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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 23.05.2000
Aktenzeichen: VII R 78/99
Rechtsgebiete: Richtlinie 92/83/EWG, BranntweinMonG, BrStV
Vorschriften:
Richtlinie 92/83/EWG Art. 27 Abs. 1 Buchst. f | |
Richtlinie 92/83/EWG Art. 29 | |
BranntweinMonG § 132 Abs. 3 Nr. 2 | |
BranntweinMonG § 139 Abs. 3 | |
BrStV § 33 |
Die notwendige Erlaubnis für die branntweinsteuerbegünstigte Verwendung von Alkohol oder alkoholhaltigen Waren zur Herstellung von Lebensmitteln muss vor Beginn der begünstigten Verwendung beantragt werden und kann allenfalls auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückbezogen werden.
Richtlinie 92/83/EWG Art. 27 Abs. 1 Buchst. f, Art. 29 BranntweinMonG § 132 Abs. 3 Nr. 2, § 139 Abs. 3 BrStV § 33
Urteil vom 23. Mai 2000 - VII R 78/99 -
Vorinstanz: Hessisches FG
Gründe
I.
Mit dem am 1. Juli 1993 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) eingegangenen Schreiben vom 29. Juni 1993 beantragte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) die rückwirkende Erteilung einer Erlaubnis zur steuerfreien Verwendung von branntweinhaltigen Erzeugnissen nach § 132 Abs. 3 des Gesetzes über das Branntweinmonopol (BranntwMonG) in der ab 1. Januar 1993 geltenden Fassung (BGBl I 1992, 2150, 2166). Die Klägerin gab in diesem Schreiben u.a. an, dass die Branntweinprodukte ausschließlich bei der Eiscremeherstellung nach festgelegten Rezepturen zugegeben würden. Das HZA erteilte die Erlaubnis zur Verwendung von branntweinhaltigen Erzeugnissen nach § 132 Abs. 3 Nr. 1 BranntwMonG mit Wirkung vom 1. Juli 1993, die beantragte rückwirkende Erteilung der Erlaubnis mit Wirkung ab 1. Januar 1993 lehnte es ab. Diesen Bescheid ersetzte das HZA durch den angefochtenen Bescheid, in dem es nunmehr mit Wirkung ebenfalls vom 1. Juli 1993 die Erlaubnis zur Verwendung von branntweinhaltigen Erzeugnissen nach § 132 Abs. 3 Nr. 2 BranntwMonG erteilte und die beantragte rückwirkende Erteilung der Erlaubnis mit Wirkung ab 1. Januar 1993 erneut ablehnte. Die Klägerin berechnete den ihr für die im 1. Halbjahr 1993 zur Herstellung von Eiscreme verwendeten branntweinhaltigen Erzeugnisse angeblich zustehenden Steuerentlastungsbetrag auf ... DM. Der gegen die Versagung der Erlaubnis für das 1. Halbjahr 1993 gerichtete Einspruch hatte ebenso wie die dagegen gerichtete Klage keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, nach § 139 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 132 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BranntwMonG sei das HZA nicht verpflichtet, die streitbefangene Verwender-Erlaubnis rückwirkend auch auf einen Verwendungszeitraum zu erstrecken, der im Zeitpunkt der Beantragung bereits abgelaufen gewesen sei. Die Auslegung, dass die Erlaubnis vor Beginn der beabsichtigten Verwendung der branntweinhaltigen Erzeugnisse zu dem begünstigten Zweck einzuholen sei, ergebe sich aus dem Wortlaut der genannten Bestimmungen und sei mit dem maßgebenden Gemeinschaftsrecht vereinbar. Die Regelung sei hinsichtlich des Erfordernisses einer vorab einzuholenden Erlaubnis so deutlich, dass für Überlegungen, ob ein unzutreffendes Verständnis des Gesetzestextes eventuell entschuldbar wäre, kein Raum sei. Mit dem Vortrag, dass andere Hauptzollämter rückwirkende Erlaubnisse angeblich ausgestellt hätten, ließe sich der geltend gemachte Anspruch der Klägerin nicht begründen, weil es keine "Gleichheit im Unrecht" gebe.