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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.04.2004
Aktenzeichen: VII R 44/03
Rechtsgebiete: StromStG
Vorschriften:
StromStG § 9 Abs. 1 Nr. 3 | |
StromStG § 9 Abs. 1 Nr. 1 |
2. Von einer Entnahme des Stroms in räumlichem Zusammenhang zu der von § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG begünstigten Anlage kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn mit dem in der Anlage erzeugten Strom ausschließlich innerhalb einer kleinen Gemeinde gelegene kommunale Abnahmestellen versorgt werden.
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in der Gemeinde S eine Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK-Anlage) mit einer installierten elektrischen Leistung von 0,12 MW und einer Wärmeleistung von ca. 0,2 MW. Die Anlage, die aus einem Motorheizkraftwerk und Wärmepumpen einschließlich autarken Regelanlagen besteht, befindet sich auf dem Gelände der Grundschule. Von der KWK-Anlage werden mit eigenen Stromleitungen die Grundschule nebst Turnhalle und Hausmeisterwohnung sowie das Freibad mit Schwimmmeisterwohnung mit Strom versorgt. Soweit mit dem von der Anlage erzeugten Strom andere kommunale Abnahmestellen, wie z.B. das Rathaus, das Straßenbeleuchtungssystem oder die Kläranlage, versorgt werden, wird zum Transport der elektrischen Energie das allgemeine Stromnetz der Überlandwerke L verwendet. Die kommunalen Abnahmestellen, die höchstens 4,5 km von der KWK-Anlage entfernt liegen, werden durch den Mittelspannungsring erreicht, wobei der Strom auf Niederspannung umgespannt wird. Der in der KWK-Anlage erzeugte Strom deckt den Bedarf aller kommunalen Stromabnahmestellen zu etwa 75 bis 85 v.H.; den darüber hinaus benötigten Strom erwarb die Klägerin von einem Versorger und bezog ihn aus dem allgemeinen Stromnetz. Durch die von der Klägerin installierte und verwendete Mess-, Steuer- und Regeltechnik wurde sichergestellt, dass von der KWK-Anlage nur der von der Gemeinde S gerade benötigte Strom erzeugt wurde.
Grundlage für die Stromlieferung durch die Klägerin war ein zwischen ihr und der Gemeinde S abgeschlossener Vertrag, nach dem sich die Klägerin verpflichtete, für die Gemeinde S ein Investitionsvorhaben durchzuführen und auch zu finanzieren, das u.a. die Errichtung der KWK-Anlage und deren Betrieb für einen Zeitraum von 20 Jahren umfasste. Als Gegenleistung hatte die Gemeinde S ein jährliches Nutzungsentgelt zu zahlen, das auch die Stromleistungen für die Grundschule und das Freibad umfasste. Das Entgelt für die Stromleistungen an die anderen kommunalen Stromabnahmestellen hatte die Klägerin mit der Gemeinde S nach einem zuvor vereinbarten Schlüssel abzurechnen. Gegenüber dem Bundesland Niedersachsen trat die Gemeinde S als Investor auf und erhielt auch Landeszuschüsse, die sie an die Klägerin weitergab. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit sollte die Gemeinde S Eigentümerin der von der Klägerin errichteten Anlagen werden.
