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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.06.1998
Aktenzeichen: VII R 98/97
Rechtsgebiete: ZTVO, FGO, TierSchG, AbschG
Vorschriften:
ZTVO § 1 | |
FGO § 116 Abs. 2 | |
FGO § 100 Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2 | |
TierSchG § 7 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b | |
TierSchG § 2 Nr. 1 | |
AbschG § 2 |
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägern (Klägerin) ließ am ... (Zollurkunde ...) und am ... 1991 (Zollurkunde ...) reinrassige Zuchtrinder unter Einreihung in den KN-Code 0102 10 zoll- und abschöpfungsfrei zum freien Verkehr abfertigen. Da die Klägerin nach Auffassung der Zollbehörde nicht nachwies, daß die Voraussetzungen dafür vorlagen, forderte diese mit Steueränderungsbescheiden (vom ... 1994 und vom ... 1994) Eingangsabgaben (Zoll-EURO, Abschöpfung) in Höhe von insgesamt ... DM nach. Den jeweils dagegen erhobenen Einspruch wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) zurück. Die Zollbehörden erkannten die von der Klägerin vorgelegten "Eintragungsbescheinigungen" des Rinderzuchtverbandes (RZ) nicht an, weil aus ihnen nicht hervorgehe, in welcher Abteilung des Zuchtbuches die Rinder eingetragen worden seien.
Das Finanzgericht (FG) wies die deswegen erhobene Klage als unbegründet ab, weil der Zoll und die Einfuhrabschöpfung zu Recht nacherhoben worden seien. Die Klägerin sei gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1031/88 (ZollschuldnerVO) des Rates vom 18. April 1988 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 102/5) Schuldnerin der nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 (ZollschuldVO) des Rates vom 13. Juli 1987 (ABlEG Nr. L 201/15) entstandenen Zollschuld geworden. Bezüglich der erhobenen Einfuhrabschöpfung seien die genannten Vorschriften entsprechend anzuwenden. Einer Nacherhebung stehe auch der "endgültige Steuerbescheid" vom ... 1993 nicht entgegen, in dem die Nichterhebung bezüglich der mit dem Bescheid vom ... 1994 dann doch angeforderten Abgaben mitgeteilt werde. Denn gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 (NacherhebungsVO) des Rates vom 24. Juli 1979 (ABlEG Nr. L 197/1 --Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2--) könnten nicht erhobene Abgaben innerhalb von drei Jahren nacherhoben werden. Die eingeführten Rinder seien zutreffend nicht als Zuchtrinder in den KN-Code 0102 10 10 eintarifiert worden. Die Klägerin habe die nach der Anlage zu § 1 der Zolltarifverordnung (ZTVO) vom 24. September 1986 (BGBl II, 896) i.d.F. der Dreiundreißigsten Änderungsverordnung (33. ÄnderungsVO) vom 21. März 1991 (BGBl II, 579) bestehenden Voraussetzungen für eine Eintarifierung der Tiere als "Rinder, lebend, reinrassige Zuchttiere" nicht erfüllt. Denn der Nachweis, daß die Tiere als reinrassige Zuchttiere in ein Zuchtbuch oder Zuchtregister eingetragen worden seien, sei bis zum Tage der mündlichen Verhandlung nicht geführt worden. Die Bescheinigungen des RZ aus dem Jahre 1992 könnten keine Anerkennung finden, weil sie lediglich die Registrierung importierter Zuchtrinder in das Zuchtbuch bescheinigten, sich aber aus ihnen nicht ergebe, daß die Tiere als reinrassige Zuchttiere dort eingetragen worden seien. Den Eintragungsbescheinigungen des RZ komme auch nicht in Verbindung mit den Bescheinigungen des Ministeriums für Landwirtschaft und Forsten ein Vertrauensschutz zu, weil beide Bescheinigungen streng voneinander getrennt zu bewerten seien. Aus diesem Grunde sei auch für die Anwendung des Art. 220 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex --ZK--) des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12. Oktober 1992 (ABlEG Nr. L 302/1) kein Raum. Ein Irrtum der Zollbehörden liege im übrigen nicht vor. Außerdem habe die Klägerin bei gehöriger Prüfung der Rechtslage selbst ersehen können, daß die Eintragungsbescheinigungen des RZ nicht ausreichten.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, daß die Vorentscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung geltenden Rechts beruhe. Das FG habe die Anordnungen des Bundesministers der Finanzen (BMF) in der Anlage zur 33. ÄnderungsVO unrichtig ausgelegt. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die erforderliche Bescheinigung des RZ nicht vorgelegt worden sei. Aus den (rechtzeitig innerhalb von sechs Monaten) vorgelegten Bescheinigungen vom 21. Februar 1992 und vom 7. April 1992 sei im Wege der Auslegung zu entnehmen, daß damit das Vorliegen der in Absatz 2 der Anlage zur ZTVO enthaltenen Anordnungen i.d.F. der 33. ÄnderungsVO (Anordnungen) geforderten Voraussetzungen, also auch die Reinrassigkeit der Rinder, bescheinigt werden sollte. Im übrigen sei die in Absatz 2 der Anordnungen festgelegte 6-Monatsfrist keine Ausschlußfrist. Deshalb seien auch die innerhalb der Nacherhebungsfrist vorgelegten Erklärungen vom 6. September 1994 (gemeint ist wohl das Schreiben vom 5. September 1994) noch zu berücksichtigen. Aus ihnen ergebe sich noch viel deutlicher, was der Rinderzuchtverband habe erklären wollen. Dort heiße es nämlich: "Die Eintragung erfolgte entsprechend der 33. Verordnung zur Änderung der Zolltarifverordnung vom 21.03.1991". Die Auslegung der Bescheinigungen könne auch im Revisionsverfahren selbst unter Berücksichtigung der außerhalb der Urkunde liegenden Umstände noch überprüft werden. Daß insoweit die erforderlichen Feststellungen vom FG getroffen worden seien, ergebe sich aus dem Zusammenhang, daß nämlich die Bescheinigungen auf Verlangen vom Rinderzuchtverband, der bei der Beschaffung der Tiere mitgewirkt habe, erteilt worden seien, um den Nachweis der zollfreien Einfuhr führen zu können.
Außerdem könne die in Absatz 2 der Anordnungen genannte Bescheinigung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verlangt werden. Es verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), wenn ein Akt des Steuereingriffs von der Vorlage der Bescheinigung einer privaten Organisation abhängig gemacht werde, ohne daß zugleich dem staatlichen Gericht in vollem Umfang die Überprüfung dieser privatrechtlichen Voraussetzungen eröffnet werde. Darauf könne sich die Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG berufen, weil sie gegenüber solchen Importeuren benachteiligt werde, denen eine begünstigte Einfuhr ermöglicht werde, weil der für sie zuständige Rinderzuchtverband bereit sei, eine solche (rechtsstaatlich nicht zulässige) Bescheinigung zu erteilen. Schließlich könne sich die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung nicht auf das Fehlen der erforderlichen Bescheinigung berufen, weil dafür das zuständige Bundesland die Verantwortung trage, das den Zuchtverband vorläufig anerkannt habe, ohne sichergestellt zu haben, daß das Zuchtbuch ordnungsgemäß geführt werde.
Die Klägerin beantragt, die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen unter Aufhebung der Vorentscheidung aufzuheben.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es hält die Vorentscheidung für richtig.
II. Die zulässige Revision ist begründet. Da die Sache nicht spruchreif ist, muß die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.
1. Die Revision ist zulässig, insbesondere zulassungsfrei statthaft. Da die Vorinstanz auch über die zolltarifliche Einordnung der eingeführten Tiere entschieden hat, liegt ein ohne Zulassung revisibles Urteil in einer Zolltarifsache i.S. von § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor (vgl. Senatsurteil vom 22. November 1994 VII R 40/94, BFH/NV 1995, 1108).
2. Die Revision ist auch begründet, weil das FG, ohne daß seine Feststellungen hierfür ausreichen, entschieden hat, daß die Verwaltungsentscheidungen in beiden Fällen rechtmäßig sind und die Klägerin durch sie nicht in ihren Rechten verletzt wird (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das HZA hat die Tiere zwar in den angefochtenen Steueränderungsbescheiden mit Recht nicht dem KN-Code 0102 10 (reinrassige Zuchtrinder), sondern dem KN-Code 0102 90 (Hausrinder) zugeordnet. Eingehend zu prüfen bleibt aber, ob die Nacherhebung der entstandenen Abgaben nicht deswegen ausgeschlossen ist, weil der Klägerin Vertrauensschutz zu gewähren ist.
