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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 08.07.2004
Aktenzeichen: VII R 55/03
Rechtsgebiete: AO 1977, BGB


Vorschriften:

AO 1977 § 222
AO 1977 § 226 Abs. 1
BGB § 387
BGB § 406
Wird eine gegen das FA gerichtete Forderung abgetreten und besteht für das FA im Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Abtretung eine Aufrechnungslage gegenüber dem bisherigen Gläubiger, die das FA nach § 226 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 406 BGB berechtigt, die Aufrechnung mit ihrer Gegenforderung auch gegenüber dem neuen Gläubiger der Hauptforderung zu erklären, so werden diese eingetretenen Rechtswirkungen des § 406 BGB durch eine nachträglich vom FA gewährte Stundung der Gegenforderung, die auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Abtretung zurückwirkt, nicht beseitigt.
Gründe:

I.

Streitig ist die Wirksamkeit einer gegenüber der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) abgegebenen Aufrechnungserklärung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--).

Mit einer beim FA am 10. Februar 1999 eingegangenen Abtretungsanzeige traten die von der Klägerin steuerlich vertretenen Eheleute C einen Erstattungs- bzw. Vergütungsanspruch betreffend die Umsatzsteuer 1997 an die Klägerin ab. Aus dem gegen Herrn C erlassenen Festsetzungsbescheid des FA für 1997 über Umsatzsteuer ergaben sich ein Erstattungs-/Vergütungsanspruch in Höhe von 5 546,80 DM sowie Erstattungszinsen in Höhe von 248 DM.

Nachdem die Klägerin das Guthaben unter Hinweis auf die Abtretung angefordert hatte, erklärte das FA mit Schreiben an die Klägerin vom 28. April 2000 die Aufrechnung mit folgenden gegenüber den Eheleuten C bestehenden Gegenforderungen:

- Einkommensteuer 1996 4 626,00 DM

- Zinsen Einkommensteuer 1996 248,00 DM

- Solidaritätszuschlag 1996 165,80 DM

- Säumniszuschläge Einkommensteuer 1996 7,00 DM

- Zwangsgeld Abgabe Einkommensteuererklärung 1998 500,00 DM;

die Guthabenzinsen aus der Umsatzsteuer 1997 in Höhe von 248 DM würden umgebucht auf den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1996. Den hiergegen erhobenen Einspruch der Klägerin wertete das FA als Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids, den es unter dem 24. Mai 2000 mit einem dem Schreiben vom 28. April 2000 entsprechenden Inhalt erließ. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Die Steueransprüche, mit denen das FA die Aufrechnung erklärt hatte, waren wie folgt festgesetzt bzw. erhoben worden:

Mit an die Eheleute C gerichtetem Bescheid vom 9. November 1998 hatte das FA für 1996 die Einkommensteuer, Zinsen und Solidaritätszuschlag festgesetzt und im Abrechnungsteil des Bescheids einen bis zum 14. Dezember 1998 zu zahlenden Betrag in Höhe von 7 846,45 DM angefordert. Einen Stundungsantrag der Eheleute C, welchen diese schon mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung 1996 unter Hinweis auf einen 1997 entstandenen Verlust gestellt hatten, lehnte das FA mit Schreiben vom 6. Januar 1999 zunächst ab, da dem FA für 1997 noch keine Steuererklärung vorlag. Nachdem die Einkommensteuererklärung 1997 der Eheleute C am 9. Februar 1999 beim FA eingegangen war, stundete das FA mit Bescheid vom 4. März 1999, abgesandt am 12. März 1999, die Einkommensteuer, Zinsen und Solidaritätszuschlag 1996 sowie Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 7 269,45 DM mit Wirkung vom 9. Februar 1999 bis zur Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 1997, längstens bis zum 10. November 1999. Mit einem weiteren Bescheid vom 20. Oktober 1999, abgesandt am 29. Oktober 1999, verlängerte das FA die Stundung bis zur Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 1997, längstens bis zum 10. Mai 2000.