Mit insgesamt drei Vorauszahlungsbescheiden setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) gegenüber der Klägerin für die Jahre ... die von ihr zu entrichtende Stromsteuer fest und forderte die Klägerin zu monatlichen Vorauszahlungen auf. Bei der Berechnung der Vorauszahlungen ging das HZA davon aus, dass eine Steuerbefreiung nur für die mit eigenen Stromleitungen durchgeführte Stromversorgung der Grundschule, der Turnhalle und der Hausmeisterwohnung gewährt werden könne. Bei der Versorgung der anderen kommunalen Entnahmestellen sei der Strom zwar in der KWK-Anlage der Klägerin erzeugt, jedoch nicht im räumlichen Zusammenhang zu dieser Anlage entnommen worden, wie dies § 9 Abs. 1 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) in der Fassung von Art. 2 des Gesetzes zur Fortführung der ökologischen Steuerreform vom 16. Dezember 1999 (BGBl I, 2432) erfordere. Denn nach einer Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- (veröffentlicht in Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --VSF-- N 62 2001 Nr. 453) entfalle der räumliche Zusammenhang unabhängig von der zu überbrückenden Entfernung, sobald das öffentliche Stromnetz berührt werde und damit nicht mehr gewährleistet sei, dass der erzeugte Strom objektbezogen entnommen werde.
Gegen die drei Vorauszahlungsbescheide legte die Klägerin Einspruch ein, den das HZA als unbegründet zurückwies. Die daraufhin erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Bescheide insoweit rechtswidrig seien, als sie auf der Annahme beruhten, dass auch für den von der Klägerin erzeugten und geleisteten Strom Stromsteuer anfallen würde. Eine Pflicht zur Entrichtung der Stromsteuer bestehe nur hinsichtlich des von einem Dritten bezogenen und an die Gemeinde S geleisteten Stroms. Der von der Klägerin in der KWK-Anlage selbst erzeugte Strom sei indes im räumlichen Zusammenhang mit der Anlage entnommen worden, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG im Streitfall erfüllt seien. Der Wortlaut der Vorschrift bestimme weder eine genaue Obergrenze für die Entfernung zwischen der Stromerzeugungsanlage und dem Ort der Stromentnahme, noch stelle er das Erfordernis auf, den so erzeugten Strom unter Ausschluss des öffentlichen Stromnetzes durch ausschließlich dafür vorgesehene Leitungen zum Ort der Stromentnahme zu leiten. Über die Gestaltung des Stromtransports treffe die Vorschrift keine Aussage.
Auch aus dem Zweck der Begünstigung und aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergebe sich die vom HZA der Vorschrift beigemessene Deutung nicht. Eine mit der Vorschrift verfolgte dezentrale örtliche Energieversorgung erfordere nicht zwingend die Nutzung eines ausschließlich dafür vorgehaltenen Leitungsnetzes, noch verbiete sie den Stromtransport über Strecken, bei denen wie im Streitfall 4,5 km nicht überschritten würden. Aufgrund der Größe der Anlage, deren Leistung zur Versorgung von bis zu 2 750 Haushalten ausreichen würde, und des damit verbundenen Umfangs der Entnahmestellen müssten sich die Entnahmestellen über eine gewisse Fläche verteilen. Aus den übrigen Bestimmungen des StromStG ergebe sich keine vergleichbare Regelung, nach der steuerbegünstigter Strom nicht über das öffentliche Stromnetz geleitet werden dürfe. Lediglich Strom aus erneuerbaren Energieträgern sei nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG nur dann begünstigt, wenn er aus einem mit solchen Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung entnommen werde. Diese Einschränkung beruhe auf gemeinschaftsrechtlichen und GATT-rechtlichen Vorgaben; sie diene jedoch nicht der Nämlichkeitssicherung des begünstigten Stroms. Im Streitfall sei die geforderte Netzbindung nicht gerechtfertigt.
