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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.06.1999
Aktenzeichen: VII R 55/98
Rechtsgebiete: KN 1993, VO EWG


Vorschriften:

KN 1993 Unterpos. 4016 93 90
VO (EWG) Nr. 1697/79 (NacherhebungsVO) Art. 5 Abs. 2
BUNDESFINANZHOF

Begründet die Zollbehörde die Nacherhebung damit, der von ihr bei der Wareneinfuhr angewendete, dem DGebrZT entnommene Drittlandszollsatz sei unzutreffend, und konnte der Beteiligte bei dem ihm abverlangten Blick in das ABlEG erkennen, daß nach der maßgeblichen KN der angewandte Zollsatz lediglich möglicherweise ("unter bestimmten Voraussetzungen") der richtige ist, war ihm aber dort mangels eines konkreten Hinweises eine weitere Vergewisserung über diese Voraussetzungen nicht möglich, war für ihn der Irrtum der Zollstelle über den Zollsatz nicht erkennbar. In einem solchen Fall ist --wenn auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind-- von der Nacherhebung abzusehen.

KN 1993 Unterpos. 4016 93 90 VO (EWG) Nr. 1697/79 (NacherhebungsVO) Art. 5 Abs. 2

Urteil vom 17. Juni 1999 - VII R 55/98 -

Vorinstanz: FG Hamburg


Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ließ am 14. Januar 1993 und danach im Laufe des Jahres in fünf weiteren Fällen beim Rechtsvorgänger des Beklagten und Revisionsklägers (Hauptzollamt --HZA--) Dichtungen aus vulkanisiertem Weichkautschuk für technische Zwecke der Unterpos. 4016 93 90 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zum zollrechtlich freien Verkehr abfertigen. Die Zollstelle fertigte die Waren jeweils antragsgemäß ab und legte dabei einen Zollsatz von 3,5 % zugrunde, den sie dem Deutschen Gebrauchszolltarif (DGebrZT) unter Codenummer 4016 9390 0000 (dort Sp. 11, Drittlandszollsatz) entnahm.

Mit Erlaß vom 11. Dezember 1995 unterrichtete das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Zolldienststellen davon, daß bestimmte Drittlandszollsätze für Waren der Pos. 4016 KN im DGebrZT unzutreffend dargestellt waren und wies darauf hin, daß auf die Nacherhebung für den nichtverjährten Zeitraum nicht verzichtet werden könne. Danach betrug der korrekte Zollsatz für die o.g. Ware nicht 3,5 %, sondern 4,4 %. Der Rechtsvorgänger des HZA erhob daher von der Klägerin mit Steueränderungsbescheid vom 10. Januar 1996 für die Einfuhr vom 14. Januar 1993 Zoll nach. Entsprechend verfuhr er mit den fünf späteren Einfuhren.

Den von der Klägerin gegen die sechs Bescheide eingelegten Einspruch wies der Rechtsvorgänger des HZA als unbegründet zurück. Das hiergegen von der Klägerin angestrengte Klageverfahren beim Finanzgericht (FG), in dessen Verlauf das HZA nach Aufhebung seines Rechtsvorgängers die in diesem Verfahren wahrzunehmenden Aufgaben übernommen hat, hatte Erfolg. Das FG urteilte, der Nacherhebung des Zolls stehe der Gutglaubensschutz der Klägerin nach Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung ... --NacherhebungsVO-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 197/1) bzw. nach dem inhaltlich entsprechenden Art. 220 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12. Oktober 1992 --ZK-- (ABlEG Nr. L 302/1) entgegen. Die Klägerin habe den Irrtum der Zollstelle über den Zollsatz nicht erkennen können. Der unzutreffende Zollsatz habe sich aus dem DGebrZT ergeben, der seinerseits insoweit auf einer fehlerhaften TARIC-Information beruhte. In einem solchen Fall sei dem Importeur Vertrauensschutz zu gewähren, auch wenn dem ABlEG (im Streitfall dem Amtsblatt Nr. L 267 vom 14. September 1992, S. 1 ff. --Verordnung (EWG) Nr. 2505/92 (VO Nr. 2505/92) der Kommission vom 14. Juli 1992 zur Änderung der Anhänge I und II der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif--) das zutreffende Gemeinschaftsrecht hätte entnommen werden können. Da es sich bei dem Integrierten Tarif der Europäischen Gemeinschaften (TARIC) nicht um eine nationale Verwaltungsvorschrift, sondern um eine zentral für alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft von der Kommission zur einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts erstellte Verwaltungsregelung handele, komme die für die Importeure sehr strenge Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), wonach der Wirtschaftsteilnehmer Veröffentlichungen in einem nationalen Gebrauchszolltarif nicht dem in ABlEG enthaltenen Gemeinschaftsrecht entgegenhalten könne, nicht zur Anwendung. Bei Veröffentlichungsfehlern im TARIC sei eine andere Situation gegeben, weil durch dessen gemeinschaftsweite Geltung, anders als bei einem nationalen Zolltarif, die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht gefährdet sei.

