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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: VII R 8/06
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 118 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beantragte im Oktober 2000 bei der Beklagten und Revisionsbeklagten (Oberfinanzdirektion --OFD--) die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) über das "CD-Laufwerk BP Nr. 8618 842 585". Dieses besteht aus einem Trägerrahmen mit Laufwerksmechanik, einem Lasertonabnehmersystem, drei Antriebs- und Lademotoren sowie einer gedruckten Schaltung, die elektronische Bauteile sowohl für die Steuerung des Tonwiedergabegeräts als auch für die Steuerung eines noch nicht montierten GPS-Empfangsteils für die Funknavigation enthält. Der auf der Schaltung aufgebrachte CD-ROM-Decoder-Chip enthält einen Digital-Analog-Converter, der ein sog. "delta-PWM-Signal" liefert, das noch nicht die endgültige analoge Signalform darstellt. Für die Wiederherstellung der ursprünglichen Audioinformation fehlt noch ein Tiefpassfilter, der Signale unterhalb einer Grenzfrequenz überträgt und Signale oberhalb dämpft. Außerdem fehlen dem Gerät Gehäuse, Bedienungselemente und Displays.

Unter dem 14. Dezember 2000 erteilte die OFD die vZTA DE M/2474/00-1, mit der die Ware als "Tonwiedergabegerät mit Laser-Abnehmersystem, ohne eingebaute Tonaufnahmevorrichtung, für 'discs' mit einem Durchmesser von 12 cm (unvollständiges Compactdisc-Laufwerk -charakterbestimmend- zusammengesetzt mit Teilen für die Navigationssteuerung)" in die Unterpos. 8519 99 18 der Kombinierten Nomenklatur (KN) eingereiht wurde.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin die Verpflichtung der OFD zur Einreihung der Ware in die Taric-Codenummer 8522 90 98 440, vor dem 1. Juli 2002 in die Taric-Codenummer 8522 90 98 320, hilfsweise in die Unterpos. 8529 90 72 KN begehrte, wies das Finanzgericht (FG) aus den in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 2005, 206 veröffentlichten Gründen ab.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass die Ware in die Unterpos. 8522 90 80 KN (vormals Unterpos. 8522 90 98 KN) und in die Taric-Codenummer 8522 90 80 65 (vormals Taric-Codenummer 8522 90 98 32 bzw. 8522 90 98 44), einzureihen sei. Es gehe um die Einreihung der Ware in eine Codenummer des Taric, für die eine Zollaussetzung bestehe. Da nach Ansicht der Kommission jede Zollaussetzung durch den Rat, die nicht einer Position des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) entspreche, ein Element der Tarifgestaltung sei, sei davon auszugehen, dass der Wortlaut der jeweiligen beschlossenen Zollaussetzung dem Wortlaut der Positionen des GZT vorgehe. Der Wortlaut der Zollaussetzungen beschreibe nur Mindestanforderungen, welche die Ware erfüllen müsse. Wenn das CD-Laufwerk diesen Anforderungen entspreche, sei es unschädlich, wenn es zusätzlich auch Steuerungselemente enthalte.

Da das aus der streitigen Ware später hergestellte fertige Autoradio mit CD-Abspielgerät und Navigationssystem der Unterpos. 8527 21 20 KN zuzuweisen sei, könne das überwiegend für ein solches Gerät bestimmte Teil nicht gemäß der Allgemeinen Vorschrift für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) 2a als ein unvollständiges Tonwiedergabegerät in die Pos. 8519 KN eingereiht werden. Da das CD-Laufwerk bereits Betandteile eines Navigationssystems enthalte, die wertmäßig mehr als 50 % ausmachten, könne es nicht als ein unvollständiges Tonwiedergabegerät angesehen werden, denn die vollständige Ware sei entweder eine solche der Pos. 8526 KN oder der Pos. 8527 KN. Bei der Beurteilung der fertigen Ware dürfe nicht auf das Tonwiedergabegerät als ein bloß theoretisches Produkt abgestellt werden. Die Aufteilung einer Ware in unterschiedliche Bestandteile sei vor Anwendung der AV 2a nicht zulässig.

