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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.04.2004
Aktenzeichen: VIII B 79/03
Rechtsgebiete: EStG, HGB, FGO


Vorschriften:

EStG § 5 Abs. 1
EStG § 5 Abs. 4 a
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2
HGB § 249 Abs. 1
HGB § 253
HGB § 266 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die von der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 14. November 2000 IV A 6 -S 2174- 5/00, BStBl I 2000, 1514) vertretene Ansicht, dass eine Teilwertabschreibung auf teilfertige Bauten auf fremdem Grund und Boden nur hinsichtlich des dem jeweiligen Stand der Fertigstellung entsprechenden, auf die Bauten entfallenden Anteils der vereinbarten Vergütung zulässig sei, der Rechtslage entspricht.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) --eine KG-- betreibt ein Bauunternehmen. Sie erbringt ihre Bauleistungen überwiegend aufgrund von Werklieferungs- oder Werkleistungsverträgen auf fremdem Grund und Boden. Häufig schließt sie sich mit anderen Unternehmen zu Arbeitsgemeinschaften zur gemeinsamen Durchführung eines oder mehrerer Projekte zusammen; Vertragspartner des Auftraggebers für das gesamte Bauvorhaben ist in diesem Fall die Arbeitsgemeinschaft. Für jede Baustelle hat die Antragstellerin ein Baukonto eingerichtet; Herstellungskosten und Fertigungsgrad werden zum jeweiligen Bilanzstichtag ermittelt. In ihren Bilanzen hat die Antragstellerin "unfertige Bauleistungen" sowie "Forderungen gegen Arbeitsgemeinschaften" nach dem Grundsatz einer "absatzmarktorientierten verlustfreien Bewertung" unter Berücksichtigung des aus dem Gesamtauftrag zu erwartenden Verlustes angesetzt.

Ferner hat die Antragstellerin in den Bilanzen für Investitionen (Straßenfertiger, Bagger, Planierraupen etc.) einen Sonderposten mit Rücklageanteil für Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz (FöGbG) gebildet. Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob die Voraussetzungen (Zugehörigkeit zum Anlagevermögen der Zweigniederlassung im Fördergebiet, dreijährige Verbleibensdauer in der Betriebsstätte) erfüllt sind.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) vertrat im Anschluss an eine Außenprüfung die Ansicht, dass nur der dem Fertigungsgrad der "unfertigen Bauleistungen" bzw. "Forderungen aus Arbeitsgemeinschaften" entsprechende Verlust am Bilanzstichtag im Wege der Teilwertabschreibung berücksichtigt werden könne und dass die Zugehörigkeit der verschiedenen Baugeräte zum Anlagevermögen der Zweigniederlassung nicht gegeben sei. Dementsprechend erließ er für die Streitjahre 1997 bis 1998 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Feststellungs- und Gewerbesteuermessbescheide.

Das FA hat über die Einsprüche noch nicht entschieden. Den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide lehnte es ab.

Das Finanzgericht (FG) setzte die Vollziehung der Bescheide aus, soweit die Antragstellerin eine Teilwertabschreibung begehrte. Zur Begründung führte es aus, dass sich die Verwaltungsauffassung (Erlass des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 14. November 2000 IV A 6 -S 2174- 5/00, BStBl I 2000, 1514) auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. November 1974 V R 36/74 (BFHE 115, 71, BStBl II 1975, 398) stütze, dessen Anwendbarkeit seit der durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz (BiRiLiG) 1985 geänderten Rechtslage zumindest zweifelhaft geworden sei. Denn nach § 266 Abs. 2 Aktivseite B I.2. des Handelsgesetzbuchs (HGB) seien die halbfertigen Bauten unter den "unfertigen Erzeugnissen, unfertigen Leistungen" gesondert als Gegenstände des Vorratsvermögens auszuweisen; das schließe ihre Bilanzierung als "Forderungen" entsprechend dem Urteil des BFH aus (Hinweis auf das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 18. November 2002 5 K 1468/01, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2003, 289). Es sprächen deshalb beachtliche Gründe dafür, die halbfertigen Bauten nach den für die Bewertung von Vorratsvermögen geltenden Grundsätzen zu bewerten, insbesondere auch eine Teilwertabschreibung nach den Grundsätzen einer verlustfreien Bewertung zuzulassen, wie dies von einem namhaften Teil des Schrifttums gefordert werde (so u.a. von Hoffmann, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2000, 1338; Rogler/Jacob, Betriebs-Berater --BB-- 2000, 2407; Wulf/Roessle, Der Betrieb --DB-- 2001, 393; Heinemann, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2001, 200; Hofer, DStR 2001, 635; Herzig, Steuerberater-Jahrbuch --StbJb-- 2000/2001, 281, 305 f.; Berger/M. Ring in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 5. Aufl., § 249 HGB Rz. 68; Glanegger in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 6 Rz. 250 "schwebende Geschäfte"). Die demgegenüber vom FA (ebenso FG Rheinland-Pfalz, Urteil in EFG 2003, 289; Weber-Grellet in Schmidt, a.a.O., § 5 Rz. 270 "unfertige Erzeugnisse") vertretene Ansicht, bei der Bilanzposition "unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen" handle es sich ihrer Art nach um einen Rechnungsabgrenzungsposten, könne die durch diese Argumente begründeten Zweifel nicht ausräumen.

