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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.10.2006
Aktenzeichen: VIII B 90/06
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO
Vorschriften:
AO 1977 § 174 Abs. 4 | |
AO 1977 § 174 Abs. 4 Satz 1 | |
AO 1977 § 174 Abs. 4 Satz 2 | |
AO 1977 § 174 Abs. 5 Satz 1 | |
AO 1977 § 174 Abs. 5 Satz 2 | |
FGO § 132 |
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) 1997 um die Frage, in welchem Umfang der Klägerin über die bereits deklarierten Kapitaleinnahmen hinaus weitere Zinseinnahmen zuzurechnen sind.
Die Klägerin lebt seit 1988 von ihrem Ehemann, dem Beigeladenen und Beschwerdeführer (Beigeladener), getrennt, hat aber den gemeinsamen Wohnsitz in A beibehalten und daneben einen weiteren Wohnsitz in B begründet. Anlässlich einer im September 1996 bei der Klägerin begonnenen Betriebsprüfung, die sich auf die Jahre 1992 bis 1994 erstreckte, leitete die Steuerfahndung gegen die Klägerin ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Hinterziehung von Einkommensteuer 1992 bis 1997 und Vermögensteuer 1992 bis 1996 ein. Aufgrund eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses erfolgte im Mai 1998 eine Durchsuchung der Wohnräume der Klägerin in B sowie eine Durchsuchung der Geschäftsräume mehrerer Kreditinstitute, unter anderem der Z-Bank in A. Außerdem erfolgte eine Durchsuchung der gemeinsamen Wohnräume der Klägerin und des Beigeladenen in A. Neben diversen Unterlagen über Depots und Festgeldkonten bei ausländischen Banken wurde dabei u.a. ein Bareinzahlungsbeleg der Z-Bank AG (Schweiz) über einen am 3. Februar 1997 eingezahlten Betrag in Höhe von ... DM gefunden, der neben der Kontonummer ...123 den handschriftlichen Namenszusatz "..." trägt. Außerdem war aus einem anderen Beleg zu ersehen, dass am selben Tag bei der Z-Bank AG (Schweiz) auf das Konto Nr. ...111 ein Barbetrag von ... DM eingezahlt wurde.
Die Steuerfahndung, die es aufgrund verschiedener Beweisanzeichen für erwiesen ansah, dass der Beigeladene bei der Z-Bank AG (Schweiz) ein Konto unterhielt, folgerte aus dem Bareinzahlungsbeleg mit dem handschriftlichen Namenszusatz "...", dass die Klägerin dort ebenfalls eine Kontoverbindung hatte, die sie gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) verschwiegen hat. Nach dem Grundsatz der erhöhten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten schätzte das FA daraufhin weitere Kapitaleinnahmen der Klägerin und errechnete für 1997 zusätzliche Zinseinnahmen in Höhe von ... DM.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage wendete sich die Klägerin gegen die Zuschätzung. Über die Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht abschließend entschieden.
Im Klageverfahren hat das FG ein schriftvergleichendes Gutachten zu der Frage eingeholt, ob es sich bei der auf dem Einzahlungsbeleg vom 3. Februar 1997 verwendeten Handschrift um diejenige der Klägerin bzw. ihres Ehemannes handelt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 6. Dezember 2005 für die Urheberschaftsannahme der Klägerin bzw. des Beigeladenen "allenfalls eine mäßige Wahrscheinlichkeit" bejaht.
Das FA hat daraufhin die Beiladung des Ehemannes der Klägerin beantragt und diese damit begründet, die streitigen Einkünfte aus Kapitalvermögen beruhten letztlich auf einer Steuerfahndungsprüfung im Hause des Ehemannes. Nur wegen des handschriftlichen Namensvermerks "..." auf dem Bareinzahlungsbeleg sei die Zuschätzung zu Lasten der Klägerin erfolgt. Ohne den handschriftlichen Vermerk wäre das Konto bei der Steuerfestsetzung des Ehemannes berücksichtigt worden. Sollte das FG daher den Schluss ziehen, die Einkünfte seien nicht der Klägerin zuzurechnen, wären entsprechende Konsequenzen notwendig gegenüber dem Ehemann zu ziehen. Dieser müsse gemäß § 174 Abs. 4 und Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) notwendig beigeladen werden.