Mit seiner Revision rügt das HZA die seiner Ansicht nach rechtsfehlerhafte Interpretation des Begriffes "räumlicher Zusammenhang" in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG. Die grammatikalische Auslegung der Vorschrift lasse den Schluss zu, dass neben der Entfernung zwischen zwei Orten auch andere Kriterien, wie die Verwendung eines eigenen Leitungsnetzes, herangezogen werden könnten. Auch die teleologische Auslegung anhand der Gesetzesmaterialien deute darauf hin, dass eine breite Anwendung des Befreiungstatbestandes nicht gewollt war. Der Begriff des "räumlichen Zusammenhangs" sei eng verbunden mit der Objektbezogenheit im Sinne einer räumlichen Funktionsgemeinschaft. Abzustellen sei auf den objektiven Gesamteindruck. Im Streitfall ließen sich Anhaltspunkte für die Objektbezogenheit aus dem Vertrag der Klägerin mit der Gemeinde S entnehmen, der zwischen der Versorgung der auf einer Liegenschaft der Gemeinde S befindlichen Grundschule und des Freibades und der Versorgung der sog. übergeordneten Verbraucher über das öffentliche Netz unterscheide. Schließlich gehe der Hinweis des FG auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG fehl. Aus der gemeinschafts- und GATT-rechtlich motivierten Beschränkung der Steuerbefreiung für den aus erneuerbaren Energieträgern erzeugten Strom lasse sich nicht der Umkehrschluss ziehen, dass in anderen Fällen eine eigene Leitung als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigung nicht gefordert werden dürfe.
Das HZA beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an.
II.
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, dass sich dem in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG verwendeten Begriff des räumlichen Zusammenhangs nicht entnehmen lässt, dass eine Einspeisung des Stroms in das öffentliche Netz zu einem Ausschluss der Steuerbefreiung führt, ohne dass es auf weitere Umstände ankäme. Das Erfordernis, den begünstigten Strom zur Entnahmestelle durch eigene Stromleitungen zu transportieren, ist in der gesetzlichen Bestimmung selbst nicht angelegt und kann deshalb auch nicht durch eine bloße Verwaltungsanweisung begründet werden.
1. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ist Strom von der Steuer befreit, wenn er in Anlagen mit einer Nennleistung bis zu 2 MW erzeugt und in räumlichem Zusammenhang zu dieser Anlage entnommen und von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, geleistet wird. Eine nähere Begriffsbestimmung in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal des räumlichen Zusammenhangs enthält das Gesetz nicht. Die Bedeutung der Vorschrift erschließt sich erst durch eine Auslegung der Bestimmung, die mit Wirkung zum 1. Januar 2000 erst nachträglich in das am 1. April 1999 in Kraft getretene StromStG eingefügt worden ist. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesvorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist.
a) Die grammatikalische Auslegung der Vorschrift ergibt keinen Hinweis darauf, dass eine Begünstigung in jedem Fall ausgeschlossen ist, wenn der Strom in ein öffentliches Leitungsnetz eingespeist wird. Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich jedoch entnehmen, dass nicht jeder Strom, der in der Anlage erzeugt und von einem Letztverbraucher entnommen wird, in den Genuss der Steuerbefreiung kommen soll. Die Entnahme muss in einem gewissen Zusammenhang mit der Anlage stehen, der durch das Merkmal "räumlich" näher bestimmt und eingegrenzt wird. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet das Adjektiv "räumlich" eine Bezugnahme auf ein Gebiet, das eine Ausdehnung nach Länge, Breite und Höhe aufweist. Der Begriff "räumlich" ist demnach gebietsbezogen zu verstehen. Ihm kann indes nicht entnommen werden, dass die Annahme eines räumlichen Zusammenhangs nur durch eine bestimmte direkte Verbindung zwischen zwei Objekten, wie z.B. durch eine Leitung, begründet oder durch die Verwendung einer als ungeeignet zu erachtenden Verbindung ausgeschlossen werden könnte. Eine solche Verbindung, die nicht naturgegeben besteht, sondern erst geschaffen werden müsste, wird jedoch von der Verwaltung in der angegebenen Verwaltungsanweisung gefordert. Denn danach entfällt der räumliche Zusammenhang --unabhängig von der zu überbrückenden Entfernung--, sobald das öffentliche Stromnetz berührt, d.h. keine eigene Stromleitung verwendet wird. Dies würde z.B. bedeuten, dass in einem Fall, in dem eine KWK-Anlage auf demselben Grundstück wie die Entnahmestelle (z.B. Industrieanlage) und in unmittelbarer Entfernung zu dieser liegt und beide Objekte evtl. durch Wege oder Gleise miteinander verbunden wären, ein räumlicher Zusammenhang dennoch nicht angenommen werden könnte, wenn der Strom an die Entnahmestelle durch das öffentliche Stromnetz geleitet würde. Eine solche Deutung des Begriffes "räumlich" würde sich vom allgemeinen Sprachgebrauch so weit entfernen, dass sie nach Auffassung des Senats außer Betracht bleiben muss.
