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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.11.1999
Aktenzeichen: VII R 44/98
Rechtsgebiete: FGO
Vorschriften:
FGO § 116 Abs. 2 | |
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 1 |
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ in den Jahren 1992 und 1993 mit 15 Zollbelegen verschiedene Real-Time-Clock (RTC) Module ... unter der Code-Nr. 8542 1186 0460 des Deutschen Gebrauchszolltarifs (DGebrZT) zum freien Verkehr abfertigen. Die fraglichen Module wiesen eine monolithische integrierte, digitale Schaltung in CMOS-Technologie und einen Schwingquarz in einem Gehäuse auf. Sie waren zum Einbau in Mikroprozessorbussystemen (Datenverarbeitungsmaschinen usw.) als Echtzeituhr vorgesehen. Eine Stromquelle und eine (Uhren-)Anzeige waren nicht vorhanden; der durch die Oszillatorschaltung angeregte Quarzkristall befand sich außerhalb des halbleitenden Materials.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) entsprach den Zollanträgen der Klägerin und ließ die Waren unter Anwendung der in der Code-Nr. 8542 1186 0460 DGebrZT verschlüsselten Zollaussetzung zollfrei.
Die für sämtliche Einfuhren zunächst vorläufig erteilten Eingangsabgabenbescheide erklärte das HZA hinsichtlich der ersten fünf Einfuhren nach Einschaltung der Zolllehranstalt (ZLA) A, die die Voraussetzungen für eine Zuweisung der Waren in die Code-Nr. 8542 1186 0460 DGebrZT für gegeben hielt, jeweils für endgültig. Ab Mitte Januar 1993 kam die ZLA A zu der Auffassung, dass die Waren in die Unterpos. 9110 12 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) einzureihen seien. Die ZLA A folgte damit der Tarifierungsentscheidung der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) B, die der Klägerin bereits in den Jahren 1989 und 1990 gleichlautende verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) unter Zuweisung der Ware in die Unterpos. 9110 12 00 KN erteilt hatte.
Mit Steueränderungsbescheid vom ... März 1993 forderte das HZA daraufhin von der Klägerin zu fünf endgültigen und zehn vorläufigen Steuerbescheiden unter Anwendung eines Zollsatzes von 5,1 % Zoll in Höhe von insgesamt ... DM nach (bestätigt durch Einspruchsentscheidung).
Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt die der Nacherhebung zugrunde liegende Tarifierung der Waren für unzutreffend. Sie seien nicht der Tarifst. 9110 12 00 KN bzw. der Code-Nr. 9110 1200 0990 DGebrZT, sondern der Unterpos. 8542 11 86 KN bzw. der Code-Nr. 8542 1186 0460 DGebrZT zuzuordnen. Die streitgegenständlichen RTC-Module seien keine unvollständigen Kleinuhr-Werke (Kap. 91 KN), sondern Uhren/Datum-Schaltungen mit Oszillator in Form einer monolithisch integrierten Schaltung (Kap. 85 KN). Der Begriff "in Form einer monolithischen integrierten Schaltung" setze nicht voraus, dass der Schwingquarz selbst monolithisch in den Halbleiter integriert sei. Erforderlich sei nur, dass die Schaltungselemente hauptsächlich im halbleitenden Material sowie auf der Oberfläche halbleitenden Materials hergestellt worden seien. Da die integrierte Schaltung keine Signale für die Ansteuerung einer Anzeige erzeugen könne, scheide eine Einreihung in das Kap. 91 KN als unvollständig zusammengesetztes Kleinuhrwerk aus. Selbst wenn man sie als Kleinuhrwerk aus zusammengesetzten Teilen (Chip und Schwingquarz) ansehen würde, käme wegen der Anm. 1 g zu Kap. 91 KN eine Einreihung der Waren in das Kap. 91 KN nicht in Betracht, weil die Module nicht --wie dies die Anm. 1 g zu Kap. 91 KN verlange-- ausschließlich oder hauptsächlich für Uhrwerke, sondern für den Einsatz in Mikroprozessorsystemen bestimmt seien.
