Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.03.2009
Aktenzeichen: VIII B 184/08
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b
EStG § 9 Abs. 5
1. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für ein häusliches Arbeitszimmer sind nicht deshalb bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in voller Höhe abzuziehen, weil der Steuerpflichtige Anlageentscheidungen ausschließlich im Arbeitszimmer trifft.

2. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 2006 geltenden Fassung ist gemäß § 9 Abs. 5 EStG auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass bei der Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit auf die gesamte der Erzielung von Einkünften dienende Tätigkeit des Steuerpflichtigen abzustellen ist.


Gründe:

I.

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehren den Abzug der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sowie den Freibetrag nach § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die tarifbegünstigte Besteuerung einer Abfindungszahlung.

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Arbeitszimmer

Die Rechtssache hat insoweit keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Den Klägern ist zuzugeben, dass über die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist. Die Frage hat aber gleichwohl keine grundsätzliche Bedeutung, da sie nicht klärungsbedürftig ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder wenn --wie im Streitfall-- die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Januar 2007 X B 38/06, BFH/NV 2007, 757, und vom 31. Mai 2007 III B 109/06, BFH/NV 2007, 1867; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28).

a)

Nach der Grundregel in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG können die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer durch die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen veranlasst und deshalb Werbungskosten sein. Voraussetzung ist, dass der Arbeitsraum so gut wie ausschließlich zur Einkünfteerzielung und nicht privat genutzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1966 VI 92/64, BFHE 85, 18, BStBl III 1966, 219). Trotzdem sind die Aufwendungen für ein solches Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG grundsätzlich nur beschränkt abziehbar. Nur wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet, können die Aufwendungen in vollem Umfang abgezogen werden. Diese Regelung gilt nach § 9 Abs. 5 EStG sinngemäß auch für alle Überschusseinkunftsarten (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nrn. 4 bis 7 EStG). Die Abzugsbeschränkung verstößt nicht gegen das objektive Nettoprinzip; sie ist verfassungsgemäß (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 1996 VI R 47/96, BFHE 181, 305, BStBl II 1997, 68).

b)

Die Verweisung in § 9 Abs. 5 EStG ("gilt sinngemäß") bedeutet, dass § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG auch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzuwenden ist. Die von den Klägern offenbar beabsichtigte Nichtanwendung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG auf Einkunftsarten, bei denen nicht die Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sondern die "Nutzenziehung" im Vordergrund steht (Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie --teilweise-- sonstige Einkünfte), kommt daher nicht in Betracht. Dem steht nicht entgegen, dass § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG seinem Wortlaut nach auf den Mittelpunkt der gesamten "betrieblichen und beruflichen Tätigkeit" abstellt und dass im natürlichen Sprachgebrauch durchaus zwischen der Ausübung eines Berufs und der Verwaltung des privaten Vermögens unterschieden wird. Für eine nach den Einkunftsarten unterschiedliche steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer spricht nichts. Vielmehr ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen --ebenso wie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (vgl. dazu Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Aufl., § 21 Rz 100 Stichwort "Arbeitszimmer")-- mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass nicht im Wortsinne auf die betriebliche oder berufliche Tätigkeit, sondern in einem umfassenden Sinne auf die gesamte der Erzielung von Einkünften dienende Tätigkeit des Steuerpflichtigen abzustellen ist.

c)

Damit ist der Streitfall nicht anders zu beurteilen als andere Fälle, in denen ein Steuerpflichtiger seine der Einkünfteerzielung dienende Tätigkeit nicht nur im häuslichen Arbeitszimmer, sondern auch an anderen Orten ausübt oder bei denen der Steuerpflichtige verschiedene (auch verschiedenen Einkunftsarten zuzurechnende) Tätigkeiten ausübt und dafür (ganz oder teilweise) ein häusliches Arbeitszimmer nutzt. Die sich in diesem Zusammenhang stellenden Rechtsfragen zur Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten Tätigkeit sind höchstrichterlich geklärt.

aa)

Die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seinen Beruf teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG), ist höchstrichterlich hinreichend geklärt. Hierzu liegt eine umfangreiche Rechtsprechung des BFH vor (vgl. die Nachweise in den Beschlüssen vom 23. Dezember 2005 VI B 62/05, BFH/NV 2006, 737, und vom 24. Juli 2006 VI B 112/05, BFH/NV 2006, 2071). Danach bestimmt sich der Mittelpunkt der Berufstätigkeit nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Diese Rechtsprechung ist auf alle Berufsgruppen anzuwenden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 2005 XI B 87/05, BFH/NV 2006, 2045, und vom 22. Oktober 2007 XI B 12/07, BFH/NV 2008, 47).

bb)

Auch die Frage nach der Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen, der neben einer Vollzeitbeschäftigung aufgrund eines Dienstverhältnisses einer weiteren Tätigkeit nachgeht, ist nicht mehr klärungsbedürftig, seit der BFH mit Urteilen vom 17. Juni 2004 IV R 33/02 (BFH/NV 2005, 174) und vom 16. Dezember 2004 IV R 19/03 (BFHE 208, 263, BStBl II 2005, 212) entschieden hat, dass der Haupttätigkeit indizielle Bedeutung für die Beurteilung des qualitativen Schwerpunkts der Gesamttätigkeit zukommt. Insofern besteht auch kein Bedarf für eine weitere Rechtsfortbildung durch den BFH (vgl. Beschluss vom 22. Februar 2006 IV B 10/05, BFH/NV 2006, 1088).

d)

Das FG ist ersichtlich von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat keine davon abweichenden Grundsätze aufgestellt. In der Sache hat das FG darauf abgestellt, dass der Kläger im Streitjahr außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers anderen Haupttätigkeiten (als Geschäftsführer und Steuerberater) nachgegangen ist. Es hat deshalb den unbeschränkten Abzug der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer bei den Einkünften aus Kapitalvermögen --im Ergebnis zu Recht-- verneint.

