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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.08.2001
Aktenzeichen: VII S 5/01
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 51 Abs. 1
FGO § 39 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 39 Abs. 2
FGO § 51 Abs. 2
FGO § 57
ZPO § 48
ZPO § 45 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten in dem beim Finanzgericht (FG) anhängigen Verfahren über die Rechtmäßigkeit der von dem Beklagten (Finanzamt --FA--) eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen. Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang. Der erkennende Senat hatte ein zuvor teilweise stattgebendes Urteil des FG aufgehoben und zur weiteren Sachaufklärung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen. Das FA hat die Vernehmung des Zeugen B angeboten, der in dem Verwaltungsverfahren für das FA tätig war. B ist nunmehr Richter am FG und dem 2. Senat zugewiesen worden. Das FG besteht aus zwei Senaten mit insgesamt sechs Richtern.

Die Richter des 1. Senats des FG haben gemäß § 51 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 48 der Zivilprozessordnung (ZPO) Umstände angezeigt, die ihres Erachtens geeignet sind, Misstrauen in ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Im Anschluss an die Vernehmung des B sei voraussichtlich auch eine Würdigung des Wahrheitsgehalts der Aussagen vorzunehmen. Die Richter des FG stünden aufgrund der räumlichen und personellen Gegebenheiten in einem engen dienstlichen --z.T. auch privaten-- Kontakt, der sich zwangsläufig aufgrund zahlreicher Besprechungen und der Gemeinschaftsveranstaltungen ergebe.

Der Präsident des FG hat das Verfahren unter Berufung auf § 39 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FGO dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Bestimmung des zuständigen FG vorgelegt, da das FG an der Ausübung der Gerichtsbarkeit verhindert sei. Der für die Entscheidung zuständige 2. Senat des FG sei beschlussunfähig, da B gemäß § 51 Abs. 2 FGO ausgeschlossen sei.

II. Der erkennende Senat hat als das im Rechtszuge zunächst höhere Gericht gemäß § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO über die Anzeige zu entscheiden, da das FG für das vorliegende Ablehnungsverfahren beschlussunfähig ist. Dies folgt daraus, dass von den sechs Richtern dieses Gerichts sich drei in dem vorliegenden Verfahren für befangen erklärt haben und ein weiterer Richter gemäß § 51 Abs. 2 FGO kraft Gesetzes von der Ausübung des Amtes als Richter ausgeschlossen ist. Für die Entscheidung über die Selbstablehnung (§ 48 Abs. 1 ZPO) der Richter steht eine ausreichende Zahl an Richtern des FG mithin nicht mehr zur Verfügung. Denn die Entscheidung über gleichzeitig gestellte, auf denselben Grund gestützte Ablehnungsgesuche muss durch einheitlichen Beschluss erfolgen (vgl. Oberlandesgericht --OLG-- Hamburg, Beschluss vom 6. Februar 1984 2 Ws 571/83, Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 1984, 512; OLG Hamm, Beschluss vom 16. März 1987 2 Ws 139/87, unveröffentlicht; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 51 Rdnr. 57, m.w.N., auch zur abweichenden Meinung).

Die nach § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 48 ZPO zulässigen Selbstablehnungsgesuche sind unbegründet. Die Richter des 1. Senats sind nicht kraft Gesetzes (§ 51 Abs. 2 FGO) von der Ausübung des Amtes als Richter ausgeschlossen. Ebenso wenig sind die von ihnen in der dienstlichen Äußerung vorgetragenen Gründe geeignet, Misstrauen gegen ihre Unparteilichkeit zu rechfertigen (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO).

Voraussetzung hierfür wäre, dass ein Verfahrensbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass haben könnte, an der Unvoreingenommenheit und der objektiven Einstellung der Richter zu zweifeln. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung wirklich von Voreingenommenheit beeinflusst ausfiele. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei Anlegung des angeführten objektiven Maßstabes Anlass hat, Voreingenommenheit zu befürchten (vgl. Beschlüsse des BFH vom 21. September 1977 I B 32/77, BFHE 123, 305, BStBl II 1978, 12; vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555, und vom 24. August 1989 IV B 59/89, BFH/NV 1990, 308). Ob der Richter selbst Zweifel an seiner Unbefangenheit hat, ist nicht entscheidend (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 25. Januar 1972 2 BvA 1/69, BVerfGE 32, 288, 290).