Aus dem Bescheid des FA für 1997 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag ergab sich ein Guthaben der Eheleute C in Höhe von 1 795 DM. In den Anlagen zu diesem Bescheid teilte das FA mit, dass dieses Guthaben auf die Einkommensteuer 1996 laut Stundung vom 29. Oktober 1999 umgebucht werde, dass es aber nicht ausreiche, um die gestundeten Rückstände auszugleichen. Es seien noch zu entrichten:

- Einkommensteuer 1996 4 626,00 DM

- Einkommensteuer Zinsen 1996 248,00 DM

- Einkommensteuer Säumniszuschlag 1996 142,00 DM

- Solidaritätszuschlag 1996 450,00 DM

- Solidaritätszuschlag Säumniszuschlag 1996 8,00 DM;

Der Gesamtbetrag von 5 474 DM sei bis zum 10. März 2000 zu zahlen. In einem Steueränderungsbescheid für 1996 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom selben Tag wurde die Zahlungsfrist bis zum 3. April bzw. 10. Mai 2000 festgesetzt.

Die gegen den Abrechnungsbescheid vom 24. Mai 2000 erhobene Klage der Klägerin wies das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1433 veröffentlichten Gründen zum überwiegenden Teil ab.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, dass im Streitfall die Voraussetzungen des § 406 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), unter denen gegenüber dem neuen Gläubiger auch mit Forderungen gegen den bisherigen Gläubiger aufgerechnet werden könne, entgegen der Ansicht des FG nicht vorgelegen hätten. Durch die rückwirkende Stundung der Gegenforderungen sei deren Fälligkeit mit allen Konsequenzen beseitigt worden mit der Folge, dass sie zu keinem Zeitpunkt fällig gewesen seien und das FA eine Aufrechnungsmöglichkeit verloren habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung --soweit die Klage abgewiesen worden ist-- aufzuheben und die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen --soweit sie noch Bestand haben-- zu ändern und festzustellen, dass der an die Klägerin abgetretene Erstattungs-/Vergütungsanspruch aus dem Umsatzsteuerbescheid für 1997 auch in Höhe weiterer 5 046,80 DM (= 2 580,39 €) nicht durch Aufrechnung erloschen ist.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es tritt der Revision entgegen und ist der Ansicht, dass die klageabweisende Entscheidung des FG zu Recht ergangen sei.

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das angefochtene Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Das FG hat zu Recht entschieden, dass der an die Klägerin abgetretene Erstattungs-/Vergütungsanspruch der Eheleute C aus dem Umsatzsteuerbescheid für 1997 in Höhe von 5 046,80 DM durch die erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen des FA gegen die Eheleute C wegen Einkommensteuer 1996 und Nebenleistungen erloschen ist.

Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und gegen solche Ansprüche sind nach § 226 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) die Vorschriften des BGB sinngemäß anzuwenden. Demnach hängt die Rechtmäßigkeit des Abrechnungsbescheides des FA davon ab, ob eine Aufrechnungserklärung vorliegt, die den Anforderungen des § 388 BGB genügt, und ob die Voraussetzungen des § 387 BGB unter Berücksichtigung etwaiger sachlicher Eigentümlichkeiten der Aufrechnung von oder mit Steuerforderungen ("sinngemäß") als erfüllt anzusehen sind. § 387 BGB verlangt, dass zwei Personen einander gleichartige Leistungen schulden und dass der Aufrechnende die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Voraussetzung für eine wirksame Aufrechnung ist also eine Aufrechnungslage, d.h. das Bestehen gleichartiger und gegenseitiger Forderungen, wobei die Hauptforderung erfüllbar und die Gegenforderung fällig sein muss (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 226 AO 1977 Rz. 17).

Im Streitfall war im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA eine solche Aufrechnungslage gegeben.

1. Das FA hat nach den Feststellungen des FG mit Schreiben vom 28. April 2000, jedenfalls aber mit dem angefochtenen Abrechnungsbescheid vom 24. Mai 2000 die Aufrechnung gegenüber der Klägerin erklärt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin eine erfüllbare Hauptforderung gegen das FA, nämlich den von den Eheleuten C wirksam an sie abgetretenen Erstattungs-/ Vergütungsanspruch gegen das FA in Höhe von 5 546,80 DM sowie den abgetretenen Anspruch auf Erstattungszinsen in Höhe von 248 DM aus dem Festsetzungsbescheid für 1997 über Umsatzsteuer. Jedenfalls im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Abrechnungsbescheids stand dieser erfüllbaren Hauptforderung der Klägerin eine gleichartige, fällige Gegenforderung des FA gegen die Eheleute C aus dem Bescheid für 1996 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zuzüglich Nebenleistungen in der sich aus dem Abrechnungsbescheid ergebenden Höhe von 5 046,80 DM gegenüber. Die entsprechenden Feststellungen des FG werden von der Revision nicht angegriffen.

