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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.05.2006
Aktenzeichen: VIII B 186/04
Rechtsgebiete: EStG, FGO, BGB


Vorschriften:

EStG § 17
EStG § 17 Abs. 2
FGO § 76
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
BGB § 775 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Auflösungsverlusts nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) umstritten. An der im Jahre 1986 gegründeten X-GmbH waren die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) mit 45 v.H. sowie ihr Ehemann mit 55 v.H. beteiligt. Die X-GmbH wurde im Jahre 1992 liquidiert und war zu diesem Zeitpunkt in Höhe von rd. 202 000 DM überschuldet. Verbindlichkeiten bestanden zum einen gegenüber der Y-Bank (Kontokorrentschulden in Höhe von rd. 181 000 DM), zum anderen gegenüber einem Warenlieferanten (rd. 16 000 DM). Die Verbindlichkeiten waren seit 1987 bzw. 1988 durch Grundschulden am Grundbesitz der Klägerin gesichert; sie wurden von der Klägerin seit 1992 in Teilbeträgen getilgt. Im Rahmen der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31. Dezember 1992 berücksichtigte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) den Auflösungsverlust lediglich in Höhe der Anteile am Stammkapital (insgesamt 100 000 DM); die o.g. Verbindlichkeiten der X-GmbH ließ es außer Ansatz. Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgeben. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zu eigenkapitalersetzenden Bürgschaften komme im Streitfall auch der Bestellung von Grundschulden eigenkapitalersetzender Charakter zu. Demgemäß seien die Anschaffungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 EStG um den Nennwert der wertlosen Rückgriffsforderungen gegenüber der X-GmbH zu erhöhen, da diese seit ihrer Gründung anhaltend Verluste erzielt habe und die "auf einer solchen Basis" eingeräumten Grundpfandrechte --im Sinne einer vorgezogenen Finanzierungsentscheidung-- krisenbestimmt, d.h. bestimmungsgemäß auf die Befriedigung der Gläubiger in der Situation der Gesellschaftskrise angelegt gewesen seien (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1301).

II. Die Beschwerde des FA gegen die Nichtzulassung der Revision genügt nicht den Begründungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie ist deshalb zu verwerfen.

1. Dies gilt zum einen für die Rüge, das FG habe die Umstände der Grundschuldbestellung in den Vordergrund gerückt und es deshalb u.a. unterlassen, den Zeitpunkt des Kriseneintritts sowie die Eigenkapitalfunktion des Kontokorrentkredits der Y-Bank aufzuklären. Der Vortrag ist bereits deshalb unschlüssig, weil im Rahmen einer Rüge mangelnder Sachaufklärung gemäß § 76 FGO vom materiell-rechtlichen Standpunkt des angegriffenen Urteils auszugehen ist (vgl. hierzu --sowie zu den weiterhin erforderlichen Angaben-- Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 68 f., m.w.N.).

2. Unschlüssig ist ferner die Rüge, es sei von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), ob allein in der Grundschuldbestellung --und damit über die Fälle der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter hinaus-- eine eigenkapitalersetzende Leistung zu sehen sei. Das FA hat es insoweit versäumt, die Klärungsbedürftigkeit der angesprochenen Rechtsfrage hinreichend zu substantiieren (vgl. hierzu Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 32, m.w.N.).

a) Die Ausführungen lassen bereits im Ausgangspunkt außer Acht, dass --wie die für das Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren zu beachtende Regelung des § 32a Abs. 2 des Gesetzes betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) verdeutlicht-- nicht nur Darlehen, sondern neben Bürgschaften auch die Bestellung von Sicherungen --also beispielsweise die Einräumung von Grundschulden für Darlehen Dritter-- eigenkapitalersetzenden Charakter haben können (sog. kapitalersetzende Sicherheiten; s. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 6. Juli 1998 II ZR 284/94, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1998, 1225; Goette/Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, 4. Aufl., Rz. 82, m.w.N., sowie --einschl. der Besicherung von Kontokorrentkrediten-- Scholz/Schmidt, GmbHG, 9. Aufl. 2000, §§ 32a, 32b Rdnr. 142 ff., Rdnr. 146 i.V.m. Rdnr. 49). Materiell-rechtlich liegt dem die Erwägung zugrunde, dass der für die Finanzierung der GmbH verantwortliche Gesellschafter aufgrund seiner Absicherung des Kredits die Kapitalüberlassung durch den Dritten an die GmbH ermöglicht; zum Zwecke des Umgehungsschutzes wird ihm daher im Verhältnis zur Gesellschaft der Kredit wie ein von ihm der GmbH gewährtes Darlehen (vgl. § 32a Abs. 1 GmbHG) mit der weiteren Folge wirtschaftlich zugerechnet, dass er für den Verbleib des (Dritt-)Kredits zu sorgen und das Ausfallrisiko zu tragen hat (BGH-Urteil vom 26. Juni 2000 II ZR 21/99, DStR 2000, 1524); demgemäß ist ihm --im Falle der Befriedigung des Kreditgebers aufgrund der eigenkapitalersetzenden Sicherheit (z.B. Bürgschaft, Grundschuld)-- auch ein Regress gegenüber der Gesellschaft (beispielsweise nach § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) bis zur Überwindung der Krise der Gesellschaft (vgl. § 32a Abs. 1 GmbHG) verwehrt (vgl. einschl. des Verhältnisses zu § 32a Abs. 3 GmbHG, Scholz/ Schmidt, a.a.O., Rdnr. 143 und 166).

