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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.10.2003
Aktenzeichen: VII S 20/03 (PKH)
Rechtsgebiete: FGO, KraftStG, StVZO, GG


Vorschriften:

FGO § 62a
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 118 Abs. 2
FGO § 124 Abs. 2
FGO § 128 Abs. 2
KraftStG § 2 Abs. 2 Satz 2
KraftStG § 9
KraftStG § 9 Abs. 1
KraftStG § 9 Abs. 1 Nr. 2
KraftStG § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
KraftStG § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c
StVZO § 47
StVZO § 47 Abs. 3
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der beschließende Senat versteht den von den Klägern und Antragstellern (Kläger) gestellten Prozesskostenhilfeantrag dahin, dass diese Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines zum Auftreten vor dem Bundesfinanzhof (BFH) nach § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) befugten Vertreters für die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) vom ... begehren, welche Beschwerde die Kläger bereits zu dem Az. ... offenbar in der Erwartung anhängig gemacht haben, der ihnen beigeordnete Vertreter werde die bislang unwirksame Rechtsmitteleinlegung genehmigen. Die in der Antragsschrift angegebenen Aktenzeichen ... und ... betreffen andere --mit heutigem Beschluss vom Senat rechtskräftig abgeschlossene-- Verfahren, für welche die Kläger offenbar keine PKH begehren wollen und für die sie im Übrigen PKH auch nicht hätten erhalten können.

Der Antrag auf Gewährung von PKH für eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das vorgenannte Urteil des FG ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung --ZPO--).

Die Revision gegen das Urteil des FG kann nach § 115 Abs. 2 FGO nur dann zugelassen werden, wenn einer der dort abschließend genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt. Zu den von diesen im Streitfall ernsthaft in Betracht zu ziehenden Gründen gehört in erster Linie der in Nr. 1 genannte, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die hier strittige Rechtssache hat indes keine grundsätzliche Bedeutung, insbesondere nicht unter den Gesichtspunkten, unter denen die Kläger in ihrer Verfassungsbeschwerde, auf deren Begründung sie sich für ihren PKH-Antrag berufen, den Bescheid des Beklagten (das Finanzamt --FA--) angegriffen haben.

Im Einzelnen ist dazu Folgendes zu bemerken:

Es bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren und ist keine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, ob die für die Besteuerung des Fahrzeuges der Kläger einschlägige Vorschrift, nämlich § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG), mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) vereinbar ist. Denn diese Frage ist ohne weiteres zu bejahen. § 9 Abs. 1 KraftStG legt in seiner Nr. 2 gestaffelte Steuersätze für Personen-Kfz fest. Diese zuletzt durch das Gesetz vom 19. Dezember 2000 (BGBl I, 1790) geänderte, im Wesentlichen jedoch durch das Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz 1997 --KraftStÄndG 1997--(BGBl I 1997, 805) gestaltete Steuerstaffel sieht --jeweils für 100 ccm Hubraum und gesondert für Otto- und Dieselmotoren-- gestaffelte Steuersätze vor je nachdem, in welchem Umfang ein Fahrzeug Schadstoffe emittiert. Dabei ist für die Beurteilung der Schadstoffemissionen sowie für die in der Steuerstaffel des § 9 KraftStG in Bezug genommene Beurteilung als schadstoffarm ebenso wie für die Feststellung sonstiger Besteuerungsgrundlagen technischer Art nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG allein das Urteil der Verkehrsbehörde maßgeblich, die das Vorliegen oder Nichtvorliegen solcher Besteuerungsgrundlagen --anders als in der Regel das FA-- am besten beurteilen kann.