Ein Befangenheitsgrund muss grundsätzlich im Hinblick auf einen Prozessbeteiligten gegeben sein. Gründe, die in der Person eines anderen als des Beteiligten Anlass geben könnten, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln, geben dem Beteiligten kein Ablehnungsrecht. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn Anlass zu der Besorgnis gegeben ist, dass sich das Verhältnis zu dem Dritten auf die innere Einstellung des Richters zu einem Beteiligten oder zum Gegenstand des Verfahrens auswirken könnte (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 123, 305, BStBl II 1978, 12; vom 10. Februar 1989 V B 117/88, BFH/NV 1990, 445, und vom 22. Mai 1991 IV B 48/90, BFH/NV 1992, 395). Gründe, die eine Befangenheit rechtfertigen könnten, sind daher auch bei Bestehen einer besonderen Beziehung zwischen Richter und Zeugen denkbar, da insoweit der Eindruck entstehen könnte, dass die Würdigung der Zeugenaussage nicht allein nach objektiven Maßstäben erfolgt (bejahend auch: Feiber in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 42 Rdnr. 8).

Allein ein kollegiales Verhältnis zu einem Beteiligten rechtfertigt die Annahme der Befangenheit nicht (Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 4. Juli 1957 IV ARZ 5/57, Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 42 Nr. 2 ZPO; BFH-Beschluss vom 20. August 1981 IV B 19/79, nicht veröffentlicht); das gilt erst recht bei einem Zeugen. Engere Beziehungen werden nicht allein dadurch begründet, dass der Dritte und der abgelehnte Richter Mitglieder eines größeren Kollegialgerichts sind (Beschluss des BGH in Lindenmaier/ Möhring, a.a.O.). Eine engere persönliche Beziehung könnte demgegenüber aufgrund der engeren Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern eines Spruchkörpers zu bejahen sein. Auch bei kleineren Kollegialgerichten liegt die Vermutung einer engeren persönlichen Beziehung nahe, so dass, jedenfalls soweit ein Kollegialrichter Verfahrensbeteiligter i.S. des § 57 FGO ist, das Vorliegen der Besorgnis der Befangenheit in Betracht kommt (vgl. auch: Wieczorek/Schütze/Niemann, Zivilprozessordnung, Großkommentar, 3. Aufl., § 42 Rdnr. 16; Teplitzky, Probleme der Richterablehnung wegen Befangenheit, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1962, 2044 ff.).

Trotz der Tatsache, dass es sich bei dem FG um ein kleineres Kollegialgericht handelt, ist im Streitfall kein Grund gegeben, der die Annahme der Besorgnis der Befangenheit der drei Richter begründen könnte. Denn der B ist nicht Verfahrensbeteiligter gemäß § 57 FGO, sondern lediglich als Zeuge zu Tatsachen benannt worden, die ausschließlich im Zusammenhang stehen mit seiner früheren dienstlichen Tätigkeit. B hat deshalb an dem Verfahrensausgang kein Eigeninteresse. In Folge seiner Aussage zu den unter Beweis gestellten Tatsachen hat B des Weiteren weder mit persönlichen Vor- oder Nachteilen zu rechnen, noch könnte er es als Schädigung seines Ansehens oder Minderung seines sozialen Geltungsanspruches ansehen, wenn die Richterkollegen trotz seiner Aussage die Überzeugung vom Vorliegen der von ihm behaupteten Tatsachen nicht gewinnen könnten. Denn da es ausschließlich um Bekundungen der dienstlichen Vorgänge geht, derentwegen dem B der Vorwurf persönlichen Fehlverhaltens nicht gemacht werden könnte, könnte eine dahin gehende Beweiswürdigung nur dahin verstanden werden, B habe sich bei seiner Zeugenaussage geirrt. Aus der Beweiswürdigung könnte hingegen schwerlich abgeleitet werden, B habe bewusst die Unwahrheit gesagt. Aufgrund dessen ist nicht ersichtlich, warum die Richter die Richtigkeit der Aussage des B nicht neutral und unvoreingenommen würdigen sollten und die Vernehmung des B von ihnen nicht in der gebotenen Objektivität durchgeführt werden könnte. Hinzu kommt, dass B immer zusammen mit anderen Zeugen benannt worden ist. Der Entscheidungserheblichkeit einer möglichen Aussage des B kommt daher auch insoweit eine geringere Relevanz zu. Es erscheint sogar zweifelhaft, ob es überhaupt einer Vernehmung des B bedarf, da die vom FA behaupteten Sachverhalte, so sie zutreffend und entscheidungserheblich sind, überwiegend den Akten zu entnehmen sein dürften.

Da das Selbstablehnungsgesuch nicht begründet ist, bedurfte es mithin der Bestimmung eines FG gemäß § 39 FGO nicht.

Ende der Entscheidung

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