Mit seiner Revision rügt das HZA die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das FG habe seine Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) verletzt, weil es seinem Urteil die von der Klägerin vorgetragene Behauptung, es liege ein Fehler im DGebrZT vor, der auf einer fehlerhaften TARIC-Information beruhe, zugrunde gelegt habe, obwohl in der Klageerwiderung eingewendet worden sei, daß sich der zutreffende Zollsatz von 4,4 % aus der vorschriftsgemäß veröffentlichten VO Nr. 2505/92 ergebe und dazu wörtlich erklärt worden sei: "Ein Fehler in der Darstellung des Gemeinschaftsrechts liegt nicht vor." Tatsächlich weise auch der TARIC einen Zollsatz von 4,4 % aus (ABlEG 1992 Nr. C 170 A bzw. ABlEG 1993 Nr. C 143 A). Der daneben vermerkte Zollsatz von 3,5 % gelte nur unter den Voraussetzungen der Fußnote 211. Fehlerhaft sei also lediglich die Zusammenstellung im DGebrZT gewesen. Das FG habe diese Tatsachen nicht ermittelt und falsch dargestellt.

Aufgrund dieses Fehlers habe das FG das materielle Gemeinschaftsrecht, die KN 1993 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 ZK, unzutreffend angewandt sowie Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK verletzt. Da in der KN der gültige Zollsatz von 4,4 % verzeichnet gewesen sei, sei die Fehlerhaftigkeit des DGebrZT objektiv erkennbar gewesen. Daher habe Vertrauensschutz im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH nicht gewährt werden dürfen. Die Nacherhebung sei somit zu Recht erfolgt.

II. Die Revision des HZA ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Dabei kann der Senat offenlassen, ob die vom HZA erhobene Verfahrensrüge zulässig und begründet wäre, denn selbst in diesem Falle führte dies nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung, da sich diese aus einem anderen Grund im Ergebnis als richtig darstellt (§ 126 Abs. 4 FGO). Aufgrund der vom HZA erhobenen Sachrüge, die dem Senat eine umfassende Prüfung der Rechtslage ermöglicht, ist zu erkennen, daß der Klägerin gegenüber der Nacherhebung Vertrauensschutz zu gewähren ist, allerdings aus einem anderen Grund, als vom FG angenommen worden ist. Die angefochtenen Steueränderungsbescheide sind daher rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. a) Für die von der Klägerin in sechs Fällen in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten Dichtungen aus vulkanisiertem Weichkautschuk für technische Zwecke der Unterpos. 4016 93 90 der KN 1993 (VO Nr. 2505/92) ist in Sp. 3 ein autonomer Zollsatz von 15 % mit dem Fußnotenhinweis (Fn. 3: Zollsatz von 3,5 % unter bestimmten Voraussetzungen) und in Sp. 4 ein vertragsmäßiger Zollsatz von 4,4 % vorgesehen. Nach Anhang I Teil 1 (Einführende Vorschriften) Titel I (Allgemeine Vorschriften) Teil B Nr. 1 dritter Unterabs. der KN 1993 sind die autonomen Zollsätze der Sp. 3 anzuwenden, wenn sie niedriger als die vertragsmäßigen Zollsätze sind. Das bedeutet, daß im Streitfall der Zollsatz von 3,5 % zur Anwendung käme, wenn nach dem Fußnotenhinweis die "bestimmten Voraussetzungen" erfüllt wären. Welche Voraussetzungen dies sind, wird aber nirgendwo erklärt.