a) Die Klägerin hat die Voraussetzungen für die Einreihung der eingeführten Tiere in den KN-Code 0102 10 nicht erfüllt; sie sind daher richtigerweise in den KN-Code 0102 90 eingereiht worden.
aa) Nach der Fußnote zu der Unterposition 0102 10 KN, die als Bestandteil der Zolltarifnorm --hier Verordnung (EWG) Nr. 2472/90 der Kommission vom 31. Juli 1990 (ABlEG Nr. L 247/1)-- anzusehen ist (vgl. hierzu Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--, Urteil vom 20. Juni 1973 Rs. 80/72, EuGHE 1973, 635, 651), erfolgt die Zulassung zu dieser Unterposition nach den in den einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen festgesetzten Voraussetzungen.
Hinsichtlich des Begriffs reinrassige Zuchtrinder sind die maßgebenden Gemeinschaftsvorschriften in der Richtlinie 77/504/EWG (Richtlinie) des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder (ABlEG Nr. L 206/8) und in der Entscheidung der Kommission vom 19. Juli 1984 über die Kriterien für die Eintragung in die Rinderzuchtbücher 84/419/EWG (Entscheidung) --ABlEG Nr. L 237/1-- enthalten.
Nach Art. 1 Buchst. a der Richtlinie ist ein reinrassiges Zuchtrind jedes Rind, dessen Eltern und Großeltern in einem Zuchtbuch derselben Rasse eingetragen oder vermerkt sind und das dort selbst entweder eingetragen ist oder vermerkt ist und eingetragen werden könnte. Zuchtbuch ist nach Art. 1 Buchst. b der Richtlinie jedes Buch, jedes Verzeichnis, jede Kartei oder jeder andere Informationsträger, der von einer Züchtervereinigung oder Zuchtorganisation geführt wird, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Vereinigung oder Organisation gegründet worden ist, amtlich anerkannt und in dem die reinrassigen Zuchtrinder einer bestimmten Rasse unter Angabe ihrer Vorfahren eingetragen oder vermerkt sind.
Gemäß Art.7 Unterabs. 2 der Richtlinie gestatten die Mitgliedstaaten die Einfuhr reinrassiger Zuchtrinder mit Herkunft aus Drittländern nur, wenn sie von einer Zuchtbescheinigung begleitet werden, aus der hervorgeht, daß sie im Zuchtbuch des ausführenden Drittlandes eingetragen oder vermerkt sind. Der Nachweis, daß die Tiere in einem Zuchtbuch der Gemeinschaft eingetragen sind oder vermerkt sind und eingetragen werden können, muß erbracht werden.
Mit der Entscheidung hat die Kommission die Kriterien für die Eintragung in die Rinderzuchtbücher festgelegt. Nach Art. 1 der Entscheidung muß ein Rind, um in die Hauptabteilung eines Zuchtbuches seiner Rasse eingetragen zu werden, folgende Voraussetzungen erfüllen: - Von Eltern und Großeltern abstammen, die in einem Zuchtbuch derselben Rasse eingetragen sind;
- bei seiner Geburt gemäß den im Zuchtbuch festgelegten Regeln identifiziert werden;
- eine nach den Regeln des Zuchtbuches gesicherte Abstammung haben.
bb) Durch die 33. ÄnderungsVO hat der BMF die Richtlinie zolltariflich umgesetzt (vgl. dazu Senatsurteil in BFH/NV 1995, 1108). Absatz 1 der Anordnungen betrifft die Bescheinigung, die bereits mit dem Antrag auf Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr vorzulegen ist und aus der sich u.a. auch ergeben muß, daß eine Bestätigung der zuständigen amtlich anerkannten Züchtervereinigung ... vorgelegen hat, daß das Tier sofort oder im Hinblick auf sein Alter erst zu einem späteren Zeitpunkt in das Zuchtbuch oder Zuchtregister eingetragen wird (Absatz 1 Nr. 2 Buchst. c der Anordnungen). Gemäß Absatz 2 der Anordnungen ist die Zollfreiheit des Zuchttieres abgesehen von den in Absatz 1 genannten Voraussetzungen und von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen (Absatz 2 letzter Satz) vom Nachweis abhängig, daß das Zuchttier in das Zuchtbuch oder Zuchtregister eingetragen worden ist (Satz 1). Der Nachweis der Eintragung in das Zuchtbuch oder Zuchtregister ist durch eine Bestätigung der zuständigen amtlich anerkannten Züchtervereinigung oder des zuständigen amtlich anerkannten Zuchtunternehmens zu erbringen (Satz 2). Bei ausgewachsenen Tieren ist die in Satz 2 genannte Bestätigung innerhalb von sechs Monaten nach dem Tag der Überführung in den freien Verkehr der abfertigenden Zollstelle vorzulegen (Satz 3).
