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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.01.1999
Aktenzeichen: VII R 58/98
Rechtsgebiete: KraftStG, FGO, AO 1977
Vorschriften:
KraftStG § 3b Abs. 1 Nr. 1 | |
KraftStG § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, aa | |
KraftStG § 3b Abs. 1 | |
KraftStG § 3b | |
KraftStG § 12 Abs. 2 Nr. 2 | |
KraftStG § 3b Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 126 Abs. 2 | |
AO 1977 § 169 Abs. 2 Nr. 2 | |
AO 1977 § 173 |
Gründe
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit dem 28. Juni 1996 erster Halter eines durch Fremdzündungsmotor angetriebenen PKW mit einem Hubraum von rd. 2 000 ccm, der die Grenzwerte einhielt, die in § 3b Abs. 1 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) festgelegt sind. Nach dieser durch das Gesetz zur stärkeren Berücksichtigung der Schadstoffemissionen bei der Besteuerung von Personenkraftwagen (Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz 1997 --KraftStÄndG 1997-- vom 18. April 1997, BGBl I, 805) eingefügten, am 1. Juli 1997 in kraft getretenen Vorschrift ist das Halten von PKW ab dem Tag der erstmaligen Zulassung bis zum Erreichen einer bestimmten Steuerersparnis von der Steuer befreit, wenn die dort definierten Schadstoffgrenzwerte (sog. EURO-3-Schadstoffnorm) eingehalten werden. Mit Rücksicht hierauf gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) für das Fahrzeug des Klägers die vorgesehene Steuerersparnis, indem das FA die Kraftfahrzeugsteuer für den 15-Monatszeitraum vom 28. Juni 1996 bis 27. September 1997 auf 0 DM festsetzte; damit wurde die Steuerersparnis bei Anwendung der ab 1. Juli 1997 geltenden Steuersätze vom Kläger erreicht. Erst für den daran anschließenden Jahreszeitraum setzte das FA die Steuer auf 200 DM fest (nach Maßgabe eines Steuersatzes für durch Fremdzündungsmotoren angetriebene PKW von 10 DM/100 ccm, § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, aa KraftStG n.F.).
Diesen Bescheid hat das FA später dahin geändert, daß es die Steuer für die Zeit bis zum 30. Juni 1997 nach dem bis dahin geltenden, in § 9 KraftStG a.F. festgesetzten Steuersatz von 13,20 DM/100 ccm auf insgesamt 266 DM festsetzte und dem Kläger Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer erst für den daran anschließenden 15-Monatszeitraum vom 1. Juli 1997 bis 30. September 1998 (Erreichen der zugelassenen Steuerersparnis) gewährte.
Die gegen die Nacherhebung der Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit bis 30. Juni 1997 erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1222 veröffentlichte Urteil abgewiesen. Das FG vertrat die Auffassung, eine Steuerbefreiung nach § 3b Abs. 1 KraftStG n.F. dürfe nur für Fahrzeuge gewährt werden, die frühestens am 1. Juli 1997 erstmals zugelassen worden sind, so daß dem Kläger eine Steuerbefreiung nicht zustehe, insbesondere nicht für den streitigen Zeitraum bis 30. Juni 1997.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, mit der geltend gemacht wird, § 3b Abs. 1 KraftStG n.F. verfolge das Ziel einer Verminderung der Schadstoffe; ein solches Ziel werde auch von dem Halter eines Fahrzeuges verwirklicht, der dieses schon vor dem Inkrafttreten der Neufassung des Gesetzes erworben habe. Die Nichthonorierung der Leistungen eines solchen Kfz-Halters sei unbillig. § 3b KraftStG n.F. sei Rückwirkung beizulegen. Eine Regelung, die die Steuerbegünstigung auf Fahrzeuge beschränke, die nach dem 30. Juni 1997 zugelassen worden sind, liege nicht vor und verstieße auch gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und den Kraftfahrzeugsteueränderungsbescheid des FA vom 6. November 1997 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist nicht begründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Rechtsgrundlage des angefochtenen Kraftfahrzeugsteueränderungsbescheides ist § 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG. Danach ist die Steuer neu festzusetzen, wenn nachträglich festgestellt wird, daß die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht vorgelegen haben oder nicht vorliegen. Der erkennende Senat hat diese Vorschrift in seinem Urteil vom 20. August 1985 VII R 182/82 (BFHE 144, 465, BStBl II 1985, 716) dahin ausgelegt, eine Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer dürfe (innerhalb der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--) auch zur Berichtigung einer rechtsfehlerhaften Freistellung rückwirkend erfolgen. Der Senat hat in diesem Urteil, auf das er wegen der Einzelheiten Bezug nimmt, ausgeführt, dieses Verständnis der Vorschrift gebiete der klare Wortlaut des Gesetzes; denn das rechtliche Ergebnis sei nicht sinnwidrig, obgleich es mit dem der Berichtigungsvorschriften des allgemeinen Abgabenrechts (§ 173 AO 1977) nicht übereinstimme. Der Senat hält an dieser Rechtsansicht fest, die im Schrifttum Billigung gefunden hat (Olbertz in Das Deutsche Bundesrecht VII B 55, Erläuterungen zum Kraftfahrzeugsteuergesetz 1994, zu § 12 Anm. 2; Bruschke, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1998, 198; Zens, Neue Wirtschafts-Briefe Fach 8, S. 1289; Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, § 12 KraftStG Rdnr. 7) und gegen die auch die Revision keine Einwendungen erhebt.
