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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.11.2006
Aktenzeichen: VII R 66/05
Rechtsgebiete: InsO, AO 1977, BGB, EStG
Vorschriften:
InsO § 114 Abs. 2 | |
InsO § 226 Abs. 1 | |
InsO § 287 Abs. 2 | |
InsO § 287 Abs. 2 Satz 1 | |
InsO § 294 | |
InsO § 294 Abs. 1 | |
InsO § 294 Abs. 3 | |
AO 1977 § 37 Abs. 2 | |
BGB § 387 | |
EStG § 38 |
Gründe:
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schuldet dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) aus dem Veranlagungszeitraum 1996 Einkommensteuer. Nachdem das über ihr Vermögen eröffnete Insolvenzverfahren im April 2001 aufgehoben und die Wohlverhaltensphase auf fünf Jahre festgelegt worden war, wurde die Klägerin für 2001 mit Bescheid vom März 2002 zur Einkommensteuer veranlagt; dabei ergab sich zu ihren Gunsten ein Guthaben von rd. 1 600 € aus überzahlter Lohnsteuer, gegen welches das FA mit den vorgenannten Einkommensteuerrückständen aufgerechnet hat.
Das FA hat aufgrund der Einwände der Klägerin gegen diese Aufrechnung einen Abrechnungsbescheid erlassen, wonach deren Erstattungsanspruch um 608 € gemindert sei. Die deswegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1558 veröffentlichte Urteil abgewiesen. Es hält die Aufrechnung für wirksam.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der die Verletzung des § 294 der Insolvenzordnung (InsO) gerügt wird. Es laufe dem in dieser Vorschrift enthaltenen Vollstreckungsverbot zuwider, wenn Gläubiger während der Wohlverhaltensphase gegen Forderungen des Insolvenzschuldners aufrechnen könnten. Auf die Frage, ob der Erstattungsanspruch der Klägerin selbst oder dem Treuhänder zustehe, komme es nicht an.
Das FA beantragt, die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen. Es macht sich die Auffassung des FG zu eigen, der Erstattungsanspruch der Klägerin aus § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) werde von § 287 Abs. 2 InsO nicht erfasst, so dass die Aufrechnung in der Wohlverhaltensperiode gemäß § 294 Abs. 3 InsO nicht ausgeschlossen sei. Es werde der Differenzierung zwischen dem Zwangsvollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO und der eine Aufrechnung nur für bestimmte Fallgestaltungen beschränkenden Vorschrift des § 294 Abs. 3 InsO nicht gerecht, das umfassend geltende Zwangsvollstreckungsverbot mit einem generell geltenden Aufrechnungsverbot gleichzusetzen (Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 21. Juli 2005 IX ZR 115/04, BGHZ 163, 391).
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Aufrechnung des FA gegen einen Steuererstattungsanspruch der Klägerin, insbesondere die des § 226 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sind gegeben; das ist nicht strittig oder zweifelhaft und bedarf daher keiner Ausführung.
Aus dem Sinnzusammenhang der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergibt sich allerdings, dass die Klägerin ihre pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis und an deren Stelle tretende laufende Bezüge für den fraglichen Zeitraum an einen Treuhänder gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO abgetreten hat, um nach Maßgabe des Achten Teils der Insolvenzordnung Befreiung von ihren restlichen Schulden erhalten zu können. Das FA könnte daher gemäß § 294 Abs. 3 InsO mit seiner (Gegen-)Forderung aus der Einkommensteuerfestsetzung 1996 gegen die Klägerin mangels Gegenseitigkeit von Forderung und Gegenforderung nicht aufrechnen, wenn deren (Haupt-)Forderung aus der Einkommensteuerveranlagung 2001 von der von der Klägerin erklärten Abtretung ihrer "Bezüge" an einen Treuhänder erfasst wäre, es sei denn das FA wäre auch bei Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach § 114 Abs. 2 InsO zur Aufrechnung berechtigt.
Die Forderung der Klägerin ist jedoch nicht abgetreten worden.
Der BGH hat hierzu inzwischen entschieden (Urteil in BGHZ 163, 391), dass Steuererstattungsansprüche nicht zu den an den Treuhänder abgetretenen Forderungen des Schuldners auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge gehörten und die Aufrechnung gegen sie mit Ansprüchen eines Insolvenzgläubigers folglich nicht nach § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen sei. Er hat sich dabei maßgeblich auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gestützt, wonach der Anspruch auf Erstattung überzahlter Lohnsteuer unbeschadet seines materiellen Ursprungs in einem Arbeitsverhältnis ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch sei, der den Charakter eines zum Arbeitslohn gehörigen Teils verloren habe, den der Arbeitgeber für die Begleichung der Lohnsteuer gemäß § 38 des Einkommensteuergesetzes einzubehalten und an das FA abzuführen hat. Der an den Steuerpflichtigen zu erstattende Betrag erlange, auch wenn er wirtschaftlich betrachtet das auf den Veranlagungszeitraum entfallende Einkommen erhöhe, nicht wieder den Charakter eines Einkommens, das dem Berechtigten aufgrund einer Arbeits- oder Dienstleistung zustehe (vgl. dazu statt aller BFH-Beschluss vom 27. Oktober 1998 VII B 101/98, BFH/NV 1999, 738).
Der BGH hat in vorgenannter Entscheidung weiter erkannt und eingehend ausgeführt, dass der InsO auch sonst keine die Aufrechnungsbefugnis von Insolvenzgläubigern in der Wohlverhaltensperiode allgemein ausschließende Bestimmung zu entnehmen sei, insbesondere dieses nicht aus dem Zwangsvollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO hergeleitet werden könne. Eine willkürliche Privilegierung dessen, der sich vor anderen Gläubigern durch Aufrechnung befriedigen kann, liege darin nicht, weil ein solcher Gläubiger --anders als es bei einer Zwangsvollstreckung in das Vermögen des insolventen Schuldners der Fall wäre-- Befriedigung nur gegen Aufgabe seiner eigenen Forderung gegen diesen erlangt.
Der erkennende Senat schließt sich den diesbezüglichen überzeugenden Erwägungen des BGH an, die im Wesentlichen der Rechtsprechung auch der FG entsprechen (vgl. Urteile des FG Hamburg vom 15. Juni 2006 2 K 5/05, Steuer-Eildienst 2006, 613; des Schleswig-Holsteinischen FG vom 18. November 2004 3 K 50332/03, EFG 2005, 333; des FG Münster vom 2. September 2005 11 K 3099/04 AO, EFG 2005, 1826, und vom 12. November 2004 11 K 1959/04 AO, EFG 2005, 251; des Hessisches FG vom 29. November 2004 10 K 2356/04, EFG 2005, 331, sowie Beschluss des FG Düsseldorf vom 10. November 2004 18 K 321/04 AO (PKH), Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2004, 1368).
Ende der Entscheidung
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