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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.02.2004
Aktenzeichen: VIII B 80/03
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 155
FGO § 116 Abs. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 238 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Den Prozessbevollmächtigten der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurde das die Klage abweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) am 20. Februar 2003 zugestellt. Mit ihrem am 4. April 2003 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schreiben vom 2. April 2003 beantragten sie Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das genannte Urteil. Zur Begründung trugen sie vor, eine fachlich ausgebildete, sonst sorgfältig arbeitende Büroangestellte, die auch regelmäßig überwacht worden sei, habe die im Fristenkalender eingetragene Frist zur Wiedervorlage der die Rechtssache betreffenden Akten versehentlich ausgetragen. Sie sei irrtümlich davon ausgegangen, die Nichtzulassungsbeschwerde sei bereits abgesandt worden. Sie habe dies jedoch nicht an Hand des Postausgangsbuchs überprüft. Dieses Versehen habe einer der Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt G, am 28. März 2003 bemerkt.

Dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügt war ein an den BFH gerichteter Schriftsatz vom 11. März 2003, in dem gegen das Urteil des FG Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wurde. In dem Schriftsatz wird ausgeführt, eine Begründung der Revision (gemeint wohl: der Nichtzulassungsbeschwerde) werde innerhalb der hierfür gesetzten Frist nachgereicht werden.

Mit Schreiben vom 30. April 2003, das den Prozessbevollmächtigten am 7. Mai 2003 zugestellt wurde, teilte die Vorsitzende des erkennenden Senats mit, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde sei abgelaufen. Hierauf reichten die Prozessbevollmächtigten am 21. Mai 2003 beim BFH die Beschwerdebegründung ein und stellten gleichzeitig einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung dieser Begründungsfrist. Hierzu trugen sie unter Hinweis auf eine beigefügte eidesstattliche Versicherung von Rechtsanwalt G vor, dieser habe die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde deshalb nicht eingereicht, weil die Kläger in Bezug auf den die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde betreffenden Wiedereinsetzungsantrag einen Verbindungsbeschluss gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) oder einen Trennungsbeschluss, zumindest jedoch eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag erwartet hätten.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (Beklagter) ist der Beschwerde entgegengetreten. Er hält diese jedenfalls deshalb für unzulässig, weil die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde schuldhaft versäumt worden sei. Die Einlegungsfrist nach § 116 Abs. 3 FGO und die Begründungsfrist nach § 116 Abs. 3 FGO seien unabhängige voneinander zu wahrende Fristen. Den Prozessbevollmächtigten der Kläger hätte dies im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut dieser Vorschriften und der vom FG erteilten Rechtsbehelfsbelehrung bekannt sein müssen. Gegebenenfalls hätten sie sich über die Rechtslage Gewissheit verschaffen müssen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

Der Senat kann offen lassen, ob den Klägern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren wäre.

Die Beschwerde ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil die Kläger sie nicht entsprechend § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils begründet haben; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) kann ihnen wegen der Versäumung dieser Frist nicht gewährt werden, weil sie nicht ohne Verschulden gehindert waren, die Begründungsfrist zu wahren.

1. Die Frist zur Begründung der Beschwerde endete gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO mit Ablauf von zwei Monaten nach der am 20. Februar 2003 bewirkten Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils, also mit Ablauf des 22. April 2003 (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--).

Der Schriftsatz zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch erst am 21. Mai 2003, also verspätet, beim BFH eingegangen.

Entgegen der Ansicht der Kläger hat die Tatsache, dass sie wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt haben, keinen Einfluss auf Beginn und Ablauf der Begründungsfrist. Das gilt unabhängig davon, ob den Klägern wegen der Versäumung der Einlegungsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren war oder nicht.

Die durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) in § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO neu eingeführte zweimonatige Begründungsfrist ist --wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt-- eine selbständige, vom Lauf der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde unabhängige Frist, die auch dann mit der Zustellung des vollständigen Urteils zu laufen beginnt, wenn wegen der Versäumung der Einlegungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden ist (BFH-Beschluss vom 16. Oktober 2003 XI B 95/02, BFH/NV 2004, 88; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 1992 9 B 256/91, Neue Juristische Wochenschrift 1992, 2780, zur gleichlautenden Vorschrift des § 133 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung).

2. Den Klägern kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung dieser Begründungsfrist gewährt werden.

Der von den Klägern geltend gemachte Rechtsirrtum eines ihrer Prozessbevollmächtigten war nämlich verschuldet, was gemäß § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO den Klägern zuzurechnen ist. Dieser Prozessbevollmächtigte durfte als Rechtskundiger angesichts der Rechtsbehelfsbelehrung, die dem Urteil des FG beigefügt und in der zutreffend der Zeitpunkt des Beginns und des Ablaufs der Begründungsfrist dargelegt war, nicht ohne weitere Prüfung der Rechtslage davon ausgehen, der Beginn oder Ablauf dieser Frist werde von einem die Einlegungsfrist betreffenden Wiedereinsetzungsantrag beeinflusst. Eine solche Prüfung hätte ergeben, dass die Literatur auch bereits vor Ergehen des genannten BFH-Beschlusses in BFH/NV 2004, 88 --soweit ersichtlich-- einhellig vertreten hat, dass ein solcher Einfluss nicht besteht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 20; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz. 135, und Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Tz. 21 i.V.m. § 120 FGO Tz. 71).

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