b) Auch eine an der Entstehungsgeschichte orientierte teleologische Auslegung der streitbefangenen Vorschrift führt nach Auffassung des Senats zu keinem anderen Ergebnis. Nach der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- (vgl. Urteil vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299, 312, und Beschluss vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, 131) und des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 14. Mai 1991 VIII R 31/88, BFHE 164, 516, 525, 526) ist für die Auslegung von Steuergesetzen der objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Gesetzeswortlaut und aus dem Sinnzusammenhang der Vorschrift ergibt. Der subjektive Wille der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen kann für die Auslegung nur insofern von Bedeutung sein, als er die Richtigkeit einer nach den sonstigen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die sonst nicht ausgeräumt werden könnten. Dabei können die Motive und Vorstellungen der Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie im Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden haben (BVerfG in BVerfGE 11, 126, 130; Urteil des BVerfG vom 19. Dezember 1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 268).
aa) Nach der Gesetzesbegründung sollten mit der Vorschrift die Fälle des sog. Contracting geregelt werden, in denen gerade nicht eine flächendeckende oder regionale Versorgung erfolgt, sondern Strom objektbezogen erzeugt und zur Verfügung gestellt wird (BTDrucks 14/2044, 11). Die Intention des Gesetzgebers, die Fälle des sog. Contracting zu erfassen, hat in der streitbefangenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG insoweit ihren ausdrücklichen Niederschlag gefunden, als die Steuerbefreiung auch dann gewährt wird, wenn der Strom vom Anlagenbetreiber nicht selbst verbraucht, sondern an andere Letztverbraucher geleistet wird. Ohne die Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG wäre der Betreiber der Energieerzeugungsanlage als Versorger anzusehen, mit der Folge, dass der von ihm geleistete Strom der Stromsteuer unterliegen würde (§ 2 Nr. 1 i.V.m. § 5 StromStG).
Neben der Bezugnahme auf Contracting-Fälle findet sich in der Begründung auch der Hinweis, dass mit dieser Regelung der in Anlagen mit einer Nennleistung bis zu 2 MW erzeugte Strom von der Stromsteuer freigestellt wird, wenn sich die Anlage im räumlichen Zusammenhang mit der Stromentnahme befindet. Durch die Heraufsetzung der Erzeugergrenze von 0,7 MW auf 2 MW wurde erreicht, dass Anlagen in den Genuss der Steuervergünstigung kommen, die im Vergleich zur ursprünglichen Regelung eine nahezu dreifache Nennleistung aufweisen und geeignet sind, den Strombedarf von ca. 2 000 bis 3 000 Haushalten abzudecken, legt man einen durchschnittlichen Stromverbrauch eines Haushaltes von jährlich 3 500 bis 4 000 kWh zugrunde (vgl. Schiebold/Otto, Der Stromsteuerbefreiungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Stromsteuergesetz, Zeitschrift für Neues Energierecht, 2002, S. 14, 16 Fn. 21). Ausgangspunkt für diese Änderungen war die Regelung in § 2 Nr. 2 StromStG in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 378), der über die Definition des "Eigenerzeugers" eine Steuerbefreiung für den in Stromerzeugungsanlagen mit einer Nennleistung von jeweils bis zu 0,7 MW erzeugten Strom vorsah. Der Selbstverbrauch des von kleinen Eigenerzeugern erzeugten Stroms sollte aus Gründen der Verwaltungsökonomie und zur energiepolitisch motivierten Förderung von Kleinanlagen von der Steuer befreit werden.
