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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.11.2000
Aktenzeichen: VII R 84/99
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 136 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (die Oberfinanzdirektion --OFD--) erteilte der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Jahr 1998 vier verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTAe) über Spezial-Dreiräder für Körper- und Gehbehinderte, in denen sie die Waren den Code-Nrn. 8712 0080 00 und 8711 1000 00 des Deutschen Gebrauchszolltarifs --DGebrZT-- zuwies (bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 8. September 1998).

Die Klage, mit der die Einreihung der Dreiräder in die Pos. 8713 der Kombinierten Nomenklatur (KN) begehrt wurde, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bestätigte die angefochtenen Auskünfte und wies die Klage ab, ohne auf die Frage, ob im Streitfall überhaupt Auskünfte in Gestalt der vZTAe erteilt werden durften, einzugehen.

Mit ihrer Revision gegen das vorinstanzliche Urteil verfolgt die Klägerin ihren von der OFD abweichenden Tarifstandpunkt weiter.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die angefochtenen vZTAe sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die OFD zu verpflichten, die Dreiräder der Pos. 8713 KN zuzuweisen.

Die OFD beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Im Laufe des Revisionsverfahrens gewährte der Senat den Beteiligten im Hinblick darauf, dass sich aus den den Anträgen auf Erteilung der vZTAe beigefügten Unterlagen eindeutig die Herstellung der betreffenden Waren in der Gemeinschaft ergibt, rechtliches Gehör zu der Frage, ob die von der Klägerin beantragten vZTAe für Zwecke der Wareneinfuhr oder Warenausfuhr benötigt werden. Die Klägerin erklärte daraufhin, dass die vZTAe nicht für Zwecke der inneren Umsatzsteuer benötigt würden. Im Übrigen gab sie an, dass sie Kunden in den USA, Norwegen, Schweiz, Lettland, Litauen und Bulgarien beliefere. Die OFD stellte sich auf den Standpunkt, dass bei der Bearbeitung eines Antrags auf vZTA weitere Ermittlungen durch die zuständige Zollstelle nur dann erforderlich seien, wenn Anhaltspunkte vorlägen, dass die vZTA nicht für die Durchführung von Ein- oder Ausfuhrgeschäften beantragt werde. Im Streitfall habe es keine solchen Anhaltspunkte gegeben. Wegen der Angabe von Zollstellen im Antrag habe man davon ausgehen können, dass die Klägerin die vZTAe für die Durchführung von Ein- bzw. Ausfuhrgeschäften benötige.

II. Die als Revision gegen ein Urteil in Zolltarifsachen zulassungsfrei statthafte Revision (§ 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage, soweit diese auf die Aufhebung der vZTAe gerichtet war (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin begehrten Auskünfte in Gestalt von vZTAe ergehen konnten, da die Voraussetzungen zur Erteilung solcher Auskünfte nicht vorliegen. Auf die zutreffende zolltarifliche Einreihung der Dreiräder kommt es daher nicht an. Aus diesem Grund kann auch die von der Klägerin begehrte Verpflichtung zur Einreihung der Dreiräder in die Pos. 8713 KN nicht ausgesprochen werden.

1. Eine vZTA entfaltet die für sie typische, in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eintretende und nicht auf bestimmte Zollstellen beschränkte Bindungswirkung nur hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung bei nachfolgenden Zollabfertigungen von Waren, d.h. nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex --ZK--) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. 302/1) bei Erfüllung der Zollförmlichkeiten. Neben der zeitlichen Komponente --Bindung nur für die Zeit nach Auskunftserteilung-- setzt die Erteilung einer vZTA auch voraus, dass die Ware, für die die Auskunft beantragt wird, Gegenstand einer Amtshandlung durch die Zollstellen werden soll. Dagegen ergibt sich aus Art. 12 ZK nicht, dass es sich dabei unbedingt um eine Amtshandlung der Zollstelle anlässlich der Einfuhr handeln muss (so auch Lux in Dorsch, Kommentar zum Zollrecht, B I/12, Art. 12 ZK Rz. 12 a; Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, Art. 12 ZK Anm. 5).

