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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.02.2008
Aktenzeichen: VII S 1/08 (PKH)
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, StGB


Vorschriften:

FGO § 78 Abs. 1
FGO § 78 Abs. 2
FGO § 78 Abs. 2 Satz 1
FGO § 128 Abs. 1
FGO § 128 Abs. 2
FGO § 142
FGO § 155
ZPO § 114
StGB § 302a
StGB § 303a
StGB § 336
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag des Antragsstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller), in der Geschäftsstelle des Gerichts mit Hilfe eines von ihm mitgebrachten Kopiergeräts den gesamten Inhalt von Vollstreckungsakten des Finanzamts (FA) zu kopieren, abgelehnt. Zur Begründung weist das FG darauf hin, dass nach § 78 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Anfertigung von Kopien der Gerichtsakten nur durch die Geschäftsstelle vorgesehen ist. Von der angebotenen Möglichkeit, die Kopien ausgewählter Seiten durch den Geschäftsstellenbeamten anfertigen zu lassen, habe der Antragsteller aus Kostengründen keinen Gebrauch gemacht. Im Übrigen sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) das Kopieren des gesamten Akteninhalts zur Erstellung einer "Zweitakte" grundsätzlich unzulässig.

Gegen den Beschluss des FG hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsbeistandes gestellt. Zur Begründung führt er aus, dass das FG in seiner Entscheidung auf einen Aktenvermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Bezug genommen habe, dessen Inhalt ihm unter Verletzung des Gehörsanspruchs nicht bekannt gegeben worden sei. Eine zusätzliche Verletzung von Grundrechten ergebe sich infolge des Nichteingehens auf seine Ausführungen in dem an das FG gerichteten Schreiben vom 6. Oktober 2007. Zudem entspreche der im Beschluss angegebene Zeitrahmen, in dem ihm Einsicht in die Vollstreckungsakten gewährt worden sei, nicht den tatsächlichen Fakten. Das FG habe ihm das Kopieren des gesamten Akteninhalts nicht verweigern dürfen. Das Verfahrensziel bestehe im Nachweis seiner unschuldigen Inhaftierung, der Schadensregulierung und darin, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Zur effektiven Rechtsverfolgung sei es erforderlich, jedes einzelne Schriftstück einer genauen Untersuchung und Bewertung zu unterziehen, u.a. um mögliche Manipulationen an den Schriftstücken selbst feststellen zu können. Nur wenn er über Kopien aller Gerichtsakten verfüge, könne er gegen die mit dem angefochtenen Beschluss befassten Richter Anträge auf Befangenheit stellen. Durch die Ablehnung seines Antrages habe das FG die Rechtswegbeschreitung unter Missachtung von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) in verfassungswidriger Weise eingeschränkt. Zudem habe er beim Sozialgericht im Beisein von Urkundsbeamten über 600 Seiten problemlos mit einem mitgebrachten Kopierer kopieren können, so dass die Entscheidung des FG dem nach Art. 3 Abs. 1 GG zu beachtenden Gleichheitssatz widerspreche.

II. Dem Antragsteller kann PKH nicht bewilligt werden, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Aus diesem Grund kommt auch die Beiordnung eines Notanwalts nicht in Betracht.

1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für den beim BFH als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf PKH besteht kein Vertretungszwang (BFH-Beschluss vom 27. Januar 2003 II S 2/01 (PKH), BFH/NV 2003, 793).

2. Nach der im PKH-Verfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung des Rechtsbegehrens des Antragstellers hat das FG den Antrag, den gesamten Inhalt der Vollstreckungsakten des FA mit einem eigenen Kopierer selbst zu kopieren, zu Recht abgelehnt. Die gegen den Beschluss eingelegte und zulässige Beschwerde kann somit keinen Erfolg haben.

