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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.07.2009
Aktenzeichen: VIII B 12/09
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1 S. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 155
ZPO § 295
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) unzureichender Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) liegt vor. Auf ihm kann die Entscheidung auch beruhen.

a) Das Finanzgericht (FG) hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, dem Vortrag des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) nachzugehen, wonach er nicht nur im gegenüber den Auftraggebern abgerechneten Umfang, sondern auch darüber hinaus bei der Erfüllung der einzelnen Aufträge selbst tätig gewesen sei. Bereits in der Klagebegründung hat der Kläger behauptet, seine persönlichen Leistungen hätten ihren Niederschlag in den mit den Auftraggebern vereinbarten Tagessätzen gefunden und seien nicht gesondert in Rechnung gestellt worden. Im Erörterungstermin hat der Kläger persönlich dazu ergänzend ausgeführt: "Dazu ist allerdings zu sagen, dass meine eigene Tätigkeit nicht immer erfasst worden ist. Bei verschiedenen Beratungsgesprächen war ich persönlich anwesend. Dies ist dann nicht besonders vergütet worden und auch nicht in den Abrechnungsunterlagen gesondert festgehalten worden. Ich allerdings persönlich habe das festgehalten, wann ich wo tätig geworden bin. So ist es z.B. nicht zutreffend, wenn auf Seite 5 der Einspruchsentscheidung betreffend X-Bank ausgeführt worden ist, dass ich nur einen Arbeitstag tätig geworden sein soll. Tatsächlich bin ich an wesentlich mehr Tagen tätig geworden. Dies kann ich mir nur so erklären, dass dieser Vorgang nicht richtig recherchiert worden ist. Ähnlich hat es sich mit der Y-Bank und der Firma Z verhalten. So ist z.B. bei der Firma Z nur an 105 Tagen eine Beratungstätigkeit von unseren Trainern ausgeführt worden. Bei der restlichen Abrechnung über 55 Tage kann es sich nur um sonstige Leistungen gehandelt haben, an denen Konzepte mit dem Inhaber des Betriebs entwickelt worden sind, wobei u.a. ich selbst tätig geworden bin. So sind unsere Trainer tatsächlich auch nur an 105 Tagen tätig geworden."

b) In rechtlicher Hinsicht ist das FG davon ausgegangen, dass sich der Kläger bei der Auftragserfüllung der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient hat. Es hat deshalb geprüft, ob der Kläger aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig geworden ist (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Es hat dazu ausgeführt, eine eigenverantwortliche Tätigkeit könne angenommen werden, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet sei. Jede einzelne Arbeitsleistung der Mitarbeiter müsse als solche des Berufsträgers erkennbar sein. Die Arbeitsleistung müsse den "Stempel der Persönlichkeit" des Steuerpflichtigen tragen. Eine freiberufliche Tätigkeit werde nicht geleistet, wenn die Ausführung des einzelnen Auftrags den qualifizierten Mitarbeitern, den Hilfskräften, den technischen Hilfsmitteln oder dem Unternehmen als Ganzem zuzurechnen sei. Die Abgrenzung richte sich nach der Art der Tätigkeit; sie sei nach den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen.

Eine eigenverantwortliche Tätigkeit des Klägers hat das FG für ausgeschlossen gehalten. Ohne den Einsatz der fachlich vorgebildeten Hilfskräfte hätten --zumindest in Teilbereichen-- die in den Streitjahren abzuwickelnden Aufträge vom Kläger nicht durchgeführt werden können. Das FG hat dabei den Anteil eigener Leistungen des Klägers allein anhand der für ihn gegenüber den Auftraggebern in Rechnung gestellten Leistungen bemessen und den vorstehend unter a) wiedergegebenen Vortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen. Die angeblich erbrachten zusätzlichen Leistungen des Klägers seien weder aufgezeichnet noch gesondert in Rechnung gestellt worden. Danach sei dem Senat die Feststellung nicht möglich, dass überhaupt entsprechende Tätigkeiten entfaltet worden seien. Jedenfalls aber seien sie nicht vergütungsfähig gewesen. Sie könnten dem Kläger deshalb auch nicht als eigenverantwortliche eigene Arbeitsleistung zugerechnet werden.