Mit der hinsichtlich der Zulässigkeit auf § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten Revision rügt das HZA in erster Linie die unzutreffende Tarifierung der RTC-Module. Eine Zuweisung der Waren zur Pos. 8542 KN komme nicht in Betracht, weil die Schaltungselektronik (Summe von Schaltungselementen) und der Schwingquarz (einzelnes Schaltungselement) jeweils separat hergestellt und erst danach elektrisch miteinander verdrahtet worden seien. Es fehle daher an einer monolithischen integrierten Schaltung, wie sie in Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN definiert sei. Für die Annahme einer monolithischen integrierten Schaltung und für die Zuweisung zur Pos. 8542 KN sei Voraussetzung, dass die Schaltungselemente hauptsächlich im halbleitenden Material sowie auf der Oberfläche halbleitenden Materials hergestellt worden seien. Aus der gewählten Formulierung werde deutlich, dass die Schaltungselemente ausschließlich im halbleitenden Material oder auf dessen Oberfläche vorhanden sein dürften. Eine andere Herstellungsweise der Schaltungselemente sei bei monolithischen Schaltungen ausgeschlossen. Außerdem lege das FG die Anm. 1 g zu Kap. 91 KN, die lediglich klarstellenden Charakter habe, falsch aus. Denn danach seien nur Waren des Kap. 85 KN, die noch nicht zu Uhrwerken oder Uhrwerksteilen zusammengesetzt seien, aus dem Kap. 91 KN ausgenommen.
Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die Vorentscheidung für zutreffend. Insbesondere verlange die Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN nicht, dass sämtliche Schaltungselemente in dem halbleitenden Material und auf der Oberfläche des halbleitenden Materials hergestellt seien. Entscheidend sei vielmehr, dass die Schaltungselemente hauptsächlich dort, in untergeordnetem Maße aber auch diskret hergestellt und mit dem halbleitenden Material bzw. seiner Oberfläche verbunden seien. Das Vorhandensein einer monolithischen integrierten Schaltung sei nur für den Chip selbst von Bedeutung. Dies lasse sich auch aus der Tarifierung von Mikrobauteilen ableiten, die ihrerseits neben Anschlussstiften als weitere diskret hergestellte Schaltungselemente eine Batterie oder einen Kondensator zuließen, die mit der monolithischen integrierten Schaltung wie der Schwingquarz durch Eingießen in ein Kunststoffgehäuse verbunden seien. Da diese Mikrobausteine mit diskret hergestelltem Kondensator in die Pos. 8542 KN eingereiht würden, sei kein sachlicher Grund vorhanden, bei einem aus technischen Gründen nicht in das halbleitende Material integrierbaren Schwingquarz in anderer Weise zu tarifieren.
II. 1. Die Revision ist zulässig, insbesondere zulassungsfrei statthaft. Da die Vorinstanz auch über die zolltarifliche Einordnung der eingeführten Module entschieden hat, liegt ein ohne Zulassung revisibles Urteil in einer Zolltarifsache vor (§ 116 Abs. 2 FGO). Das FG hat die streitigen Waren in die Code-Nr. 8542 1186 0460 DGebrZT eingereiht und damit zugleich festgestellt, dass für die Module eine Zollaussetzung nach den Verordnungen (EWG) Nr. 3544/91 (VO Nr. 3544/91) des Rates vom 25. November 1991 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 346/1) und Nr. 1626/92 (VO Nr. 1626/92) des Rates vom 5. Juni 1992 (ABlEG Nr. L 178/1) bestand.