2. Streitig ist allein, ob die Aufrechnung des FA trotz der fehlenden Gegenseitigkeit von Haupt- und Gegenforderung wirksam ist, weil die Voraussetzungen des § 406 BGB vorliegen. Dies ist --wie das FG zutreffend entschieden hat-- der Fall.

Nach § 406 BGB kann der Schuldner mit einer ihm gegen den bisherigen Gläubiger (Altgläubiger, Zedenten) zustehenden Forderung auch gegenüber dem neuen Gläubiger (Neugläubiger, Zessionar) aufrechnen, es sei denn, dass er beim Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Damit durchbricht § 406 BGB für die Aufrechnung gegenüber dem neuen Gläubiger das Erfordernis der Gegenseitigkeit. Die Vorschrift will das Vertrauen des Schuldners in eine gegenüber dem bisherigen Gläubiger bestehende Aufrechnungslage sowie die Aussicht auf eine bis zur Fälligkeit der Gegenforderung möglicherweise entstehende Aufrechnungslage schützen; ihr liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die Rechtsstellung des Schuldners durch die Abtretung nicht verschlechtern darf (Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Aufl., § 406 Rz. 1; Roth in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch --MünchKomm--, 4. Aufl., § 406 Rz. 1; Rozek in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 226 AO 1977 Rz. 40, 43; Staudinger/Busche, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Bearbeitung, § 406 Rz. 1-4). Dieser Rechtsgedanke der Vorschrift gilt auch im öffentlichen Recht und damit auch für die Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO 1977 (Senatsurteil vom 25. April 1989 VII R 36/87, BFHE 156, 392, BStBl II 1990, 352, m.w.N.).

Der für die Anwendung der Schuldnerschutzvorschrift des § 406 BGB maßgebende Zeitpunkt ist derjenige der Kenntniserlangung des Schuldners von der Abtretung (Senatsurteil in BFHE 156, 392, BStBl II 1990, 352; Roth, MünchKomm, § 406 Rz. 3, 7; Soergel-Zeiss, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., § 406 Rz. 2). Ist die Gegenforderung des Schuldners in diesem maßgeblichen Zeitpunkt bereits fällig, kann er nach § 406 BGB die Aufrechnung mit dieser Gegenforderung auch gegenüber dem neuen Gläubiger wirksam erklären; sein Vertrauen in den Bestand der Aufrechnungslage wird durch § 406 BGB geschützt (Senatsurteil in BFHE 156, 392, BStBl II 1990, 352; Roth, MünchKomm, § 406 Rz. 10; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 406 Rz. 8; Soergel-Zeiss, a.a.O., § 406 Rz. 2; Staudinger/Busche, a.a.O., § 406 Rz. 21).

Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Das FA hat am 10. Februar 1999 mit dem Eingang der Abtretungsanzeige Kenntnis von der Abtretung des Erstattungs-/Vergütungsanspruchs der Eheleute C betreffend die Umsatzsteuer 1997 an die Klägerin erlangt. In diesem Zeitpunkt war die Gegenforderung des FA aus dem Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 9. November 1998 bereits fällig, da das FA mit diesem Bescheid eine Zahlungsfrist bis zum 14. Dezember 1998 gesetzt hatte. Der erste Säumniszuschlag zur Einkommensteuer war nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 schon mit der Nichtentrichtung der Steuerschuld bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entstanden und in demselben Zeitpunkt nach § 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 fällig geworden. Im Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Abtretung durch das FA bestand daher gegenüber den Eheleuten C als den bisherigen Gläubigern des Erstattungs-/Vergütungsanspruchs aus der Umsatzsteuer 1997 eine Aufrechnungslage, auf deren Fortbestand das FA als Schuldner des Erstattungs-/Vergütungsanspruchs vertrauen durfte.