b) Hieran anknüpfend hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung nicht nur den Verlust eigenkapitalersetzender Darlehen, sondern auch den Ausfall von Regressansprüchen eines bürgenden Gesellschafters gegenüber der Kapitalgesellschaft unter der Voraussetzung den (nachträglichen) Anschaffungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 EStG zugeordnet, dass dem nicht mehr realisierbaren Anspruch eine eigenkapitalersetzende Bürgschaft zugrunde liegt. Entsprechend den für Gesellschafterdarlehen geltenden Grundsätzen hat er hierbei im Hinblick auf die Höhe des Wertansatzes zwischen Bürgschaftsverpflichtungen, die in der Gesellschaftskrise eingegangen worden sind oder krisenbestimmt waren, und solchen Bürgschaften unterschieden, die erst aufgrund des Eintritts der Krise in Verbindung mit der Nichtausübung der Rechte nach § 775 Abs. 1 Nr. 1 BGB den Status einer eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe erlangt haben (vgl. Goette/Kleindiek, a.a.O., Rz. 57 ff.). Während in den beiden erstgenannten Fällen der Nennwert des ausgefallenen Regressanspruchs den Anschaffungskosten der Kapitalgesellschaftsanteile zuzuschlagen ist, bedarf es im zuletzt genannten Sachverhalt der Bewertung des Rückgriffsanspruchs auf den Zeitpunkt des Eintritts der Krise (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. April 1997 VIII R 23/93, BFHE 183, 397, BStBl II 1999, 342; vom 26. Januar 1999 VIII R 50/98, BFHE 188, 295, BStBl II 1999, 559; vom 6. Juli 1999 VIII R 9/98, BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 24. Aufl., § 17 Rz. 175, m.w.N.).

c) Die vorgenannten Grundsätze sind vom erkennenden Senat --im Einklang mit der dargestellten gesellschaftsrechtlichen Rechtslage-- über den Bereich der Bürgschaften hinaus auch für die Bestellung von Grundpfandrechten bestätigt und angewandt worden (vgl. z.B. Senatsurteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761; ebenso --implizit-- BFH-Urteile vom 2. Dezember 2000 VIII R 22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385; vom 12. Dezember 2000 VIII R 52/93, BFHE 194, 120, BStBl II 2001, 286; ebenso zu Rangrücktritt und Garantieversprechen BFH-Urteil vom 4. November 1997 VIII R 43/96, BFH/NV 1998, 1076).

d) Demgemäß hätte sich die Beschwerdeschrift zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht nur mit dieser Rechtsprechung sowie ihren gesellschaftsrechtlichen Grundlagen, sondern auch mit den Erläuterungen dieser Entscheidungspraxis im Schrifttum auseinander setzen müssen (vgl. z.B. Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17 Rz. 176; Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG Anm. 202).

3. Nicht durchzugreifen vermag weiterhin der Vortrag, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen, weil das FG im Ergebnis angenommen habe, dass jede Grundschuldbestellung durch den Gesellschafter einer GmbH den für krisenbestimmte Finanzhilfen geltenden Regeln unterstehe. Die Rüge geht bereits deshalb fehl, weil die Vorinstanz einen solchen Rechtssatz nicht aufgestellt hat, sondern --wie zu Abschn. I dieses Beschlusses ausgeführt-- vielmehr davon ausgegangen ist, dass die im Streitfall zu beurteilende Grundschuldbestellung angesichts der zuvor von der X-GmbH erlittenen Verluste zur Krisenfinanzierung bestimmt gewesen sei (vgl. hierzu auch BGH-Urteil vom 9. März 1992 II ZR 168/91, DStR 1992, 761; Goette/Kleindiek, a.a.O., Rz. 46). An diese mögliche Würdigung des Sachverhalts wäre der Senat demgemäß auch im Rahmen eines Revisionsverfahrens gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

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