäft grundsätzlich zum Transaktionswert im Sinne des im Streitfall noch zur Anwendung kommenden Art. 3 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 (VO Nr. 1224/80) des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 134/1). Sie würden nur dann nicht in den zu ermittelnden Zollwert einbezogen, wenn die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1495/80 (VO Nr. 1495/80) der Kommission vom 11. Juni 1980 zur Durchführung einiger Vorschriften der Artikel 1, 3 und 8 der VO Nr. 1224/80 des Rates über den Zollwert der Waren (ABlEG Nr. L 154/14) i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 220/85 (ABlEG Nr. L 25/7) erfüllt seien. Im Streitfall fehle es allerdings an der Voraussetzung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1495/80, dass nämlich die Zinsen getrennt von dem für die Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis ausgewiesen seien. Dieser getrennte Ausweis müsse spätestens im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldungen erfolgen und sich aus den der Zollstelle vorgelegten Unterlagen ergeben, denn nur dann sei eine Prüfung des getrennten Ausweises durch die Zollstelle möglich. Obwohl die Klägerin in den meisten Fällen bereits wenigstens ca. einen Monat vor Abgabe der Sammelzollanmeldungen (über die Einlagerungen in das offene Zolllager) im Besitz der Zinsrechnungen gewesen sei, habe sie diese der Zollstelle nicht vorgelegt, und auch bei der späteren Anmeldung der Lagerentnahmen sei dies nicht geschehen. Damit sei der erforderliche getrennte Ausweis nicht geführt worden, so dass die Zinszahlungen im Ergebnis zum Zollwert gehörten und daher zu Recht der darauf entfallende Zoll nacherhoben worden sei.

Mit ihrer Revision gegen das vorinstanzliche Urteil rügt die Klägerin namentlich die Verletzung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1495/80. Das FG habe in dieser Vorschrift ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal des getrennten Ausweises aufgestellt, welches es darin nicht gebe, nämlich dass die Unterlage über das getrennt auszuweisende Element (hier: die getrennte Zinsrechnung) im Zeitpunkt der Annahme der Zollwertanmeldung der Zollstelle vorliegen müsse. Dies verkehre das Merkmal des getrennten Ausweises in das Gegenteil dessen, was es nach der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) beinhalte. Nach dieser Rechtsprechung genüge es für den getrennten Ausweis, wenn der auszuweisende Betrag in irgendeiner Weise vom Kaufpreis unterscheidbar sei. Erfolge der getrennte Ausweis in einem von der Rechnung über den Kaufpreis getrennten Schriftstück, sei damit automatisch getrennt ausgewiesen, wenn im Augenblick der Verzollung der Zollstelle lediglich die Rechnung mit dem isoliert ausgewiesenen Warenpreis (ohne jeglichen Einbezug von Zinsen) vorliege. Die Nichtvorlage der getrennten Rechnung über die Zinsen könne an der Tatsache des ordnungsgemäß geführten getrennten Ausweises nichts ändern. Das zollwertrechtliche Ziel, den materiell richtigen Zollwert zu ermitteln, werde erreicht, wenn der Zollwertanmeldung eine Rechnung zugrunde gelegt werde, die, wie im Streitfall, ausschließlich den "reinen Transaktionswert" ausweise. Der Vorlage eines zusätzlichen Dokuments bedürfe es nur dann, wenn etwas betragsmäßig aus der Handelsrechnung ausgegrenzt werden solle, in der Handelsrechnung selbst aber nicht als separater Posten abgesetzt und damit nicht im Sinne der gesetzlichen Vorschrift getrennt ausgewiesen sei.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen insoweit aufzuheben, als in ihnen zu den Positionen der Anlage 1 zum Betriebsprüfungsbericht Zölle auf Zinsen erhoben worden sind, hilfsweise den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.

Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das HZA hält die Entscheidung des FG im Ergebnis und auch in der Begründung für zutreffend. Zinsen müssten, wie alle getrennt ausweisbaren Elemente, im maßgeblichen Zeitpunkt, d.h. im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung, getrennt ausgewiesen sein. Dies habe die Klägerin im Streitfall versäumt. In der bloßen Anmeldung der Netto-Warenpreise (also ohne Zinsen) könne kein getrennter Ausweis liegen, weil der Zollstelle vorenthalten worden sei, dass neben dem Warenpreis auch noch Zinsen gezahlt worden seien. Es würde dem Sinn und Zweck der Vorschriften über den getrennten Ausweis zuwiderlaufen und auch --für den Fall des unberechtigten Ausschlusses der Zinsen vom Zollwert-- der Steuerhinterziehung Vorschub leisten, wenn der Zollbeteiligte nur den Netto-Warenpreis ohne jeglichen Hinweis auf Zinszahlungen anmelden dürfte. Er könnte dadurch zwar regelmäßig den Ausschluss der Zinsen vom Zollwert erreichen, aber auch gleichzeitig eine Überprüfung der Zollstelle, ob die Voraussetzungen für den Ausschluss der Zinsen vom Zollwert erfüllt seien, verhindern. Daher müsse für die ordnungsgemäße Führung des getrennten Ausweises jedenfalls verlangt werden, dass der Zollwertanmeldung eine Unterlage über das getrennt auszuweisende Element beigefügt sei, damit die Zollstelle wenigstens erkennen könne, dass der Zollwertanmelder Zinsen vom Kaufpreis absetzen wolle, und damit in die Lage versetzt werde, dieses Begehren auf Ausschluss der Zinsen vom Zollwert auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen. Herr des Verfahrens müsse die Zollstelle bleiben. Sie allein habe in Kenntnis aller Fakten die Entscheidung zu treffen, ob getrennt ausgewiesene und geltend gemachte Kosten in den Zollwert einzubeziehen oder von ihm auszuschließen seien.

Im Verlauf des Revisionsverfahrens hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 1. März 2001 VII R 42/99 (BFHE 195, 57), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, gemäß Art. 234 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft eine Vorabentscheidung des EuGH zu folgenden Auslegungsfragen eingeholt:

"1. Ist Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1495/80 der Kommission vom 11. Juni 1980 zur Durchführung einiger Vorschriften der Artikel 1, 3 und 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates über den Zollwert der Waren (ABlEG Nr. L 154/14) i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 220/85 (ABlEG Nr. L 25/7) dahin gehend auszulegen, dass Zinszahlungen getrennt von dem Warenpreis ausgewiesen sind, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung der Zollstelle lediglich die Rechnung über den Netto-Warenpreis vorliegt, aus der sich --wie im Übrigen auch aus der Zollwertanmeldung-- weder ausdrücklich noch konkludent entnehmen lässt, dass im Rahmen des zu bewertenden Kaufgeschäfts auch Zinsen vom Käufer an den Verkäufer gezahlt worden sind?

2. Falls die Frage 1 zu verneinen ist: Gehören die Zinszahlungen dann zum Zollwert der Waren?"

Der EuGH hat mit Urteil vom 20. November 2003 Rs. C-152/01 hierzu wie folgt entschieden:

"Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 1495/80 der Kommission vom 11. Juni 1980 zur Durchführung einiger Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates über den Zollwert der Waren in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 220/85 der Kommission vom 29. Januar 1985 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Zinszahlungen auch dann getrennt von dem Warenpreis ausgewiesen sind, wenn den Zollbehörden im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung lediglich die Rechnung über den Nettowarenpreis vorliegt und sich weder aus dieser Rechnung noch aus der Zollwertanmeldung ausdrücklich oder konkludent entnehmen lässt, dass der Käufer dem Verkäufer im Rahmen der betreffenden Einfuhr Zinsen gezahlt hat oder zahlen muss."

Die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich zu dem Vorabentscheidungsurteil zu äußern. Die Klägerin sieht sich in ihrer Auffassung durch die Ausführungen des Vorabentscheidungsurteils in vollem Umfang bestätigt und bittet, ihrem Klageantrag stattzugeben.

Das HZA hat keine Stellungnahme zum Streitgegenstand mehr abgegeben. Der Senat geht daher davon aus, dass es an seinem ursprünglichen Antrag festhält, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen in dem beantragten Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Revision ist begründet, weil das FG --wie zuvor schon das HZA-- zur Auslegung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1495/80 eine andere Rechtsauffassung als der EuGH vertreten hat und die klageabweisende Entscheidung des FG darauf beruht. Nach der Rechtsauffassung des EuGH, an die der erkennende Senat bei der Entscheidung über die Revision der Klägerin gebunden ist, ist davon auszugehen, dass die Klägerin unter den Umständen des Streitfalls durch die bloße Vorlage der Nettowarenpreisrechnung über die eingeführten Waren die von ihrem Verkäufer im Rahmen der abgeschlossenen Finanzierungsvereinbarung in Bezug auf den Kauf dieser Waren berechneten Zinsen getrennt von dem für die Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis ausgewiesen hat. Einer Angabe der Zinsen in der Zollwertanmeldung bedarf es hierzu nicht (Abs. 36 des EuGH-Urteils). Da alle übrigen Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1495/80 (s. dazu das EuGH-Urteil vom 4. Juni 1992 Rs. C-21/91 --Wünsche--, Slg. 1992, I-3647) nach den den BFH bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) erfüllt sind, durften die Zinsen nicht in den Zollwert der eingeführten Waren einbezogen werden.

Ende der Entscheidung

Zurück