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Zusammengefasst ist sie der Auffassung, das FG irre, wenn es ausführe, die Formulierung des § 139 Abs. 3 Satz 1 BranntwMonG sei so eindeutig, dass die verspätete Einholung einer Verwendererlaubnis durch die Klägerin unentschuldbar erscheine. Das FG agiere widersprüchlich, wenn es einerseits auf zollrechtliche Vorschriften verweise und andererseits das von der Klägerin angeführte Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 26. Juni 1990 Rs. C-64/89 (EuGHE 1990, I-2535), das die Auslegung zollrechtlicher Vorschriften zum Gegenstand habe, als unbeachtlich ansehe. Außerdem berücksichtige das Urteil die diesem Einzelfall zugrunde liegenden besonderen Umstände nicht ausreichend. Der Wortlaut des § 139 Abs. 3 BranntwMonG stehe einer rückwirkenden Erlaubnis der von der Klägerin begehrten steuerbegünstigten Verwendung nicht entgegen. Ein solches Verbot könne nur aus § 33 Abs. 1 der Branntweinsteuerverordnung (BrStV) hergeleitet werden, die erst 6 Monate nach Antragstellung durch die Klägerin in Kraft getreten sei. Die Klägerin habe bei der Beantragung der Erlaubnis die ihr zumutbare Sorgfalt walten lassen.
II.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat ohne Rechtsfehler entschieden, dass das HZA nicht verpflichtet war, die von der Klägerin beantragte Erlaubnis rückwirkend für das im Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgelaufene 1. Halbjahr 1993 zu erteilen.
1. Die steuerbegünstigte Verwendung von Erzeugnissen i.S. von § 130 Abs. 1 BranntwMonG (Branntwein sowie branntweinhaltige Waren) zur Herstellung von Lebensmitteln ist geregelt in:
Art. 27 Abs. 1 Buchst. f und Art. 27 Abs. 6 der Richtlinie 92/83/EWG (RL) des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 316/21),
§ 132 Abs. 3 Nr. 2 und § 139 Abs. 3 BranntwMonG i.d.F. von Art. 3 des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes (VerbrBinmG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2150) sowie
§ 33 BrStV vom 21. Januar 1994 (BGBl I, 104).
Nach Art. 27 Abs. 1 Buchst. f RL befreien die Mitgliedstaaten die in der RL erfassten Erzeugnisse von der harmonisierten Verbrauchsteuer nach Maßgabe von Bedingungen, die sie zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung solcher Steuerbefreiungen sowie zur Vermeidung von Steuerflucht, Steuerhinterziehung oder Missbrauch festlegen, sofern die betreffenden Erzeugnisse (wie im Streitfall) unmittelbar für die Herstellung von Lebensmitteln, gefüllt oder in anderer Form, verwendet werden, und 5 Liter reinen Alkohols je 100 kg des Erzeugnisses nicht überschreiten. Dabei steht es den Mitgliedstaaten frei, die Steuerbefreiungen im Wege einer Verbrauchsteuerrückerstattung zu regeln (Art. 27 Abs. 6 RL).