bb) Durch die neun Monate nach dem In-Kraft-Treten des StromStG erfolgte Gesetzesänderung beabsichtigte der Gesetzgeber, nachträglich bestimmte Fallkonstellationen den Fällen der Eigenerzeugung in Kleinanlagen zumindest gleichzustellen bzw. durch den Verzicht auf das Merkmal des Eigenverbrauchs einer großzügigeren Regelung zuzuführen. Der Begriff "Contracting" leitet sich vom englischen Begriff contract (Vertrag) ab und bezeichnet das Vergabewesen, d.h. die Vergabe von Aufträgen, z.B. Bauaufträgen (vgl. Zahn, Glossarium der Wirtschaft, Englisch-Deutsch, 4. Aufl. 2002). Im Bereich der Energieversorgung handelt es sich im Wesentlichen um Fälle, in denen der Betreiber der Anlage (z.B. ein Investor und/oder ein Energieversorgungsunternehmen) den Strom nicht selbst verbraucht, sondern ihn aufgrund vertraglicher Beziehungen mit dem Letztverbraucher diesem zur Verfügung stellt. Der Vertragspartner erspart sich durch diese Konstruktion den Bau von Energieversorgungsanlagen und damit hohe Anfangs-Investitionen und ein entsprechendes Investitionsrisiko. Auch die Verwaltungsanweisung zu § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG geht von diesen Erwägungen aus. Dort wird ausgeführt: "Es findet eine Arbeitsteilung zwischen dem Contractor und dem Dritten statt. Dadurch sollen Investitionen in die Energieversorgung, die beim Nutzer bisher aus verschiedenen Gründen unterblieben sind (fehlendes Know-how, Kapitalmangel etc.), durch den Contractor realisiert werden. Es wird dabei davon ausgegangen, dass sich durch die Spezialisierung des Contractors auf dieses Geschäftsfeld und die dadurch möglichen optimierten Lösungskonzepte besondere Vorteile für den Kunden ergeben." Wie der Streitfall belegt, finden Gemeinden in dieser Form der Vertragsgestaltung eine offenbar ansprechende Möglichkeit zur Einsparung von Investitionen und Energiekosten.
Die ausdrückliche Bezugnahme auf Contracting-Fälle in der Gesetzesbegründung lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass durch die objektbezogene Erzeugung des Stroms eine Versorgung in der Fläche nicht erfolgen könne. Nicht beabsichtigt war jedenfalls eine regionale und flächendeckende Versorgung, d.h. die Einspeisung des Stroms in das allgemeine Stromnetz ohne jegliche Begrenzung der Entnahmestellen. Aus der Gesetzesbegründung lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber die Contracting-Fälle selbst begrenzen wollte. Die nahezu Verdreifachung der begünstigten Strommenge, die zur Versorgung von bis zu 3 000 Haushalten ausreicht, deutet vielmehr darauf hin, dass eine großzügige Regelung des Contracting unter gleichzeitiger Förderung von KWK-Anlagen beabsichtigt war. Darüber hinaus kann aus dem vom Gesetzgeber beabsichtigen Ausschluss einer regionalen und flächendeckenden Versorgung nicht zwangsläufig gefolgert werden, dass damit auch die Versorgung einer Gemeinde mit einer genau definierten Anzahl von Entnahmestellen und einem in der räumlichen Ausdehnung begrenzten Gemeindegebiet ausgeschlossen werden sollte. Denn der Begriff der Region deutet eher auf ein größeres Landschaftsgebiet im Sinne eines Landstrichs hin, denn auf das Gebiet einer Gemeinde. Unter Berücksichtigung dieser Umstände gelangt der Senat zu der Auffassung, dass den Motiven der gesetzgebenden Körperschaften zumindest nicht eindeutig entnommen werden kann, dass der Gesetzgeber bestimmte Contracting-Fälle von der Begünstigung ausschließen wollte.
