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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.01.2009
Aktenzeichen: VII S 24/08 (PKH)
Rechtsgebiete: InsO, FGO, UStG


Vorschriften:

InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 131
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
UStG § 15 Abs. 1
UStG § 16 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter in dem im August 2005 beantragten und im Dezember 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. X-Bau GmbH (Schuldnerin).

Aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung der Schuldnerin für das II. Quartal 2005 hatte sich ein Guthaben in Höhe von ... EUR ergeben, gegen das das beklagte Finanzamt (FA) mit offenen Umsatzsteuer-Forderungen für das Jahr 2000 zuzüglich Säumniszuschlägen die Aufrechnung erklärte. Nach vom Antragsteller erklärter Anfechtung dieser Aufrechnung erließ das FA einen entsprechenden Abrechnungsbescheid für die Umsatzsteuer des II. Quartals 2005, der ein durch Aufrechnung auf 0 EUR getilgtes Guthaben der Schuldnerin auswies.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der der Antragsteller für das II. Quartal 2005 die Feststellung eines Umsatzsteuer-Guthabens der Schuldnerin in Höhe von ... EUR begehrte, wies das Finanzgericht (FG) ab. Das FG urteilte, dass das FA --entgegen der vom Antragsteller vertretenen Ansicht-- die Aufrechnungsmöglichkeit nicht durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt habe (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 der Insolvenzordnung --InsO--). Zum einen liege keine anfechtbare Rechtshandlung vor, denn insoweit komme --wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgingen-- nur die Erbringung von Lieferungen oder Leistungen durch andere Unternehmen an die Schuldnerin innerhalb der letzten drei Monate vor Insolvenzantragstellung in Betracht, da ohne diese die Vorsteuererstattungsansprüche und damit das Guthaben der Schuldnerin aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das II. Quartal 2005 nicht entstanden wären. Dadurch seien aber die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit nicht benachteiligt worden, denn die gesamten Forderungen der nicht bevorrechtigten Insolvenzgläubiger seien um den aufgerechneten Betrag gemindert worden. Zum anderen seien die Rechtshandlungen allenfalls nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO (kongruente Deckung) anfechtbar, dessen Voraussetzungen aber nicht vorlägen, weil dem FA im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht bekannt gewesen sei.

Hiergegen hat der Antragsteller Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, die er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt und für die er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung, die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das FG-Urteil vom 28. Mai 2008 4 K 102/07, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114, § 116 Satz 2 der Zivilprozessordnung).

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde im Stil einer Revisionsbegründung gegen die Auffassung des FG, dass keine die Insolvenzgläubiger benachteiligende Rechtshandlung und somit kein Fall einer inkongruenten Deckung gemäß § 131 InsO vorliege. Er wendet sich damit gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird.

1. Mit dem Beschwerdevorbringen, dass der Bundesfinanzhof (BFH) zur Frage der "Beurteilung der Aufrechnung als kongruente Deckung oder inkongruente Befriedigung" bislang nicht hat "umfassend Stellung nehmen können", wird keine abstrakte Rechtsfrage formuliert, geschweige denn substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingegangen, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt.

2. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfasst zunächst die Fälle der sog. Divergenzrevision im Sinne der dazu von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien (Senatsbeschluss vom 14. Februar 2002 VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798; BFH-Beschluss vom 5. Juli 2002 XI B 136/01, BFH/NV 2002, 1479, m.w.N.). Zu der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendigen Darlegung dieser Zulassungsvoraussetzungen gehört, dass die Entscheidung des BFH, von der nach der Behauptung des Beschwerdeführers das Urteil des FG abweicht, genau bezeichnet wird und dass kenntlich gemacht werden muss, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegen soll. Dem ist nur genügt, wenn abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze der Divergenzentscheidung(en) des BFH so genau bezeichnet und gegenübergestellt werden, dass eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, 480, m.w.N.; vom 29. Juni 1987 X B 26/87, BFH/NV 1988, 239).