Wegen der versäumten Frist für die Begründung der Revision, die am 20. März 2006 ablief, hat die Klägerin rechtzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Sie trägt vor, dass ein Mitarbeiter ihrer Prozessbevollmächtigten die Revisionsbegründungsschrift am 13. März 2006 endgültig fertiggestellt und am selben Tag zwischen 18.00 Uhr und 18.30 Uhr an einem bestimmten Briefkasten zur Post aufgegeben habe, und hat zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung dieses Mitarbeiters sowie einen Auszug aus dem Postausgangsbuch ihrer Prozessbevollmächtigten vorgelegt.

Die Klägerin beantragt, ihr wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Verwaltungsentscheidungen die OFD zu verpflichten, eine vZTA zu erteilen, mit der das CD-Laufwerk BP Nr. 8618 842 585 der jeweils geltenden Zollaussetzungsposition/Code-Nr. 8522 90 98 320 (für die Zeit vom 14. Dezember 2000 bis 31. Dezember 2002) bzw. Nr. 8522 90 98 440 (für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005) bzw. Nr. 8522 90 80 650 (in der Zeit ab 1. Januar 2006) eingereiht wird.

Die OFD beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie schließt sich der Auffassung des FG an und ist der Ansicht, dass die Einreihung in die Taric-Codenummer 8522 90 98 32 bzw. 8522 90 98 44 nicht möglich sei, weil die streitige Ware kein Teil eines Tonwiedergabegeräts, sondern in Anwendung der AV 2a ein unvollständiges Tonwiedergabegerät sei.

II. A. Die Revision ist zulässig.

Wegen der versäumten Frist für die Begründung der Revision (§ 120 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie ohne Verschulden verhindert war, diese Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO).

Wird ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf die Behauptung der fristgerechten Absendung eines beim Adressaten nicht eingegangenen Schriftsatzes gestützt, sind zum einen genaue Angaben dazu erforderlich, wann (an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit), in welcher Weise (Einwurf in einen bestimmten Postbriefkasten oder Abgabe in einer bestimmten Postfiliale) und von welcher Person der Schriftsatz zur Post gegeben wurde. Ferner ist die Organisation der Fristenkontrolle nach Art und Umfang darzulegen. Schließlich sind diese Abgaben durch geeignete Beweismittel glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2, § 155 FGO, § 294 der Zivilprozessordnung). Dazu sind sowohl die Abgabe detaillierter eidesstattlicher Versicherungen der mit der Anfertigung und Absendung des Schriftsatzes unmittelbar befassten Personen als auch die Vorlage von Auszügen aus dem Fristenkontrollbuch und dem Postausgangsbuch erforderlich (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 4. November 1999 X B 81/99, BFH/NV 2000, 546; vom 23. Oktober 2002 IX R 24/01, BFH/NV 2003, 198; vom 9. Februar 2005 X R 11/04, BFH/NV 2005, 1115, jeweils m.w.N.). Der Senat ist der Ansicht, dass die Klägerin diesen Anforderungen mit der Schilderung der Umstände bezüglich der Abfassung und Absendung der Revisionsbegründungsschrift, der Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Mitarbeiters ihrer Prozessbevollmächtigten sowie des Auszugs aus dem Postausgangsbuch in ausreichender Weise genügt und somit glaubhaft gemacht hat, dass der nicht fristgerechte Eingang der Revisionsbegründungsschrift bei Gericht nicht auf einem Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten beruht.

B. Die Revision ist jedoch unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtene vZTA ist rechtmäßig (§ 101 Satz 1 FGO).

1. Wie das FG zutreffend erkannt hat, lässt sich die streitige Ware als solche keiner bestimmten Unterposition der KN (weder in der im Zeitpunkt der Erteilung der vZTA noch der im Zeitpunkt der FG-Entscheidung geltenden Fassung) zuordnen. Sie ist vielmehr aus Bestandteilen zusammengesetzt, die --jedes für sich genommen-- zu unterschiedlichen Unterpositionen der KN gehören, ohne dass das Zusammenfügen dieser Teile zu einer neuen Ware einer bestimmten anderen Unterposition der KN führt. Während einige Bestandteile, aus denen sich die zu tarifierende Ware zusammensetzt, Teile eines Tonwiedergabegeräts sind, handelt es sich bei anderen Bestandteilen der Zusammensetzung um Teile eines Funknavigationsgeräts.

