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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.11.2006
Aktenzeichen: VII R 51/02
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Firma (im Folgenden: Schuldnerin), die im Juli 1997 eine Sendung Rindfleisch (Marktordnungs-Warenlistennummer 0202 3090 9400) hat abfertigen lassen und eine Ausfuhranmeldung nach der damals noch einschlägigen Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 351/1) abgegeben hatte. Bevor das Fleisch die Gemeinschaft verlassen hatte, wurde es jedoch wegen des Verdachts, es handele sich um die verbotene Ausfuhr britischen Rindfleisches, vom Zollfahndungsamt (ZFA) am 8. Juli 1997 beschlagnahmt, wovon die Schuldnerin noch am selben Tage Kenntnis erhielt. Nachdem gegen die Schuldnerin kurz darauf vom ZFA wegen des Verdachts des Subventionsbetruges Ermittlungen eingeleitet worden waren und diese von dem Ministerium für Landwirtschaft und Naturschutz des Landes Brandenburg darüber unterrichtet worden war, dass festgestellt worden sei, dass sich in der beschlagnahmten Warensendung Fleisch befinde, das aus dem Vereinigten Königreich stamme, bat die Schuldnerin den Beklagten und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) mit Schreiben vom 29. Juli 1997 darum, ihre Ausfuhranmeldungen als erledigt zu betrachten, weil sich herausgestellt habe, dass die von ihr als Fleisch belgischen Ursprungs gekaufte Ware ganz oder teilweise auf illegalem Wege aus England gekommen sei und unter das Exportverbot der Gemeinschaft falle.

Trotz dieser Mitteilung hat das HZA gegen die Schuldnerin eine Sanktion nach Maßgabe des Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 in Höhe von 173 554,11 DM festgesetzt.

Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem Finanzgericht (FG) Erfolg, weil dieses der Meinung war, die Schuldnerin habe keine höhere als die ihr zustehende Ausfuhrerstattung "beantragt", weil der für die Anwendung der Sanktionsregelung maßgebliche Antrag nicht schon mit der Ausfuhranmeldung, sondern erst mit dem in Deutschland entsprechend Art. 47 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 vorzulegenden Zahlungsantrag gestellt werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des HZA.

Der erkennende Senat hat das Verfahren zunächst ausgesetzt, um die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in der Rechtssache C-385/03 abzuwarten. Inzwischen hat der EuGH durch Urteil vom 14. April 2005 (EuGHE 2005, I-2997) entschieden, die vorgenannte Sanktionsregelung sei dahin auszulegen,

"dass unrichtige Angaben in ... der Ausfuhranmeldung ..., die zu einer höheren Erstattung als der zustehenden führen können, die Anwendung der ... Sanktion nach sich ziehen. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn im Rahmen des Zahlungsantrags ... ausdrücklich erklärt wird, dass die Zahlung der Ausfuhrerstattung für bestimmte in diesem Dokument genannte Erzeugnisse nicht beantragt wird".

Das HZA hat nach Ergehen dieser Entscheidung seine Revision aufrechterhalten und sieht sich in seiner Rechtsauffassung, dass die Schuldnerin eine Sanktion verwirkt habe, durch die Entscheidung des EuGH bestätigt. Zu dem Verteidigungsvorbringen, die Schuldnerin habe ihre Ausfuhranmeldung zurückgenommen, meint das HZA, eine solche Rücknahme sei rechtlich nicht möglich. Da die Waren der Schuldnerin bereits überlassen gewesen seien, komme allenfalls eine Ungültigerklärung nach Art. 66 Abs. 2 des Zollkodex (ZK), Art. 251 Nr. 2 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) in Betracht, die auf die Ausfuhranmeldung anzuwenden seien, weil die Ausfuhr nach Maßgabe zollrechtlicher Vorschriften stattzufinden habe. In diesem Zusammenhang seien jedoch vorrangige Vorschriften der VO Nr. 3665/87 zu beachten, nämlich Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b VO Nr. 3665/87, wonach keine Sanktion erhoben werde, wenn der Ausführer die zuständigen Behörden unverzüglich von sich aus schriftlich unterrichte, nachdem er festgestellt habe, dass er eine zu hohe Erstattung beantragt hat. Es sei fraglich, ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorlägen, weil die unrechtmäßige Beantragung der Ausfuhrerstattung nicht durch die Schuldnerin, sondern durch die Zollbehörden aufgedeckt worden sei. Selbst wenn jedoch unterstellt würde, dass die Schuldnerin selbst die entsprechenden Feststellungen getroffen habe, könne vorgenannte Vorschrift nicht angewandt werden, weil diese voraussetze, dass die Selbstanzeige von dem Ausführer erstattet werde, bevor er erfahren hat, dass sein Antrag auf Ausfuhrerstattung überprüft werden soll. Daran fehle es hier, nachdem die Schuldnerin ihre Ausfuhranmeldung erst widerrufen habe, nachdem die Ware beschlagnahmt worden ist. Folglich sei eine Ungültigerklärung der Ausfuhranmeldung nach den vorgenannten Vorschriften des ZK und der ZKDVO ausgeschlossen.