c) Gemessen an der für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers maßgeblichen eigenen Rechtsauffassung des Gerichts, hätte das FG dem klägerischen Vortrag nachgehen müssen, ob und in welchem Umfang er vom FG nicht berücksichtigte, weil nicht gegenüber den Auftraggebern abgerechnete, eigene Leistungen bei der Auftragsabwicklung erbracht hat. Dies umso mehr, als der Kläger in seiner persönlichen Anhörung mitgeteilt hatte, über entsprechende Aufzeichnungen zu verfügen. Aus dem Umstand, dass die betreffenden Leistungen nicht nach außen hin gesondert abgerechnet worden sind, konnte das FG nicht schließen, dass es sich nicht um eigenverantwortliche persönliche Leistungen gehandelt hat, zumal der Kläger bereits in der Klageschrift angegeben hatte, dass seine persönliche Leistung bei der Auftragsabwicklung in die vereinbarten Stundensätze kalkulatorisch eingegangen sei.

Hätte das FG den Sachverhalt weiter aufgeklärt, wäre es möglicherweise zu einer anderen Einschätzung in der Sache gelangt. So erscheint es nicht ausgeschlossen, dass gerade die vom FG nicht berücksichtigten angeblichen zusätzlichen Leistungen des Klägers den von seinen Mitarbeitern erbrachten Teilleistungen bei der Auftragsabwicklung im Sinne der vom FG zugrunde gelegten Rechtsprechung den "Stempel der Persönlichkeit" des Klägers aufgedrückt haben. Die Entscheidung kann deshalb auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen.

d) Der Kläger ist auch nicht durch (konkludent erklärten) Rügeverzicht an der Geltendmachung des Verfahrensmangels gehindert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) betrifft die Rüge mangelnder Sachaufklärung einen verzichtbaren Verfahrensmangel. Ein entsprechender Verzicht i.S. des § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung liegt vor, wenn ein behaupteter Mangel in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt wird und erhebliche Hinderungsgründe für diese Unterlassung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. April 2000 VII B 25/99, BFH/NV 2000, 1366; vom 27. September 2007 IX B 19/07, BFH/NV 2008, 27).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall jedoch nicht vor. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 12. November 2008 hat der Vertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung die Einholung eines Gutachtens darüber angeregt, ob das Merkmal der "Eigenverantwortlichkeit" angesichts des vorliegend dargestellten Sachverhalts möglich sei. Diese Beweisanregung enthält die konkludente Rüge mangelnder Sachaufklärung in Bezug auf das im Streit befindliche Tatbestandsmerkmal der "Eigenverantwortlichkeit". Darin kommt eindeutig zum Ausdruck, dass der Kläger weder mit der Sachverhaltsermittlung noch mit der vorläufigen Wertung des Gerichts einverstanden war.

2. Der Senat erachtet es als angemessen, das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).

Das FG wird den Sachverhalt hinsichtlich der vom Kläger bei der Auftragsabwicklung tatsächlich selbst erbrachten Arbeitsleistung weiter aufzuklären haben. Dazu ist dem Kläger vorab Gelegenheit zu geben, sein Vorbringen anhand seiner eigenen Aufzeichnungen weiter zu substantiieren und auch darzulegen, inwiefern die von ihm zusätzlich erbrachten (und nicht gegenüber den Auftraggebern abgerechneten) eigenen Arbeitsleistungen nach seiner Einschätzung dazu beigetragen haben, den von seinen Mitarbeitern erbrachten Leistungen den "Stempel seiner Persönlichkeit" aufzudrücken. Dabei wird letztlich eine inhaltlich konkrete Darstellung der einzelnen Teilleistungen erforderlich sein, die eine qualitative Bewertung der jeweiligen Leistungsbeiträge erst ermöglicht. Auf dieser Grundlage wird das FG den Sachverhalt sodann einer erneuten umfassenden Würdigung unterziehen. Dabei wird auch zu beachten sein, dass das Merkmal der Eigenverantwortlichkeit nicht schon deshalb verneint werden kann, weil der Kläger die geschuldeten Leistungen ohne den Einsatz von Mitarbeitern nicht hätte erbringen können.



Ende der Entscheidung

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