Nach den Feststellungen des FG, die in einem künftigen Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO für den BFH bindend wären, ist das Fahrzeug der Kläger --ausgedrückt durch die Vergabe der Schlüsselnummer 77 in der verkehrsrechtlichen Zulassung und eine entsprechende Eintragung in dem Fahrzeugschein in der Rubrik "Fahrzeug- und Aufbauart"-- als ein solches beurteilt worden, dessen Emissionswerte der Kategorie "Schadstoffarm E2/nachgerüstet" entsprechen. Diese rechtliche Beurteilung hat ihre Grundlage nicht im Steuerrecht, sondern im Verkehrsrecht, hier der 52. Verordnung über Ausnahmen von den Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung --StVZO-- (BGBl I 1996, 1319), wonach bestimmte, nachträglich mit einem Abgasreinigungssystem ausgestattete Fahrzeuge als schadstoffarm gelten, obwohl sie die Anforderungen an schadstoffarme Fahrzeuge, die in § 47 Abs. 3 StVZO definiert sind, an sich nicht erfüllen. Die Beurteilung ist, wie erwähnt, für das FA bindend; ihre Richtigkeit könnte nur im Verwaltungsrechtsweg angefochten werden. Die Emissionswerte von Fahrzeugen, die nach der vorgenannten Verordnung als schadstoffarm gelten wollen, um gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KraftStG besteuert werden zu können, dürfen nach deren § 1 Satz 2 Nr. 2 die in Nummer 7.1.1 des Anhanges III der Richtlinie 70/220/EWG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 76 S. 1, neu gefasst durch die Richtlinie 93/59/EWG, ABlEG 1993 Nr. L 186 S. 21) für die Fahrzeugklasse M angegebenen Grenzwerte nicht übersteigen (Masse des Kohlenmonoxids 3,16 g/km, Summe der Massen der Kohlenwasserstoffe und Stickoxide 1,13 g/km, Partikelmasse 0,18 g/km). Ihr Emissionsverhalten entspricht folglich nicht dem Emissionsverhalten derjenigen Fahrzeuge, die steuerrechtlich nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KraftStG behandelt werden, welche Vorschrift nämlich unter anderem voraussetzt, dass die in der Richtlinie 94/12 der Europäischen Gemeinschaften --EG-- (ABlEG 1994 Nr. L 100 S. 42) unter Nr. 5.3.1.4 für die Fahrzeugklasse M aufgeführten Schadstoffgrenzwerte eingehalten werden (Masse des Kohlenmonoxids 2,2 g/km, Summe der Massen der Kohlenwasserstoffe und Stickoxide 0,5 g/km). Dementsprechend werden die von der vorgenannten 52. Ausnahmeverordnung zur StVZO erfassten Fahrzeuge im Schrifttum der sog. Euro-1-Norm zugeordnet, während Fahrzeuge, die nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KraftStG besteuert werden wollen, der sog. --strengeren-- Euro-2-Norm entsprechen müssen (vgl. Recktenwald, Umsatz- und Verkehrsteuer-Rundschau 1997 S. 185, 188 ff.).

Trifft danach die von den Klägern in ihrer Verfassungsbeschwerde erhobene Behauptung nicht zu, auch die Fahrzeuge der Schlüsselnummer 77 --wie das ihre-- gehörten der Euro-2-Gruppe an, so ist ihrer Rüge die Grundlage entzogen, es verstoße gegen den Gleichheitssatz, von der Verkehrsbehörde als schadstoffarm E2/nachgerüstet eingestufte Fahrzeuge --allein deshalb, weil sie mit einem Abgasreinigungssystem nachgerüstet worden sind-- höher zu besteuern als Fahrzeuge nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KraftStG besteuert werden, die (von vornherein) der Abgasnorm Euro-2 genügten.

Soweit die Kläger ferner rügen, dass eine Anerkennung als schadstoffarm für nach dem 1. Oktober 1995 erstmals in den Verkehr gekommene Fahrzeuge im Falle der Nachrüstung mit einem Abgasreinigungssystem nicht gewährt werde, ist nicht erkennbar, inwiefern die Kläger von dem insofern angeblich vorliegenden Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG betroffen sein könnten; denn abgesehen davon, dass ihr Fahrzeug bereits 1985 erstmals in den Verkehr gekommen ist, ist ihnen eine steuerliche Begünstigung aufgrund dessen relativ günstiger Emissionswerte gerade gewährt worden, obwohl diese Werte erst aufgrund der Nachrüstung des Fahrzeuges mit einem Abgasreinigungssystem erzielt worden sind.