Im Übrigen verweist das HZA hinsichtlich der Frage, ob die Schuldnerin im Sinne der Sanktionsregelung angegeben hat, dass die strittige Ware von gesunder und handelsüblicher Qualität ist, auf das Urteil des EuGH vom 1. Dezember 2005 Rs. C-309/04 (EuGHE 2005, I-10349).

Das HZA beantragt, das Urteil des FG Hamburg vom 29. August 2002 IV 41/99 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger tritt der Revision des HZA entgegen und trägt im Wesentlichen Folgendes vor:

Der dem EuGH-Urteil in EuGHE 2005, I-10349 zugrunde liegende Sachverhalt unterscheide sich von dem vorliegenden dadurch, dass dort neben der Ausfuhranmeldung auch ein Zahlungsantrag abgegeben worden sei. Demnach ließen sich aus diesem Urteil für den Streitfall keine Erkenntnisse gewinnen. Zwar habe der EuGH in dem Urteil in EuGHE 2005, I-2997 entschieden, dass es für die Anwendung der Sanktionsregelung nur auf die Abgabe der Ausfuhranmeldung ankomme und unerheblich sei, ob auch ein entsprechender Zahlungsantrag gestellt worden ist. Sanktionsbewehrt seien also nur die Angaben in der Ausfuhranmeldung nach Art. 3 VO Nr. 3665/87. Diese Ausfuhranmeldung habe die Schuldnerin jedoch ausdrücklich zurückgezogen. Die Ausfuhranmeldung habe einen Doppelcharakter, bei dem in erstattungsrechtlicher Hinsicht die Willenserklärung des Ausführers im Vordergrund stehe, für die Ausfuhr Ausfuhrerstattung in Anspruch nehmen zu wollen. Das müsse bei der Anwendung der Sanktionsvorschriften berücksichtigt werden, weil die Sanktion nicht dafür verhängt werde, dass der Ausführer ein Zollverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat, sondern dass er mehr Erstattung beantrage als ihm zustehe. Liege dieser Wille nicht vor, so sei die Verhängung der Sanktion nicht gerechtfertigt. Das Zurückziehen der Ausfuhranmeldung sei nichts anderes als ein Zurückziehen der Willenserklärung, die für die Erhebung der Sanktion konstitutiv ist.

Im Übrigen macht der Kläger sinngemäß geltend, in der Abgabe einer Ausfuhranmeldung trotz fehlender gesunder und handelsüblicher Qualität der Ware könne keine Beantragung einer zu hohen Ausfuhrerstattung gesehen werden. Denn die gesunde und handelsübliche Qualität sei zwar eine Erstattungsvoraussetzung, aber keine für die Berechnung der Erstattung erforderliche Angabe. Nur die für die Berechnung der Ausfuhrerstattung erforderlichen Angaben müsse der Ausführer jedoch nach Art. 3 Abs. 5 VO Nr. 3665/87 machen. Die Auslegung der Sanktionsregelung und des Art. 3 Abs. 5 VO Nr. 3665/87 durch das HZA, so meint der Kläger weiter, verstoße eklatant gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Die Auslegung gehe soweit, dass der Adressat der Sanktionsregelung nicht mehr erkennen könne, bei welchem Verhalten er mit der Erhebung einer Sanktion rechnen müsse. Sie führe dazu, dass eine nicht missbräuchliche und nicht sanktionswürdige, wenn auch erfolglose Beantragung von Ausfuhrerstattung sanktioniert werde.

II. Die Revision des HZA ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung zur Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Der angefochtene Sanktionsbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Nach der VO Nr. 3665/87 in der hier anzuwendenden Fassung der Verordnung (EG) Nr. 495/97 (ABlEG Nr. L 77/12) ist eine Sanktion für den Fall vorgesehen, dass ein Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat; dabei gilt als beantragte Erstattung der Betrag, der anhand der Angaben gemäß Art. 3 berechnet wird (Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87).

Der von dieser Vorschrift vorausgesetzte Tatbestand liegt im Streitfall vor. Das ist, ohne dass es hier im Einzelnen der Wiederholung bedürfte, nach den von den Beteiligten selbst angeführten Entscheidungen des EuGH in EuGHE 2005, I-2997 und 2005, I-10349, deren rechtliche Beurteilung sich der erkennende Senat zu eigen macht, vorbehaltlich der sogleich zu erörternden Einwände des Klägers nicht zweifelhaft.

Was der Kläger gegen die Erhebung der strittigen Sanktion vorbringt, ist weder geeignet, die Richtigkeit der vom EuGH vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Vorschriften in Frage zu stellen, noch in Zweifel zu ziehen, dass im Streitfall die Sanktion verwirkt ist.