2. Das FA hat dem Kläger in seinem ursprünglichen Kraftfahrzeugsteuerbescheid Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum vom 28. Juni 1996 bis zum 30. Juni 1997 gewährt, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Nach § 3b Abs. 1 Satz 1 KraftStG i.d.F. des KraftStÄndG 1997, das insoweit am 1. Juli 1997 in Kraft getreten ist (Art. 5 KraftStÄndG 1997), ist das Halten von PKW zwar ab dem Tag der erstmaligen Zulassung von der Steuer befreit, wenn bestimmte, hier nicht strittige und auch nicht zweifelhafte Voraussetzungen vorliegen. Der Tag der erstmaligen Zulassung des Kfz, von dem ab nach dem Wortlaut der vorgenannten Vorschrift Steuerbefreiung gewährt werden soll, liegt aber im Streitfall vor dem Tag des Inkrafttretens der Vorschrift. Für Fälle dieser Art bestimmt Art. 3 Nr. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Zerlegungsrechts und zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuerrechts (Zerlegungs- und Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz --ZerlKraftStÄndG--) vom 6. August 1998 (BGBl I, 1998), der (Rück-)Wirkung vom 25. April 1997 an hat (Art. 6 Abs. 2 ZerlKraftStÄndG) und § 3b Abs. 1 KraftStG einen neuen zweiten Satz einfügt, daß die Steuerbefreiung erst am 1. Juli 1997 beginnt. So ist es im Streitfall. Dem Kläger stand also die Steuerbefreiung bis zum 30. Juni 1997 nicht zu, der Kraftfahrzeugsteuerbescheid ist vom FA zu Recht geändert worden.
3. Die rückwirkende Änderung des § 3b Abs. 1 KraftStG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, nämlich das in ihm enthaltene Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes stehen ihr nicht entgegen. Aus ihnen folgt allerdings das grundsätzliche Verbot (vgl. dazu zuletzt Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1998, 291), einer Rechtsnorm ("echte") Rückwirkung in dem Sinne beizulegen, daß der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt wird, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist. Die Rechtsfolgen eines belastenden Gesetzes dürfen grundsätzlich erst für einen frühestens mit der Verkündung beginnenden Zeitraum eintreten (BVerfG-Beschluß in DStZ 1998, 291). Das erst am 11. August 1998 verkündete ZerlKraftStÄndG beansprucht hingegen Geltung ab dem 25. April 1997 (dem auf die Verkündung des KraftStÄndG 1997 folgenden Tag). Es ordnet hinsichtlich der hier streitigen Steuerbefreiung den Kläger belastende Rechtsfolgen für einen bereits verstrichenen Zeitraum an. Denn Art. 3 Nr. 3 ZerlKraftStÄndG hat zur Folge, daß aufgrund des § 3b Abs. 1 KraftStG in seiner ursprünglichen Fassung von den Finanzämtern --wie im Falle des Klägers-- bereits (rückwirkend auf den Tag der Zulassung der betreffenden Kfz) gewährte Steuerbefreiungen rückgängig gemacht werden müssen.
Der erkennende Senat kann unentschieden lassen, ob das Rückwirkungsverbot hierdurch von vornherein deshalb nicht berührt wird, weil die in Art. 3 Nr. 3 ZerlKraftStÄndG vorgenommene Ergänzung des § 3b Abs. 1 KraftStG lediglich die richtige Auslegung dieser Vorschrift (vgl. dazu FG Düsseldorf, Beschluß vom 4. August 1998 8 V 905/98 A (Verk), EFG 1998, 1033) verdeutlicht, mithin keine bisher nicht eingetretenen Rechtsfolgen bewirkt (vgl. FG Münster, Urteil vom 9. September 1998 13 K 1801/98 Kfz, EFG 1998, 1696).
