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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.08.1999
Aktenzeichen: VIII B 112/98
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 45 Abs. 1
FGO § 45 Abs. 3
FGO § 65
FGO § 45 Abs. 1 Satz 2
FGO § 47 Abs. 1
FGO § 74
FGO § 44
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Testamentsvollstrecker des am ... 1992 verstorbenen X. Bis zum 21. März 1995 war er ferner Nachlaßpfleger der am ... 1993 verstorbenen Frau Y, der Ehefrau des X.

Mit Bescheid vom 8. März 1995 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gegenüber dem Kläger "als Testamentsvollstrecker des verstorbenen X und als Nachlaßpfleger der verstorbenen Frau Y" Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1983 in Höhe von ... DM fest. Hiergegen legte der steuerliche Vertreter des Klägers "namens und im Auftrag der Erben nach Frau Y" mit der Begründung Einspruch ein, daß eine Hinterziehung nicht nachgewiesen sei.

Unter dem Datum vom 17. August 1995 erließ das FA gegenüber dem Kläger als Testamentsvollstrecker des X und gegenüber den Erben nach Frau Y einen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid für 1987. Mit Schreiben vom 18. September 1995 erhob der steuerliche Vertreter "im Namen des Klägers" Klage mit dem Antrag,

"1. ... die Einspruchsentscheidung über den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 8. März 1995 ... in Gestalt des Bescheids über Einkommensteuer 1987 vom 17. August 1995 ... aufzuheben, 2., den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 8. März 1995 ... aufzuheben...". In einem weiteren Schriftsatz vom 31. Oktober 1995 wendet sich der Vertreter des Klägers auch gegen die Festsetzung der Einkommensteuer 1987 in Höhe von ... DM. Da keine Steuerhinterziehung vorliege, sei die Festsetzungsfrist bei Erlaß des geänderten Einkommensteuerbescheides bereits abgelaufen gewesen.

Der Kläger beantragte, in Änderung der angefochtenen Entscheidungen den Bescheid über Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1983 vom 8. März 1995 in Gestalt des Bescheids über Einkommensteuer 1987 vom 17. August 1995 und die Einkommensteuer-Festsetzung 1987 vom 17. August 1995 in Höhe von ... DM aufzuheben.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, der das FG nicht abgeholfen hat, beantragt der Kläger, die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.

1. Soweit das FG die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 abgewiesen habe, verletze die Entscheidung § 45 Abs. 1 und 3 FGO. Die Sprungklage gegen den am 20. August 1995 bekanntgegebenen Einkommensteuerbescheid 1987 sei fristgerecht am 18. September 1995 erhoben worden. Aus der Klageschrift seien alle notwendigen Bestandteile einer Klage i.S. von § 65 FGO ersichtlich. Aus dem Schriftsatz werde insbesondere deutlich, daß der Kläger die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 1987 begehre. Da das FA der Klageerhebung ohne Vorverfahren nicht zugestimmt habe, hätte das FG die Sache als Einspruch behandeln und an das FA verweisen müssen.

2. Das FG habe zu Unrecht die Klage in Sachen Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1983 als unzulässig abgewiesen. Der Kläger sei im Bescheid vom 8. März 1995 als Zahlungspflichtiger bezeichnet. Er sei deshalb neben den Erben des X und der Frau Y an einem Rechtsbehelfsverfahren gegen diesen Bescheid zu beteiligen. Da das Vorverfahren nach Auffassung des FG noch nicht abgeschlossen sei und der Kläger mit Schriftsatz vom 18. September 1995 Klage erhoben habe, verstoße das vorliegende Urteil gegen § 45 Abs. 1 Satz 2 FGO. Danach sei, wenn von mehreren Beteiligten einer Einspruch einlegt und der andere unmittelbar Klage erhoben habe, zunächst über den Einspruch zu entscheiden. In diesem Fall sei das FG verpflichtet, das finanzgerichtliche Verfahren auszusetzen und den Abschluß des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens des anderen Beteiligten (hier: der Erben nach Frau Y) abzuwarten.

Mit den weiteren Ausführungen seiner Beschwerdeschrift erhebt der Kläger materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Bescheid vom 8. März 1995.

Das FA beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Kläger hat die geltend gemachten Verfahrensfehler nicht schlüssig begründet.

1. Einkommensteuerbescheid 1987

Die Rüge, das FG habe zu Unrecht die Klage wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Sprungklage (§ 47 Abs. 1 FGO) abgewiesen, ist nicht in schlüssiger Form erhoben. Aus der Klageschrift vom 18. September 1995 ergibt sich nicht, daß der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 vom 20. August 1995 klagen wollte. Vielmehr hat sich der Kläger gegen die Einspruchsentscheidung über den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 8. März 1995 "in Gestalt des Bescheides über Einkommensteuer 1987" gewandt und beantragt, den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 8. März 1995 aufzuheben. Dem Schriftsatz kann daher --wie das FG zutreffend erkannt hat-- nicht entnommen werden, daß Klage in Sachen Einkommensteuer 1987 erhoben werden sollte. Da der Kläger bei Klageerhebung durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertreten war, muß der Kläger sich an dem Wortlaut der Klageschrift und dem dort gestellten Antrag festhalten lassen. Die dort gewählte Formulierung "Einspruchsentscheidung über den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 8. März 1995 ... in Gestalt des Bescheides über Einkommensteuer 1987 vom 17. August 1995" kann bei verständiger Würdigung nur dahin ausgelegt werden, daß der Prozeßbevollmächtigte davon ausging, der Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 8. März 1995 sei durch den Einkommensteuerbescheid 1987 geändert worden. Dafür sprechen auch seine Ausführungen im Schriftsatz vom 31. Oktober 1995, wonach seiner Meinung nach der Einkommensteuerbescheid 1987 eine Entscheidung über den Einspruch vom 7. April 1995 gegen den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 8. März 1995 darstelle. Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 1995 hat der Kläger zwar auch beantragt, die Festsetzung der Einkommensteuer 1987 aufzuheben. Eine zu diesem Zeitpunkt erhobene Klage wäre aber verspätet, da zu diesem Zeitpunkt die Monatsfrist für die Erhebung der Klage bereits abgelaufen war.

2. Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1983

Die Beschwerde ist auch insoweit unzulässig, als der Kläger geltend macht, das FG habe es unter Verletzung des § 45 Abs. 1 Satz 2 FGO abgelehnt, das Klageverfahren betreffend die Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 1983 bis zur Entscheidung über den Einspruch der Erben nach Frau Y auszusetzen. Der Kläger hat nicht schlüssig dargelegt, daß das FG zu einer Aussetzung des Klageverfahrens nach § 45 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 74 FGO verpflichtet war. Die Aussetzung eines anhängigen Klageverfahrens wegen Vorgreiflichkeit eines anderen Rechtsbehelfsverfahrens nach § 74 FGO kommt nur in Betracht, wenn die Klage in zulässiger Form und innerhalb der Frist des § 47 Abs. 1 FGO erhoben wurde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20. September 1989 X R 8/86, BFHE 158, 205, BStBl II 1990, 177; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 74 Rz. 17, m.w.N.; Gräber/von Groll, a.a.O., § 45 Rz. 7, 34). Eine verspätet oder sonst unzulässig erhobene Sprungklage löst weder die Rechtsfolgen des § 45 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 74 FGO, noch die des § 45 Abs. 2 und 3 FGO aus. Die Vorschrift des § 45 FGO befreit unter den dort genannten Voraussetzungen lediglich von dem Erfordernis eines außergerichtlichen Vorverfahrens (§ 44 FGO), nicht aber von den übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen des finanzgerichtlichen Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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