2. Die Revision des HZA ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und, weil die Sache spruchreif ist, zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, dass die Klägerin durch den Steueränderungsbescheid vom ... März 1993 und die Einspruchsentscheidung vom ... Februar 1994 in ihren Rechten verletzt ist. Das HZA ist zu Recht davon ausgegangen, dass für die in den Jahren 1992 und 1993 eingeführten Module keine Zollaussetzung bestand und damit für die Ware jeweils der in der Anlage zum Steueränderungsbescheid festgesetzte Zoll von 5,1 % zu erheben war.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) wie auch des erkennenden Senats ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) festgelegt sind. Dazu gibt es auch Erläuterungen, die für die KN von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden und ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. etwa die EuGH-Urteile vom 9. Dezember 1997 Rs. C-143/96 --Knubben--, EuGHE 1997, I-7039 Rz. 14, und vom 19. Mai 1994 Rs. C-11/93 --Siemens Nixdorf--, EuGHE 1994, I-1945 Rz. 11 und 12).
b) Bei den streitgegenständlichen Waren handelt es sich um unvollständige, zusammengesetzte Uhrwerke, andere als Kleinuhrwerke, der Code-Nr. 9110 9000 0990 DGebrZT.
Die Annahme des FG, dass die Module wegen der Anm. 1 g zu Kap. 91 KN nicht diesem Kapitel zugeordnet werden können, trifft nicht zu.
Nach der Anm. 1 g zu Kap. 91 KN gehören in dieses Kapitel nicht "Waren des Kapitels 85, noch nicht miteinander oder mit anderen Bauelementen zu Uhrwerken oder zu Teilen zusammengesetzt, die ihrer Beschaffenheit nach erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Uhrwerke bestimmt sind (Kapitel 85)". Die Module sind unstreitig aus Waren des Kap. 85 KN zusammengesetzt. Dies bedeutet jedoch nicht, worauf das HZA zu Recht hinweist, dass derartige Waren aus dem Kap. 91 KN auszuweisen sind. Die Anm. 1 g zu Kap. 91 KN nimmt vielmehr nur solche Waren aus, die noch nicht miteinander oder mit anderen Bauelementen zu Uhrwerken oder erkennbaren Teilen von Uhrwerken zusammengesetzt sind. Sind die einzelnen Bestandteile --wie beim vorliegenden Modul-- bereits zu (unvollständigen) Uhrwerken zusammengesetzt, bleiben sie unter gleichzeitiger Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2 a bei Kap. 91 KN.
Die Tatsache, dass die Module nicht in herkömmlichen unvollständigen Uhrwerken, sondern als Zeittaktgeber --mit gleicher Funktion-- in Datenverarbeitungssystemen eingesetzt werden, steht einer Zuweisung zu Kap. 91 KN nicht entgegen.
Da die Module, worauf das HZA zu Recht in der Revisionsbegründung abgestellt hat, nicht als Kleinuhr-Werke eingereiht werden können, weil es diesen an einer Anzeige bzw. einem System zur mechanischen Anzeige mangelt (vgl. Anm. 3 zu Kap. 91 KN), gehören sie als unvollständige, zusammengesetzte Uhrwerke zur Code-Nr. 9110 9000 0990 DGebrZT, die andere als Kleinuhr-Werke erfasst.
c) Die von der Klägerin beanspruchte Code-Nr. 8542 1186 0460 DGebrZT mit der dort verschlüsselten Zollaussetzung aus den VO Nr. 3544/91 und Nr. 1626/92 kommt nicht in Betracht. Die Module bestehen zwar aus einer monolithischen integrierten Schaltung und einem Schwingquarz, die in einem Gehäuse zu einer Einheit zusammengefügt sind. Sie sind aber in ihrer Gesamtheit keine monolithischen integrierten Schaltungen i.S. der Unterpos. 8542 11 KN.
Der Begriff "monolithische integrierte Schaltungen" der fraglichen Unterposition ist in der Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN definiert. Danach sind solche Schaltungen monolithisch integriert, bei denen die Schaltungselemente (Dioden, Transistoren, Widerstände, Kondensatoren, Leiterbahnen usw.) hauptsächlich im halbleitenden Material sowie auf der Oberfläche halbleitenden Materials (z.B. dotiertem Silicium) hergestellt worden sind und ein untrennbares Ganzes bilden.