a) Nach § 128 Abs. 1 FGO steht den Beteiligten gegen Entscheidungen des FG, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, die Beschwerde an den BFH zu, soweit es sich nicht gemäß § 128 Abs. 2 FGO um prozessleitende Verfügungen oder um Beschlüsse der dort genannten Art handelt. Die Entscheidungen des FG über die Frage, ob dem Beschwerdeführer, wie von ihm beantragt, gemäß § 78 Abs. 1 FGO Einsicht in die Steuerakten gewährt werden kann, und über die Ablehnung eines Antrages auf Anfertigung von Aktenkopien sind indes keine prozessleitenden Verfügungen i.S. des § 128 Abs. 2 FGO (Senatsbeschlüsse vom 1. August 2002 VII B 65/02, BFH/NV 2003, 59, und vom 25. März 1997 VII B 31/97, BFH/NV 1997, 599, sowie BFH-Beschluss vom 5. Februar 2003 V B 239/02, BFH/NV 2003, 800), so dass diese Vorschrift dem Rechtsbegehren des Antragstellers nicht entgegensteht.

b) Die danach zulässige Beschwerde des Antragstellers hat nach summarischer Prüfung jedoch keine Aussicht auf Erfolg.

Nach § 78 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Das Recht auf Abschriften besteht jedoch nur insoweit, als diese erforderlich sind, die Prozessführung zu erleichtern. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, lässt sich aus § 78 Abs. 2 Satz 1 FGO kein Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der gesamten Gerichtsakten und der gesamten dem Gericht vorgelegten Akten ableiten (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Entscheidungen vom 29. Oktober 1993 XI B 28/93, BFH/NV 1994, 567; vom 15. Juli 1992 II B 29/92, BFH/NV 1993, 111, und in BFH/NV 2003, 800). Dies gilt auch für den Fall, dass ein Beteiligter mit einem eigenen Kopiergerät den gesamten Inhalt der Akten erfassen möchte. Im Streitfall lässt sich weder dem Akteninhalt noch der Beschwerdebegründung entnehmen, dass die Ablichtung des gesamten Akteninhalts mit einem Umfang von drei Bänden und ca. 350 Blatt zur Erleichterung einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist. In seinem Antrag an das FA vom 8. Mai 2007 hat der Antragsteller zur Begründung seines Antrages auf "Akteneinsicht mit Kopierherstellungsmöglichkeit" lediglich ausgeführt, dass er die Kopien benötige zur Wiederaufnahme eines Verfahrens, das zu seiner Verurteilung wegen Unterschlagung geführt habe, zur Vorbereitung eines Buches mit dem Titel "..." und zur Vorbereitung von Flugblattaktionen. Erst in der Beschwerdebegründung hat er darauf hingewiesen, dass er den Verdacht habe, dass an den Vollstreckungsakten Manipulationen vorgenommen worden seien, und dass er die Absicht habe, gegen nicht näher bezeichnete Richter Befangenheitsanträge zu stellen. Der Senat braucht nicht abschließend darüber zu befinden, ob in besonders gelagerten Fällen die ausnahmsweise Erstellung einer kompletten Zweitakte in Betracht gezogen werden könnte. Denn zur Darlegung eines solchen Sonderfalles reicht der nicht näher substantiierte Vortrag des Antragstellers, beim Durchsehen der Aktenteile hätten sich "verdächtige Hinweise" und "nachvollziehbare begründete Befangenheitsbeweise" ergeben, nicht aus.

