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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 05.11.1998
Aktenzeichen: VIII B 74/98
Rechtsgebiete: UmwStG 1995, EStG, GewStG, FGO


Vorschriften:

UmwStG 1995 § 4 Abs. 4
UmwStG 1995 § 18 Abs. 2
EStG § 32c
GewStG § 7
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist durch Formwechsel zum 31. Dezember 1995 von einer GmbH in eine GmbH & Co. KG umgewandelt worden. Sie beantragte, für den auf A entfallenden Übernahmegewinn i.S. des § 4 Abs. 4 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) vom 28. Oktober 1994 (BGBl I, 3267, --UmwStG 1995--) von ... DM die Tarifbegrenzung gemäß § 32c des Einkommensteuergesetzes (EStG) festzustellen. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) stellte den Übernahmegewinn unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest und versagte die Tarifbegrenzung. Er begründete dies in der Einspruchsentscheidung damit, daß der Übernahmegewinn nach § 18 Abs. 2 UmwStG 1995 nicht der Gewerbesteuer unterliege. Er lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

Über die in der Hauptsache anhängige Klage der Antragstellerin hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte es ab. Es führte zur Begründung aus, daß der Übernahmegewinn nicht --wie § 32c Abs. 2 EStG dies erfordere-- nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der Gewerbesteuer unterliege, weil von dieser Vorschrift nur laufende Gewinne erfaßt würden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Februar 1990 I R 92/86, BFHE 160, 262, BStBl II 1990, 699). Da der Übernahmegewinn nur nach der Spezialvorschrift in § 18 UmwStG 1995 gewerbesteuerlich erfaßt werden könne, fehle es an einem "Unterliegen nach § 7 oder § 8 Nr. 4 GewStG", der ersten Voraussetzung für die Anwendung des § 32c EStG. Außerdem komme dem Gewerbesteuermeßbescheid für die Anwendung des § 32c EStG die Funktion eines Grundlagenbescheids zu. Das FG hat die Beschwerde zugelassen.

Die Antragstellerin macht zur Begründung ihrer Beschwerde geltend, daß der Übernahmegewinn entgegen der Ansicht des FG Teil des Gewinns aus Gewerbebetrieb sei. Das vom FG in Bezug genommene BFH-Urteil sei nicht einschlägig, weil es sich auf die Besteuerung des Übertragungsgewinns i.S. des § 18 Abs. 1 i.V.m. § 3 UmwStG 1977 beziehe. Dieser Gewinn entstehe bei der übertragenden Gesellschaft. Vorliegend gehe es um die Besteuerung des Gewinns bei der übernehmenden oder aufnehmenden Gesellschaft. Die Gewerbesteuerbarkeit des Übernahmegewinns werde bei der übernehmenden Gesellschaft nicht erst durch eine Spezialvorschrift wie § 18 UmwStG 1995 begründet, sondern bestehe bereits nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. Walter, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1998, 576, 578). Zwar sei die Gesetzessystematik, aufgrund derer es zur Gewerbesteuerbarkeit komme, auch nach der jüngsten Literaturäußerung (Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 1998, 192, 194) umstritten. Aber bereits aus diesem Grund bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheids. Auch treffe es nicht zu, daß der Gewerbesteuermeßbescheid Grundlagenbescheid für die Tarifbegrenzung gemäß § 32c EStG sei. Eine eingeschränkte Grundlagenfunktion bestehe nur in umgekehrter Richtung.

Hinzu komme, daß der BFH nunmehr in der vergleichbaren Problematik der Tarifbegrenzung für abgeführte Gewinne einer Organgesellschaft mit Beschluß vom 3. März 1998 IV B 49/97 (BFHE 185, 418, BStBl II 1998, 608) Aussetzung der Vollziehung gewährt habe.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Soweit --wie im Streitfall-- Rechtsfragen umstritten sind, sind ernstliche Zweifel anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gesichtspunkte zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage auslösen (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Eine überwiegende Erfolgsaussicht der Klage ist für die Aussetzung der Vollziehung nicht erforderlich (BFH-Beschlüsse vom 24. Oktober 1967 II B 17/67, BFHE 90, 532, BStBl II 1968, 229; vom 14. November 1989 VII B 124/89, BFH/NV 1990, 279).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist im Streitfall entgegen der Ansicht des FG ernstlich zweifelhaft, ob es rechtmäßig ist, für den Übernahmegewinn die Tarifbegrenzung gemäß § 32c EStG zu versagen.