2. Abfindung

Für die vom Kläger im Streitjahr bezogene Abfindung begehren die Kläger für einen erstrangigen Teilbetrag den Freibetrag von 24 000 DM gemäß § 3 Nr. 9 EStG sowie nachrangig --für den, den Freibetrag übersteigenden Teil der Abfindung-- die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG.

a) Freibetrag (§ 3 Nr. 9 EStG)

Hinsichtlich der Versagung des Freibetrags durch das FG liegen Gründe für die Zulassung der Revision nicht vor.

aa)

Das Urteil des FG weicht von der Rechtsprechung des BFH nicht ab. Der BFH hat entschieden, dass eine vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung des Dienstverhältnisses beim Auslaufen eines befristeten Dienstverhältnisses nicht vorliegt (vgl. BFH-Urteile vom 18. September 1991 XI R 8/90, BFHE 165, 285, BStBl II 1992, 34, und vom 10. September 2003 XI R 9/02, BFHE 204, 65, BStBl II 2004, 349). In diesen Fällen sei die Auflösung nicht vom Arbeitgeber veranlasst, sondern beruhe auf der früheren Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das FG hat keinen davon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Es hat vielmehr festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis des Klägers durch Zeitablauf gemäß der Vereinbarung im Dienstvertrag vom 17. Mai 1989 am 30. Juni 1999 beendet worden ist.

bb)

Soweit die Kläger dagegen einwenden, der Dienstvertrag des Klägers vom 17. Mai 1989 habe nur den ursprünglichen Dienstvertrag vom 6. Juni 1973 ersetzt, nach welchem der Kläger --entsprechende Vertragsverlängerungen vorausgesetzt-- bis zum Erreichen der Altersgrenze am 30. September 1999 hätte weiterbeschäftigt werden müssen, machen sie sinngemäß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Rechtssache hat jedoch insoweit keine grundsätzliche Bedeutung. Zwar ist der Gedanke des Klägers nachvollziehbar, dass der Anlass für die Verkürzung seiner Gesamtbeschäftigungsdauer um drei Monate zumindest mittelbar der Sphäre seines Arbeitgebers entstammte, der den Vertrag vom 17. Mai 1989 auf genau 10 Jahre begrenzen wollte. Dadurch ergab sich im Vergleich zu dem bis dahin mit dem Kläger Vereinbarten eine Verkürzung seiner gesamten Beschäftigungsdauer um drei Monate und für den Arbeitgeber die Notwendigkeit der Vereinbarung einer Abfindungsregelung, was im Vertrag vom 8. Juni 1999 auch geschehen ist. Die danach von den Klägern sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine vom Arbeitgeber veranlasste Auflösung des Dienstverhältnisses auch dann vorliegt, wenn das Dienstverhältnis zwar durch Zeitablauf entsprechend einer einvernehmlichen Befristung endet, diese (einvernehmliche) Befristung aber ursprünglich einem Wunsch des Arbeitgebers entsprach, bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung mehr, denn sie betrifft auslaufendes Recht. § 3 Nr. 9 EStG ist mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2006 aufgehoben worden und nach der Übergangsregel in § 52 Abs. 4a EStG nur noch auf Altfälle weiterhin anwendbar. Betrifft die Rechtsfrage ausgelaufenes Recht, müssen besondere Gründe geltend gemacht werden und vorliegen, die ausnahmsweise eine Abweichung von der Regel rechtfertigen, wonach Rechtsfragen, die solches Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt (BFH-Beschluss vom 24. November 2005 II B 46/05, BFH/NV 2006, 587; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 98 ff. und § 116 FGO Rz 178, jeweils m.w.N.). Entsprechende Gründe (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 14. Februar 2007 IX B 177/06, BFH/NV 2007, 1099) haben die Kläger nicht dargelegt; sie sind für den beschließenden Senat auch nicht ersichtlich.

b) Tarifermäßigung (§ 34 Abs. 1 EStG)

Die Revision ist auch nicht zuzulassen, soweit das FG die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 1 EStG abgelehnt hat. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass es im Streitfall an einer Zusammenballung von Einkünften fehle. Die Abfindung habe etwa drei Monatsgehältern entsprochen. Da die Zahlung auch im hypothetischen Fall der Weiterbeschäftigung in demselben Veranlagungszeitraum geleistet worden wäre, sei den Klägern durch die Einmalzahlung keine steuerliche Mehrbelastung entstanden.

Mit dieser Begründung weicht das FG nicht von der Rechtsprechung des BFH ab. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 EStG grundsätzlich nur gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (BFH-Urteile vom 6. September 2000 XI R 19/00, BFH/NV 2001, 431; vom 19. Oktober 2005 XI R 24/04, BFH/NV 2006, 928; vgl. auch Schmidt/Seeger, a.a.O., § 34 Rz 17 ff.). Das war nach den auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde für den BFH bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) des FG nicht der Fall.

Ende der Entscheidung

Zurück