Diese Bestimmung hat der nationale Gesetzgeber auf Grund seiner sich aus Art. 29 RL ergebenden Verpflichtung durch die o.a. Vorschriften umgesetzt. Gemäß § 132 Abs. 3 Nr. 2 BranntwMonG wird die Steuer für nachweislich versteuerte Erzeugnisse erlassen, erstattet oder vergütet, wenn diese zur gewerblichen Herstellung von u.a. Lebensmitteln, ausgenommen Branntwein und andere alkoholhaltige Getränke, mit einem Alkoholgehalt von nicht mehr als 5 Liter Alkohol je 100 kg verwendet wurden. Wer Erzeugnisse nach § 132 Abs. 3 BranntwMonG gegen Erlass, Erstattung oder Vergütung verwenden will, bedarf nach § 139 Abs. 3 Satz 1 BranntwMonG der Erlaubnis. Diese wird unter Widerrufsvorbehalt erteilt, wenn gegen die steuerliche Zuverlässigkeit des Verwenders keine Bedenken bestehen und er kaufmännische Aufzeichnungen führt, die geeignet sind, den Verbleib der unter Verwendung von Erzeugnissen jeweils hergestellten Waren zu belegen (§ 139 Abs. 3 Satz 2 BranntwMonG). § 33 Abs. 1 Satz 1 BrStV bestimmt, dass die Erlaubnis vor Beginn der Verwendung schriftlich zu beantragen ist. Im Übrigen enthält § 33 BrStV weitere formale Regelungen für den Antrag auf Erteilung der Erlaubnis.
Die genannten Bestimmungen des BranntwMonG sind zum 1. Januar 1993 in Kraft getreten (Art. 24 VerbrBinmG); die BrStV ist dagegen erst am 29. Januar 1994 in Kraft getreten (§ 52 BrStV).
2. Das FG hat § 139 Abs. 3 Satz 1 BranntwMonG zutreffend dahin ausgelegt, dass die Erlaubnis vor Beginn der begünstigten Verwendung beantragt sein muss und allenfalls auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückbezogen werden kann.
a) Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Dieser kann nur dahin verstanden werden, dass zunächst die Absicht einer begünstigten Verwendung besteht ("wer ... verwenden will"), für deren Durchführung dann die entsprechende Erlaubnis zu beantragen ist ("bedarf der Erlaubnis"). Die Erteilung der Erlaubnis ist also Voraussetzung für die abgabenbegünstigte Verwendung und muss deshalb zumindest vor Beginn der Verwendung, deren Begünstigung erstrebt wird, beantragt worden sein. Allein dieses Verständnis der Vorschrift entspricht ihrem Sinn und Zweck. Denn nur wenn Voraussetzung für die Begünstigung der Verwendung der genannten Erzeugnisse bei der Herstellung von Lebensmitteln die vorherige Erteilung der Erlaubnis ist, macht die in § 139 Abs. 3 Satz 2 BranntwMonG vorgeschriebene Prüfung, ob der Antragsteller steuerlich zuverlässig ist und die geforderten Aufzeichnungen führt, einen Sinn. Würde das Vorliegen dieser Voraussetzungen erst nach Abschluss der Verwendung geprüft werden, hätte die Prüfung keinen Sinn mehr, weil sie dann nicht mehr geeignet wäre, die korrekte und einfache Anwendung der Steuerbefreiung (bzw. der Rückerstattung --Art. 27 Abs. 6 RL--) sicherzustellen, wie es schon Art. 27 Abs. 1 RL verlangt.
b) Aus dem Umstand, dass erst § 33 Abs. 1 Satz 1 BrStV ausdrücklich festlegt, die Erlaubnis sei vor Beginn der Verwendung zu beantragen, lässt sich daher nicht entnehmen, § 139 Abs. 3 Satz 1 BranntwMonG sei dahin auszulegen, dass er auch die rückwirkende Erlaubniserteilung zulässt. Vielmehr wiederholt die genannte Vorschrift der Verordnung, die im Übrigen nur die Antragstellung formalisiert, insoweit lediglich ausdrücklich das, was sich aus der zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschrift bereits deutlich ergibt.
