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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 03.03.1998
Aktenzeichen: VII R 88/97
Rechtsgebiete: StBerG


Vorschriften:

StBerG § 36 Abs. 1 Nr. 2
BUNDESFINANZHOF

Die dreijährige Ausbildung an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Bochum mit dem Abschluß eines "Wirtschaftsdiplom-Betriebswirt (VWA)" ist kein "wirtschaftswissenschaftliches oder anderes Fachhochschulstudium mit wirtschaftwissenschaftlicher Fachrichtung oder ein vergleichbares Studium an einer Universität" i.S. von § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG.

StBerG § 36 Abs. 1 Nr. 2

Urteil vom 3. März 1998 - VII R 88/97 -

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1997, 1059)


Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat nach dem Abitur und Lehramtsstudium an der Universität Bochum eine Berufsausbildung zur Industriekauffrau abgeschlossen. Von Oktober 1986 bis Oktober 1989 hat sie die Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie (VWA) Bochum besucht und dort "nach der Prüfungsordnung für die Erteilung des Wirtschaftsdiploms betriebswirtschaftlicher Fachrichtung - Betriebswirt (VWA) - an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Industriebezirk vom 18.11.1969" die Diplomprüfung bestanden. ...

Den Antrag der Klägerin vom ... "auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft über die Erfüllung einzelner Voraussetzungen für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung" beschied der Zulassungsausschuß III für Steuerberater beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzministerium --FinMin--) dahin, daß die Klägerin die Vorbildungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) mit Ablauf des ... erfülle, sofern sie bis dahin weiterhin eine Tätigkeit i.S. von § 36 Abs. 2 Nr. 1 2 Halbsatz StBerG ausübe. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe ein wirtschaftswissenschaftliches oder anderes Fachhochschulstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung oder ein vergleichbares Universitätsstudium nicht abgeschlossen, so daß die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 1. Halbsatz StBerG nicht erfüllt seien. Die Klägerin erfülle (aber) aufgrund der Abschlußprüfung als Industriekauffrau die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 1 1. Halbsatz StBerG und könne demnach (erst) nach einer zehnjährigen hauptberuflichen praktischen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens bzw. der von Bundes- und Landesfinanzbehörden verwalteten Steuern zur Steuerberaterprüfung zugelassen werden. Unter Berücksichtigung der Vortätigkeit bei der Firma ... erfülle die Klägerin die Zulassungsvoraussetzungen für die Steuerberaterprüfung mit Ablauf des ... .

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, mit der die Klägerin beantragt hatte, den Bescheid des FinMin vom 4. September 1996 aufzuheben und das FinMin zu verpflichten, auf den Antrag der Klägerin vom 10. Januar 1996 hin verbindlich das Vorliegen der Vorbildungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung mit Ablauf des ... mitzuteilen,

hilfsweise, das FinMin zu verpflichten, auf den Antrag der Klägerin vom .., eine verbindliche Auskunft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen,

sowie --äußerst-- hilfsweise,

auf den Antrag der Klägerin vom ... hin festzustellen, daß in der Person der Klägerin mit Ablauf des ... die Vorbildungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung vorliegen,

als unbegründet abgewiesen. Es urteilte, die verbindliche Auskunft des Zulassungsausschusses III beim FinMin sei zutreffend, weil sich die Zulassung der Klägerin zur Steuerberaterprüfung nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 und nicht nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG richte. Im übrigen wird auf die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1059 veröffentlichten Entscheidungsgründe des FG Bezug genommen.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das FG habe § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG in rechtlich zu beanstandender Weise angewendet, weil es bei der Frage der Gleichstellung von Bildungsgängen außerhalb von "Universitäten ... und Fachhochschulen" ausschließlich von einer gesetzgeberisch gewollten "formalisierten" Gleichstellung ausgehe. Es treffe zwar zu, daß in Nordrhein-Westfalen der Abschluß an der Wirtschaftsakademie mit dem an einer Fachhochschule nicht gleichgestellt worden sei. Eine solche Gleichstellung sei nur in Baden-Württemberg und Sachsen erfolgt. Auf eine solche förmliche Gleichstellung könne es jedoch nicht ankommen, vielmehr müsse auf die materielle Gleichwertigkeit abgestellt werden, die im Streitfall bestehe. Dies sei auch verfassungsrechtlich geboten. Es stelle eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Rechts der Klägerin auf Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) dar, wenn sie auf die Vorbildungsvoraussetzung des § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG verwiesen werde. Die Klägerin werde im Vergleich zu den Absolventen der Berufsakademien in Baden-Württemberg und Sachsen ungleich behandelt, wenn sie, obwohl sie die gleiche Qualifikation besitze, eine sechs Jahre längere praktische Tätigkeit ableisten müsse, ehe sie die Voraussetzungen zur Zulassung zur Steuerberaterprüfung erfülle. Eine solche Ungleichbehandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FinMin unter Aufhebung der Vorentscheidung zu verpflichten, verbindlich das Vorliegen der Vorbildungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung mit Ablauf ... mitzuteilen,