Zu dieser Regelung war der BMF befugt, weil für den Begriff reinrassige Zuchtrinder gemeinschaftsrechtlich keine Regelung mit unmittelbarer Wirkung, sondern nur die Richtlinie bestand, die deshalb auch zolltariflich umgesetzt werden mußte (vgl. dazu Lux in Bail/Schädel/Hutter, Kommentar Zollrecht, B/21 Rz. 31; Bundesfinanzhof --BFH-- in BFH/NV 1995, 1108).
Die Regelung in Absatz 2 der Anordnungen, nach der die Abgabenfreiheit von der Vorlage einer von einer privaten Organisation auszustellenden Bescheinigung abhängt, steht Art. 19 Abs. 4 GG --anders als die Klägerin meint-- nicht entgegen. Art. 19 Abs. 4 GG verlangt, daß der Rechtsschutz in allen Fällen einer Verletzung subjektiver Rechte durch die öffentliche Gewalt gewährleistet sein muß. Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Rechtsschutz auch in bezug auf solche Bescheinigungen gewährleistet sein muß, von deren Vorlage ein Akt hoheitlicher Gewalt (die Gewährung einer Abgabenfreiheit) abhängig gemacht wird (vgl. dazu die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Beschluß vom 25. Mai 1993 1 BvR 345/83, BVerfGE 88, 366, 379, das die Frage aber nicht entschieden hat), ist diese Forderung jedenfalls im Falle des Absatzes 2 der Anordnungen erfüllt. Denn nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d des Tierzuchtgesetzes darf eine Zuchtorganisation nur amtlich anerkannt werden, wenn sichergestellt ist, daß jedes Tier, das hinsichtlich seiner Abstammung die Anforderungen für seine Eintragung erfüllt, auf Antrag in das Zuchtbuch eingetragen wird; das gilt ausdrücklich auch für eingeführte Tiere. Damit besteht hinsichtlich der Eintragungsbestätigung, von deren Vorlage die Abgabenfreiheit abhängt, kein rechtsfreier Raum, sondern ein notfalls gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Eintragung eines Tieres als reinrassiges Zuchttier, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt werden. Es ist nicht erforderlich, daß dieser Anspruch auch vor dem Gericht durchgesetzt werden kann, das über die Abgabenbegünstigung entscheidet. Vielmehr ist es im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG ausreichend, daß ein solcher Anspruch überhaupt gerichtlich durchgesetzt werden könnte. Ist diese Voraussetzung wie nach dem Tierzuchtgesetz erfüllt, bestehen keine Bedenken dagegen, daß die Abgabenbegünstigung von der Vorlage der betreffenden Bestätigung abhängig gemacht wird. Das FG hat die Bestätigung nur daraufhin zu prüfen, ob mit ihr hinreichend deutlich das Vorliegen der Voraussetzungen bescheinigt wird, die für die angestrebte Einreihung der Tiere in den KN-Code 0102 10 erfüllt sein müssen.
In Anbetracht dessen, daß nur reinrassige Zuchttiere unter den KN-Code 0102 10 fallen, in das Zuchtbuch aber auch sonstige Zuchttiere eingetragen werden können (§ 2 Nr. 1 des Tierzuchtgesetzes), reicht allein die Bestätigung, daß die Tiere im Zuchtbuch oder Zuchtregister eingetragen sind, nicht aus. Selbst wenn dies in Absatz 2 der Anordnungen nicht ausdrücklich betont worden ist, ergibt sich doch daraus, daß die Anordnungen zu den Codenummern für reinrassige Zuchttiere ergangen sind und die Bestätigung zum Nachweis der Eintragung des Zuchttieres als reinrassig dient, daß sich aus ihr auch die Eintragung im Zuchtbuch als reinrassiges Zuchttier entnehmen lassen muß.
cc) Der Senat folgt dem FG darin, daß sich aus den von ihm in Bezug genommenen Bestätigungen des RZ aus dem Jahre 1992 nicht die Eintragung der Rinder als reinrassige Zuchttiere im Zuchtbuch ergibt und deshalb mit ihnen der erforderliche Nachweis im Sinne von Absatz 2 der Anordnungen nicht erbracht worden ist. Denn darin wird nur bestätigt, daß die Tiere in das Herdbuch aufgenommen und als Zuchttiere registriert, nicht auch, daß sie dort als reinrassig eingetragen worden sind.