a) Der Trägerrahmen mit Laufwerksmechanik, das Lasertonabnehmersystem, die Antriebs- und Lademotoren sowie die gedruckte Schaltung mit dem Digital-Analog-Converter und weiteren elektronischen Bausteinen sind Teile eines Tonwiedergabegeräts ohne eingebaute Tonaufnahmevorrichtung mit Laser-Abnehmersystem für discs mit einem Durchmesser von mehr als 6,5 cm der Unterpos. 8519 99 18 KN. Solche Teile eines Tonwiedergabegeräts der Pos. 8519 KN werden von der Pos. 8522 KN erfasst, es sei denn, sie stellen sich in ihrer jeweiligen Zusammensetzung als ein zwar noch unvollständiges Gerät dar, welches jedoch i.S. der AV 2a Satz 1 bereits die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen Ware aufweist. Für diesen Fall bestimmt die AV 2a Satz 1, dass die Position der vollständigen Ware auch für die unvollständige Ware gilt.

Anders als die Revision meint, ist die AV 2a auch auf einzelne Bestandteile einer zusammengesetzten Ware anwendbar. Weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck dieser Einreihungsvorschrift geben für die von der Revision vertretene Auffassung etwas her, dass die AV 2a nur auf die gesamte zu tarifierende Ware anwendbar sei. Sind bei einer zusammengesetzten Ware die einzelnen Bestandteile verschiedenen Positionen zuzuordnen, ist nach der AV 3 die Einreihung der Ware nach den Vorschriften der AV 3a bis 3b vorzunehmen. Voraussetzung für die Anwendung dieser AV ist somit, dass die einzelnen Komponenten der zusammengesetzten Ware tarifiert werden, um festzustellen, ob und ggf. welche unterschiedlichen Tarifpositionen in Betracht kommen. Weshalb bei dieser erforderlichen Tarifierung der Einzelkomponenten die KN anders als sonst ausgelegt werden und die AV 2a Satz 1 keine Anwendung finden soll und weshalb eine unvollständige oder unfertige Ware, welche die Voraussetzungen der AV 2a Satz 1 erfüllt und somit wie die vollständige bzw. fertige Ware einzureihen ist, diese Tarifierungsmerkmale verlieren soll, wenn sie mit anderen Warenbestandteilen verbunden wird, erschließt sich nicht.

Die Beantwortung der Frage, ob eine unvollständige Ware bereits die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen Ware i.S. der AV 2a Satz 1 hat, ist im Einzelfall aufgrund der objektiven Beschaffenheit und Eigenschaften der Ware unter Heranziehung vornehmlich der tariflichen, ggf. aber auch von außertariflichen Erkenntnisquellen zu bestimmen (Senaturteil vom 9. Oktober 2001 VII R 69/00, BFH/NV 2002, 560, ZfZ 2002, 46) und erfordert auf dieser Grundlage eine tatrichterliche Würdigung und einen wertenden Vergleich der festgestellten Beschaffenheitsmerkmale und Eigenschaften der unvollständigen Ware mit denjenigen der vollständigen Ware, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden kann, ob sie gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze verstößt (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 54). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall und die Revision macht auch nichts Entsprechendes geltend. Vielmehr ist die tatsächliche Würdigung des FG, wonach das CD-Laufwerk in Anbetracht des vorhandenen Lasertonabnehmersystems, der Laufwerkmechanik, der drei Gleichstrommotoren zum Laden und Antreiben der CD und zum Fortbewegen des Tonabnehmers sowie der gedruckten Schaltung mit der Motor- und Lasersteuerung einschließlich des Audioprozessors mit Digital-Analog-Converter bereits die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen Ware besitzt, möglich und an den genannten maßgebenden objektiven Merkmalen orientiert. Nach der damaligen Erläuterung zum Harmonisierten System (ErlHS) Pos. 8519 Rz. 03.0 sind die Hauptbestandteile eines Tonwiedergabegeräts im Wesentlichen ein Tonabnehmer, ein Mechanismus zum entsprechenden Fortbewegen des Tonabnehmers und des Tonträgers (oder umgekehrt) und manchmal ein System zum Erzeugen von Schallwellen (vgl. auch: Senatsurteil vom 13. Oktober 1987 VII K 12/87, BFHE 151, 263). All diese Bestandteile liegen nach den Feststellungen des FG in Bezug auf den zu tarifierenden Warenbestandteil vor. Ob das FG aus den festgestellten Beschaffenheitsmerkmalen ggf. auch eine andere Schlussfolgerung hätte ziehen können, ist insoweit ohne Bedeutung (Gräber/Ruban, a.a.O.). Der Senat ist daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen an diese Würdigung gebunden.