Soweit der Kläger sinngemäß vorträgt, die Abgabe einer Ausfuhranmeldung für eine Ware, der die gesunde und handelsübliche Qualität i.S. des Art. 13 VO Nr. 3665/87 fehlt, die mithin nicht erstattungsfähig ist, sei nicht sanktionsbewehrt, weil in einer solchen Anmeldung keine für die "Berechnung" der Ausfuhrerstattung erforderlichen unrichtigen Angaben lägen, sondern lediglich solche für die "Gewährung", d.h. keine für das "Wie", sondern nur für das "Ob" der Ausfuhrerstattung bedeutsame Angaben, richtet sich dies gegen die klare und eindeutige Rechtsauslegung des EuGH in den vorgenannten Urteilen, ohne dass es so überzeugend wäre, dass es den erkennenden Senat veranlassen könnte, die Frage der Anwendbarkeit der Sanktionsregelung bei einer Ausfuhranmeldung für Waren, die nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind, erneut dem EuGH mit dem Ansinnen vorzulegen, seine Rechtsprechung zu überprüfen. Dabei mag die Rechtsansicht des Klägers für sich stehen, Betrug und Unwahrheit seien nur sanktionswürdig, wenn sie auf eine zu hohe, nicht aber wenn sie auf eine überhaupt nicht verdiente Erstattung zielen (vgl. dazu auch EuGH-Urteil vom 27. April 2006 Rs. C-27/05, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2006, 235).

Nicht überzeugend, aber nach der Entscheidung des EuGH auch keiner näheren Erörterung bedürftig ist ferner die Ansicht des Klägers, die Sanktionsregelung sei mit dem ihr vom EuGH beigelegten Inhalt in einer unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsgebots nicht hinnehmbaren Weise unbestimmt, was auf die immerhin überraschende Behauptung hinausläuft, der Ausführer von z.B. verdorbenem oder wegen Seuchengefahr mit einem Exportverbot belegtem Fleisch habe nicht damit rechnen müssen, ebenso mit einer Sanktion belegt zu werden wie z.B. derjenige, der minderwertiges statt des von ihm angemeldeten hochwertigen Fleisches ausführt, für welches eine entsprechend höhere Ausfuhrsubvention ausgelobt ist.

Auch das Vorbringen des Klägers, gegen die Schuldnerin könne eine Sanktion nicht verhängt werden, weil sie eine unzutreffende Ausfuhranmeldung zwar zunächst abgegeben habe, diese jedoch nicht an das beklagte HZA als Erstattungsstelle gelangt sei und deshalb keine erstattungsrechtliche Bedeutung erlangt habe, und weil die Schuldnerin überdies die Anmeldung zurückgenommen habe, vermag der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Nach vorgenannter Entscheidung des EuGH kommt es darauf an, ob eine unrichtige Anmeldung abgegeben worden ist, nicht darauf, wo dies geschehen ist und ob die Anmeldung von der Erstattungsstelle bereits bearbeitet oder dort zumindest eingegangen ist - worauf abzustellen dem Präventionszweck der Sanktion auch schwerlich gerecht würde. Den von dem Kläger in diesem Zusammenhang sinngemäß postulierten Rechtssatz, dass eine verwaltungsrechtliche Willenserklärung "zurückgezogen" bzw. für "erledigt" erklärt werden könne und dann, wenn dies geschehen ist, die betreffende Erklärung als nicht abgegeben angesehen werden müsse, gibt es nicht. Ob die Rechtsfolgen einer Willenserklärung dadurch beseitigt werden können, dass sie widerrufen oder wie z.B. im bürgerlichen Recht aus bestimmten Gründen angefochten wird, regelt das einschlägige positive Recht. Dass eine Ausfuhranmeldung widerrufen oder angefochten werden könnte, ist in dem Ausfuhrerstattungsrecht, insbesondere in der VO Nr. 3665/87 nicht vorgesehen. Dies ergibt sich für den Streitfall auch nicht aus der Anwendung des Art. 66 ZK, weil dessen Abs. 2 eingreift und einer der besonderen Fälle, auf den dort verwiesen wird, offenkundig nicht vorliegt. Ungeachtet dessen ist im Übrigen dem HZA darin beizupflichten, dass durch Widerruf oder Anfechtung der Ausfuhranmeldung die Verwirkung einer Sanktion nicht ausgeräumt werden kann, es sei denn, es liegt einer der in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 geregelten Tatbestände vor. Die Sanktionsregelung knüpft also mit anderen Worten an die Abgabe der Ausfuhranmeldung an und regelt die Fälle, in denen trotz Abgabe einer unzutreffenden Ausfuhranmeldung eine Sanktion nicht erhoben werden soll, in der vorgenannten Vorschrift gesondert und damit in einer die Anwendung sonst möglicherweise einschlägiger Anfechtungs- oder Widerrufstatbestände ausschließenden Weise.

Dass indes im Streitfall die Voraussetzungen für ein Absehen von einer Sanktion nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 3665/87 nicht vorliegen, ist offenkundig und bedarf deshalb keiner näheren Ausführung. Selbst wenn nämlich die Schuldnerin die Behörde "unverzüglich" von der fehlenden Erstattungsfähigkeit der Ausfuhrware unterrichtet haben sollte, wie der Kläger geltend macht, hat sie dies doch nicht "von sich aus", sondern erst getan, nachdem sie aufgrund der Beschlagnahme der Ware damit rechnen musste, dass ihre Ausfuhranmeldung überprüft werden würde.

Ende der Entscheidung

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