Anders als die Klägerin meint, handelt es sich bei diesen Bestätigungen nicht um Willenserklärungen des RZ, sondern um Bestätigungen darüber, daß ein bestimmter Vorgang (Eintragung) stattgefunden hat. Eine solche Bestätigung läßt sich nicht nach den Grundsätzen über die Auslegung einer Willenserklärung auslegen. Vielmehr ist der Wortlaut maßgebend, der im Streitfall nicht zum Ausdruck bringt, daß die eingetragenen Zuchttiere auch als reinrassig eingetragen worden sind. Selbst wenn es im Rahmen des Absatzes 2 der Anordnungen zulässig sein sollte, eine noch nach Ablauf der 6-Monatsfrist etwa erfolgte Präzisierung der Bestätigung anzuerkennen, aus der sich ergäbe, daß die Zuchttiere tatsächlich als reinrassig in das Zuchtbuch eingetragen worden sind, ist jedenfalls den Feststellungen des FG nicht zu entnehmen, daß die Klägerin solche ergänzenden Erklärungen des RZ vorgelegt hat. Vielmehr hat das FG --von der Revision verfahrensrechtlich nicht beanstandet-- ausdrücklich festgestellt, daß die Klägerin bis zum Tag der mündlichen Verhandlung den Nachweis, daß die Tiere als reinrassige Zuchttiere eingetragen wurden, nicht geführt hat. Außerdem hat das FG --ebenfalls von der Revision nicht beanstandet-- festgestellt, daß sich der RZ nach den eigenen Ausführungen der Klägerin in der ersten Instanz geweigert habe, nachträglich die erforderliche Bestätigung (Eintragung als reinrassige Zuchttiere) zu erteilen, obwohl er jedenfalls zu diesem Zeitpunkt ein gegliedertes Herdbuch führte, in dem die Tiere, je nachdem ob sie reinrassig waren oder nicht, in unterschiedliche Abteilungen eingetragen wurden.
b) Da die vorgelegten Bescheinigungen des RZ nicht bestätigen, daß die Tiere als reinrassige Zuchtrinder eingetragen worden sind, mußten die Rinder unter den KN-Code 0102 90 eingereiht werden, was den Verlust der Zoll- und Einfuhrabschöpfungsfreiheit zur Folge hat; diese Eintarifierung führt gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. e letzte Alternative (Nichterfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung einer Einfuhrabgabenfreiheit) ZollschuldVO zur Entstehung der Abgabenschulden. Die Klägerin ist nach Art. 6 ZollschuldnerVO zur Erfüllung der im Zeitpunkt der Überführung der Tiere in den freien Verkehr entstandenen Abgabenschulden (Art. 3 Buchst. e letzte Alternative ZollschuldVO) verpflichtet. Denn bei der für lebende reinrassige Zuchtrinder, die unter den KN-Code 0102 10 einzureihen sind, vorgesehenen Abgabenbegünstigung handelt es sich um eine verwendungsbedingte Abgabenbegünstigung, wenn eine Voraussetzung zu erfüllen ist, die bei Abfertigung der Tiere zum freien Verkehr noch nicht erfüllt war oder erfüllt werden konnte (vgl. dazu Lux in Bail/Schädel/Hutter, a.a.O., F II 1 Rz. 116). Hinsichtlich der Einfuhrabschöpfung finden gemäß § 2 des Abschöpfungserhebungsgesetzes die Vorschriften für Zölle Anwendung.
c) Daraus folgt, daß die nicht erhobenen Zölle und Abschöpfungen grundsätzlich nachzuerheben sind (Art. 2 Abs. 1 NacherhebungsVO), was mit den angefochtenen Steueränderungsbescheiden geschehen ist, die jeweils die --darin genannten-- vorausgegangenen endgültigen Steuerbescheide aufgehoben haben, mit denen die eingeführten Tiere zoll- und abschöpfungsfrei belassen wurden. Dies hat das FG im Ergebnis richtig erkannt.