hilfsweise,

das FinMin zu verpflichten, auf den Antrag der Klägerin vom ... eine verbindliche Auskunft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen,

sowie --äußerst-- hilfsweise,

festzustellen, daß die Klägerin mit Ablauf des ... die Vorbildungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung erfüllt hat.

Das FinMin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es macht sich die Gründe der Vorentscheidung zu eigen.

II.

1. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat rechtsfehlerfrei erkannt, daß die dreijährige Ausbildung der Klägerin an der VWA Bochum mit dem Abschluß eines "Wirtschaftsdiplom-Betriebswirt (VWA)" kein "wirtschaftswissenschaftliches oder anderes Fachhochschulstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung oder ein vergleichbares Studium an einer Universität" i.S. von § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG ist und daß deshalb eine Zulassung der Klägerin zur Steuerberaterprüfung nach dieser Vorschrift nicht in Betracht kommt (vgl. auch FG Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 1993 V 152/93, EFG 1994, 587 für die Ausbildung an der Wirtschaftsakademie Hamburg).

a) Die in § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG verwandten Begriffe "Fachhochschulstudium" und "Studium an einer Universität" beschreiben bestimmte Bildungswege, die an Universitäten und Fachhochschulen beschritten werden. Universitäten und Fachhochschulen sind nach § 1 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche oder nach Maßgabe des § 70 HRG staatlich anerkannte Hochschulen sind. Zu dieser Art Hochschulen gehört die VWA Bochum nicht, weil sie, wie das FG für den Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend festgestellt hat, weder eine staatliche noch eine staatlich anerkannte Fachhochschule ist.

b) Der Senat hat zwar auch den Abschluß als Diplom-Betriebswirt an der Berufsakademie Baden-Württemberg in Mannheim, die ebenfalls keine Fachhochschule i.S. des § 1 HRG ist, als ausreichende Vorbildungsvoraussetzung i.S. von § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG angesehen (Senatsurteil vom 25. April 1995 VII R 12/95, BFHE 177, 307, BStBl II 1995, 648). Dieser Abschluß steht jedoch aufgrund ausdrücklicher landesrechtlicher Regelung den vergleichbaren berufsbefähigenden Abschlüssen an staatlichen Hochschulen gleich. Deswegen hielt es der Senat für vertretbar, auch diesen Abschluß als Fachhochschulabschluß i.S. des § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG anzusehen. Eine solche landesrechtliche Gleichstellung besteht aber für den Abschluß als "Wirtschaftsdiplom-Betriebswirt (VWA)" an der VWA Bochum nicht. Der Erwerb dieses Diploms erfüllt deshalb nicht die in § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG geforderte Vorbildungsvoraussetzung eines abgeschlossenen Fachhochschulstudiums in den dort genannten Fachrichtungen.

Das das StBerG die Bildungswege, die zu den in § 36 Abs. 1 StBerG geforderten Vorbildungsvoraussetzungen führen, nicht selbständig regelt, sondern nur an bestehende, an anderer Stelle in bestimmter Weise geregelte anknüpft (Senatsurteil vom 8. Juni 1993 VII R 125/92, BFHE 172, 261, BStBl II 1994, 665), ist im Rahmen des § 36 Abs. 1 StBerG grundsätzlich nicht zu entscheiden, inwieweit Studiengänge an anderen Bildungseinrichtungen als Universitäten oder Fachhochschulen den in dieser Regelung vorgeschriebenen materiell gleichwertig sind. Diese Aufgabe obliegt den Ländern, denen in den Grenzen der Rahmenkompetenz des Bundes für das Hochschulrecht (Art. 75 Nr. 1 a GG) die Kompetenz zur näheren Ausgestaltung des Hochschulrechts und damit auch der Bildungswege an Hochschulen zukommt (vgl. Senatsurteile in BFHE 177, 307, BStBl II 1995, 648, und BFHE 172, 261, BStBl II 1994, 665). Im Rahmen des § 36 Abs. 1 StBerG ist nur --wie es der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 177, 307, BStBl II 1995, 648 getan hat-- darüber zu befinden, ob eine zuvor landesrechtlich als eine dem Fachhochschulabschluß gleichwertig anerkannte Ausbildung auch den von § 36 Abs. 1 für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung geforderten Voraussetzungen entspricht. Nur in diesem Rahmen hat sich der Senat in der Entscheidung in BFHE 177, 307, BStBl II 1995, 648 mit dem Bildungsinhalt der Berufsakademie Baden-Württemberg in Mannheim befaßt.

