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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.03.2005
Aktenzeichen: VII S 19/04 (PKH)
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 56
FGO § 100 Abs. 1 Satz 1
FGO § 102
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 119 Nr. 6
FGO § 142
ZPO § 114
ZPO § 117 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Nachdem die Antragstellerin, Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) Steuernachzahlungen nicht geleistet hatte und auch Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos verlaufen waren, forderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Klägerin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf. Einspruch und Klage gegen diesen Verwaltungsakt hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Behauptung der Klägerin, ihre Vermögensverhältnisse seien dem FA bekannt gewesen, träfe nicht zu. Aus den von der Klägerin eingereichten Einkommensteuererklärungen lasse sich der aktuelle Vermögensstand nicht entnehmen. Auch die im Einspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen hätten eine zuverlässige Feststellung des Vermögensbestandes nicht zugelassen. Die von der Klägerin zudem vorgelegte eidesstattliche Versicherung habe keine substantiierte Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse enthalten. Aus diesen Gründen habe das FA die Klägerin zu Recht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert.

Mit Telefax vom 23. August 2004 legte der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein und kündigte gleichzeitig die fristgerechte Nachreichung der Beschwerdebegründung an. In einem gesonderten Schriftsatz, der am 25. August 2004 beim Bundesfinanzhof (BFH) einging, beantragte er, der Klägerin für die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Zusätzlich wies er darauf hin, dass die Erklärung der Klägerin über deren persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse sowie die Belege hierzu umgehend nachgereicht würden. Mit Telefax vom 21. September 2004 wurden die angekündigten Unterlagen dem BFH übersandt.

Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ging beim BFH erst nach Ablauf der vom Vorsitzenden verlängerten Begründungsfrist ein. Ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründet die jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit einer überlangen Postlaufzeit. Wie sich aus der beigefügten eidesstattlichen Versicherung des Herrn B ergebe, sei der Brief mehrere Tage vor Fristablauf beim Hauptpostamt der Stadt H eingeliefert worden.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass das FG den vom Bundesverfassungsgericht mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit missachtet habe. Hätte das FG den Sachverhalt gewürdigt und der Klägerin rechtliches Gehör gewährt, wäre die Entscheidung anders ausgefallen. Denn dem FA seien die Vermögensverhältnisse der Klägerin sehr wohl bekannt gewesen. Das FA habe der Klägerin "mehrfach Essengeld erstattet". Hinsichtlich dieses Verteidigungsmittels sei das erstinstanzliche Urteil nicht mit Gründen versehen. Darüber hinaus werfe der Streitfall die Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf, ob Erstattungen von Geldbeträgen durch das FA, welche Rückschlüsse auf die Lebenshaltung des Steuerschuldners zuließen, belegten, dass das FA die Vermögensverhältnisse des Schuldners bereits zuverlässig kenne. Hätte das FA eine solche zuverlässige Kenntnis, sei die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ermessensfehlerhaft. Ergänzend bittet die Klägerin um Beiziehung der Akten eines anderen beim BFH anhängigen Verfahrens und verweist auf den Akten zu entnehmende Ausführungen zu § 100 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem beim Prozessgericht zu stellenden Antrag (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 ZPO). Beantragt der Antragsteller --wie im Streitfall-- PKH für ein fristgebundenes Rechtsmittel, muss er nach ständiger Rechtsprechung des BFH innerhalb der Frist zur Einlegung dieses Rechtsmittels alle Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH und für die Beiordnung eines postulationsfähigen Rechtsbeistandes geschaffen haben. Dazu gehört nicht nur, dass er einen fristgerechten Antrag auf Gewährung von PKH stellt, sondern auch, dass er innerhalb der Beschwerdefrist eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgeschriebenen Formblatt vorlegt (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO, vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Juli 1996 X S 10/96, BFH/NV 1997, 60, und vom 5. November 1996 X B 191/96, BFH/NV 1997, 376).

2. Der PKH-Antrag ist nicht bereits deshalb abzulehnen, weil die Klägerin den Antrag und die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereicht hat. Sofern das Rechtsmittel durch eine postulationsfähige Person eingelegt und begründet worden ist, ist es nach der Rechtsprechung des BFH für die Bewilligung von PKH nicht hinderlich, dass die Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht wird (BFH-Beschluss vom 25. Mai 1994 IV S 3/94, BFH/NV 1994, 899). Denn in diesem Fall hat die Wahrung der Rechtsmittelfrist für das PKH-Verfahren keine entscheidungserhebliche Bedeutung (BFH-Beschluss vom 29. April 1981 IV S 4/77, BFHE 133, 253, BStBl II 1981, 580). Davon ist auch dann auszugehen, wenn bereits der Antrag auf Gewährung von PKH nach Ablauf der Rechtsmittelfrist gestellt wird.