cc) Die gesetzgeberischen Motive geben darüber hinaus auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass in die Vorschrift ein weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in dem Sinne aufgenommen werden sollte, dass eine Berührung des öffentlichen Stromnetzes zum Ausschluss der Steuerbegünstigung führt. Eine solche Beschränkung würde vielmehr den Anwendungsbereich der Vorschrift derart einengen, dass eine Gefährdung des Normzweckes nicht ausgeschlossen werden könnte. Denn eine durch die Heraufsetzung der Erzeugungsmenge nunmehr möglich gewordene Versorgung von bis zu 3 000 Haushalten würde durch das Erfordernis des Aufbaues eines eigenständigen Versorgungsnetzes, das neben dem öffentlichen Netz bestehen würde, wesentlich erschwert, wenn nicht sogar aus Kostengründen unmöglich gemacht. In jedem Fall würden zusätzliche Investitionen erforderlich, die evtl. zu entrichtende Stromdurchleitungsgebühren, die an den Betreiber eines öffentlichen Netzes abzuführen wären, deutlich übersteigen könnten.
Aber auch die Versorgung eines Industrieparks oder einer Großwohnanlage durch ein Blockheizkraftwerk würde durch das Erfordernis eines eigenen Leitungsnetzes beeinträchtigt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsanweisung des BMF bei diesen Anlagen selbst einen Wertungswiderspruch aufweist. Einerseits wird ausgeführt, dass in Ausnahmefällen auch in einem Gewerbepark mit mehreren dort ansässigen Unternehmen oder in einem mehrere Wohnhäuser umfassenden Objekt der räumliche Zusammenhang noch gegeben sein kann, andererseits soll die Annahme des räumlichen Zusammenhangs und damit der Gebiets- und Objektbezogenheit ausnahmslos wieder entfallen, sobald das öffentliche Stromnetz berührt wird. Im konkreten Einzelfall wird damit eine zunächst als durchaus möglich erachtete Deutung des Begriffes wieder rückgängig gemacht. Im Ergebnis werden dem Begriff des "räumlichen Zusammenhangs" zwei unterschiedliche Bedeutungsinhalte beigemessen, die sich danach ausrichten, in wessen Eigentum das den geleisteten Strom führende Leitungsnetz steht (öffentliches oder betreibereigenes Netz). Wie bereits ausgeführt, findet dies keine Stütze im Wortlaut des Gesetzes. In Anbetracht dieser Sachlage erscheint auch eine teleologische Reduktion des Befreiungstatbestandes im Sinne der vom BMF erlassenen Verwaltungsvorschrift nicht geboten.
dd) Ursprünglich sollten die Fälle des Contracting in der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (Stromsteuer-Durchführungsverordnung --StromStV--) geregelt werden. Hierzu sah § 2 Abs. 1 des Entwurfes zur StromStV vom 11. Mai 1999 vor, dass das HZA auf Antrag zulassen kann, dass Betreiber von Kleinanlagen bis 0,7 MW, die den mit der Anlage erzeugten Strom an Letztverbraucher leisten, insoweit nicht als Versorger gelten, wenn der erzeugte Strom durch Letztverbraucher in räumlicher Nähe zu der Anlage entnommen wird (Wortlaut des Entwurfs abgedruckt in Friedrich/Meißner, Kommentar zur ökologischen Steuerreform, Anhang Teil B 2.1). Das Tatbestandsmerkmal der räumlichen Nähe wurde in die Fassung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG jedoch nicht übernommen, sondern durch den Begriff des räumlichen Zusammenhangs ersetzt. Dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass der Gesetzgeber bei der Konzeption der Vorschrift nicht auf ein besonderes Näheverhältnis abstellen, sondern den Befreiungstatbestand zumindest hinsichtlich der räumlichen Begrenzung offener anlegen wollte. Aber selbst wenn dem HZA darin zu folgen wäre, dass durch diese Formulierung andere Abgrenzungskriterien als die bloße Entfernung zwischen zwei Orten eingeführt werden sollten, so müssen auch diese Kriterien einen räumlichen Bezug, d.h. einen gebietsbezogenen Anknüpfungspunkt, aufweisen. Insofern genügt nicht irgendein herzustellender Zusammenhang zwischen der Stromerzeugungsanlage und den Entnahmestellen. Im Übrigen finden sich in der Gesetzesbegründung keinerlei Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber eine Einschränkung des Befreiungstatbestandes über die Art und Weise des Stromtransportes herbeiführen wollte.