Das FG hat den Ehemann der Klägerin daraufhin mit Beschluss vom 29. März 2006 zum Verfahren der Klägerin beigeladen und der dagegen erhobenen Beschwerde nicht abgeholfen.
Mit der Beschwerde wird sinngemäß beantragt, die Beiladung aufzuheben.
Eine Folgeänderung bei der Einkommensteuer 1997 des beigeladenen Ehemannes scheide nach § 174 Abs. 4 AO 1977 aus. Die fehlerhafte Steuerfestsetzung gegenüber der Klägerin sei allein auf unzutreffende Tatsachenfeststellungen des FA zurückzuführen. Auf Fehler bei der Tatsachenermittlung finde § 174 Abs. 4 AO 1977 keine Anwendung.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden (§ 174 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AO 1977). Dies gilt auch gegenüber Dritten, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides geführt hat, beteiligt waren (§ 174 Abs. 5 Satz 1 AO 1977). Ihre Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig (§ 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977).
Eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 setzt danach voraus,
a) dass ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist,
b) dass hieraus sich möglicherweise steuerrechtliche Folgerungen für einen Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides ziehen lassen und
c) dass das FA die Beiladung veranlasst und beantragt hat (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. März 1998 V B 3/98, BFH/NV 1998, 1056).
Darüber hinaus setzt die Anwendung des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO 1977 dem Dritten gegenüber voraus, dass dieser vor Ablauf der Festsetzungsfrist hinzugezogen oder beigeladen worden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. April 2003 III B 127/02, BFH/NV 2003, 887, m.w.N.; vom 25. September 2001 VI B 153/01, BFH/NV 2002, 160; ebenso Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 174 Rz. 73). Indes hat das FG im Beiladungsverfahren noch nicht abschließend zu prüfen, ob die übrigen formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheides vorliegen; denn die Beiladung darf die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen. Sie dient vielmehr lediglich der frühzeitigen Beteiligung aller Betroffenen und damit der richtigen Besteuerung (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1997 III R 300/94, BFH/NV 1997, 659, m.w.N.). Danach reicht es für eine Beiladung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 aus, dass sich bei einem Erfolg der Klage eine Folgeänderung i.S. des § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 ergeben kann. Hingegen ist nicht zu prüfen, ob eine etwaige Folgeänderung Bestand hätte (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 887).
Die der Rechtswahrung dienende Drittbeteiligung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn eindeutig feststeht, dass es zu einer Heranziehung des Dritten, z.B. wegen Festsetzungsverjährung, nicht mehr kommen, dieser also eindeutig rechtlich nicht betroffen sein kann (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 887, m.w.N.).
2. In Anwendung dieser Grundsätze hat das FG den Ehemann der Klägerin auf Antrag des FA zu Recht beigeladen. Wären die Zinseinnahmen betreffend das Konto Z-Bank AG (Schweiz) nicht der Klägerin, sondern dem Beigeladenen ertragsteuerlich zuzurechnen, so wären u.U. bei diesem weitere Kapitaleinnahmen anzusetzen. Dies gilt umso mehr, als das FG im Beiladungsbeschluss ausdrücklich darauf hingewiesen hat, ein etwaiger 1997 entstandener Steueranspruch gegenüber dem Beigeladenen sei ggf. noch nicht verjährt. Die Möglichkeit, dass das FA bei einem Obsiegen der Klägerin im FG-Verfahren später möglicherweise den Beigeladenen in Anspruch nimmt, ist daher gegeben. Mangels eindeutiger Festsetzungsverjährung hinsichtlich des Beigeladenen ist die Beiladung daher rechtmäßig.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da die Entscheidung über die Beiladung in einem unselbständigen Zwischenverfahren ergeht (§ 143 Abs. 1 FGO) und die Kosten dieses Nebenverfahrens mit denen des Hauptverfahrens eine Einheit bilden (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2003 VIII B 33/02, BFH/NV 2003, 927, m.w.N.).
Ende der Entscheidung
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