Der für die Tonwiedergabe bestimmte Bestandteil der zu tarifierenden Ware (Trägerrahmen mit Laufwerksmechanik, Lasertonabnehmersystem, Antriebs- und Lademotoren sowie Schaltung mit dem Digital-Analog-Converter) ist somit in die Unterpos. 8519 99 18 KN einzureihen. Da in Anwendung der AV 2a Satz 1 dieser Bestandteil wie ein vollständiges Tonwiedergabegerät anzusehen ist, handelt es sich um ein Teil einer Maschine, das sich als Ware einer Position des Kap. 85 darstellt und gemäß Anm. 2 Buchst. a und Anm. 5 zu Abschn. XVI KN dieser Position zuzuweisen ist, ohne Rücksicht darauf, für welche Maschine (nach dem Vorbringen der Klägerin: ein Autoradio mit CD-Abspielgerät und Navigationssystem) es bestimmt ist.

Somit kommt auch eine Einreihung in die Pos. 8471 KN nicht in Betracht, denn diese Position ist eine Auffangposition, die nach ihrem Wortlaut (u.a.) optische Leser nur erfasst, wenn sie anderweit weder genannt noch inbegriffen sind.

b) Die übrigen nicht zum Tonwiedergabegerät gehörenden Bestandteile, wie der Prozessor, der Analog-Digital-Converter mit Treibern und Speicherbausteinen für die Steuerung eines noch nicht montierten GPS-Empfangsteils für die Funknavigation, werden --wie das FG ebenfalls zutreffend erkannt hat-- als Teile eines Funknavigationsgeräts der Pos. 8526 KN von der Pos. 8529 KN erfasst. Dass auch diese für die Funknavigation notwendigen elektronischen Bauteile bereits die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen Ware i.S. der AV 2a Satz 1 aufweisen, hat das FG nicht festgestellt und wird im Übrigen auch von der Klägerin nicht behauptet.

c) Da somit die zu tarifierende Ware aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt ist, die zu verschiedenen Positionen der KN gehören, und da nach den Feststellungen des FG davon auszugehen ist, dass die elektronischen Bausteine für die Steuerung des Navigationsgeräts mit den Bauteilen des Tonwiedergabegeräts auf der Leiterplatte untrennbar zu einem Ganzen miteinander verbunden sind, muss die Konkurrenz zwischen diesen Positionen nach den Regelungen der AV 3 gelöst werden.

Die vorrangige AV 3a führt im Streitfall zu keinem Ergebnis, da die Warenbezeichnungen der Positionen der beiden Bestandteile, aus denen sich die streitige Ware zusammensetzt, gemäß AV 3a Satz 2 als gleich genau anzusehen sind (vgl. Lux in Dorsch, Zollrecht, A 4, VO KN, App. 1: Kombinierte Nomenklatur --Einf.-- Rz 52).

Somit findet die AV 3b Anwendung, wonach eine aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzte Ware nach demjenigen Bestandteil eingereiht wird, der ihr ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Bestandteil ermittelt werden kann. Welcher Bestandteil einer zusammengesetzten Ware charakterbestimmend ist, lässt sich unter Beachtung der ErlHS zur AV 3b Rz. 19.0 ermitteln. Danach kann sich das entscheidende Merkmal z.B. aus der Art und Beschaffenheit des Stoffes oder der Bestandteile, aus dem Umfang, der Menge, dem Gewicht, dem Wert oder der Bedeutung in Bezug auf die Verwendung der Ware und auch aus ihrem Erscheinungsbild ergeben (vgl. Lux, a.a.O., A 4, VO KN, App. 1: Kombinierte Nomenklatur --Einf.-- Rz 74; Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 20. Juni 1996 Rs. C-121/95, EuGHE 1996, I-3047, und vom 26. Oktober 2006 Rs. C-250/05, BFH/NV 2007, 115). Welches dieser nicht abschließend aufzählbaren Merkmale im Einzelfall zu berücksichtigen ist, hängt von der Art der Ware ab (Senatsurteile vom 2. Juni 1992 VII K 2/91, BFH/NV 1992, 853; vom 23. Juli 1998 VII R 36/97, BFHE 186, 188, BStBl II 1998, 739).

