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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.06.2007
Aktenzeichen: VII R 53/06
Rechtsgebiete: VO Nr. 3665/87, MOG, AO
Vorschriften:
VO Nr. 3665/87 Art. 11 Abs. 1 | |
MOG § 6 Abs. 1 Nr. 1 | |
MOG § 12 Abs. 1 | |
MOG § 14 Abs. 2 Satz 1 | |
AO § 236 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hatte im Juni 1999 Rindfleisch ausgeführt und hierfür Ausfuhrerstattung erhalten. Mit Änderungsbescheid forderte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) die gewährte Erstattung zurück und setzte mit einem weiteren Bescheid eine Sanktion gegen die Klägerin fest. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) hob mit rechtskräftig gewordenem Urteil sowohl den Änderungs- als auch den Sanktionsbescheid auf. Das HZA erstattete daraufhin sowohl die zurückgeforderte Erstattung als auch die gezahlte Sanktion. Mit Bescheid vom Mai 2004 berechnete das HZA außerdem Prozesszinsen auf den Erstattungsbetrag, während es die Zahlung von Prozesszinsen auf den Sanktionsbetrag ablehnte.
Das FG gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt und hob den angefochtenen Bescheid vom Mai 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung insoweit auf, als die Zahlung von Prozesszinsen auf den Sanktionsbetrag abgelehnt worden war. Das FG urteilte, dass sich der Anspruch der Klägerin auf Prozesszinsen zwar nicht aus § 14 Abs. 1 (gemeint offenbar § 14 Abs. 2) des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. September 1995 (BGBl I 1995, 1146) ergebe, da die Sanktion ersichtlich keine besondere Vergünstigung sei. Der Anspruch folge jedoch aus § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 236 der Abgabenordnung (AO), denn bei der Sanktion handele es sich um eine Abgabe zu Marktordnungszwecken. Die Sanktion sei eine hoheitlich auferlegte Geldleistung an die öffentliche Gemeinschaft, die Bestandteil der Ausfuhrerstattungsregelung sei und somit zu Marktordnungszwecken erhoben werde.
Mit seiner Revision macht das HZA geltend, dass die Sanktion im Ausfuhrerstattungsrecht nicht als Abgabe zu Marktordnungszwecken i.S. des § 12 Abs. 1 MOG angesehen werden könne. Wie sich aus verschiedenen gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen ergebe, sei es das Ziel marktordnungsrechtlicher Abgaben, das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu verringern und strukturelle Überschüsse zu vermeiden sowie der Regulierung und der Stabilisierung des Marktes zu dienen, während die Sanktion im Ausfuhrerstattungsrecht das Ziel habe, zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts gehende Unregelmäßigkeiten zu bekämpfen und den Ausführer davon abzuschrecken, falsche Angaben bei der Beantragung von Ausfuhrerstattung zu machen. Auch finde § 14 Abs. 2 MOG im Streitfall keine Anwendung, da diese Vorschrift keinen Anspruch auf Verzinsung zu Unrecht erhobener Sanktionen vorsehe.
Die Klägerin schließt sich der Auffassung des FG an, dass es sich bei der Sanktion um eine Abgabe zu Marktordnungszwecken handele.
Jedenfalls ergebe sich ein Anspruch auf Prozesszinsen aus §§ 284, 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
II.
Die Revision ist zurückzuweisen. Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergeben zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, jedoch stellt sich die Entscheidung im Ergebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Der Anspruch der Klägerin auf Prozesszinsen lässt sich nicht auf § 12 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 236 AO stützen, weil die erstattungsrechtliche Sanktion keine Abgabe zu Marktordnungszwecken, sondern ein unselbständiger Rechnungsposten bei der Festsetzung der dem Ausführer zustehenden Ausfuhrerstattung ist.
