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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.05.2005
Aktenzeichen: VII S 27/04 (PKH)
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 34
AO 1977 § 69
FGO § 76
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Dem Antragsteller, Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) kann die beantragte Prozesskostenhilfe (PKH) nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung --hier die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision-- gegen das die Klage gegen einen Haftungsbescheid abweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 142 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung --ZPO--).

Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Wegen nicht entrichteter Lohnsteuer und nicht entrichteten Säumnis- und Solidaritätszuschlägen wurde er vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) gemäß § 69 i.V.m. § 34 der Abgabenordnung (AO 1977) als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Während eines Wechsels des Steuerbüros war die geschuldete Lohnsteuer zunächst an das FA überwiesen, sodann jedoch wieder zurücküberwiesen worden. Zu dieser Rücküberweisung war es gekommen, weil die GmbH weder einen genauen Verwendungszweck angegeben, noch eine berichtigte Lohnsteuer-Anmeldung eingereicht hatte. Erst durch eine über zwei Jahre später durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung wurde festgestellt, dass die GmbH zumindest für einen Monat die Lohnsteuer schuldig geblieben war.

Einspruch und Klage gegen den Haftungsbescheid hatten keinen Erfolg. Das FG urteilte, dass die haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Klägers nicht zu beanstanden sei. Zu seiner Entlastung könne er sich nicht darauf berufen, dass für die Abführung der Lohnsteuer die ohne Kontovollmacht ausgestattete Prokuristin verantwortlich gewesen sei. Das Verschulden des Klägers liege in der Nichtanmeldung geschuldeter Lohnsteuer sowie darin, dass er eine Rücküberweisung bereits gezahlter Lohnsteuer durch das FA hingenommen habe, ohne den Sachverhalt näher aufzuklären.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im erstinstanzlichen Urteil hat der Kläger eine auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sowie auf das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützte Beschwerde eingelegt, für die er die Gewährung von PKH begehrt. Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Kläger vor, dass das FG ihm das Verschulden der von der GmbH beauftragten Steuerberater zugerechnet habe und damit von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), insbesondere von dem Senatsbeschluss vom 4. Mai 2004 VII B 318/03 (BFH/NV 2004, 1363) abgewichen sei. Die vom beauftragten Steuerbüro erstellten Jahresabschlüsse hätten keinen Hinweis darauf enthalten, dass die GmbH für einen Monat die Lohnsteuer schuldig geblieben sei. Im Haftungszeitraum habe ein Steuerberaterwechsel stattgefunden und der neue Steuerberater habe unsachgemäß gearbeitet und die Nichtentrichtung der Lohnsteuer zu spät bemerkt. Es sei dem Kläger auch nicht zuzumuten gewesen, jeden Kontoauszug zu überprüfen und eingehende Beträge zuzuordnen. Er sei der bautechnische Manager der GmbH gewesen; die finanziellen Aufgaben und die Kontakte mit dem beauftragten Steuerbüro seien von der Prokuristin wahrgenommen worden. Verfahrensfehlerhaft habe das FG die Prüfung unterlassen, ob der Kläger überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, die mit dem Haftungsbescheid geltend gemachte Lohnsteuer anzumelden und zu entrichten. Darüber hinaus könne ihm vom FG nicht entgegengehalten werden, er hätte bereits gegen die aufgrund der Ergebnisse der Lohnsteueraußenprüfung erfolgte Festsetzung der Steuerbeträge vorgehen können.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die beantragte PKH bereits wegen des Fehlens der Unterschrift des Klägers unter die eingereichte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu versagen wäre. Gewichtige Zweifel an der Vollständigkeit dieser Erklärung bestehen deshalb, weil nicht der Kläger, sondern dessen Ehefrau im Auftrag des Klägers das Formblatt unterzeichnet hat (vgl. zum Erfordernis der Originalunterschrift des Antragstellers Senatsbeschluss vom 25. Mai 1999 VII S 13/99, BFH/NV 2000, 51, sowie BFH-Entscheidungen vom 10. Juli 1997 XI S 9/97, BFH/NV 1998, 79, und vom 24. April 2001 X B 56/00, BFH/NV 2001, 1412). Jedenfalls erscheint bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung auch die vom Kläger angestrebte Revision nicht Erfolg versprechend, denn der BFH wäre an einer Entscheidung in der Sache gehindert. Das FG hat die Revision nicht zugelassen; die Zulassung kann nach Auffassung des Senats auch nicht mit der eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde erreicht werden, denn der Kläger hat einen Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO nicht in der erforderlichen Weise dargelegt.