Eine weitergehende Bedeutung des § 33 Abs. 1 Satz 1 BrStV würde den Rahmen der Ermächtigung des § 139 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a BranntwMonG sprengen. Danach ist der Bundesminister der Finanzen --soweit hier erheblich-- nur ermächtigt, das Erlaubnisverfahren, nicht aber auch ermächtigt, die Voraussetzungen der abgabenbegünstigten Verwendung zu regeln. Die Erlaubnis ist jedoch, wie bereits ausgeführt, eine der Voraussetzungen für die begünstigte Verwendung und ist daher hinsichtlich ihrer materiellen Wirkung abschließend in § 139 Abs. 3 BranntwMonG geregelt; das gilt auch für den Zeitpunkt, ab dem sie wirksam wird.
c) Aus der in § 24 BrStV getroffenen Regelung lässt sich ebenfalls nichts zugunsten der Klägerin herleiten. Sie beweist nämlich --anders als die Klägerin meint-- nicht, dass erst die BrStV den Anspruch auf die Steuerbegünstigung begründet. Vielmehr folgt auch aus dieser Vorschrift, dass der Anspruch auf die Steuerbegünstigung, der von der Erteilung der Verwendungserlaubnis abhängt, bereits in den maßgebenden Bestimmungen des BranntwMonG geregelt ist. Denn § 24 BrStV erleichtert lediglich für bestimmte Fälle das Erlaubnisverfahren insoweit, als an Stelle der sonst erforderlichen förmlichen Einzelerlaubnis eine allgemeine Verwendungserlaubnis erteilt wird.
3. Die in § 139 Abs. 3 Satz 1 BranntwMonG getroffene Regelung, dass die Erlaubnis zur abgabenbegünstigten Verwendung der Erzeugnisse vor Beginn der Verwendung beantragt sein muss, ist --wie das FG ebenfalls zutreffend ausgeführt hat-- richtlinienkonform. Denn Art. 27 Abs. 1 RL überlässt es den Mitgliedstaaten, im Einzelnen die Bedingungen festzulegen, die sie zur Sicherstellung einer korrekten und einfachen Anwendung der Steuerbefreiung bzw. -rückerstattung (Art. 27 Abs. 6 RL) für erforderlich halten. Eine solche Bedingung stellt auch die nach § 139 Abs. 3 Satz 1 BranntwMonG erforderliche vorherige Erlaubnis dar.
Die Tatsache, dass die BrStV, die durch ihren § 33 erst die formalen Anforderungen an die Beantragung der Erlaubnis regelt, erst zum 29. Januar 1994 in Kraft getreten ist, stellt keinen Verstoß gegen Art. 29 RL dar. Diese Bestimmung der RL verlangt zwar, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung der RL in nationales Recht spätestens bis zum 31. Dezember 1992 erlassen. Dieser Forderung ist der Gesetzgeber aber --soweit im Streitfall von Bedeutung-- durch die zum 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Vorschriften der § 132 Abs. 3 Nr. 2 und § 139 Abs. 3 BranntwMonG nachgekommen, durch die der Anspruch auf abgabenbegünstigte Verwendung der betreffenden Erzeugnisse unter der Voraussetzung einer vorherigen Erlaubniserteilung begründet worden ist. Im Hinblick darauf, dass § 139 Abs. 3 BranntwMonG eine formlose Beantragung der Erlaubnis nicht ausschloss, war es nach Art. 29 RL nicht unbedingt erforderlich, bis zum 31. Dezember 1992 auch noch die formalen Vorschriften für die Beantragung der Erlaubnis allgemein durch eine Rechtsvorschrift zu regeln.
4. Unerheblich ist im Streitfall, aus welchen Gründen die Klägerin die rechtzeitige Beantragung der Erlaubnis vor Beginn der beabsichtigten Verwendung der Erzeugnisse versäumt hat, und ob sie bei ihren diesbezüglichen Erwägungen die erforderliche Sorgfalt hat walten lassen. Darauf kommt es nach der Gesetzeslage nicht an, aus der sich --wie ausgeführt-- ergibt, dass die Erlaubnis nicht rückwirkend für einen Zeitpunkt vor Antragstellung erteilt werden kann. Die Berufung der Klägerin auf die Erwägungen des EuGH in seinem Urteil in EuGHE 1990, I-2535 geht schon deswegen fehl, weil es für den hier zu entscheidenden Fall keine dem Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 (ABlEG Nr. L 197/1) entsprechende Vorschrift gibt, zu der die Entscheidung ergangen ist.
Ende der Entscheidung
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