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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.01.2007
Aktenzeichen: VII S 23/06 (PKH)
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, AO 1977
Vorschriften:
FGO § 51 Abs. 1 | |
FGO § 62a | |
FGO § 115 Abs. 2 | |
FGO § 116 Abs. 2 Satz 1 | |
FGO § 142 | |
ZPO § 42 Abs. 2 | |
ZPO § 114 Satz 1 | |
ZPO § 758a Abs. 5 | |
AO 1977 § 250 Abs. 1 Satz 2 | |
AO 1977 § 287 Abs. 6 |
Gründe:
I. Im Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) hatte sich der Antragsteller gegen die aufgrund von Amtshilfeersuchen eingeleitete Vollstreckung, insbesondere die Weigerung des Beklagten (Finanzamt --FA--), Abschriften der Amtshilfeersuchen zu erteilen, gegen das Erwirken eines Durchsuchungsbeschlusses beim Amtsgericht (AG) und die Durchführung der Durchsuchung selbst gewandt. Nachdem das FA in der mündlichen Verhandlung die begehrten Abschriften übergeben hatte und die Beteiligten die Hauptsache insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, wies das FG die verbleibenden Anträge, festzustellen, dass das FA für die Vollstreckung von Gerichtskosten des Bayerischen Verwaltungsgerichts M nicht zuständig sei, es rechtswidrig die Erteilung von Abschriften verweigert, den Durchsuchungsbeschluss erwirkt und die Durchsuchung nach Ablauf der dafür gesetzten Frist durchgeführt habe, ab. Den Antrag, die Rechtswidrigkeit der Erwirkung des Durchsuchungsbeschlusses festzustellen, sah es als unzulässig an, im Übrigen fehle es an der Begründetheit. Die Vollstreckbarkeit der den Amtshilfeersuchen zu Grunde liegenden Ansprüche habe die ersuchte Vollstreckungsbehörde nicht zu prüfen, die örtliche Zuständigkeit ergebe sich aus dem Wohnsitz des Antragstellers, die sachliche Zuständigkeit des FA aus dem Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (BayVwZVG). Zur Durchsuchung sei das FA aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses berechtigt gewesen, da die Sechs-Monats-Frist mit Ausfertigung des Beschlusses beginne und noch nicht verstrichen gewesen sei. Die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens erlegte das FG dem Antragsteller auf, da er mit seinem auf Erteilung der Abschriften gerichteten Antrag nach den einschlägigen Vorschriften der Abgabenordnung (AO) keinen Erfolg gehabt hätte. Die Revision ließ das FG nicht zu.
Um einen Fachanwalt mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beauftragen zu können, hat der Antragsteller unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse selbst beantragt, ihm wegen Mittellosigkeit Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren. Er begründet "die zu prüfende Erfolgsaussicht für einen Vollstreckungsschutz mit noch unwirksamen Ausgangsentscheidungen und unzulässigen Rechtsweges in Hinsicht auf Gerichtskosten". Auch sieht er im Hinblick auf die Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde "die gebotene Fortbildung des Rechts in Verbindung mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Sicherung einheitlicher Rechtsprechung da, wo nach landesrechtlicher und -relevanter Entscheidung des FG Bremen nunmehr das SächsFG allenfalls nach Landesrecht eines Dritten eine übergreifende Entscheidung wider ersterer traf und einzig höchstrichterlich entscheidbar ist, welches der beiden v.g. Finanzgerichte Bundesrecht hinreichend beachtete".
Im Übrigen erhob er zur Vermeidung weiterer vorsätzlich unrichtiger Rechtsanwendung "vorsorglich Ablehnungsantrag zum VRaBFH Dr. X und zu den RaBFH Dr. Y und Dr. Z", weil der Senat in vorangegangenen Verfahren "mit kostenpflichtiger Unzulässigkeitserkennung mangels Postulationserfordernis ... demonstrativ-rechtswidrig überging, dass Beschlüsse der Finanzgerichte nach wie vor nicht unter das Postulationserfordernis fallen".
II. A. Der Befangenheitsantrag gegen die vom Antragsteller benannten Richter ist unzulässig.
1. Der Antrag kann deshalb in der vorliegenden Besetzung des Senats --unter Beteiligung von zwei der abgelehnten Richter-- beschieden werden.
Das Gericht kann über ein Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter entscheiden, wenn es das Gesuch für missbräuchlich oder aus sonstigen Gründen für offenbar unzulässig hält (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Februar 2002 I B 109, 111, 113/00, BFH/NV 2002, 1161).
2. Nach § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt. Durch das Institut der Richterablehnung sollen die Beteiligten vor Unsachlichkeit geschützt werden. Es ist aber kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, gleichgültig, ob diese Ansichten formelles oder materielles Recht betreffen. Aus der im Rahmen einer früheren richterlichen Entscheidung vertretenen, für den Betroffenen ungünstigen Rechtsansicht allein kann selbst dann kein Ablehnungsgrund hergeleitet werden, wenn diese Auffassung falsch sein sollte. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Gründe dargetan sind, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1996 I B 100/94, BFH/NV 1997, 369, m.w.N.). Anhaltspunkte dafür hat der Antragsteller nicht vorgebracht.
B. Der zulässige Antrag auf Gewährung von PKH wird abgelehnt, weil die vom Antragsteller beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Dem beim Prozessgericht zu stellenden Antrag (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 ZPO). Hierbei hat der Prozessbeteiligte die dafür eingeführten amtlichen Vordrucke zu benutzen.
Für den beim BFH als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf PKH besteht kein Vertretungszwang (§ 78 Abs. 5, § 117 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO; BFH-Beschluss vom 13. Juli 1995 VII S 1/95, BFH/NV 1996, 10).
2. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht bereits deshalb erfolglos, weil die Beschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem BFH vertretungsbefugte Person oder Gesellschaft i.S. des § 62a FGO erhoben worden ist. Denn einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden.
Für eine Wiedereinsetzung ist aber erforderlich, dass der Antragsteller alles ihm Zumutbare unternimmt, um das in seiner Mittellosigkeit liegende Hindernis zu beheben. Er muss innerhalb dieser Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen. Der Senat lässt offen, ob der Vortrag des Antragstellers diesem Erfordernis genügt, insbesondere ob ihm bei wohlverstandener Auslegung einer ggf. auch laienhaften Darstellung ein Grund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO für die Zulassung der Revision entnommen werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Oktober 2003 X S 9/03 (PKH), BFH/NV 2004, 221). Denn die durch Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet auch bei einer von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe für eine Zulassung der Revision keine Aussicht auf Erfolg.
Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH.
a) Soweit das FG die Klage auf Feststellung, dass das Erwirken des Durchsuchungsbeschlusses rechtswidrig sei, als unzulässig verworfen hat, bedarf es einer höchstrichterlichen Überprüfung schon deshalb nicht, weil diese Entscheidung richtig ist. Die Frage, ob der Durchsuchungsbeschluss erwirkt werden durfte, hat das AG mit dem Erlass des Beschlusses bejaht. Für dessen Überprüfung ist nur der Zivilrechtsweg gegeben.
b) Soweit das FG die Feststellungsbegehren für unbegründet gehalten hat, handelt es sich um Rechtsanwendung im Einzelfall, die zu überprüfen nicht zu den in § 115 Abs. 2 FGO abschließend formulierten Aufgaben der Revisionsinstanz gehört. Auch das Vorbringen des Antragstellers lässt keinen revisionsrechtlichen Klärungsbedarf erkennen.
aa) So ist geklärt, dass eine nicht zu verkündende Entscheidung wie die Durchsuchungsanordnung des AG (§§ 758a, 329 ZPO) nicht vor dem Zeitpunkt erlassen ist, in dem das Gericht sich seiner in einer der Verkündung vergleichbaren Weise entäußert hat. Dies setzt zumindest voraus, dass die Geschäftsstelle den Beschluss ausgefertigt und zwecks Bekanntgabe zum Abtragen bereitgelegt hat (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 1. April 2004 IX ZR 117/03, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2004, 1259, m.w.N.). Erst von diesem Zeitpunkt an kann der Lauf einer im Beschluss genannten Frist beginnen.
bb) Nicht klärungsbedürftig, weil unmittelbar aus § 250 Abs. 1 Satz 2 AO ersichtlich, ist auch, dass Einwendungen, die die Voraussetzungen der Vollstreckung betreffen, nur gegenüber der die Vollstreckung anordnenden Behörde geltend gemacht werden können.
cc) Auch die Erwägungen des FG zur Zuständigkeit des beklagten FA für die Vollstreckung von Gerichtskosten sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
(a) Das FG hat zutreffend festgestellt, dass die vom Antragsteller für einschlägig gehaltene Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO) die Beitreibung von Gerichtskosten durch die Gerichtskassen nur für den Fall regelt, dass diese durch Justizbehörden --sei es des Bundes oder der Länder-- einzuziehen sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz JBeitrO). Die weiteren Ausführungen, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern nicht in die Zuständigkeit der Landesjustizverwaltung falle mit der Folge, dass deren Gerichtskosten nach dem BayVwZVG durch die Finanzämter vollstreckt werden (vgl. Art. 53 der Verfassung des Freistaates Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1998 i.V.m. § 3 der Verordnung über die Geschäftsverteilung der Bayerischen Staatsregierung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. April 2001, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2001, 161, und Art. 18 Abs. 1, Art. 24, Art. 25 BayVwZVG), ist als Anwendung bayrischen Landesrechts nicht revisibel (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 14, 16, m.w.N.).
(b) Anders als der Antragsteller offenbar meint, weicht die Entscheidung des FG auch nicht von dem Urteil des FG Bremen (Beschluss vom 28. Februar 1994 293342E 2, Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 584) ab. Das FG Bremen äußert sich in dieser Entscheidung ausschließlich zur Anwendbarkeit der JBeitrO auf die Vollstreckung von Gerichtskosten von (Finanz-)Gerichten, die in den jeweiligen Ländern (anders als in Bayern) zum Zuständigkeitsbereich der Justizverwaltung gehören.
c) Auch die Rüge, der Durchsuchungsbeschluss sei dem Antragsteller nicht zugestellt worden, richtet sich im Grunde gegen die rechtliche Würdigung des FG, dass das FA zur Durchsuchung berechtigt gewesen sei. Da die Durchsuchung nach § 287 Abs. 6 AO, § 758a Abs. 5 ZPO aber bereits mit dem Vorzeigen der Anordnung --also unabhängig von der vorherigen Zustellung-- gestattet ist (Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 758a Rz 18), war dieser Einwand im Übrigen für die Entscheidung des FG nicht erheblich.
d) Schließlich könnten auch die der Kostenentscheidung nach Erledigung der --auf Erteilung der Abschriften der Amtshilfeersuchen gerichteten-- Hauptsache zugrunde liegenden Erwägungen des FG die Revisionszulassung nicht rechtfertigen, da die Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig ist, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde in der Hauptsache keinen Erfolg haben kann (§ 145 FGO; BFH-Beschluss vom 18. März 1994 III B 543/90, BFHE 173, 506, BStBl II 1994, 473, m.w.N.).
3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO, § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO; BFH-Beschluss vom 17. September 2002 X S 4/02 (PKH), BFH/NV 2003, 73).
Ende der Entscheidung
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