Der Auslegung, die das FG der Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN geben möchte, wonach es für eine Zuweisung zur Pos. 8542 KN nicht schädlich sei, wenn nicht alle Elemente einer Schaltung monolithisch integriert seien, kann nicht gefolgt werden.
Bereits der Wortlaut der deutschen Fassung des Zolltarifs gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine monolithische integrierte Schaltung auch ein diskretes Bauelement enthalten kann. Im Gegensatz zu einer hybriden integrierten Schaltung, die in der Anm. 5 B b zu Kap. 85 KN definiert ist und bei der ausdrücklich auch diskrete Bauelemente erlaubt sind, dürfen solche Bestandteile bei den in Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN definierten Schaltungen nicht verwendet werden. Eine elektronisch integrierte Schaltung, die aus einem Block (monolithisch) gefertigt sein soll, kann bereits nach der begrifflichen Einordnung keine diskreten Elemente aufweisen. Gegen eine Auslegung der Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN im Sinne der klägerischen Auffassung, wonach es ausreichend sei, dass die Schaltungselemente nur hauptsächlich monolithisch integriert und in untergeordnetem Maße auch diskret hergestellt sein können, sprechen auch die englische und die französische Sprachfassung, die bei der Auslegung des Zolltarifs nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil in EuGHE 1997, I-7039 Rz. 15) im Zweifelsfall heranzuziehen sind. Der englische Wortlaut der Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN und zur Pos. 8542 KN "monolithic integrated circuits in which the circuit elements (...) are created in the mass (essentially) and on the surface of a semiconductor material (doped silicon, for example) and are inseparably associated" und der französische Wortlaut "les circuits intégrés monolithiques dans lesquels les éléments du circuit (...) sont créés dans la masse (essentiellement) et à la surface d`un matériau semi-conducteur (silicium dopé, par example), formant un tout indissociable" stellen noch klarer heraus, dass die monolithischen integrierten Schaltungen entweder im halbleitenden Material (dort in den meisten Fällen, hauptsächlich) oder (aber auch, sowie) auf der Oberfläche des halbleitenden Materials hergestellt sein und ein untrennbares Ganzes bilden müssen.
Auch die Erläuterungen zum Harmonisierten System --ErlHS-- (zu Pos. 8542/1 Rz. 06.0) bestätigen diese Auslegung. Danach handelt es sich bei den monolithischen integrierten Schaltungen um Mikroschaltungen, bei denen die Elemente der Schaltung im halbleitenden Material (in den meisten Fällen) sowie auf der Oberfläche halbleitenden Materials hergestellt werden und die deshalb zu einem untrennbaren Ganzen verbunden sind. Die Formulierungen der ErlHS sprechen für die vom Senat bevorzugte Auslegung in der Weise, dass eine Einreihung als monolithische integrierte Schaltung und damit eine Zuweisung zur Pos. 8542 KN ausscheidet, wenn sich einzelne Schaltungselemente nicht im halbleitenden Material oder auf dessen Oberfläche befinden.
Für die Auffassung des FG, es genüge, dass die Schaltungselemente hauptsächlich im halbleitenden Material hergestellt seien und die Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN nicht erfordere, dass der Schwingquarz selbst monolithisch in den Halbleiter integriert sei, spricht auch nicht der Vergleich mit anderen Waren, die im Rahmen von Zollaussetzungsregeln bestimmten Tarifpositionen zugeordnet worden sind. Dass in den fraglichen Streitjahren 1992 und 1993 Zollaussetzungen für Waren existierten, die das Vorhandensein einer diskreten internen Energiequelle zuließen und die den Code-Nrn. 8542 1186 0370, 8542 1123 0210 und 8542 1186 0290 DGebrZT zugeordnet waren, gibt keinen Aufschluss darüber, wie die von der Klägerin eingeführten Module zu tarifieren sind und ob für diese gegebenenfalls eine vorübergehende Zollaussetzung bestand.
Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sich nach der Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN die Schaltungselemente einer monolithischen integrierten Schaltung im halbleitenden Material oder auf dessen Oberfläche befinden müssen. Betrachtet man den Quarz als Schaltungselement, scheidet eine Einreihung in die Pos. 8542 KN aus, weil bei der eingeführten Ware ein Element der monolithischen integrierten Schaltung --der Quarz-- außerhalb dieses Blocks angebracht ist. Sieht man hingegen den Quarz, wie der Vertreter des HZA in der mündlichen Verhandlung, nicht als ein Element der Schaltung an, so lässt dies gleichwohl nicht den Umkehrschluss zu, bei den eingeführten Modulen habe es sich um monolithische integrierte Schaltungen gehandelt. Denn die vorliegend zu tarifierende Ware enthält unstreitig neben der separat monolithisch integriert hergestellten Schaltungselektronik einen separat hergestellten Schwingquarz als zusätzlichen Bestandteil, die in einem gemeinsamen Gehäuse verknüpft sind. Da die Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN das Vorhandensein separat hergestellter und mit dem monolithisch hergestellten Schaltungschip verknüpfter Bauelemente nicht zulässt, kommt eine Einreihung in die Pos. 8542 KN nicht in Betracht. Es kommt folglich nicht darauf an, ob --wie in der mündlichen Verhandlung erörtert-- der Quarz tatsächlich als Schaltungselement i.S. der Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN anzusehen ist oder nicht.
d) Die von der Klägerin eingeführten Module fallen, entsprechend ihrer zolltariflichen Zuweisung, nicht unter die hier einschlägigen Zollaussetzungsregeln in den VO Nr. 3544/91 und Nr. 1626/92.
Bei den aufgrund des Art. 28 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft a.F. gewährten Zollaussetzungen handelte es sich um wirtschaftspolitische Entscheidungen des Rates, die Ausnahmen vom GZT darstellten. Mit den Verordnungen des Rates zur zeitweiligen vollständigen oder teilweisen Aussetzung der autonomen Zollsätze für einige industrielle Waren war keine Tarifierungsentscheidung verbunden; die Erwähnung der Tarifposition in der Tabelle im Anhang zu den Verordnungen sollte nur die vom Zoll ausgesetzten Waren unter Verwendung einer Tarifposition so genau wie möglich bezeichnen. Eine Einordnung in den GZT im eigentlichen Sinne war damit nicht verbunden (vgl. hierzu Abs. 26 der Schlussanträge des Generalanwalts Darmon in der Rs. C-318/90 --Boehringer Mannheim--, EuGHE 1992, I-3495, 3505). Derartige Verordnungen des Rates über die zeitweilige Aussetzung der autonomen Zollsätze einer Ware stellten demzufolge, anders als die allgemein geltenden Verordnungen der Kommission zur Einreihung von Waren in den GZT, auch keine Auslegungshilfen zur Tarifierung einer Ware dar (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Juni 1992, Rs. C-318/90 --Boehringer Mannheim--, EuGHE 1992, I-3495, 3512 Rz. 20). Dies ist auf den Sinn und Zweck von Zollaussetzungen zurückzuführen, die im Wesentlichen dazu dienen, den in der Gemeinschaft nicht abdeckbaren Bedarf an Gütern ohne Zollbelastung zu decken. Der Geltungsbereich der betreffenden Befreiung soll sich strikt auf diejenigen Erzeugnisse beschränken, für die der Bedarf der verarbeitenden Industrien der Gemeinschaft konkret zutage getreten ist und vom Rat tatsächlich festgestellt werden konnte. Für eine genaue Umgrenzung der Ware besteht folglich die Notwendigkeit einer exakten Beschreibung, wozu im Einzelfall auch die Angabe der Tarifposition hilfreich sein kann.