Nicht ausreichend nachvollziehbar ist aber für den Senat, aufgrund welcher Überlegungen das FG zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Voraussetzungen für einen Vertrauensschutz der Klägerin nach Art. 220 Abs. 2 ZK nicht vorliegen sollen. Ob im Streitfall bereits Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK oder noch Art. 5 Abs. 2 NacherhebungsVO maßgebend ist, weil die Rinder in den freien Verkehr übergeführt worden sind, bevor Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK gemäß Art. 253 ZK am 1. Januar 1994 Geltung erlangte (vgl. dazu Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom 19. Februar 1998 T-142/96, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1998, 201 --vorerst nur ohne Gründe in ABlEG 1998 Nr. C 113/13 veröffentlicht--), kann letztlich dahinstehen, weil beide Vorschriften inhaltsgleich sind.
Nach Art. 5 Abs. 2 NacherhebungsVO können die zuständigen Behörden von der Nacherhebung von Eingangsabgaben absehen, wenn kumulativ folgende drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die Nichterhebung muß auf einem Irrtum der zuständigen Behörden beruhen. Der Abgabenschuldner muß gutgläubig gehandelt haben, d.h. dieser Irrtum darf für ihn nicht erkennbar gewesen sein. Schließlich muß er alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet haben. Sind diese drei Voraussetzungen erfüllt, so hat der Abgabenschuldner nach ständiger Rechtsprechung des EuGH einen Anspruch darauf, daß von einer Nacherhebung abgesehen wird (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Mai 1996 C-153/94 und C-204/94, EuGHE 1996, I-2465, ZfZ 1997, 12). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist aufgrund im Einzelfall zu treffender Feststellungen zu prüfen.
aa) Ohne daß der angefochtenen Vorentscheidung hierzu nähere Feststellungen zu entnehmen sind, ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Irrtum der Zollbehörden jedenfalls nicht vorliegt. Eingehende Feststellungen wären aber diesbezüglich schon deshalb veranlaßt gewesen, weil die angefochtenen Steueränderungsbescheide endgültige Steuerbescheide, und zwar vom ... 1993 zu Beleg Nr. ... und vom ... 1992 zu Beleg Nr. ..., aufgehoben haben, die erst ergangen sind, nachdem jeweils die notwendigen Eintragungsbestätigungen im Jahre 1992 vorgelegt worden sind. Deswegen liegt die Vermutung nahe, daß die Zollbehörden die damals vorgelegten Eintragungsbestätigungen als ausreichend im Sinne von Absatz 2 der Anordnungen angesehen, sich also insoweit aktiv geirrt haben. Gleiches könnte auch schon in bezug auf die mit dem Antrag auf Überführung in den freien Verkehr nach Absatz 1 der Anordnungen vorgelegten Bescheinigungen der obersten landwirtschaftlichen Landesbehörde gelten, die keineswegs unabhängig von der nach Absatz 2 der Anordnungen vorzulegenden Eintragungsbestätigung zu bewerten sind. Denn durch letztere wird nur der Vollzug der nach Absatz 1 Nr. 2 Buchst. c der Anordnungen geforderten Bestätigung der Züchtervereinigung nachgewiesen, daß die Tiere als reinrassig eingetragen werden können, deren Vorliegen die oberste landwirtschaftliche Landesbehörde zu bescheinigen hat.
Zwar läßt sich ein i.S. des Art. 5 Abs. 2 NacherhebungsVO erheblicher Irrtum nicht ohne weiteres aus der bloßen Entgegennahme einer erforderlichen Bescheinigung durch die Zollstelle entnehmen; eine solche steht späteren Prüfungen nicht entgegen (vgl. EuGH, Urteile vom 13. November 1984 Rs. 98 und 230/83, EuGHE 1984, 3763, und EuGH in ZfZ 1997, 12). Es könnte aber sein, daß im Streitfall deswegen von einem aktiven Irrtum der Zollstelle auszugehen ist, weil eine intensivere Prüfung der Bescheinigungen durch den jeweiligen Sachbearbeiter stattgefunden hat, der auf ihrer Grundlage die vorläufigen Steuerbescheide, ohne dem zeitlichen Druck des Abfertigungsverfahrens ausgesetzt gewesen zu sein, für endgültig erklärt hat.