1. Die begehrte Aussetzung scheitert nicht bereits daran, daß in der Literatur (vgl. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 32c EStG Anm. 7, mit umfassenden Nachweisen) gegen die Verfassungsmäßigkeit und damit die Gültigkeit des § 32c EStG beachtliche Einwände vorgebracht worden sind. § 32c EStG ist eine den Steuerpflichtigen begünstigende Norm. Der Senat geht in Übereinstimmung mit den Ausführungen in dem bereits von der Antragstellerin zitierten BFH-Beschluß in BFHE 185, 418, BStBl II 1998, 608 davon aus, daß in einem solchen Fall im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit nicht zu prüfen sind. Denn wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit der begünstigenden Norm überzeugt wäre, müßte es gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen. Dies wäre aber mit dem Wesen eines Eilverfahrens nicht vereinbar (vgl. BFH in BFHE 185, 418, BStBl II 1998, 608, 609 f., m.w.N.). Deshalb ist im vorliegenden Verfahren zugunsten der Antragstellerin die Rechtsgültigkeit des § 32c EStG zu unterstellen.

2. Nach § 32c Abs. 1 EStG ist von der tariflichen Einkommensteuer ein Entlastungsbetrag nach Abs. 4 abzuziehen, wenn in dem zu versteuernden Einkommen gewerbliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 2 enthalten sind. Nach Abs. 2 Satz 1 sind gewerbliche Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift vorbehaltlich des Satzes 2 "Gewinne oder Gewinnanteile, die nach § 7 oder § 8 Nr. 4 des Gewerbesteuergesetzes der Gewerbesteuer unterliegen". Nach Abs. 2 Satz 2 sind bestimmte Gewinne und Gewinnanteile, die im einzelnen aufgezählt werden, ausgenommen.

§ 32c EStG ist durch das Standortsicherungsgesetz vom 13. September 1993 (BGBl I, 1569, BStBl I, 774) in das EStG eingefügt worden. Bereits kurze Zeit nach Inkrafttreten der Vorschrift ist in der Literatur ein bis heute andauernder Streit darüber ausgebrochen, ob Übernahmegewinne i.S. des § 4 Abs. 4 UmwStG 1995 von der Tarifbegrenzung erfaßt sind oder nicht. Im Schrifttum (vgl. die Nachweise zum Meinungsstand bis zum November 1996: Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 32c EStG Anm. 32 "Umwandlungsgewinne") sind die Auffassungen darüber, ob der Übernahmegewinn ein Gewinn ist, der nach § 7 GewStG der Gewerbesteuer unterliegt, geteilt.

Für die Gewerbesteuer bestimmt § 18 Abs. 2 UmwStG 1995, daß ein Übernahmegewinn "nicht zu erfassen" ist. Nach der einen Meinung ändert dies nichts daran, daß der Übernahmegewinn als laufender Geschäftsvorfall zu einem Gewinn führt, der nach § 7 GewStG der Gewerbesteuer unterliegt und somit zu den gewerblichen Einkünften i.S. des § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG gehört. Daraus, daß § 18 Abs. 2 UmwStG 1995 bei den in § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG aufgezählten Ausnahmevorschriften nicht genannt ist, wird abgeleitet, daß der Übernahmegewinn tarifbegünstigt ist (vgl. z.B. Kahrs, Betriebs-Berater --BB-- 1998, 349; Walter, GmbHR 1998, 576). Die Gegenmeinung mißt § 18 Abs. 2 UmwStG 1995 die Bedeutung bei, daß der Übernahmegewinn bereits nicht als ein Gewinn zu qualifizieren ist, der der Gewerbesteuer i.S. des § 7 GewStG unterliegt und der deshalb auch nicht unter § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG subsumiert werden kann. Während Gosch meint, dieses Ergebnis folge bereits aus der grammatischen Auslegung des Gesetzeswortlauts (BB 1995, 1271, StBp 1998, 192, 194), stützt Wendt (in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O, § 32c EStG Anm. 32 "Umwandlungsgewinne") dieses Ergebnis auch auf den Zweck des § 32c EStG. Die einkommensteuerliche Tarifbegünstigung solle einen Ausgleich für die Gewerbesteuerbelastung schaffen; folglich sollten nicht gewerbesteuerpflichtige Umwandlungsgewinne auch nicht tarifbegünstigt sein.

Das Bundesministerium der Finanzen hat in dem Umwandlungserlaß vom 25. März 1998 (BStBl I 1998, 268, 291, unter Tz. 04.42) angeordnet, § 32c EStG sei auf den Übernahmegewinn nicht anzuwenden, da dieser nach § 18 Abs. 2 UmwStG 1995 nicht der Gewerbesteuer unterliege und es sich danach nicht um gewerbliche Einkünfte i.S. des § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG handele.

Bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung kann keiner der einander widersprechenden Rechtsauffassungen derart eindeutig der Vorzug gegeben werden, daß das gegenteilige Ergebnis als unvertretbar erschiene. Deshalb rechtfertigt die Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage, ob der Übernahmegewinn nach § 32c EStG tarifbegünstigt ist, die begehrte Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Feststellungsbescheids.



Ende der Entscheidung

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