Die im Streitfall in Betracht kommende Zollaussetzung galt, soweit hier erheblich, für folgende Erzeugnisse (ex 8542 11 86):
"Uhren/Datum-Schaltung in C-MOS-Technik hergestellt, mit Quarzoszillator, unabhängigen Zeitzählregistern und einem Zeitgeber, in Form einer monolithischen integrierten Schaltung, in einem Gehäuse mit nicht mehr als 24 Anschlüssen und den Abmessungen von nicht mehr als 17 x 33 mm.
Das Gehäuse trägt
---eine Kennzeichnung, die aus einer der nachstehend aufgeführten Zahlen- oder Zahlen/Buchstabenkombinationen besteht oder eine dieser Kombinationen als Bestandteil enthält:
58274 MM 58167 MM 58174 A
oder
---eine andere Kennzeichnung, die sich auf Waren der vorstehenden Beschreibung bezieht."
Die Erfordernisse der Zollaussetzung sind, abgesehen von der Frage, ob die Ware insgesamt monolithisch integriert sein muss, nach den revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des FG eindeutig erfüllt.
Der Senat teilt die Auffassung des FG nicht, dass die Zollaussetzung auch für eine solche Schaltung gilt, die einen nicht monolithisch in den Halbleiter integrierten Schwingquarz umfasst. Die bei Zollaussetzungen vorrangige Prüfung nach dem Wortlaut der Bestimmung führt im Streitfall allerdings nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. Die grammatikalische Untersuchung hinsichtlich des Merkmals "monolithische integrierte Schaltung" und der Frage, auf welchen Satzteil sich der Ausdruck bezieht, lässt keinen eindeutigen Schluss zu. Danach bleibt offen, ob die RTC-Module insgesamt in Form einer monolithischen integrierten Schaltung aufgebaut sein müssen oder nicht.
Ist eine Zollaussetzungsbestimmung mehrdeutig, so muss sie nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. EuGH-Urteil vom 31. März 1992 Rs. C-338/90 --Hamlin Electronics--, EuGHE 1992, I-2333 Rz. 12).
Vorliegend erhellt die Entstehungsgeschichte der hier maßgebenden Verordnung, wie sie das HZA --von der Klägerin unwidersprochen-- anhand von Arbeitsdokumenten der Kommission erläutert und dem FG vorgetragen hat, den Zweck der Vorschrift und die von ihr umfasste Warengruppe. Wie sich aus den Akten ergibt, ist die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und später der Ministerrat auf Initiative des Mitgliedstaates Italiens tätig geworden, dessen Antrag die Ware mit der Zahlen- und Buchstabenkombination MM 58174 A kennzeichnete. Aus der vom Hersteller erstellten Warenbeschreibung vom April 1982 ergibt sich, dass der MM 58174 A Microprocessor-Compatible Real-Time Clock keinen diskreten internen Schwingquarz besitzt, sondern für die Beschaltung mit einem externen Schwingquarz konzipiert ist, was der vom FG beauftragte Sachverständige Prof. Dr. ... in seinem Gutachten ausdrücklich bestätigt hat. Damit steht fest, dass der italienische Antrag, dessen Wortlaut später in den Text der Verordnung aufgenommen wurde, nur die Oszillatorschaltung ohne den diskret hergestellten Schwingquarz umfasste. Die Formulierung "mit Quarzoszillator" in der fraglichen Zollaussetzung besagt demnach nicht, dass die monolithische integrierte Schaltung neben dem Oszillator auch einen Steuerquarz zur Frequenzstabilisierung beinhalten muss. Eine solche Integration von einer elektronischen Schaltung in einem Halbleiter zusammen mit einem Schwingquarz war nach dem Sachverständigen-Gutachten zur damaligen Zeit aus technischen Gründen nämlich gar nicht möglich. Bei der der Zollaussetzung zugrunde liegenden Ware handelte es sich folglich um eine monolithische integrierte Schaltung, die mit einem Quarzkristall --außerhalb dieser Schaltung-- zur vervollständigen war. Eine derartige Schaltung erfüllt unzweifelhaft auch die Voraussetzungen der Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN und ist zu Recht bei Erlass der Zollaussetzungsregeln der Tarifunterpos. ex 8542 11 86 zugeordnet worden.