Der TARIC, der im ABlEG Nr. C 170 A vom 6. Juli 1992 bzw. im ABlEG Nr. C 143 A vom 24. Mai 1993 veröffentlicht worden ist und den der Senat, obgleich es sich dabei nicht um einen Rechtsakt, sondern lediglich um eine Verwaltungsvorschrift der Kommission handelt (vgl. Witte/Alexander, Zollkodex, 2. Aufl. 1998, Art. 20 Rz. 10), im Revisionsverfahren zur Erläuterung und Klärung des Gemeinschaftsrechts heranziehen darf, weist beim TARIC-Code 4016 93*90 in Sp. 7 einen Drittlandszollsatz von 4,4 % und einen von 3,5 % (mit dem Fußnotenhinweis 211: Nach den in den einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen festgesetzten Voraussetzungen) auf. Auch dort findet sich kein Hinweis darauf, welches denn die "einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen" sind.

Im DGebrZT ist für den maßgeblichen Zeitraum bei der Codenummer 4016 9390 0000 in Sp. 11 lediglich ein Drittlandszollsatz, nämlich 3,5 %, ausgewiesen. Mit Fernschreiben-Erlaß des BMF vom 11. Dezember 1995 ist dieser Zollsatz wie folgt korrigiert worden: "Bis zum 31. Dezember 1994 kamen durch eine unkorrekte Darstellung im DGebrZT folgende falsche Drittlandszollsätze für Waren der KN-Pos. 4016 zur Anwendung: ... restliche Codenummern 4016 - angewandt 3,5, korrekt 4,4". Aufgrund dieses Erlasses sind dann die angefochtenen Steueränderungsbescheide ergangen. Darin wird zur Begründung der Erhöhung des Zollsatzes von 3,5 % auf 4,4 % lediglich ausgeführt, bei den ursprünglichen Steuerbescheiden sei ein unzutreffender Zollsatz angewendet worden bzw. im Zeitpunkt der Abfertigung sei im DV-System Douane ein unzutreffender Zollsatz gespeichert gewesen, was nun unter Anwendung des zutreffenden Zollsatzes korrigiert werde und zu der jeweils berechneten Mehranforderung an Zoll führe. Die Einspruchsentscheidung führt dazu ebenfalls nur aus, das BMF habe die Zolldienststellen unterrichtet, daß bestimmte Drittlandszollsätze für Waren der Pos. 4016 im DGebrZT unzutreffend dargestellt gewesen seien und auf eine Nacherhebung unter Zugrundelegung des zutreffenden Zollsatzes von 4,4 % nicht verzichtet werden könne. Auch im finanzgerichtlichen Verfahren und im Revisionsverfahren vor dem Senat hat das HZA keine Begründung dafür gegeben, weshalb im Streitfall der den Steueränderungsbescheiden zugrunde gelegte Zollsatz von 4,4 % und nicht der ursprünglich angewandte und nach der KN 1993 ebenfalls mögliche Zollsatz von 3,5 % der zutreffende Zollsatz sein solle. In keinem Stadium des Verfahrens ist mithin der Klägerin und den zur Entscheidung berufenen Gerichten dargelegt worden, weshalb die "bestimmten Voraussetzungen" bzw. "die in den einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen festgesetzten Voraussetzungen" für die Anwendung des in den ursprünglichen Steuerbescheiden zugrunde gelegten Zollsatzes von 3,5 %, der im Einklang mit dem DGebrZT und einem der beiden nach der KN 1993 möglichen Zollsätze steht, auf die streitgegenständlichen Einfuhren etwa nicht erfüllt gewesen sein sollten.

b) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob das HZA unter diesen Umständen seiner sich aus Art. 6 Abs. 3 Satz 1 ZK ergebenden Pflicht, wonach schriftliche Entscheidungen zu begründen sind, sofern sie nachteilige Folgen für den Adressaten der Entscheidung haben können, in ausreichendem Maße nachgekommen ist, und welche Folgerungen bei einem etwaigen Verstoß gegen die Begründungspflicht unter Berücksichtigung auch der nationalen Vorschriften der §§ 121 und 127 der Abgabenordnung (AO 1977) zu ziehen wären, denn der Klägerin ist unter den besonderen Umständen des Streitfalls jedenfalls Vertrauensschutz zu gewähren.

Die einschlägige Zolltarifvorschrift, die Unterpos. 4016 93 90 KN, räumt hinsichtlich des anzuwendenden Drittlandszollsatzes eine Wahlmöglichkeit ein, gibt aber keine näheren Hinweise darauf, in welchen weiteren einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen die "bestimmten Voraussetzungen" enthalten sind, von denen die Anwendung des einen bzw. des anderen Zollsatzes abhängig ist. Der Zollbeteiligte kann daher bei einem Blick in die KN nicht erkennen, welcher Zollsatz für die von ihm aus einem bestimmten Drittland eingeführte Ware der zutreffende ist. Mangels konkreter Verweise ist es ihm ferner nicht möglich nachzuprüfen, in welchen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts er etwa weitere Aufklärung darüber erhalten könnte. Auch dem erkennenden Senat ist es nicht ohne weiteres möglich, solche Vorschriften ausfindig zu machen; vielleicht gibt es sie gar nicht. Der Senat konnte indessen von weiteren Nachforschungen hierzu, etwa durch Einholung von Auskünften beim BMF oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, absehen, weil es für die Entscheidung des Falles letztlich hierauf nicht ankommt. Selbst wenn sich nämlich dabei eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ausfindig machen ließe, aus der sich klar und eindeutig ergibt, daß auf die streitgegenständlichen Einfuhren der Klägerin mangels Nichterfüllung der "bestimmten Voraussetzungen" der der Nacherhebung zugrunde gelegte Zollsatz von 4,4 % anzuwenden ist, so könnte dies dem Anspruch der Klägerin, von der Nacherhebung des Mehrzolls, der sich aufgrund der Differenz des Zollsatzes von 4,4 % zu dem in den ursprünglichen Zollbescheiden angewandten Zollsatz von 3,5 % errechnete, abzusehen, nicht entgegengehalten werden. Denn die Zollstelle hat sich beim Erlaß der ursprünglichen Zollbescheide unter Zugrundelegung des Zollsatzes von 3,5 % in einem --durch den Fehler im DGebrZT hervorgerufenen-- Irrtum befunden, der von der Klägerin auch bei Anwendung der ihr zumutbaren Sorgfalt nicht erkannt werden konnte.