ee) Entgegen der Auffassung des HZA können Vorschriften des Mineralölsteuerrechts nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Zwar findet sich die Bezugnahme auf einen räumlichen Zusammenhang auch in § 3 1. Halbsatz Nr. 2 und 5 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStV), doch können aus dieser Vorschrift, die der Definition des Mineralölherstellungsbetriebes dient, keine Rückschlüsse auf die einschränkende Auslegung einer Befreiungsvorschrift des StromStG gezogen werden. Denn bei der Festlegung der räumlichen Ausdehnung eines Mineralölherstellungsbetriebes stellt sich die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage überhaupt nicht, ob die Benutzung des öffentlichen Stromnetzes den räumlichen Zusammenhang aufhebt und damit die Steuervergünstigung ausschließt. Im Übrigen ist der Begriff des räumlichen Zusammenhangs im Lichte der Besonderheiten des jeweiligen Steuergesetzes unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Intentionen des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers auszulegen. Bei identischem Wortlaut können Bestimmungen, die sich in unterschiedlichen Gesetzen zur Regelung unterschiedlicher Sachverhalte finden, auch voneinander abweichende Bedeutungsinhalte beizumessen sein. Dies ist vorliegend der Fall.
c) Auch Gründe der Gesetzessystematik erfordern keine einschränkende Interpretation der streitbefangenen Vorschrift. Denn aus einer Zusammenschau der übrigen Begünstigungstatbestände des StromStG lässt sich kein systemimmanenter Grundsatz der Strombesteuerung ableiten, nach dem die Gewährung einer Stromsteuervergünstigung von der Verwendung eines eigenen Stromnetzes durch den Betreiber einer begünstigten Stromerzeugungsanlage oder durch den Versorger abhinge. Vielmehr weist die Ausnahmeregelung für den aus erneuerbaren Energieträgern erzeugten Strom in eine andere Richtung. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG ist Strom von der Steuer befreit, wenn er aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt und aus einem ausschließlich aus solchen Energieträgern gespeisten Netz oder einer entsprechenden Leitung entnommen wird. Es mag dahinstehen, ob die Einschätzung des FG zutrifft, dass die restriktive Regelung auf gemeinschafts- und GATT-rechtlichen Erwägungen beruht, um durch die Schaffung eines sicheren Nämlichkeitsnachweises die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung erst zu ermöglichen (vgl. hierzu Jatzke, Die Stromsteuer - eine Anomalie im bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuerrecht, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1999, 520, 526). Jedenfalls deutet die ausdrückliche Normierung einer bestimmten Netzbindung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG darauf hin, dass in anderen Fällen eine solche Bindung nicht zu bestehen braucht, wenn das Gesetz hierzu schweigt. Der Umstand allein, dass nach Ansicht des HZA für eine solche Beschränkung auch im Streitfall nachvollziehbare Gründe bestehen, vermag, wie bereits oben dargelegt, nicht zu einer zwingend notwendigen Deutung des Begriffes des räumlichen Zusammenhangs in der vom HZA vorgenommenen Weise zu führen. Es wäre dem Gesetzgeber unbenommen gewesen, eine ausdrückliche --§ 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG vergleichbare-- Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG aufzunehmen und insoweit klare Rechtsverhältnisse zu schaffen. Indessen hat die Exekutive die Einschränkung in einer Verwaltungsvorschrift vorgenommen, die in der gesetzlichen Regelung jedoch keine Stütze findet und daher unbeachtlich ist.