3. Die mit Bescheid des FA vom 4. März 1999 gewährte Stundung des Steueranspruchs ändert hieran nichts.

Bei der Stundung gemäß § 222 AO 1977 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der die Fälligkeit eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis hinausschiebt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. April 1988 III R 269/84, BFH/NV 1989, 428; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 222 Rz. 55; Tipke/ Kruse, a.a.O., § 222 AO 1977 Rz. 1). Dieser Verwaltungsakt wird gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 mit seiner Bekanntgabe an den Adressaten wirksam (Tipke/Kruse, a.a.O., § 222 AO 1977 Rz. 58). Da im Streitfall das FA die Steuerforderung gegenüber den Eheleuten C mit Bescheid vom 4. März 1999, abgesandt am 12. März 1999, gestundet hatte, wurde die gewährte Stundung, d.h. die Bestimmung eines neuen Fälligkeitszeitpunkts, am 15. März 1999 wirksam (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977), also erst zu einem Zeitpunkt nach der Kenntniserlangung von der Abtretung der Hauptforderung.

Der Umstand, dass das FA mit Bescheid vom 4. März 1999 die Stundung mit Wirkung schon vom 9. Februar 1999, also rückwirkend, gewährte, hat die am 10. Februar 1999, d.h. dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Abtretung der Hauptforderung, bereits eingetretene Aufrechnungslage gegenüber den Eheleuten C und damit die Rechtsfolge des § 406 BGB, wonach dem FA die Aufrechnungsmöglichkeit nunmehr auch gegenüber der Klägerin als dem neuen Gläubiger zustand, nicht nachträglich entfallen lassen.

Auch wenn es grundsätzlich möglich ist, einen Verwaltungsakt mit rückwirkender Wirksamkeit zu erlassen, könnte es zweifelhaft sein, ob das "Hinausschieben der Fälligkeit" nicht schon begrifflich eine nur mit in die Zukunft gerichteter Wirkung versehene Einzelfallregelung sein kann. Gleichwohl ist die rückwirkende Stundungsgewährung im Steuerrecht anerkannt (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1989, 428; Klein/Rüsken, a.a.O., § 222 Rz. 47; Tipke/Kruse, a.a.O., § 222 AO 1977 Rz. 60). Sie hat den Sinn, den Steuerschuldner, der trotz bereits eingetretener Fälligkeit keine Zahlungen auf die Steuerschuld geleistet hat, von den rechtlichen Folgen der Säumnis --d.h. in erster Linie von den verwirkten Säumniszuschlägen gemäß § 240 AO 1977-- freizustellen, insbesondere dann, wenn das FA einen rechtzeitig gestellten Stundungsantrag erst einige Zeit später positiv bescheidet (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 222 Rz. 47). Die rückwirkende Stundung führt allerdings nicht dazu, dass die bis zum Erlass des Stundungs-Verwaltungsakts bereits eingetretenen Rechtsfolgen der Säumnis mit der Bekanntgabe des rückwirkenden Verwaltungsakts gleichsam automatisch entfallen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1989, 428). Vielmehr bildet die rückwirkende Stundung lediglich die rechtliche Grundlage für entsprechende Maßnahmen des FA, mit denen sie den Steuerschuldner von den eingetretenen Folgen der Säumnis befreien kann. So bleiben bereits verwirkte Säumniszuschläge trotz rückwirkender Stundung verwirkt; sie sind ggf. vom FA durch einen gesonderten Verwaltungsakt zu erlassen (Klein/Rüsken, a.a.O., § 222 Rz. 55; Tipke/Kruse, a.a.O., § 222 AO 1977 Rz. 60, § 240 AO 1977 Rz. 25). Auch bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen verlieren bei rückwirkender Stundung nicht automatisch, sondern --wie sich aus § 257 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 3 AO 1977 ergibt-- erst durch ausdrückliche Aufhebung ihre Wirksamkeit (Klein/Rüsken, a.a.O., § 222 Rz. 55; Tipke/Kruse, a.a.O., § 222 AO 1977 Rz. 2). Des Weiteren lässt eine rückwirkende Stundung auch eine zunächst entstandene Haftungsverpflichtung aus § 69 AO 1977 nicht nachträglich entfallen; vielmehr bleibt es bei der einmal eingetretenen haftungsbegründenden Tatbestandsverwirklichung (Senatsurteil vom 26. Februar 1991 VII R 107/89, BFH/NV 1991, 578).