Diesen Anforderungen wird der Antragsteller mit seiner Beschwerdebegründung nicht gerecht, indem er lediglich auf das Senatsurteil vom 16. November 2004 VII R 75/03 (BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193) verweist und meint, dass sich das FG mit jenem Urteil "nicht in dem gebotenen Maße" auseinandergesetzt und die Rechtsgrundsätze fehlerhaft angewendet habe. Eine Abweichung von dem genannten Senatsurteil ist im Übrigen auch nicht erkennbar, da es sich nicht mit der Unterscheidung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung befasst.

3. Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert darüber hinaus auch dann eine Entscheidung des BFH, wenn die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage nur durch eine Entscheidung des BFH gesichert werden kann. Letzteres kann der Fall sein, wenn dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts Fehler von so erheblichem Gewicht unterlaufen sind, dass sie, würden sie nicht von einem Rechtsmittelgericht korrigiert, geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2002, 798; vom 7. Juli 2004 VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896). Im Streitfall ist es jedoch weder dargelegt noch ersichtlich, dass dem FG ein solcher Rechtsfehler unterlaufen ist.

4. Jedenfalls liegen die mit der Beschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor, weil das angefochtene FG-Urteil im Ergebnis richtig ist (vgl. zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 126 Abs. 4 FGO im Beschwerdeverfahren: Senatsbeschluss vom 8. Januar 1998 VII B 102/97, BFH/NV 1998, 729, m.w.N.).

Anders als der Antragsteller und das FA meinen und es das FG offenbar für möglich hält, sind die der Schuldnerin erbrachten Lieferungen und sonstigen Leistungen anderer Unternehmer schon deshalb keine nach §§ 129 ff. InsO anfechtbaren Rechtshandlungen, weil durch diese die Schuldnerin keinen Vorsteuervergütungsanspruch und das FA keine Aufrechnungsmöglichkeit erlangt hat.

Ein einzelner in der Rechnung eines leistenden Unternehmers ausgewiesener Vorsteuerbetrag führt nicht zu einem Vorsteuervergütungsanspruch, sondern allein zu einem Anspruch auf Vorsteuerabzug, wie sich aus § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ergibt. Einzelne Vorsteuerbeträge sind umsatzsteuerrechtlich lediglich unselbständige Besteuerungsgrundlagen, die bei der Berechnung der Umsatzsteuer mitberücksichtigt werden und in die Festsetzung der Umsatzsteuer eingehen. Erst wenn sich aus der mit der Steueranmeldung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG vorzunehmenden Saldierung ein Guthaben des Steuerpflichtigen ergibt, besteht ein erfüllbarer Anspruch, gegen den die Aufrechnung mit Steuerforderungen erklärt werden kann, sofern die übrigen Aufrechnungsvoraussetzungen vorliegen (Senatsurteile vom 16. Januar 2007 VII R 7/06, BFHE 216, 390, BStBl II 2007, 745, und VII R 4/06, BFHE 216, 385, BStBl II 2007, 747, jeweils m.w.N.).

Auch im Streitfall hat daher die Schuldnerin das Umsatzsteuer-Guthaben nicht durch die an sie erbrachten und in Rechnung gestellten Lieferungen und sonstigen Leistungen anderer Unternehmer erlangt, sondern durch ihre Umsatzsteuer-Voranmeldung für das II. Quartal 2005, in der sie --wie es § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG erfordert-- die in den Besteuerungszeitraum fallenden Vorsteuerbeträge von der berechneten Umsatzsteuer abzusetzen hatte. Die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung (§ 18 UStG) und die darin vorzunehmende Saldierung sind vom Gesetz geforderte Handlungen des Unternehmers und keine i.S. der §§ 129 ff. InsO die Insolvenzgläubiger benachteiligende Rechtshandlungen, deren Wirksamkeit durch den Insolvenzverwalter im Wege der Anfechtung beseitigt werden könnte (vgl. Senatsurteil in BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193).

Der von Seiten des FA erklärten Aufrechnung mit offenen Umsatzsteuerforderungen standen somit keine insolvenzrechtlichen Hindernisse entgegen.



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