1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Ohne eine konkrete Rechtsfrage herauszuarbeiten, der eine grundsätzliche Bedeutung zukommen soll, behauptet der Kläger eine Abweichung des Urteils von der Senatsentscheidung in BFH/NV 2004, 1363. Darin hat der beschließende Senat ausgeführt, dass der Geschäftsführer einer GmbH nur für sein eigenes Verschulden haftet. Daher treten die haftungsrechtlichen Folgen des § 69 AO 1977 dann nicht ein, wenn den Geschäftsführer persönlich kein Auswahl- oder Überwachungsverschulden trifft und er auch keinen Anlass hat, die Richtigkeit der von einem Steuerberater gefertigten Steuererklärungen der GmbH zu überprüfen.

Von diesen Grundsätzen, nach denen eine Zurechnung von Drittverschulden bei § 69 AO 1977 nicht stattfindet (vgl. Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 69 Rdnr. 99), weicht das Urteil des FG nicht ab. Denn nach den Feststellungen des FG wurden im Streitfall nicht sämtliche steuerliche Pflichten auf einen Steuerberater übertragen. Vielmehr hat der Kläger selbst vorgetragen, dass die ohne Kontovollmacht ausgestattete Prokuristin für die Steuerzahlungen verantwortlich gewesen sei. Daher oblag dem Kläger eine Überwachungspflicht gegenüber der Angestellten der GmbH, die er nach den nicht zu beanstandenden Ausführungen der Vorinstanz schuldhaft verletzt hat (vgl. zur Überwachungspflicht Senatsbeschluss vom 29. Mai 1990 VII R 81/89, BFH/NV 1991, 283). Wie das FG ausführt, hätte dem Kläger bei gehöriger Erfüllung seiner Geschäftsführerpflichten die Rückzahlung des FA auffallen müssen, so dass er den Sachverhalt hätte aufklären können. Dabei ist auch der Wechsel des Steuerbüros zu berücksichtigen. In der von der GmbH selbst herbeigeführten Übergangsphase hätte Anlass zu einer besonders sorgfältigen Wahrnehmung der Überwachungspflichten bestanden. Denn wie der Streitfall zeigt, können bei der Beauftragung eines neuen steuerlichen Beraters bei diesem auftretende Informationsdefizite, Versäumnisse oder Missverständnisse nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Auch der Prokuristin, die nach dem Vortrag des Klägers mit der Wahrnehmung der Kontakte gegenüber dem neuen Steuerbüro beauftragt worden war, ist die Rücküberweisung und die Nichtentrichtung der Lohnsteuer nicht aufgefallen. Bei dieser Ausgangslage ist nicht zu beanstanden, dass das FG das Verschulden des Klägers u.a. darin gesehen hat, dass dieser die Rückzahlung hingenommen hat, ohne den Sachverhalt weiter aufzuklären. Eine Abweichung des FG-Urteils von der Rechtsprechung des BFH vermag der beschließende Senat ebenso wenig zu erkennen wie eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, die in einem Revisionsverfahren zu klären wäre.

2. Soweit der Kläger die unzureichende Aufklärung des Sachverhalts und damit einen Verstoß gegen § 76 FGO rügt, ist der behauptete Verfahrensmangel nicht hinreichend dargelegt. Denn eine schlüssige Rüge, das FG habe den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, setzt u.a. den substantiierten Vortrag darüber voraus, aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche (entscheidungserheblichen) Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 72/99, BFHE 192, 390, BFH/NV 2000, 1435, und Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2003 VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Insbesondere legt der Kläger nicht dar, aus welchen Gründen sich dem FG aus seiner Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Im Kern seines Vorbringens wendet er sich gegen die Feststellungen des FG, der Kläger hätte --bei unterstellter Erfüllung seiner Geschäftsführerpflichten-- aufgrund seiner Stellung innerhalb der GmbH die Möglichkeit besessen, die geschuldete Lohnsteuer zu entrichten und gegen den die Lohnsteuer festsetzenden Bescheid Einspruch einzulegen. Aus der Sicht des FG musste sich ihm zu diesen Punkten das Erfordernis einer weiteren Sachverhaltsaufklärung nicht aufdrängen.

3. Insgesamt ist damit nach der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung kein Grund für eine Zulassung der Revision erkennbar, so dass die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Entscheidung über die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde stellt der Senat bis vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses zurück, um dem Kläger die Möglichkeit einzuräumen, zu prüfen, ob er ggf. seine Beschwerde zur Reduzierung der Gerichtskosten zurücknehmen möchte.

Ende der Entscheidung

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