c) Unabhängig davon, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Anfertigung von Fotokopien der gesamten Vollstreckungsakten hat, lässt sich aus § 78 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht ableiten, dass er beanspruchen kann, dass ihm die Akten zur Erfassung des gesamten Akteninhalts mit Hilfe eines selbst mitgebrachten Kopierers überlassen werden. Wie das FG bereits ausgeführt hat, geht das Gesetz als Regelfall von einer Erteilung der Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften (auch Ablichtungen) durch die Geschäftsstelle aus. Der insoweit eindeutige Wortlaut von § 78 Abs. 2 Satz 1 FGO deutet darauf hin, dass die Anfertigung der Kopien durch den Geschäftsstellenbeamten selbst zu erfolgen hat. Es ist grundsätzlich Sache der Geschäftsstelle, den Akten die zur Anfertigung der Kopien benötigten Blätter zu entnehmen, diese antragsgemäß zu vervielfältigen und dann wieder einzuheften. Ein Anspruch des Beteiligten darauf, die Akten unter Benutzung der gerichtseigenen Kopiergeräte selbst zu kopieren, besteht demnach nicht (so auch Stöcker in Beermann/Gosch, FGO § 78 Rz 42). Dies gilt erst recht, wenn der Beteiligte ein eigenes Kopiergerät mitbringt, das er zur Vermeidung von Kosten einsetzen möchte.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Gewährung von Akteneinsicht und der Bescheidung eines Antrages auf Anfertigung von Fotokopien um Ermessensentscheidungen handelt, die unter Abwägung der Interessen des Gerichts (insbesondere Vermeidung von Aktenmanipulationen und Beschädigungen sowie Gewährleistung der Verfügbarkeit der Akten) und des Beteiligten zu treffen sind (BFH-Beschluss vom 21. April 2005 VIII B 276/04, BFH/NV 2005, 1820). Bei der gebotenen summarischen Überprüfung lässt sich dem Vorbringen des Antragstellers nicht entnehmen, dass aufgrund besonderer Umstände eine Ermessensreduzierung auf null anzunehmen wäre, so dass als einzig rechtmäßige Entscheidung die Gestattung des Einsatzes des eigenen Kopierers und der Ablichtung des gesamten Inhalts der Vollstreckungsakten verbliebe.

d) Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass das FG den Anspruch des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt haben soll. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das mündliche und schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidungsfindung hinreichend gewürdigt hat. Es braucht jedoch in der Begründung seiner Entscheidung nicht auf jedes, auch entfernt liegende Argument eingehen. Auf die pauschalen und nicht näher substantiierten Behauptungen im Schriftsatz vom 6. Oktober 2007, auf den das FG in seiner Entscheidung ausdrücklich verwiesen hat, die Ablehnung des Antrages erfülle die Straftatbestände der §§ 336, 302a und 303a des Strafgesetzbuchs und verletze Art. 2, 3, 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 GG, sowie auf den nicht näher substantiierten Hinweis auf vermeintliche Manipulationen brauchte das FG nicht näher einzugehen. Hinsichtlich des im FG-Beschluss in Bezug genommenen Aktenvermerks der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 15. November 2007 ist darauf hinzuweisen, dass der kurze Inhalt des Vermerks, der Antragsteller habe die Akten von ca. 14 Uhr bis 16 Uhr eingesehen, in der FG-Entscheidung wiedergegeben ist und dass der Antragsteller zu diesem Punkt auch Stellung genommen hat.

Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet, kommt eine Gewährung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsbeistandes nicht in Betracht.

3. Wenn das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers als Antrag auf Bestellung eines Notanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO und nicht als Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts im PKH-Verfahren zu deuten wäre, müsste auch dieser Antrag ohne Erfolg bleiben.

Gemäß § 78b Abs. 1 ZPO hat das Prozessgericht einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, die Partei einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Zur Begründetheit eines Antrages nach § 155 FGO i.V.m. § 78b Abs. 1 ZPO gehört insbesondere, dass der Antragsteller darlegt und glaubhaft macht, dass er zumindest eine gewisse Anzahl von zur Vertretung vor dem BFH befugten Personen vergeblich um die Übernahme des Mandats er sucht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Juni 1995 VII S 6/95, BFH/NV 1995, 1080).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Antragstellers, er habe nur einen Steuerberater und einen Rechtsanwalt um eine Beauftragung anrufen können, wobei diese --im Schriftsatz mit Namen und Anschrift bezeichneten-- Personen sich aus teilweise gleichen und teilweise ungleichen Gründen zur Wahrnehmung der Rechte des Antragstellers nicht in der Lage gesehen hätten, nicht gerecht. Darüber hinaus hat das gegen die finanzgerichtliche Entscheidung gerichtete Rechtsmittel --wie bereits dargelegt-- keine Aussicht aus Erfolg.

4. Eine Kostenentscheidung im PKH-Verfahren ist nicht zu treffen. Bei dem Verfahren zur Beiordnung eines Notanwalts handelt es sich um ein unselbstständiges Zwischenverfahren, für das Gerichtsgebühren nicht entstehen (BFH-Beschluss vom 26. Juli 1995 XI S 14/95, BFH/NV 1996, 157).

Ende der Entscheidung

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