Die von der Klägerin eingeführten RTC-Module sind jedoch mit der Ware, die der fraglichen Zollaussetzung zugrunde lag, nicht vergleichbar. Bei den neueren RTC-Modulen der Klägerin sind die Schaltungen nicht nur für einen Anschluss der Schwingquarze vorbereitet, sondern diese sind bereits in die mit monolithischen Schaltungen bestückten Gehäuse eingebaut. Sie sind damit --anders als das ältere Modell RTC MM 58174 A-- insgesamt keine monolithischen integrierten Schaltungen mehr. Aus diesem Grund hat es das HZA zu Recht abgelehnt, die von der Klägerin eingeführten Waren vom Zoll freizustellen.
e) Hinsichtlich der ersten fünf Einfuhren handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Steueränderungsbescheid nicht um eine erstmalige Festsetzung von Abgaben, sondern um eine Nacherhebung, da das HZA die Bescheide jeweils endgültig gemacht und keinen Zoll erhoben hat. Insoweit bestand für das HZA gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung... (ABlEG Nr. L 197/1) --NacherhebungsVO-- die Berechtigung und Verpflichtung zur Nacherhebung des Zolls. Art. 5 Abs. 2 NacherhebungsVO stand einer Nacherhebung nicht entgegen.
Nach Art. 5 Abs. 2 NacherhebungsVO müssen für einen Anspruch des Beteiligten auf Abstandnahme von der Nacherhebung von Eingangsabgaben nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des erkennenden Senats drei Voraussetzungen erfüllt sein: Nichterhebung der Abgaben infolge eines Irrtums der zuständigen Behörden (sog. aktiver Irrtum), Gutgläubigkeit des Abgabenschuldners in der Weise, dass er den behördlichen Irrtum nicht erkennen konnte, und Beachtung der geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 1. April 1993 Rs. C-250/91 --Hewlett Packard France--, EuGHE 1993, I-1819; Senatsurteile vom 7. September 1993 VII R 128/92, BFHE 172, 561, und vom 19. März 1998 VII R 72/95, BFH/NV 1998, 1397).
aa) Nach dem unstreitig vorliegenden Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Zollstelle einen Irrtum begangen hat und ihm nicht nur unterlegen ist, also ein für Art. 5 Abs. 2 NacherhebungsVO maßgeblicher aktiver Irrtum vorliegt.
Im Streitfall ist ein rechtserheblicher zollbehördlicher Irrtum darin zu sehen, dass von der Zollstelle veranlasste zollamtliche Überprüfungen der Tarifierung stattgefunden hatten, jeweils mit einem die (unzutreffende) zolltarifliche Einreihung bestätigenden Ergebnis. Insoweit ist die Zollverwaltung (die ZLA A) selbst tätig geworden. Da die Überprüfung der Einfuhren der Klägerin auch in zolltariflicher Hinsicht auf Veranlassung des HZA erfolgt war, konnte rechtsfehlerfrei auch die Ursächlichkeit des Irrtums der Verwaltung für die nachfolgenden Zollbehandlungen angenommen werden. Einer ausdrücklichen Bezugnahme auf das Prüfungsergebnis bedarf es nicht. Entsprechendes gilt hinsichtlich der späteren Einfuhren von bereits untersuchten Modulen. Die Zollstelle hat die Anmeldungen damit nicht ohne nähere Prüfung entgegengenommen, sondern sich der Auffassung der ZLA A angeschlossen, dass die eingeführten Waren unter die in Rede stehende Zollaussetzung fallen. Ein solcher Rechtsirrtum der Zollstelle wird von der Rechtsprechung des Senats und des EuGH als Irrtum i.S. des Art. 5 Abs. 2 NacherhebungsVO angesehen (vgl. Senatsurteil vom 23. März 1999 VII R 16/98, BFHE 188, 164, m.w.N.; EuGH-Urteil vom 22. Oktober 1987 Rs. 314/85 --Foto Frost--, EuGHE 1987, 4199 Rz. 24).
bb) Die Klägerin war jedoch nicht gutgläubig, weil sie den Irrtum der Zollstelle hätte erkennen können.