Im Streitfall hat sich das FG an diese Kriterien gehalten, indem es in erster Linie auf den optisch wesentlichen Bestandteil der zu tarifierenden Ware und in zweiter Linie auf den annähernd gleichen Wert der Teile des Tonwiedergabegeräts einerseits und des Funknavigationsgeräts andererseits abgestellt hat. Die auf dieser Grundlage vom FG vorgenommene Gesamtwürdigung, derzufolge der Bestandteil des Tonwiedergabegeräts charakterbestimmend für die Gesamtware ist, ist eine Gewichtung der festgestellten objektiven Merkmale der zu vergleichenden Warenbestandteile und ist daher wiederum eine dem Tatsachengericht vorzubehaltene Würdigung, die auf tatsächlichem Gebiet liegt und daher einer revisionsrechtlichen Überprüfung nur eingeschränkt anhand der unter II.B.1.a genannten Maßstäbe zugänglich ist (Senatsbeschlüsse vom 7. Juli 1998 VII R 67/96, BFH/NV 1999, 93; vom 30. April 2002 VII R 109/00, BFH/NV 2002, 1185). Da die Revision diese Beurteilung durch das FG nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen hat, ist der Senat hieran gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Im Übrigen ist die Würdigung des FG vor dem Hintergrund der festgestellten Tatsachen, dass der Warenbestandteil Tonwiedergabegerät bereits funktionsfähig ist und als CD-Abspielgerät angesprochen werden kann, während die für die Steuerung der Funknavigation vorgesehenen Bauteile ohne das noch nicht montierte GPS-Empfangsteil auch noch keine Funktion haben dürften, nicht nur möglich, sondern auch nahe liegend.

Da somit der für die Tonwiedergabe mit Lasertonabnehmersystem bestimmte Teil der zu tarifierenden Ware als charakterbestimmender Bestandteil anzusehen ist, ist die gesamte Ware in die Unterpos. 8519 99 18 KN einzureihen.

2. Dass seinerzeit die Verordnung (EG) Nr. 1255/96 (VO Nr. 1255/96) des Rates vom 27. Juni 1996 zur zeitweiligen Aussetzung der autonomem Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte gewerbliche und landwirtschaftliche Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 158/1) für eine Ware des Taric-Codes 8522 90 98 32, nämlich für eine Tonwiedergabebaugruppe bestehend aus einem Compact-Disc-Laufwerk mit einem optischen Lesesystem und Gleichstrommotoren zum Herstellen von Waren der Unterpos. (u.a.) 8519 99 KN, und später für eine Ware des Taric-Codes 8522 90 98 44, nämlich für eine Baugruppe für optische Platten mit mindestens einer optischen Einheit und Gleichstrommotoren, nicht geeignet für Doppelschicht-Aufzeichnung, eine Zollaussetzung vorsah, ändert an der tariflichen Einreihung der Ware des Streitfalls --auch wenn sie die Merkmale der damaligen Zollaussetzung erfüllte-- nichts. Nach Art. 2 Satz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 (VO Nr. 2658/87) des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABlEG Nr. L 256/1) beruht der Taric auf der KN, die ihrerseits nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 2658/87 die Nomenklatur des Harmonisierten Systems (HS) umfasst. Das HS und die darauf beruhenden Bestandteile der KN haben somit den höchsten Rang, weshalb bei der Tarifierung einer Ware zunächst die passende erste vierstellige Position zu ermitteln ist, bevor sie in eine sechsstellige oder in eine darüber hinausgehende Unterposition eingereiht werden darf (Lux, a.a.O., A 4, VO KN, Einf. Rz 144 f.). Der Auffassung der Revision, dass der Wortlaut einer Zollaussetzung dem Wortlaut der Positionen der KN vorgehe, ist somit nicht zu folgen und die in dem EuGH-Urteil vom 14. November 1985 Rs. 227/84 (EuGHE 1985, 3639 Rz 11) wiedergegebene Ansicht der Kommission, wonach eine Zollaussetzung durch den Rat, die nicht einer Position des GZT entspreche, ein Element der Tarifgestaltung sei, ist auch nicht in dieser Weise zu verstehen.