2. Entgegen der Auffassung des HZA lassen sich aus den konkreten Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Gemeinde S, insbesondere aus der im Vertrag vorgenommenen Trennung zwischen der Versorgung der Liegenschaft, auf der sich die Grundschule und das Freibad befinden, und der Versorgung von sog. übergeordneten Verbrauchern keine verbindlichen Anhaltspunkte für oder gegen die Annahme eines räumlichen Zusammenhangs i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG gewinnen. Denn die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des räumlichen Zusammenhangs wird durch die objektive Anschauung belegt und kann nicht durch vertragliche Absprachen herbeigeführt oder ausgeschlossen werden. Diese können allenfalls als Indiz oder Bestätigung für eine anhand der tatsächlichen Gegebenheiten getroffene Beurteilung gewertet werden. Entscheidend für den Streitfall ist allein der Umstand, dass das HZA die Nichtgewährung der Steuerbefreiung damit begründet hat, dass Strom in das öffentliche Netz gespeist würde. Andere evtl. für die Beurteilung eines räumlichen Zusammenhangs und einer Objektbezogenheit in Betracht kommende Kriterien, wie z.B. die tatsächliche Entfernung der Entnahmestellen zu der von der Klägerin betriebenen KWK-Anlage, die Anzahl der Entnahmestellen und ihre Verteilung in der Fläche oder die von der Klägerin eingesetzte Mess- und Regeltechnik, wurden nicht zur Begründung der den Antrag auf Steuerbefreiung ablehnenden Entscheidungen herangezogen. Vielmehr ist das HZA der Verwaltungsanweisung gefolgt und hat das Vorliegen eines räumlichen Zusammenhangs i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG allein deshalb verneint, weil die Klägerin den streitbefangenen Strom an die auf dem Gemeindegebiet gelegenen Entnahmestellen über das öffentliche Netz geleistet hat. Wie bereits ausgeführt, ist das Erfordernis, den begünstigten Strom über eigene Stromleitungen zu transportieren, in der gesetzlichen Bestimmung nicht angelegt und kann daher nicht zum Ausschluss der Steuerbefreiung herangezogen werden.
Im Streitfall gelangt der Senat zu der Auffassung, dass eine Würdigung des objektiven Gesamteindrucks der konkreten Umstände die Annahme rechtfertigt, dass der in der Anlage erzeugte Strom auch in räumlichem Zusammenhang zu der Anlage entnommen wird. Ein solcher Zusammenhang besteht jedenfalls dann, wenn mit dem in einer begünstigten Anlage erzeugten Strom ausschließlich innerhalb einer kleinen Gemeinde gelegene kommunale Abnahmestellen versorgt werden. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Entnahmestellen in einem Umkreis von 4,5 km innerhalb des in seiner räumlichen Ausdehnung genau definierten Gebietes der Gemeinde S liegen und dass nach den Feststellungen des FG die von der Klägerin installierte Mess-, Steuer- und Regeltechnik sicherstellt, dass nur der von der Gemeinde benötigte Strom erzeugt und an von vornherein festgelegte Entnahmestellen geleitet wird. Bei dieser Betrachtung steht der Umstand, dass der in der Anlage erzeugte Strom über das öffentliche Netz geleistet und auf die Mittelspannung umgespannt wird, einer Gewährung der Steuervergünstigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG nicht entgegen. Das FG hat damit zu Recht entschieden, dass die Vorauszahlungsbescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidung keinen Bestand haben können.
Ende der Entscheidung
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