Dies ergibt sich ohne weiteres aus der Überlegung, daß die Klägerin bei einem ihr nach der herrschenden Rechtsprechung erforderlichen und zumutbaren Blick in die im ABlEG veröffentlichte KN 1993 nur hätte ersehen können, daß der von der Zollstelle angewandte Zollsatz von 3,5 % möglicherweise, weil ebenfalls dort aufgeführt, der zutreffende hätte sein können, aber ihren dann gleichwohl verbleibenden Zweifeln nicht weiter hätte nachgehen können, weil der im ABlEG gegebene Fußnotenhinweis zu vage gewesen wäre und nicht darüber Aufschluß gegeben hätte, wo denn die Klägerin weiter hätte nachprüfen können, welcher Zollsatz nun wirklich für ihre Einfuhren der zutreffende wäre. Insofern hätte sich die Klägerin in derselben Lage befunden wie der erkennende Senat bei seiner Entscheidungsfindung: Wenn es einem Gericht, das über den Fall zu entscheiden hat, nicht ohne weiteres möglich ist, die im Zolltarif für die Anwendung eines Zollsatzes angegebenen "bestimmten Voraussetzungen" in anderen Rechtsvorschriften des Gemeinschaftsrechts aufzufinden, so gilt dies erst recht für den betroffenen Importeur und Zollbeteiligten. In einem solchen Fall treffen ihn keine weiteren Nachforschungspflichten. Er durfte dann vielmehr darauf vertrauen, daß der von der Zollstelle angewandte Zollsatz, der sich auch aus der maßgeblichen Verwaltungsvorschrift, dem DGebrZT, ergab, in seinem Fall der zutreffende ist. Mithin steht der Klägerin jedenfalls mangels Erkennbarkeit des zollamtlichen Irrtums ein Anspruch auf Absehen von der Nacherhebung aufgrund des im Streitfall (buchmäßige Erfassung 1993) noch anwendbaren Art. 5 Abs. 2 NacherhebungsVO (vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 1997 Rs. C-261/96, EuGHE 1997, I-6177 --Conserchimica--; Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 19. Februar 1998 Rs. T-42/96, EuGHE 1998, II-401 --Eyckeler & Malt; Senatsurteil vom 23. März 1999 VII R 16/98, BFHE 188, 164) zu, wie auch das FG im Ergebnis richtig entschieden hat. Die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift sind unstreitig erfüllt.

c) Damit setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH (vgl. insbesondere die Urteile vom 12. Juli 1989 Rs. 161/88, EuGHE 1989, 2415 --Binder--; vom 28. Juni 1990 Rs. C-80/89, EuGHE 1990, I-2659 --Behn--, und vom 26. November 1998 Rs. C-370/96, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1999, 230 --Covita--), wonach ein Irrtum der Zollstelle über den Zollsatz oder das Bestehen einer gemeinschaftsrechtlichen (Ausgleichs-)Abgabe von einem aufmerksamen Wirtschaftsteilnehmer durch die Lektüre des ABlEG hätte erkannt werden können. Das gilt auch für den Fall, daß nach Erschöpfung eines Plafonds durch eine im ABlEG veröffentlichte Verordnung der Zollsatz wieder eingeführt worden ist. Hierzu hat der Senat entschieden, daß sogar ein in Einfuhrgeschäften unerfahrener Beteiligter sich gegenüber der Nacherhebung des zunächst irrtümlich von der Zollstelle nicht erhobenen Zolls nicht darauf berufen könne, er habe die Regelung nicht gekannt (Senatsurteil in BFHE 188, 164).

Mit diesen Präjudizien ist der Streitfall nicht vergleichbar. Allen diesen Entscheidungen ist gemeinsam, daß der dem Marktbürger zumutbare Blick ins ABlEG ohne weiteres zur Aufdeckung des Irrtums der Zollstelle über den Zollsatz bzw. über das Bestehen einer Ausgleichsabgabe geführt hätte. Der Klägerin hätte indessen, wie bereits ausgeführt, ein Blick in die im ABlEG Nr. L 267 vom 14. September 1992 veröffentlichte KN 1993 nicht wesentlich weitergeholfen, ihre möglichen Zweifel zu beheben.

2. Der Senat ist in Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 (EuGHE 1982, 3415 --C.I.L.F.I.T.--) nicht nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (ABlEG 1997 Nr. C 340/1; 1999 Nr. L 114/56) zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet. Im vorliegenden Fall geht es im entscheidenden Punkt nicht um Fragen der Gültigkeit oder der Auslegung von Gemeinschaftsrecht, sondern allein um dessen richtige Anwendung. Diese hält der Senat im vorliegenden Fall für offenkundig; er ist davon überzeugt, daß für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den EuGH die gleiche Gewißheit bestünde.



Ende der Entscheidung

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