Anders als die Revision meint, kommt somit --auch wenn eine Ware die Voraussetzungen der Warenbeschreibung eines bestimmten in der VO Nr. 1255/96 aufgeführten Taric-Codes erfüllt-- die insoweit vorgesehene Zollaussetzung gleichwohl nicht zur Anwendung, wenn die Ware nicht in die entsprechende Position der KN in Anwendung ihres Wortlauts und der dazugehörigen Anmerkungen sowie in Anwendung der AV eingereiht werden kann. Verdeutlicht wird der Vorrang der KN-Einreihung im Übrigen durch die in der VO Nr. 1255/96 gewählte Formulierung "ex" 8522 90 98. Da im Streitfall --wie ausgeführt-- die zu tarifierende Ware in die Unterpos. 8519 99 18 KN einzureihen ist, findet daher die nach der VO Nr. 1255/96 seinerzeit vorgesehene Zollaussetzung für Waren ex 8522 90 98 KN, Taric-Code 32 bzw. 44, keine Anwendung.

3. Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer vZTA, mit der die streitige Ware für den Zeitraum 14. Dezember 2000 bis 31. Dezember 2002 in den Taric-Code 8522 90 98 32 und für den Zeitraum 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005 in den Taric-Code 8522 90 98 44 eingereiht wird, besteht --unbeschadet der vorstehenden Ausführungen-- auch deshalb nicht, weil eine vZTA nicht mit Wirkung für die Vergangenheit erteilt werden kann. Eine vZTA ist nach Art. 12 Abs. 4 Satz 1 des Zollkodex (ZK) vom Zeitpunkt ihrer Erteilung an gerechnet für einen Zeitraum von sechs Jahren gültig; die sich aus ihr ergebende Bindung der Zollbehörden (Art. 12 Abs. 2 Satz 1 ZK) wirkt somit nur für die Zukunft (Senatsurteil vom 14. November 2000 VII R 84/99, BFH/NV 2001, 501). Auf zurückliegende Fälle kann eine vZTA daher nicht angewandt werden (Lux, a.a.O., A 1, Art. 12 ZK Rz 49; Witte/ Reiche, Zollkodex, 4. Aufl., Art. 12 Rz 21).

Seit dem Zeitpunkt ihres Erlasses ist die im Streitfall angefochtene vZTA auch nicht aufgrund einer Rechtsänderung oder einer abweichenden Auslegung der KN (vgl. Art. 12 Abs. 5 Buchst. a Ziff. i und ii ZK) ungültig geworden. Die Unterpos. 8519 99 18 KN ist auch in der Fassung der Änderungs-Verordnung (EG) Nr. 1719/2005 der Kommission vom 27. Oktober 2005 (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 268/1) unverändert geblieben. Die frühere Unterpos. 8522 90 98 KN ist inzwischen Unterpos. 8522 90 80 KN, ohne dass sich aber inhaltlich etwas geändert hat. Die inzwischen mehrfach geänderte VO Nr. 1255/96 verwendet auch in der Fassung der Änderungs-Verordnung (EG) Nr. 300/2006 des Rates vom 30. Januar 2006 (ABlEU Nr. L 56/1) bei den für die Klägerin in Betracht kommenden Zollaussetzungen nach wie vor die Formulierung "ex" 8522 90 80, so dass --wie ausgeführt-- eine Zollaussetzung nur für Waren in Betracht kommen kann, welche in diese Unterposition einzureihen sind, was bei der hier streitigen Ware jedoch nicht der Fall ist.

Im Übrigen entspricht die streitige Ware ohnehin nicht mehr der Warenbeschreibung des seitens der Klägerin für zutreffend gehaltenen Taric-Codes 8522 90 80 65, für welchen die VO Nr. 1255/96 eine Zollaussetzung vorsieht. Die Baugruppen für optische Platten des Taric-Codes 8522 90 80 65 müssen nunmehr auch für Doppelschichtaufzeichnung geeignet sein, was für die Ware des Streitfalls offenbar nicht zutrifft.

Ende der Entscheidung

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