Die Erkennbarkeit des Irrtums ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls jeweils von dem mit der Sache befassten nationalen Gericht festzustellen. Dabei sind die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten wesentlichen Kriterien für die Erkennbarkeit des Irrtums zugrunde zu legen, nämlich die Art des Irrtums, die Erfahrung des Abgabenschuldners und die Sorgfalt, die der Beteiligte nach den Umständen des Falles hätte walten lassen müssen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1998, 1397).
Bei dem vorliegenden Tarifirrtum des HZA handelt es sich zwar nicht um einen einfachen Irrtum, der von einem erfahrenen Importeur leicht hätte erkannt werden können. Gegen diese Annahme spricht bereits, dass selbst das FG eine Zollaussetzung für die fraglichen Module für gegeben hielt. Gleichwohl konnte die Klägerin nicht auf die fehlerhafte Tarifierung der Zollstelle vertrauen. Denn ihr war durch die Erteilung von vZTA für vier der eingeführten Module bekannt, dass die in der Bundesrepublik Deutschland zur Tarifierung solcher Waren ausschließlich zuständige ZPLA B die Auffassung vertrat, dass die Module dieser Bauart in die Code-Nr. 9110 1200 0990 einzureihen seien. Das FG hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass für einen Beteiligten keine Verpflichtung besteht, sich bei der Einfuhr einer Ware auf eine hierfür erteilte vZTA zu berufen. Andererseits müssen bei einem sorgfältigen und gewissenhaften Einführer Zweifel an der Richtigkeit einer Tarifierungsentscheidung durch die Zollstelle jedenfalls dann aufkommen, wenn die Zuweisung der Ware durch die Zollstelle von einer ihm für die gleiche Ware erteilten vZTA abweicht. Unterlässt es der Einführer in einem solchen Fall, die Zollstelle auf die ihm erteilte vZTA hinzuweisen, schließt dies seinen Einwand, er habe den Tarifierungsfehler der Zollstelle nicht erkennen können, grundsätzlich aus.
Auch die vorliegenden Tarifierungsentscheidungen des Zollamts (ZA) A mussten bei der Klägerin zumindest erhebliche Zweifel wecken. Jedenfalls konnte sie sich angesichts der ihr erteilten vZTA nicht auf die Tarifierung des ZA A verlassen. Da es somit bereits an der Gutgläubigkeit der Klägerin als Voraussetzung für ein Absehen von der Nacherhebung mangelt, braucht der Senat nicht mehr darauf einzugehen, ob die Klägerin die Bestimmungen betreffend die Zollerklärung erfüllt hat.
f) Eine Anwendung des Art. 5 Abs. 2 NacherhebungsVO kommt hinsichtlich der Einfuhren ab 26. August 1992 nicht mehr in Betracht, weil der angefochtene "Steueränderungsbescheid" insoweit die erstmalige Festsetzung von Abgaben zum Gegenstand hat (vgl. Senatsurteil vom 24. September 1991 VII R 49/89, BFHE 167, 244).
3. Der Senat ist in Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 (EuGHE 1982, 3415 --C.I.L.F.I.T.--) nicht nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (ABlEG Nr. C 340/1; ABlEG 1999 Nr. L 114/56) zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet. Die Auslegung der maßgebenden Anm. 5 B a zu Kap. 85 KN hält der Senat ebenso für zweifelsfrei wie die Auslegung der hier in Rede stehenden Zollaussetzung. Diese hält der Senat für offenkundig; er ist davon überzeugt, dass für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den EuGH die gleiche Gewissheit bestünde.
Ende der Entscheidung
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