Das Verbot, Rechtsfolgen für einen vor der Verkündung des betreffenden Gesetzes liegenden Zeitraum nachträglich zu bewirken, wird von Art. 3 Nr. 3 ZerlKraftStÄndG jedenfalls selbst dann nicht verletzt, wenn diese Vorschrift die Steuerbefreiungsvoraussetzungen (konstitutiv) abweichend von § 3b Abs. 1 KraftStG i.d.F. des KraftStÄndG 1997 regeln sollte. Denn das vorgenannte Verbot gilt nicht ausnahmslos. Von Verfassungs wegen gestattet ist es insbesondere, solche gesetzlichen Regelungen rückwirkend in Kraft zu setzen, mit denen die Betroffenen rechnen mußten und denen sie deshalb schutzwürdiges Vertrauen nicht entgegenhalten können. Das ist u.a. dann der Fall, wenn die Rechtslage verworren und unklar war und deshalb mit einer Klärung durch den Gesetzgeber gerechnet werden mußte, sich also schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage, die der Betroffene meinte, aus den geltenden Rechtsvorschriften herleiten zu können, nicht bilden konnte (vgl. u.a. BVerfG-Beschluß vom 25. Mai 1993 1 BvR 1509, 1648/91, BVerfGE 88, 384).
Die durch § 3b Abs. 1 KraftStG i.d.F. des KraftStÄndG 1997 geschaffene Rechtslage war hinsichtlich der Steuerbefreiung solcher Kfz, die vor dem 1. Juli 1997 erstmalig zugelassen worden sind, nicht eindeutig. Denn einerseits sollten nach dem Wortlaut der Vorschrift vom Tage der Zulassung an (auch diese) Fahrzeuge --bei Einhaltung der Schadstoffnorm und bis zum Erreichen eines bestimmten steuerlichen Vorteils-- von der Kraftfahrzeugsteuer befreit sein; andererseits sollte die Befreiungsvorschrift nach Art. 5 Abs. 3 KraftStÄndG 1997 überhaupt erst am 1. Juli 1997 in Kraft treten. Es konnte daher (zumindest) unklar erscheinen, ob beides zusammengenommen dahin zu verstehen ist, daß bei Inkrafttreten der Vorschrift bereits zugelassene Fahrzeuge erst vom 1. Juli 1997 an (oder sogar, wie das FG meint, überhaupt nicht) von der Kraftfahrzeugsteuer befreit sind, oder dahin, daß die Steuerbefreiung für bei Inkrafttreten des § 3b Abs. 1 KraftStG bereits zugelassene Fahrzeuge rückwirkend vom Tage ihrer Zulassung an zu gewähren ist. Anhand der Entstehungsgeschichte der Regelungen nach oder ihrem Sinn und Zweck war diese Frage jedenfalls nicht ohne weiteres und eindeutig zu beantworten. Gegen die letztere, dem Kraftfahrzeugsteuerbescheid des FA ursprünglich zugrunde gelegte Auslegung des Gesetzes sprach zwar nicht, daß eine rückwirkende Steuerbefreiung auch solcher Fahrzeughalter, die sich schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes ein schadstoffarmes Fahrzeug in Erwartung der steuerlichen Begünstigung angeschafft haben, gänzlich sinnwidrig gewesen wäre oder legislatorischer Praxis widersprochen hätte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17. Februar 1994 VIII R 30/92, BFHE 175, 226, BStBl II 1994, 938); wohl aber stand ihr entgegen, daß es den Regeln der Gesetzgebungskunst widersprochen hätte, eine solche Rückwirkung im Gesetzestext nicht deutlicher zum Ausdruck zu bringen als durch die Festlegung des Beginns der Steuerbefreiung auf den Tag der erstmaligen Zulassung, vor allem aber, daß eine rückwirkende Steuerbefreiung mit zahlreichen Vollzugsproblemen verbunden gewesen wäre, z.B. in den Fällen, in denen der Kfz-Halter bis zum Inkrafttreten des Gesetzes gewechselt hat (vgl. Recktenwald, UVR 1997, 426). Diesen Überlegungen war erhebliches Gewicht beizumessen, so daß es von vornherein allemal zweifelhaft erscheinen mußte, ob bereits vor Inkrafttreten des KraftStÄndG zugelassenen Fahrzeugen eine auf den Zulassungstag rückwirkende Befreiung von der --in diesem Zeitraum für die betreffenden Fahrzeuge auch noch wesentlich höheren-- Kraftfahrzeugsteuer zugute kommt. Kein Kfz-Halter konnte daher schutzwürdiges Vertrauen darein setzen, der Gesetzgeber habe eine solche rückwirkende Steuerbefreiung angeordnet.
Ende der Entscheidung
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