Wird festgestellt, dass der Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat, wird nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 351/1) in der Fassung der (Änderungs-)Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom 2. Dezember 1994 (ABlEG Nr. L 310/57), diese in der Fassung der Berichtigung gemäß ABlEG vom 16. Juni 1995 Nr. L 132/22, die für die tatsächliche Ausfuhr geschuldete Erstattung vermindert um den halben Unterschied zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr zustehenden Erstattung. Nach dieser Vorschrift besteht somit die für den Fall, dass ein Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat, vorgesehene Sanktion in der Verminderung seines Erstattungsanspruchs. Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 3665/87 schreibt nicht etwa vor, gleichsam neben der Rückforderung des Differenzbetrags, der sich aus der Gegenüberstellung der Erstattung ergibt, die beantragt worden ist, und der Erstattung, auf die der Ausführer nach Maßgabe der Beschaffenheit der ausgeführten Ware und des für sie geltenden, nämlich des durch eine Satz-Verordnung festgelegten Erstattungssatzes Anspruch hat, eine Sanktion zu erheben, sondern die in dieser Vorschrift vorgesehene Sanktion besteht darin, dass dem Ausführer, der falsche Angaben gemacht und eine zu hohe Ausfuhrerstattung beantragt hat, nur eine geringere Ausfuhrerstattung zugestanden wird, als an sich in der Satz-Verordnung vorgesehen ist und als sie dem Ausführer folglich zugestanden hätte, wenn er die Ausfuhrerstattung in richtiger Höhe beantragt hätte. Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 ergänzt mit anderen Worten die Satz-Verordnung und modifiziert die Erstattungsberechnung (Senatsurteil vom 26. Februar 2004 VII R 32/03, BFHE 204, 527, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2004, 234; Senatsbeschluss vom 17. Januar 2006 VII B 308/04, BFH/NV 2006, 1170).
Demnach erhält ein Ausführer, der falsche Angaben gemacht hat und beispielsweise tatsächlich nur die Hälfte des beantragten Erstattungsbetrags beanspruchen kann, im Ergebnis nicht 50 %, sondern nur 25 % der beantragten Ausfuhrerstattung bzw. er hat, falls ihm die beantragte Ausfuhrerstattung bereits gezahlt worden ist, 75 % des Erstattungsbetrags zurückzuzahlen. Ficht er den entsprechenden Erstattungs- bzw. Rückforderungsbescheid an, wendet er sich somit nicht gegen eine ihm auferlegte Abgabe, sondern streitet um die ihm seiner Ansicht nach zustehende 100 %ige Ausfuhrerstattung.
Etwas anderes gilt im Prinzip auch dann nicht, wenn die Verminderung des Erstattungsanspruchs zu einem Negativbetrag führt, den der Ausführer nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 4 VO Nr. 3665/87 zu zahlen hat. Der Verordnungsgeber hat nämlich auch die in solchen Fällen eintretende Zahlungspflicht nicht als eine gesonderte Abgabe gestaltet, sondern spricht ausdrücklich von einem Negativbetrag, d.h. von einer negativen Ausfuhrerstattung. Auch in einem solchen Fall streitet daher der Ausführer, der --wie es die Klägerin getan hat-- den Rückforderungs- und Sanktionsbescheid anficht, um die ihm seiner Ansicht nach zustehende Ausfuhrerstattung.
Das erstattungsrechtliche Klageverfahren geht also auch in solchen Fällen, in denen das HZA unter Anwendung des Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 3665/87 den Erstattungsanspruch so weit vermindert hat, dass sich ein vom Ausführer zu zahlender negativer Erstattungsbetrag ergibt, um die dem Ausführer rechtmäßig zustehende Ausfuhrerstattung und somit unverändert um eine marktordnungsrechtliche besondere Vergünstigung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 MOG).
Ansprüche auf besondere Vergünstigungen sind nach § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG ab Rechtshängigkeit nach Maßgabe der §§ 236, 238 und 239 AO zu verzinsen. Hierbei handelt es sich, wie der Senat bereits entscheiden hat, um eine Rechtsgrundverweisung (Senatsurteil vom 29. April 1997 VII R 91/96, BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476). Die Voraussetzungen des § 236 Abs. 1 AO für die Berechnung von Prozesszinsen sind im Streitfall gegeben, da die Klägerin mit ihrer gegen den Änderungs- und den Sanktionsbescheid gerichteten Klage Erfolg gehabt und sie danach im Festsetzungsverfahren durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung die Festsetzung der Ausfuhrerstattung in einer Höhe erreicht hat, die ihre Pflicht sowohl zur Rückzahlung des Erstattungsbetrags als auch zur Zahlung des Negativbetrags entfallen ließ.
Es handelt sich bei der auf die Gewährung von Prozesszinsen gerichteten Klage allerdings um eine Verpflichtungsklage, so dass es nicht wie im Tenor der Vorentscheidung mit der entsprechenden Aufhebung des Ablehnungsbescheids sein Bewenden haben kann. Im Rahmen des erkennbaren Klagebegehrens war das FG nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO an die Fassung des klägerischen Antrags nicht gebunden. Insoweit war der Tenor zu berichtigen.
Ende der Entscheidung
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