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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.07.1998
Aktenzeichen: VIII B 74/97
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 | |
AO 1977 § 173 | |
AO 1977 § 184 Abs. 1 Satz 3 | |
AO 1977 § 185 |
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet. Das erstinstanzliche Urteil weicht nicht von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab.
1. Eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt vor, wenn das Finanzgericht (FG) in dem angefochtenen Urteil einen die Entscheidung tragenden Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem --ebenfalls tragenden-- abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BFH abweicht (ständige Rechtsprechung; vgl. Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309, m.w.N.). Ein abstrakter Rechtssatz in diesem Sinne muß nicht notwendig nach Art eines Leitsatzes in den Gründen des angefochtenen Urteils formuliert sein; er kann sich auch aus scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen des FG ergeben. Auch in diesem Fall muß sich jedoch der vom FG konkludent aufgestellte Rechtssatz deutlich aus dem gedanklichen Zusammenhang der Entscheidungsgründe entnehmen lassen. Aus diesem Grund liegt keine Divergenz vor, wenn ein FG eine Rechtsfrage nicht stillschweigend entschieden, sondern übersehen hat (vgl. BFH-Beschlüsse in BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; vom 24. Oktober 1990 II B 31/90, BFHE 162, 483, BStBl II 1991, 106; vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671, und vom 31. Oktober 1996 VIII B 42/96, BFH/NV 1997, 490). Entsprechendes gilt, wenn ein FG zu einer an sich erheblichen Rechtsfrage nicht Stellung genommen hat, weil sie unstreitig und die Beantwortung offensichtlich war.
2. Im Streitfall ist das FG nicht deutlich erkennbar von einer Entscheidung des BFH abgewichen.
a) Nach der Rechtsprechung des BFH führen nachträglich bekanntgewordene Tatsachen nur dann zu einer Änderung von bestandskräftigen Bescheiden nach § 173 der Abgabenordnung (AO 1977), wenn die anfängliche Unkenntnis für die ursprüngliche, zu ändernde Veranlagung ursächlich gewesen ist. Hieran fehlt es, wenn das Finanzamt (FA) bei Kenntnis der Tatsachen schon zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagung zu keiner anderen Entscheidung gelangt wäre (vgl. BFH-Entscheidungen vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180; vom 7. Juni 1989 II R 13/86, BFHE 157, 220, BStBl II 1989, 694; vom 15. Januar 1991 IX R 238/87, BFHE 164, 492, BStBl II 1991, 741, und vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BFHE 176, 308, BStBl II 1995, 293). Auf diese Rechtsprechung ist das FG im Urteil nicht näher eingegangen. Sie war auch nicht unmittelbar anzuwenden, denn nach den §§ 185, 184 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 kommt § 173 AO 1977 bei der Änderung von Zerlegungsbescheiden nur sinngemäß zur Anwendung (vgl. BFH-Urteile vom 24. März 1992 VIII R 33/90, BFHE 168, 350, BStBl II 1992, 869, und vom 12. Mai 1992 VIII R 45/90, BFH/NV 1993, 191). Unabhängig davon, welche Modifikationen die nur entsprechende Anwendung des § 173 AO 1977 im hier maßgeblichen Zusammenhang ggf. erfordert, geht der Senat jedoch davon aus, daß eine Divergenz hierdurch nicht ausgeschlossen wird. Denn die Identität der Rechtsfrage wird nicht berührt (vgl. Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rz. 74).
b) Entgegen der Beschwerde kann aus dem Schweigen der Urteilsgründe jedoch nicht gefolgert werden, das FG habe es für entscheidungsunerheblich gehalten, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das FA) bei Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen bereits im Zeitpunkt des Erlasses der urspünglichen Zerlegungsbescheide ebenso oder abweichend entschieden hätte. Umstände, die deutlich erkennen lassen, daß das FG stillschweigend von der BFH-Rechtsprechung abgewichen ist, sind weder aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe noch anderweitig erkennbar.
Gegen eine stillschweigende Abweichung spricht, daß das FG zur Begründung der Anwendung des § 173 AO 1977 ausschließlich auf das Senatsurteil in BFH/NV 1993, 191 verweist und darin enthaltene Formulierungen wörtlich übernimmt. Denn dieses Senatsurteil enthält zur Frage, wie das FA bei bereits anfänglicher Kenntnis aller Tatsachen entschieden hätte, ebenfalls keine näheren Ausführungen. Damit liegt es nahe, daß das FG auf eine Begründung nur deshalb verzichtete, weil es sie aufgrund des Prozeßverlaufs für überflüssig hielt. Im Streitfall ist offensichtlich, daß der Gesichtspunkt zu keiner anderen Entscheidung führen kann. Die Beschwerde läßt insoweit außer acht, daß bei der Prüfung, wie das FA früher entschieden hätte, nach ständiger Rechtsprechung davon auszugehen ist, daß es bei Kenntnis der Tatsachen die zutreffende Entscheidung getroffen hätte (vgl. BFH in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180 unter C. II. 2. b.; in BFHE 157, 220, BStBl II 1989, 694, und in BFHE 164, 492, BStBl II 1991, 741). Statt dessen unterstellt die Beschwerde, daß die Veranlagungsstelle auch bei Kenntnis der Tatsachen die unzutreffenden Bescheide erlassen hätte.
Im übrigen ergeht die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Ende der Entscheidung
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