Eine vZTA kann daher grundsätzlich auch dann erteilt werden, wenn sie nur im Hinblick auf eine Bindung der Zollstellen bei der Ausfuhr beantragt worden ist. Es widerspräche nämlich dem Sinn und Zweck der Regelung des Art. 12 ZK, wenn eine vZTA nur für Waren zugelassen wäre, die bei der Einfuhr Gegenstand einer Amtshandlung einer Zollstelle werden sollen. Das Institut der vZTA soll der Wirtschaft zuverlässige Kalkulationsgrundlagen vermitteln. Solcher Kalkulationsgrundlagen bedarf es auch, wenn es sich um Waren handelt, die bei der Ausfuhr Gegenstand von Amtshandlungen durch Zollstellen sein sollen, wie z.B. bei der Frage der Gewährung von Ausfuhrerstattungen oder bei ebenfalls anlässlich der Ausfuhr möglichen Zollvergütungen. Andererseits rechtfertigt nicht jede Ausfuhr von Gemeinschaftswaren, die sich im zollrechtlich geregelten Ausfuhrverfahren vollzieht (Art. 161 Abs. 1 und 2, Art. 4 Nr. 16 Buchst. h ZK), ohne weiteres die Erteilung einer vZTA. Auch bei der Ausfuhr muss es auf die zolltarifliche Einreihung ankommen, etwa im Hinblick auf Ausfuhrabgaben oder Ausfuhrerstattungen (vgl. Senatsurteil vom 6. Mai 1997 VII R 99/96, BFH/NV 1997, 727). Dass die Einreihung für die Ausfuhr eine Rolle spielt, muss sich aus dem Vorbringen des Beteiligten ergeben. Ohne eine entsprechende Angabe kann in Ausfuhrfällen nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer vZTA vorliegen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil sich die Bindungswirkung der vZTA nur auf den Anwendungsbereich des Zollkodex, also das Zollgebiet der Gemeinschaft, erstreckt. Nach Art. 5 Nr. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZKDVO) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 253/1) bindet die vZTA nur die Zollbehörden aller Mitgliedstaaten der Gemeinschaft; eine darüber hinausgehende Bindung --etwa für alle Staaten, die dem Abkommen über das Harmonisierte System (HS) beigetreten sind-- besteht nicht.

Grundsätzlich ist es zwar nicht zu beanstanden, wenn die Zollstelle, die die vZTA erteilt, von den Angaben des Antragstellers ausgeht und unterstellt, dass die vZTA für Ein- oder für bestimmte Ausfuhrzwecke benötigt wird. Geht aber aus den vom Antragsteller mit dem Antrag eingereichten Unterlagen oder Firmenprospekten eindeutig hervor, dass die in der vZTA aufgeführte Ware weder eingeführt noch unter Gewährung von Vergünstigungen oder unter Belastung mit Ausfuhrabgaben ausgeführt werden soll, hat die zur Erteilung der vZTA zuständige Stelle nach Art. 6 Abs. 4 Satz 1 ZKDVO den tatsächlichen Sachverhalt zu ermitteln. In diesen Fällen hat die Zollbehörde den Antragsteller aufzufordern, Auskunft darüber zu geben, zu welchem Zweck er die beantragte vZTA benötigt. Allein der Umstand, dass ein Beteiligter in seinem Antrag bestimmte Zollstellen benennt, bei denen die Ware voraussichtlich behandelt werden soll, entbindet die Zollstelle nicht von ihrer Ermittlungspflicht, da die Benennung von Zollstellen nicht zwingend den Schluss zulässt, dass die vZTA für die Ein- oder Ausfuhr einer Ware benötigt wird, bei der es auf die zolltarifliche Einreihung i.S. des Art. 20 Abs. 3 und Abs. 6 ZK ankommt (vgl. auch Art. 6 Abs. 3 A Buchst. c ZKDVO)

Ergibt sich auch auf weitere Nachfragen nicht, dass die vZTA zum Zweck der Einfuhr von Waren (weil diese nicht in einem Drittland gefertigt werden), wegen einer Ausfuhrabgabe, einer Ausfuhrvergünstigung oder einer sonst zolltariflich relevanten Maßnahme benötigt wird, kommt die Erteilung einer vZTA nicht in Betracht (vgl. Bundesfinanzhof --BFH-- in BFH/NV 1997, 727).