Weiter ist zu bedenken, daß es hinsichtlich dieser Bescheinigungen nicht nur auf einen Irrtum der Zollbehörden, sondern auch auf einen möglichen Irrtum der obersten landwirtschaftlichen Landesbehörde und des RZ ankommt, die die von ihnen erteilten Bescheinigungen, wie die Klägerin vorträgt, ebenfalls als den Anforderungen der Anordnungen genügend angesehen haben. Denn der Begriff der "zuständigen Behörden" i.S. des Art. 5 Abs. 2 NacherhebungsVO umfaßt nicht nur die den Zoll erhebende Behörde, sondern jede Behörde, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit Gesichtspunkte beiträgt, die bei der Zollerhebung zu berücksichtigen sind und so beim Abgabenschuldner ein berechtigtes Vertrauen entstehen lassen kann (EuGH, Urteil in ZfZ 1997, 12, 18 Tz. 88). Hängt die Abgabenfreiheit von der Vorlage der Bescheinigung einer amtlich anerkannten privaten Organisation ab, so wird auch sie von dem Begriff der "zuständigen Behörde" umfaßt, weil der Bescheinigung insoweit ein amtlicher Charakter beigemessen wird. Das Vertrauen der Klägerin darauf, daß die Bescheinigungen ausreichen, wäre allerdings nur dann schützenswert, wenn die Grundlage für ihr Vertrauen gerade von den zuständigen Behörden geschaffen wurde. Ob dies der Fall ist, muß im Einzelfall festgestellt werden. Von Bedeutung könnte in diesem Zusammenhang eine Feststellung dazu sein, ob der RZ amtlich anerkannt wurde, obwohl er ein Zuchtbuch führte, in das Zuchtrinder, ohne daß ihre Reinrassigkeit darin besonders vermerkt wurde, eingetragen wurden.
bb) So wie bereits Feststellungen zum Vorhandensein eines Irrtums fehlen, hat das FG auch keine ausreichenden Feststellungen zur Erkennbarkeit eines etwaigen behördlichen Irrtums durch die Klägerin getroffen. Das Ergebnis, zu dem die Vorinstanz gelangt ist, daß nämlich die Klägerin bei gehöriger Prüfung der Rechtslage selbst ersehen hätte, daß die Eintragungsbescheinigungen des RZ nicht ausreichten, ist ohne Kenntnis der dieser Aussage zugrundeliegenden Feststellungen für den Senat nicht nachvollziehbar.
Liegt ein Irrtum vor, so ist zu prüfen, ob der Abgabenschuldner unter Berücksichtigung der Art des den zuständigen Behörden unterlaufenen Irrtums in Anbetracht seiner Erfahrung und der von ihm zu fordernden Sorgfalt hätte erkennen können, daß sich die zuständigen Behörden geirrt haben. Nur wenn die Prüfung ergäbe, daß dies zu bejahen wäre, läge ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin nicht vor. Im Hinblick darauf, daß die den Zollbehörden vorgelegten Bescheinigungen, die die Eintragungsfähigkeit (Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c der Anordnungen) und die erfolgte Eintragung der Rinder (Absatz 2 der Anordnungen) bestätigen, von der obersten Landesbehörde bzw. der Züchtervereinigung ausgestellt waren und die Zollstellen sie ihren endgültigen Steuerbescheiden zugrunde gelegt haben, wären eingehende Feststellungen dazu veranlaßt gewesen, weshalb gerade die Klägerin die Unzulänglichkeit der Bescheinigungen erkannt hat bzw. hätte erkennen müssen. In diesem Zusammenhang könnte u.a. auch die Frage erheblich sein, ob die eingeführten Rinder überhaupt als reinrassige Zuchtrinder in ein Zuchtbuch hätten eingetragen werden dürfen und welche Kenntnisse die Klägerin diesbezüglich hatte oder hätte haben müssen.
cc) Schließlich ist zu prüfen, ob die Klägerin allen Anforderungen nachgekommen ist, die sich aus den Gemeinschaftsvorschriften über die Zollerklärung und den diese ergänzenden oder umsetzenden nationalen Regelungen entsprochen hat. Sie hätte diese Anforderungen jedenfalls dann erfüllt, wenn sie die unvollständigen Bescheinigungen in gutem Glauben daran, daß mit ihnen der in den Anordnungen geforderte Nachweis erbracht wird, vorgelegt hätte, sofern sie vernünftigerweise nur diese Bescheinigungen von dem amtlich anerkannten RZ erhalten konnte (vgl. EuGH in ZfZ 1997, 12, Ls. 11).
dd) Da die Vorinstanz die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat, ist die Sache nicht spruchreif und deshalb an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Ende der Entscheidung
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