In entsprechender Weise bleibt die einmal eingetretene Verwirklichung des Tatbestands des § 406 BGB, welcher dem Schuldner die Möglichkeit der Aufrechnung auch gegenüber dem neuen Gläubiger der Hauptforderung erhält, auch im Fall einer nachträglichen und rückwirkenden Stundung der Gegenforderung gegenüber dem bisherigen Gläubiger bestehen. Auch in Anbetracht des Zwecks dieser Schuldnerschutzvorschrift, die Rechtsstellung des Schuldners durch die Abtretung der Hauptforderung nicht zu verschlechtern und sein Vertrauen in den Bestand der Aufrechnungslage zu schützen, ist keine andere Entscheidung geboten. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb ein Schuldner, für den im maßgeblichen Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Abtretung der Hauptforderung eine Aufrechnungslage gegenüber seinem bisherigen Gläubiger bestand und für den § 406 BGB diese Aufrechnungslage auch gegenüber dem neuen Gläubiger aufrechterhält, diese Aufrechnungsmöglichkeit gegenüber dem neuen Gläubiger auf Dauer verlieren soll, wenn er --wie im Streitfall-- nach dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung die bereits fällige Gegenforderung noch einmal vorübergehend stundet (a.A. offenbar Rozek in HHSp, a.a.O., § 226 AO 1977 Rz. 43, unter Berufung auf das Senatsurteil in BFHE 156, 392, BStBl II 1990, 352). Jenes Senatsurteil in BFHE 156, 392, BStBl II 1990, 352 steht der hier vertretenen Rechtsauffassung jedoch nicht entgegen, da in jenem Fall die besondere Lage gegeben war, dass die Hauptforderung im Voraus abgetreten worden und erst zu einem späteren Zeitpunkt entstanden war, als die Finanzbehörde ihre Gegenforderung bereits gestundet hatte, so dass schon im Zeitpunkt des Entstehens der Hauptforderung keine Aufrechnungslage i.S. des § 387 BGB bestanden hatte, auf deren Fortbestand die Finanzbehörde hätte vertrauen können. Der Umstand, dass die Stundung auch in jenem Fall mit Rückwirkung gewährt worden war, hatte für die Senatsentscheidung keine Bedeutung.

Es sind schließlich im Streitfall auch keine Anhaltspunkte für die Annahme ersichtlich, dass das FA dem Stundungsbescheid vom 4. März 1999 eine Wirkung beimessen wollte, wonach mit der rückwirkenden Stundung die am 10. Februar 1999 noch bestehende Aufrechnungsmöglichkeit gegenüber den Eheleuten C und damit auch gegenüber der Klägerin nachträglich beseitigt werden sollte. Nach den vom FG sinngemäß in Bezug genommenen Bescheiden des FA vom 6. Januar 1999 und vom 4. März 1999 hatte das FA den Eheleuten C die Stundung rückwirkend bis zu dem Zeitpunkt gewährt, zu dem die Stundungsvoraussetzungen erstmals vorlagen; es ging mithin nur darum, die Eheleute C für den Zeitraum vom erstmaligen Vorliegen der Stundungsvoraussetzungen bis zur Bescheidung des Stundungsantrags von den Folgen der Säumnis freizustellen, weitere Rechtsfolgen sollten der rückwirkenden Stundung erkennbar nicht zukommen. Außerdem war von Seiten der Eheleute C eine sog. Verrechnungsstundung oder technische Stundung (vgl. dazu: BFH-Urteil vom 24. März 1998 I R 120/97, BFHE 186, 98, BStBl II 1999, 3; Klein/Rüsken, a.a.O., § 222 Rz. 36, 39; Tipke/Kruse, a.a.O., § 222 AO 1977 Rz. 28 f.) im Hinblick auf eine aus der Einkommensteuerveranlagung 1997 zu erwartende Erstattung beantragt und vom FA gewährt worden. Mit der gewährten Stundung sollte also die Möglichkeit der Verrechnung der Einkommensteuerschulden aus 1996 gerade aufrechterhalten, nicht aber diese Möglichkeit beseitigt werden.

Die Klägerin hat nach alledem von den Eheleuten C eine mit der Aufrechnungsmöglichkeit des FA "belastete" Forderung (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1974 II ZR 27/73, BGHZ 63, 338, 343) erworben. Diese "Belastung" ist nicht nachträglich durch die den Eheleuten C gewährte vorübergehende Stundung entfallen; vielmehr ist das FA weiterhin befugt geblieben, gegen die abgetretene Hauptforderung mit eigenen, gegenüber dem bisherigen Gläubiger bestehenden Gegenforderungen aufzurechnen.

Ende der Entscheidung

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