Hinsichtlich der Voraussetzungen der Sonderabschreibungen nach dem FöGbG bestünden keine ernstlichen Zweifel; sie seien nach den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen nicht glaubhaft gemacht.

Mit der Beschwerde beantragt das FA im Wesentlichen unter Hinweis auf das BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1514, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide in vollem Umfang abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet; sie war deshalb zurückzuweisen.

Aus den im Beschluss des FG dargelegten Gründen bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide; ihre Vollziehung war deshalb gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen. Das FA hat mit seiner Beschwerde keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die die Unsicherheit in der Beurteilung der Streitfrage beheben könnten; ihre abschließende Beurteilung muss deshalb dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Einer weiteren Begründung bedarf der Beschluss nicht (§ 113 Abs. 2 Satz 3 FGO).

Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass die von der Finanzverwaltung und vom FG Rheinland-Pfalz (EFG 2003, 289) sowie im Schrifttum (z.B. Klingelhöfer, StBp 2000, 364; vgl. auch Tjarks, Finanz-Rundschau --FR-- 2002, 329) vertretene "vermittelnde Meinung", eine Teilwertabschreibung sei zwar nicht hinsichtlich des vollständigen zu erwartenden Verlustes aus dem Geschäft, wohl aber hinsichtlich des dem jeweiligen Stand der Fertigstellung entsprechenden, auf die Bauten entfallenden anteilig realisierten Verlustes möglich (zur Verlustermittlung in diesem Fall vgl. Heinemann, StBp 2001, 200, 201), zusätzliche Unsicherheiten in der Beurteilung der Rechtsfrage verursacht. Die Frage nach der Möglichkeit einer Teilwertabschreibung bei unfertigen Erzeugnissen hat an Bedeutung gewonnen, seit drohende Verluste aus schwebenden Geschäften nicht mehr berücksichtigt werden können (§ 5 Abs. 4 a des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Schwebende Geschäfte sind aber erst beendet, wenn sie erfüllt sind; Vorleistungen sind --als Rechnungsabgrenzungsposten oder diesen ähnlich-- grundsätzlich erfolgsneutral zu halten (vgl. dazu u.a. Weber-Grellet in Schmidt, a.a.O., § 5 Rz. 76, Rz. 270 "unfertige Erzeugnisse", m.w.N.). Die "vermittelnde Meinung" muss deshalb begründen, weshalb sie hinsichtlich der noch nicht erbrachten Leistung einen Vorrang des Verbots der Drohverlustrückstellung vor der Teilwertabschreibung bejaht, hinsichtlich der erbrachten Teilleistung dagegen einen solchen Vorrang auch für den Fall einer retrograden Teilwertermittlung auf der Basis gesunkener Verkaufspreise verneint und trotz des Grundsatzes der erfolgsneutralen Bilanzierung schwebender Geschäfte einen Verlustausweis zulässt (zur Zulässigkeit der retrograden Teilwertermittlung vgl. allgemein Senatsurteil vom 25. Juli 2000 VIII R 35/97, BFHE 193, 93, BStBl II 2001, 566, unter II.2.b aa der Gründe, m.w.N., und --nach der Neuregelung der Teilwertabschreibung durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304-- BMF-Schreiben vom 25. Februar 2000 IV C 2 -S 2171 b- 14/00, BStBl I 2000, 372, Tz. 1). Denn mit der Berücksichtigung (geschätzter anteiliger) Veräußerungserlöse zum Bilanzstichtag bei der Ermittlung des Teilwerts tritt auch in diesem Fall die in der Verlustauswirkung weitgehend vergleichbare Teilwertabschreibung auf der Grundlage der retrograden Bewertung in Konkurrenz zur Verlustrückstellung.

Soweit das FG die Voraussetzungen des FöGbG als nicht gegeben ansah, ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht ernstlich zweifelhaft. Der Senat verweist auch insoweit auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses. Die Antragstellerin hat gegen diese Beurteilung auch keine Einwendungen mehr erhoben.

Ende der Entscheidung

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