Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.08.2000
Aktenzeichen: VII S 6/00
Rechtsgebiete: ZPO, AO 1977, FGO


Vorschriften:

ZPO § 114
AO 1977 § 166
FGO § 142
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Dem Antragsteller, Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) kann die beantragte Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung --hier die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision-- gegen das die Klage gegen einen Haftungsbescheid abweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 142 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung --ZPO--).

Der Kläger wurde vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) für rückständige Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlag für die Monate Oktober 1996 bis Juli 1997 in Haftung genommen. Der Einspruch gegen den Haftungsbescheid sowie die Klage blieben erfolglos. Das FG führt in seiner Entscheidung u.a. aus, der Geschäftsführer hätte sich über seine steuerlichen Pflichten informieren und geeignete Maßnahmen treffen müssen, um die Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer sicherzustellen. Sofern er dazu nicht in der Lage gewesen sein sollte, hätte er von der Geschäftsführung zurücktreten müssen. Jedenfalls hätte er, soweit die vorhandenen Mittel zur Zahlung der Nettolöhne und der einzubehaltenden Lohnsteuer nicht ausgereicht hätten, die Löhne nur gekürzt auszahlen und die Lohnsteuer aus den verbleibenden Mitteln an das FA abführen müssen. Sein Vorbringen, er habe die der angemeldeten Lohnsteuer entsprechenden Löhne nicht in vollem Umfang ausbezahlt, hätte er nachweisen oder die entsprechenden Lohnsteueranmeldungen berichtigen müssen. Darauf, dass er nicht sagen könne, in welcher Höhe die Löhne tatsächlich ausbezahlt worden seien, könne sich der Kläger nicht zurückziehen; denn er habe die Last der Unerweislichkeit zu tragen. Insoweit sei dem Kläger die Bestandskraft der Lohnsteueranmeldungen (§ 166 der Abgabenordnung --AO 1977--) entgegenzuhalten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kläger wegen der Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde, für deren Durchführung er die Bewilligung von PKH beantragt. Die Beschwerde hat er auf grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützt.

II. Der Antrag auf Gewährung von PKH ist abzulehnen.

Der Senat lässt die Frage der ausreichenden Darlegung eines Revisionsgrundes (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) und damit die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde offen, weil die Beschwerde nach der im PKH-Verfahren nur gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung jedenfalls unbegründet ist (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 1987 II B 140/86, BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344).

1. Der Kläger hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, wie der Begriff der groben Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft in den neuen Bundesländern definiert werden kann, und hält die Übertragung der von der Rechtsprechung nach den Verhältnissen in den alten Bundesländern entwickelten Rechtsgrundsätze zu den Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft auf die in den neuen Bundesländern tätig werdenden Geschäftsführer auch nach einigen Jahren noch für völlig überzogen. Es kann dahinstehen, ob die Darlegung der Rechtsfrage durch den Kläger hinreichend konkret ist und ob die Ausführungen das Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts ausreichend bezeichnen, weil es an der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage fehlt. Der BFH hat zur Anwendbarkeit des nach Art. 8 des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990 im Beitrittsgebiet in Kraft getretenen Rechts der Bundesrepublik Deutschland für den Bereich des Steuerrechts bereits mehrfach Stellung genommen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Mai 1995 VI R 95/94, BFHE 177, 475, BStBl II 1995, 579) und insbesondere im Beschluss des Senats vom 14. September 1999 VII B 33/99, (BFH/NV 2000, 303, 304) keine Veranlassung gesehen, die mit der Einführung der AO 1977 im Beitrittsgebiet zur Geltung gelangten Haftungsvorschriften des § 69 i.V.m. § 34 AO 1977 sowie die dazu von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Rechtsgrundsätze mit Rücksicht auf die Situation im Beitrittsgebiet einzuschränken. Nach der Rechtsauffassung des BFH indiziert die in der Nichteinbehaltung und Nichtabführung der Lohnsteuer liegende Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführers bereits das Verschulden (vgl. Senatsbeschluss vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325); mangelnde Kenntnis des bundesdeutschen Rechts oder die besonderen Umstände (z.B. schwierige betriebliche Verhältnisse) entschuldigen nicht, denn diese Situation hindert den Geschäftsführer nicht daran, von der Übernahme oder der Beibehaltung des Geschäftsführeramtes abzusehen, noch entschuldigt sie, dass der Geschäftsführer über eine längere Zeitspanne hinweg nichts unternimmt, um sich über die steuerrechtlichen Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers zu informieren. Sofern eine ganz außergewöhnliche Zwangslage, in der sich ein Geschäftsführer bei Übernahme eines Amtes befunden hat, die Verletzung der steuerlichen Pflichten durch den Geschäftsführer entschuldigen könnte, hält der Senat eine Prüfung und Würdigung dieser Lebensumstände des Haftenden im Rahmen der Ermessensentscheidung der Behörde nach § 191 AO 1977 für erforderlich (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 5. März 1985 VII B 52/84, VII B 45/84 und VII 78/84, BFH/NV 1987, 459, 461, 462).