Ob eine vZTA ausschließlich für statistische Zwecke beantragt werden kann (so wohl Lux, Die Gemeinschaftsregelung über verbindliche Zolltarifauskünfte, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern, 1991, 66), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, denn die Klägerin hat dies in ihrem Antrag nicht geltend gemacht (Art. 6 Abs. 3 A Buchst. c Satz 2 ZKDVO i.V.m. Art. 20 Abs. 6 Buchst. b ZK). Allerdings neigt der Senat der Auffassung zu, dass eine Auskunft über die Einreihung der Ware in die KN lediglich für statistische Zwecke (Außenhandelsstatistik) nicht dem Sinn und Zweck der vZTA entspricht. Hat der Zollbeteiligte lediglich statistische Vorgaben zu erfüllen, beeinträchtigt dies weder seine wirtschaftliche Kalkulation noch belastet dies in anderer Weise seine Ausfuhrgeschäfte. Auch kann den Zollbehörden regelmäßig nicht zugemutet werden, bindende Auskünfte allein für statistische Zwecke zu erteilen. Davon unabhängig ist die Frage zu beurteilen, ob die Gemeinschaft oder die Mitgliedstaaten ein Interesse daran haben könnten, dass der Ausführer seine statistischen Angaben ordnungsgemäß erledigt und ob ihm hierfür eine vZTA dienlich sein könnte.

Im Streitfall hat die Klägerin nicht darlegen können, welches rechtliche Interesse sie an der Erteilung von vZTAe haben könnte. Aus den den Anträgen auf Erteilung der vZTAe beigefügten Firmenprospekten der Klägerin ergibt sich eindeutig, dass sie die fraglichen Dreiräder ausschließlich in Deutschland und zwar individuell und in Handarbeit fertigt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür --und die Anhörung der Beteiligten hat dies bestätigt--, dass die Klägerin die Ware aus Drittländern einführen oder unter Gewährung von Vergünstigungen bzw. Erhebung von Ausfuhrabgaben in Drittländer ausführen will. Die Belieferung von Kunden in dritte Länder rechtfertigt die Erteilung von vZTAe nicht. Die Bindung der in den vZTAe genannten Behörden, nämlich der Zollämter in B und G, läuft ins Leere, weil für eine Behandlung der Dreiräder im Ausfuhrverfahren nicht notwendig ist, dass sich die Zollbehörden in tariflicher Hinsicht binden. Denn dass für die Dreiräder eine Ausfuhrbegünstigung in Betracht kommt, eine Ausfuhrabgabe erhoben werden oder eine sonstige zolltariflich relevante Maßnahme zur Anwendung kommen soll, ist weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2. Die OFD hat die Auskünfte als vZTAe --Verwaltungsakte-- erlassen. Sie hätten indessen, wie ausgeführt, nicht als solche ergehen dürfen. Sie waren demgemäß aufzuheben (zu dieser Rechtsfolge in vergleichbaren Fällen Senat, Urteile vom 2. April 1987 VII R 148/83, BFHE 149, 482, 484, 489, BStBl II 1987, 536; vom 19. Mai 1994 VII R 99, 100/93, BFH/NV 1995, 558; vgl. auch Senatsurteile vom 31. Juli 1973 VII K 10-19/71, BFHE 110, 92, und vom 17. März 1992 VII R 70/90, BFHE 167, 478, 480). Dass die Klägerin selbst eine vZTA beantragt hatte, ändert daran nichts (vgl. BFH in BFH/NV 1997, 727).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, da die Klägerin im Ergebnis mit ihrem Anfechtungsbegehren Erfolg hatte, mit ihrem Verpflichtungsbegehren jedoch unterlegen ist.



Ende der Entscheidung

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