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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 10.07.2007
Aktenzeichen: VII S 25/07 (PKH)
Rechtsgebiete: FGO, VwVG, ZPO, SGB X, AO


Vorschriften:

FGO § 67 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 142
VwVG § 3 Abs. 2 Buchst. a
VwVG § 4 Buchst. b
ZPO § 114
SGB X § 66 Abs. 1 Satz 1
AO § 249 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Antragstellers (Antragsteller), mit der er sich nach Auffassung des FG inhaltlich gegen die Rechtmäßigkeit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung wendet, als unzulässig abgewiesen und eine vom Antragsteller im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgenommene Klageänderung, mit der er nunmehr von der Bundesagentur für Arbeit die Herausgabe eines gepfändeten Geschäftsanteils an die vermeintlich wahre Eigentümerin begehrt, als nicht sachdienlich zurückgewiesen. Die zuvor beim Amtsgericht (AG) angebrachte Klage ist von diesem mangels Zuständigkeit an das FG weiterverwiesen worden.

Zur Begründung seiner Entscheidung führt das FG aus, dass der Verweisungsbeschluss nicht offensichtlich rechtswidrig sei. Auch nach Änderung des Klageantrages wende sich der Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung. In der mündlichen Verhandlung habe er aber ausdrücklich hervorgehoben, dass er diese Verfügung des Hauptzollamtes (HZA) nicht anzugreifen gedächte. Soweit er geltend mache, die Bundesagentur für Arbeit sei nicht berechtigt, das HZA mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung zu beauftragen, handele es sich um einen Einwand, der sowohl vom FG im Verfahren 7 K 3498/01 als auch vom Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Beschluss vom 30. September 2002 VII S 16/02 (PKH) (BFH/NV 2003, 142) als rechtlich unzutreffend zurückgewiesen worden sei.

Das ursprüngliche Klagebegehren sei gegen den falschen Beklagten gerichtet, so dass die Klage unzulässig sei. Da mit der Klageänderung ein völlig anderer Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt werde, sei diese als nicht sachdienlich zurückzuweisen. Soweit der Antragsteller die nicht erfolgte Beiziehung von Akten der Sozialgerichtsbarkeit gerügt habe, habe er weder dargestellt, warum es auf den aktuellen Inhalt für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ankomme, noch lasse sich insoweit ein Zusammenhang rechtlich begründen.

Der Antragsteller begehrt für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts. Er ist der Auffassung, dass die Bundesagentur für Arbeit trotz des an das HZA gerichteten Vollstreckungsauftrages Herrin des Verfahrens sei. Deshalb könne auch nur sie die Einstellung der Vollstreckungsmaßnahmen verfügen. Die Zuständigkeit der Finanzgerichte sei nicht gegeben. Im Streitfall sei die Pfändung einer nicht fälligen und im fremden Eigentum stehenden Forderung vorgenommen worden.

Unter den geschilderten Umständen komme den Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu, welcher Rechtsweg zulässig gewesen sei; ob das FG oder ein anderes Gericht eine Entscheidung über die eingelegte "Erinnerung" nachzuholen habe; ob Leistungsbescheide i.S. von "§ 3 Buchst. a" des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes (VwVG) Voraussetzung für Zwangsmaßnahmen seien und ob eine Grundrechtsverletzung vorliege, weil die Erlangung von Rechtsschutz nur unter gleichzeitiger Klage vor Sozial- und Finanzgerichten zu erlangen sei. Zudem habe die erkennende Richterin das Anliegen manipuliert und für die Gegenseite Partei ergriffen. Da das FG die beantragte Beiziehung von Verfahrensakten der Sozialgerichtsbarkeit nicht vorgenommen habe, sei der Akteninhalt bei der Urteilsfindung unberücksichtigt geblieben. Entgegen der Auffassung des FG sei darüber hinaus die Klageänderung sachdienlich gewesen.

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, d.h. wenn für den Erfolgseintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, und wenn die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint.

Dem Antragsteller kann deshalb keine PKH bewilligt werden, weil der noch einzulegenden Nichtzulassungsbeschwerde bei der gebotenen summarischen Prüfung der Erfolg zu versagen sein müsste.

Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, kann dem Vorbringen des Antragstellers nicht entnommen werden. Auch beruht das erstinstanzliche Urteil nicht auf einem Verfahrensfehler.

a) Es bedarf keiner erneuten höchstrichterlichen Klärung, dass die Hauptzollämter auf Ersuchen der Bundesagentur für Arbeit bzw. der Agenturen für Arbeit für die Vollstreckung von Forderungen der bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts bzw. deren Gliederungen zuständig sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 2000 VII B 12/00, BFH/NV 2001, 144, und in BFH/NV 2003, 142). Die Zuständigkeit ergibt sich zweifelsfrei aus den gesetzlichen Bestimmungen. Für die Vollstreckung zugunsten der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch das VwVG. Vollstreckungsbehörden sind hiernach gemäß § 4 Buchst. b VwVG die Vollstreckungsbehörden der Bundesfinanzverwaltung und somit die Hauptzollämter (§ 249 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung i.V.m. § 1 Nr. 4 des Finanzverwaltungsgesetzes). Auf Ersuchen der Bundesagentur für Arbeit führen diese Dienststellen die Vollstreckung durch (§ 3 Abs. 4 VwVG).

Im Kern seines Vorbringens wendet sich der Antragsteller gegen die vermeintlich rechtsfehlerhafte Anwendung der die Zuständigkeiten regelnden Vorschriften durch das FG, das verkannt habe, dass nicht das HZA, sondern die Bundesagentur für Arbeit Herrin des Verfahrens bleibe, weshalb im Streitfall die Bundesagentur für Arbeit die richtige Beklagte sei. Vermeintliche Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen jedoch nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 24, m.w.N.).

b) Im Übrigen übersieht die Beschwerde, dass für das FG der unanfechtbare Verweisungsbeschluss des AG vom 9. November 2006 bindend gewesen ist. Besondere Umstände, bei denen ausnahmsweise eine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses aufgrund offensichtlicher Willkür nicht angenommen werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2004 VII B 341/03, BFHE 204, 413, BStBl II 2004, 458), sind für den Senat nicht ersichtlich. Damit könnte sich die vom Antragsteller aufgeworfene Frage, welches Gericht die Entscheidung über sein ursprüngliches Rechtsbegehren zu treffen habe, in einem Revisionsverfahren nicht stellen.

c) Auch die Frage, ob die Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens wegen einer öffentlich-rechtlichen Geldforderung der Bundesagentur für Arbeit den Erlass eines Leistungsbescheides voraussetzt, ist nicht klärungsbedürftig. Die Beantwortung der Frage ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen. Nach § 3 Abs. 2 Buchst. a VwVG ist der Erlass eines Leistungsbescheides eine der Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung. Ein Leistungsbescheid ist allerdings entbehrlich, wenn, wie im Streitfall, die zu vollstreckende Forderung durch ein rechtskräftiges Urteil (vgl. Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. Oktober 1998, Berufungsurteil des Landessozialgerichts Hessen vom 17. November 1999 L 6 AL 1605/98) festgestellt worden ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 142).

d) Soweit der Antragsteller vorbringt, dass seine in der mündlichen Verhandlung angebrachte Rüge wegen Unterlassung der Beiziehung der Verfahrensakten des Landessozialgerichts Hessen nicht beachtet worden sei, ist diesem Vorbringen die substantiierte Darlegung eines Verfahrensmangels nicht zu entnehmen. Denn der Antragsteller trägt nicht vor, was sich aus dem Akteninhalt ergeben hätte und aus welchen Gründen der Akteninhalt geeignet gewesen wäre, die Entscheidungsfindung des FG zu beeinflussen. Im Übrigen lässt sich dem Sitzungsprotokoll eine entsprechende Rüge bzw. ein Beweisantrag nicht entnehmen.

e) Schließlich kann auch die Rüge des Antragstellers, das FG habe rechtsfehlerhaft die Sachdienlichkeit der von ihm vorgenommenen Klageänderung verkannt, nicht für sich allein zur Zulassung der Revision führen. Denn die Entscheidung, dass eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen ist, ist gemäß § 67 Abs. 3 FGO nicht selbstständig anfechtbar, so dass eine Überprüfung in einem Revisionsverfahren nur dann in Betracht käme, wenn die Revision aus anderen Gründen zuzulassen wäre (Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 67 FGO Rz 63). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

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