Die von den Klägern erstrebte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung käme schließlich auch nicht deshalb in Betracht, weil § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG, wie die Kläger meinen, überhaupt nicht verstanden, geschweige denn nachvollzogen werden könne. Dass dieser Vorwurf --unbeschadet der allerdings beträchtlichen Kompliziertheit in einschlägigen Vorschriften-- nicht zutrifft, hat der beschließende Senat bereits in seinem Urteil vom 5. März 2002 VII R 18/01 (BFHE 198, 155, BStBl II 2002, 398) entschieden. Er hat dabei darauf hingewiesen, dass § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG zwar aus einer Fülle von (stillschweigenden) Verweisungen auf die StVZO besteht, insbesondere § 47 StVZO und Anlage XXIV zur StVZO, sowie u.a. auf die eben schon erwähnten und weitere Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, die von den eben genannten straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften ebenfalls in weitem Umfange in Bezug genommen werden und ihrerseits komplexe, in umfangreichen Anlagen gefasste Vorschriften enthalten. Diese Vorschriften, in deren Komplexität sich freilich die Komplexität der wirtschaftlichen und technischen Zusammenhänge spiegelt und bei deren Nachvollzug fachkundiges Spezialschrifttum --seiner Aufgabe entsprechend-- zu Rate gezogen werden kann (vgl. u.a. Recktenwald, a.a.O., sowie Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, Kommentar), sind indes bei Entschlüsselung ihrer Verweisungsketten in der Rechtsfolgeanordnung eindeutig und daher aus der Sicht des Rechtsstaatsprinzips im Ergebnis nicht zu beanstanden; ihr praktischer Vollzug wird zudem durch die Vergabe bereits erwähnter Schlüsselnummern seitens der Verkehrsverwaltung erleichtert. Es gibt kein weitergehendes Gebot, dass Rechtsvorschriften ungeachtet der Komplexität des zu regelnden Lebensbereichs so gestaltet werden müssen, dass jedermann, auch wenn er mit der Materie nicht vertraut ist, sie ohne weiteres verstehen und ohne fachkundige Hilfe zu Rate zu ziehen anwenden kann, und dass der Gesetzgeber folglich gegebenenfalls auf die ihm an sich wünschenswert erscheinende differenzierte Regelung eines Lebensbereichs verzichten muss, wenn diese "komplizierte", sich nicht jedermann ohne weiteres erschließende Vorschriften zu erlassen erfordern würde.

Die Zulassung der Revision käme ferner auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen eines Verfahrensmangels, auf dem das Urteil des FG beruhen kann, in Betracht. Die Kläger rügen insofern, dass das Gericht ihren Befangenheitsantrag, der sich gegen sämtliche Berufsrichter des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers richtete, "negiert" habe, ohne den Ausgang des Verfahrens über die sofortige Beschwerde beim BFH abzuwarten, die die Kläger erst im Nachhinein hätten einlegen können. Mit diesem Vorbringen können die Kläger indes nicht durchdringen. Abgesehen davon, dass das FG die Befangenheitsanträge mit triftigen Gründen zurückgewiesen hat, übersehen die Kläger, dass nach § 128 Abs. 2 FGO Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen (wegen Befangenheit) mit der Beschwerde nicht angefochten werden können. Der Beschluss des FG über die Ablehnung der Befangenheitsanträge der Kläger ist im Übrigen von diesen auch nicht angefochten worden. Folglich könnten die Kläger auch im Rahmen der Revision die unrichtige Beurteilung ihrer Befangenheitsanträge nach § 124 Abs. 2 FGO grundsätzlich nicht rügen, weil nach dieser Vorschrift der Beurteilung nur solche dem Endurteil vorausgegangene Entscheidungen des FG unterliegen, die nicht nach den Vorschriften der FGO unanfechtbar sind.

Ende der Entscheidung

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