c) Die Bestimmung des § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG, in diesem Sinne verstanden, beeinträchtigt --anders als die Klägerin meint-- nicht unverhältnismäßig das Grundrecht auf freie Wahl des Berufes (Art. 12 Abs. 1 GG). Es ist zwar richtig, daß die durch diese Vorschrift geforderte Vorbildung nur einen mittelbaren Bezug zu der angestrebten Tätigkeit der Klägerin als Steuerberaterin haben wird, weil sie ihr dafür erforderliches spezielles Fachwissen durch die Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung erwerben und in der sich anschließenden Steuerberaterprüfung nachweisen muß (vgl. Senatsurteil vom 28. August 1990 VII R 25/89, BFHE 162, 159, BStBl II 1991, 154). Dieser Umstand hat es nach Meinung des Senats gerechtfertigt, einen landesrechtlich als dem Fachhochschulabschluß gleichwertig anerkannten Studiengang auch im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG als ausreichende Vorbildungsvoraussetzung anzusehen (Senatsurteil in BFHE 177, 307, BStBl II 1995, 648).

Gleichwohl ist zu berücksichtigen, daß das hohe Interesse der Allgemeinheit an einer fachlich qualifizierten Steuerberatung auch ein Grundlagenwissen erfordert, das an Bildungseinrichtungen erworben wurde, die einen bestimmten Standard in der Vermittlung und beim Erwerb des Wissens sowie der Überprüfung der erworbenen Kenntnisse erfüllen. Die Ausschüsse, die über die Zulassung zur Steuerberaterprüfung entscheiden (§ 1 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften), wären aber überfordert, wenn sie selbst jeden Studienabschluß daraufhin zu überprüfen hätten, ob er diesem Standard entspricht. Es ist deswegen nicht unverhältnismäßig, daß der Gesetzgeber diesen Standard formal durch die Anknüpfung an die Studiengänge in den durch das HRG vorgesehenen Bildungseinrichtungen, unter denen hier nur der an einer Fachhochschule in Betracht kommt, festgelegt hat, die im einzelnen durch die diesbezüglich ergangenen Landesgesetze geregelt sind.

d) Die von der Klägerin geltend gemachte Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) gegenüber den Absolventen von Berufsakademien, deren Abschlüsse landesrechtlich als dem Fachhochschulabschluß gleichwertig anerkannt worden sind, liegt nicht vor. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Elemente der zu vergleichenden Lebensverhältnisse er als maßgeblich für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung ansieht. Es ist nicht zu untersuchen, ob er die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat, insbesondere nicht willkürlich verfahren ist. Einen weiten Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber vor allem, wenn er eine Unterscheidung an Merkmale knüpft, welche die Betroffenen --wie im Streitfall-- durch ihr Verhalten selbst bestimmen können (vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Juni 1997 X R 144/95, BFHE 183, 445, BStBl II 1997, 621, m.w.N.). Der Gesetzgeber durfte daher in § 36 Abs. 1 Nr. 2 StBerG den Abschluß eines wirtschaftswissenschaftlichen oder anderen Fachhochschulstudiums mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung zur Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung machen. Wenn im Wege der Auslegung auch ein dem Fachhochschulabschluß landesrechtlich als gleichwertig anerkannter Abschluß an einer Berufsakademie als noch im Rahmen der Regelung liegend erachtet wird, bedeutet dies nicht, daß darüber hinaus auch nicht landesrechtlich als gleichwertig anerkannte Diplome an einer Berufsakademie als ausreichende Vorbildungsvoraussetzung im Sinne der Vorschrift erachtet werden müßten. Die fehlende landesrechtlich anerkannte Gleichwertigkeit ist nämlich insoweit schon deshalb ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium, weil die Zulassungsausschüsse --wie bereits erwähnt-- selbst nicht in der Lage wären, die Gleichwertigkeit solcher Ausbildungsgänge mit denen an einer Fachhochschule festzustellen.

Ende der Entscheidung

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