3. Bei der im PKH-Verfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Überprüfung erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht erfolgversprechend, weshalb die begehrte Gewährung von PKH zu versagen ist.

a) Der PKH-Gewährung steht allerdings nicht entgegen, dass die Klägerin die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt hat. Denn die Fristversäumung erfolgte ohne Verschulden der Klägerin, so dass auf ihren Antrag hin gemäß § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre. Nach der Rechtsprechung des BFH können Verzögerungen bei der Briefbeförderung oder der Zustellung, die der Kläger nicht zu vertreten hat, nicht als dessen Verschulden gewertet werden. In dessen Verantwortung liegt nur, das zu befördernde Schriftstück den postalischen Bestimmungen entsprechend und so rechtzeitig zur Post zu geben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Bundespost bei regelmäßigem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht (vgl. BFH-Urteil vom 7. April 1987 IX R 100/83, BFH/NV 1988, 26). Nach den Angaben des mit der Aufgabe zur Post beauftragten Herrn B hat dieser den Brief mit der Beschwerdebegründung im Auftrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mehrere Tage vor Fristablauf zur Post gegeben und sich bei der am Einlieferungsschalter tätigen Postangestellten versichert, dass eine Zustellung noch am folgenden Werktag --und damit noch fristgerecht-- gewährleistet sei. Unter diesen Umständen durfte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf eine fristgerechte Zustellung des Schriftstückes vertrauen.

b) Allerdings hat die Klägerin in der Beschwerdeschrift nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen eines in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Zulassungsgrundes vorliegen.

aa) Soweit die Klägerin rügt, dass das FG die gebotene Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verkannt habe, rügt sie die vermeintlich fehlerhafte materiell-rechtliche Würdigung durch das FG. Dieses Vorbringen kann jedoch nicht zu einer Zulassung der Revision führen. Denn Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 24 und § 116 Rz. 34, jeweils m.w.N.).

bb) Hinsichtlich der Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs wird auch nicht ansatzweise dargelegt, zu welchen Punkten sich die Klägerin nicht hat äußern können und was sie bei Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte. Die bloße Behauptung, dass die Entscheidung dann anders ausgefallen wäre, genügt den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht.

cc) Den Ausführungen der Klägerin ist das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes i.S. von § 119 Nr. 6 FGO nicht zu entnehmen. Mit der Behauptung, das FG habe die Erstattung von Essengeld in der Entscheidung nicht berücksichtigt, wird das Übergehen eines selbstständigen Anspruches bzw. eines selbstständigen Verteidigungsmittels nicht hinreichend belegt. Nach der Rechtsprechung des BFH sind darunter nur die eigenständigen Klagegründe und solche Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu verstehen, die den vollständigen Tatbestand einer mit selbstständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bilden (BFH-Beschluss vom 9. Februar 1977 I R 136/76, BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351). Darüber hinaus hat die Klägerin die von ihr behauptete Erstattung von Essengeld nicht substantiiert vorgetragen, denn aus den beigefügten Umbuchungsmitteilungen des FA lässt sich eine solche Erstattung nicht entnehmen.

dd) Soweit sich die Klägerin auf Darlegungen in einem anderen ebenfalls beim BFH anhängigen Verfahren bezieht, wird nicht ersichtlich, inwieweit dieses Verfahren im Streitfall erheblich sein soll und mit diesem in einem unmittelbaren Zusammenhang steht. Grundsätzlich ist die Nichtzulassungsbeschwerde eigenständig zu begründen. Eine Bezugnahme auf Schriftsätze in einem anderen Verfahren reicht deshalb zur Begründung nicht aus (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625, sowie Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rdnr. 161, m.w.N.).

ee) Der Beschwerdeschrift kann auch die Darlegung einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung nicht entnommen werden. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Die Bedeutung der von der Klägerin aufgeworfenen Frage für die Allgemeinheit wird nicht einmal ansatzweise dargelegt. Das Vorbringen, allein aus der Auseinandersetzung mit Einzelfällen sei Rechtsfortbildung möglich, denn die Summe der Einzelfälle bilde die Allgemeinheit und den Staat als Personengemeinschaft überhaupt, wird den an eine ordnungsgemäße Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung zu stellenden Anforderungen in keiner Weise gerecht. Unabhängig davon wäre die von der Klägerin aufgeworfene Frage auch nicht klärungsfähig, denn sie könnte nur einzelfallbezogen beantwortet werden. Auch vermag der beschließende Senat nicht zu erkennen, inwieweit die behauptete Erstattung von bestimmten Geldbeträgen durch das FA zuverlässige Rückschlüsse auf die Vermögensverhältnisse der Klägerin zulassen könnte, so dass eine Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als ermessenswidrig angesehen werden müsste.

4. Insgesamt ist damit nach der gebotenen summarischen Prüfung kein Grund für eine Zulassung der Revision erkennbar, so dass die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Entscheidung über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde stellt der Senat bis vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses zurück, um der Klägerin die Möglichkeit einzuräumen zu prüfen, ob sie ggf. ihre Beschwerde zur Einsparung von Gerichtsgebühren zurücknehmen möchte.

Ende der Entscheidung

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