2. Für die vom Kläger vorgetragene angebliche Abweichung der Entscheidung der Vorinstanz von der Rechtsprechung fehlt es in der Beschwerdeschrift an einer ordnungsgemäßen Darlegung (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Bei einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde muss zunächst die Divergenzentscheidung des BFH so genau bezeichnet werden, dass ihre Identität zweifelsfrei festgestellt werden kann; das bedeutet, dass das Urteil des BFH mit Datum und Aktenzeichen oder mit der Fundstelle zu benennen ist. Darüber hinaus muss kenntlich gemacht werden, zu welcher konkreten Rechtsaussage eine Abweichung besteht. Dies setzt nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte voraus, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz des angefochtenen Urteils darlegt, der mit einem ebenfalls genau bezeichneten Rechtssatz der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 63). Die Beschwerdeschrift enthält diese Angaben nicht. Vielmehr führt der Kläger lediglich aus, dass eine von ihm näher bezeichnete Entscheidung des BFH nicht passe, weil sie zu einem anderen Sachverhalt als dem im Streitfall entscheidungserheblichen ergangen sei; er belässt es im Übrigen bei der allgemeinen Behauptung, dass das angefochtene Urteil zur Frage der rechtlichen Wirkung der Lohnsteueranmeldung von der Rechtsprechung abweiche.

3. Auch die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel würden nicht zur Zulassung der Revision führen.

Soweit die Verletzung des in Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich verbürgten Prozessgrundrechts der Gewährung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht wird, weil das Gericht nach Ansicht des Klägers den Sachvortrag, dass er in dem Haftungszeitraum schon deshalb nicht zur Abführung von Lohnsteuer verpflichtet gewesen sei, weil er an die Arbeitnehmer keine Löhne ausbezahlt, sondern die Lohnsteuer nur als rechnerische Größe deklariert habe, weder zur Kenntnis genommen noch berücksichtigt habe, übersieht er, dass das FG in dem angegriffenen Urteil ausführlich auf diesen Sachverhalt eingegangen ist. Es hat darüber hinaus auch dazu Stellung genommen, dass der Kläger für den Fall, dass die Löhne nicht ausgezahlt worden seien und Lohnsteuer angemeldet worden sei, die nicht entstanden war, spätestens nach der vom FA durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung die Anmeldungen hätte berichtigen müssen.

Entgegen der Auffassung des Klägers wäre die Revision auch nicht wegen einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG (§ 76 Abs. 2 FGO) zuzulassen. Das FG war nicht verpflichtet, den Kläger auf eine Ergänzung seines Sachvortrages zur Nichtauszahlung der Löhne hinzuweisen, bzw. von Amts wegen Ermittlungen dazu anzustellen; denn die Frage der Nachweispflicht für die vorgetragenen Differenzen zwischen den ausgezahlten Löhnen und der angemeldeten Lohnsteuer war dem Kläger aus der Prozessgeschichte, dem Vortrag des FA und dem Sachbericht des Gerichts in der mündlichen Verhandlung bekannt. Auf die Verletzung der Sachaufklärungspflicht kann sich der Kläger auch deshalb nicht berufen, weil er entsprechende Beweisanträge nicht gestellt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 76 Rz. 25).

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat nach alldem keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Ende der Entscheidung

Zurück