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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.10.2003
Aktenzeichen: VIII R 111/01
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 1 Abs. 1 Satz 1 | |
EStG § 2 Abs. 7 | |
EStG § 2 Abs. 7 Satz 3 | |
EStG § 31 Satz 4 | |
EStG § 32a Abs. 1 Satz 1 | |
EStG § 32b Abs. 1 Nr. 2 | |
EStG § 32 Abs. 6 | |
EStG § 32 Abs. 6 Satz 1 | |
EStG § 36 Abs. 2 | |
EStG § 49 | |
EStG § 50 Abs. 1 | |
EStG § 50 Abs. 1 Satz 5 |
Gründe:
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein schwedischer Staatsbürger, hatte im Streitjahr 1996 zwei minderjährige Kinder. Er wohnte bis zum 25. Mai 1996 im Inland und anschließend in Schweden, wo seine Ehefrau und seine Kinder während des gesamten Streitjahres lebten. Der Kläger erzielte im Inland bis zum 10. Mai 1996 einen Gewinn aus selbständiger Arbeit in Höhe von 75 087 DM. Während der Dauer seines Inlandsaufenthalts hatte er in Schweden keine Einkünfte. In der Zeit vom 26. Mai bis 31. Dezember 1996 erzielte er in Schweden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, über deren Höhe von umgerechnet 39 295 DM inzwischen kein Streit mehr besteht. Er erhielt in Schweden Kindergeld in Höhe von umgerechnet 3 648 DM (152 DM x 2 x 12 Monate); in Deutschland war ihm kein Kindergeld gezahlt worden.
Bei der Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer 1996 unterwarf der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die in Schweden bezogenen Einkünfte dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr 1996 gültigen Fassung (im Folgenden: EStG). Er berücksichtigte ferner zwei volle Kinderfreibeträge (12 528 DM) gemäß § 32 Abs. 6 EStG und rechnete bei der Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer Kindergeld bzw. vergleichbare Leistungen in Höhe von insgesamt 4 800 DM (2 x 2 400 DM) gemäß § 36 Abs. 2 EStG hinzu.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte der Kläger, die in Schweden zu versteuernden Einkünfte nicht in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen, die Kinderfreibeträge nur für 5 Monate zu berücksichtigen und das in Schweden erhaltene Kindergeld nicht hinzuzurechnen. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es entschied, die Kinderfreibeträge seien für das gesamte Jahr zu gewähren und es komme keine Kürzung für den Zeitraum von Juni bis Dezember 1996 in Betracht, weil eine solche im Gesetz nicht vorgesehen sei. Der Gesetzgeber habe in § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG das Monatsprinzip nur für "jedes zu berücksichtigende Kind" statuiert. Daraus folge, dass dieses Prinzip in anderen Fällen nicht anzuwenden sein solle, es vielmehr beim allgemeinen Prinzip des § 2 Abs. 7 EStG verbleibe, dass die Grundlagen für die Festsetzung der Einkommensteuer jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln seien. Anstelle des --nicht gezahlten-- deutschen Kindergelds sei aber das schwedische Kindergeld in vollem Umfang hinzuzurechnen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 410 veröffentlicht.
Das FA rügt mit seiner Revision eine fehlerhafte Auslegung der §§ 32 Abs. 6, 50 Abs. 1 EStG.
Es macht geltend, der Kläger habe nur für die Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht, also für 5 Kalendermonate, Anspruch auf die Kinderfreibeträge; im Gegenzug sei das gezahlte Kindergeld nur für 5 Monate der Einkommensteuer hinzuzurechnen.
Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 18. November 1997 die Einkommensteuer auf ... DM festzusetzen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Steuerfestsetzung gemäß dem Revisionsantrag des FA (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass dem Kläger Kinderfreibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG für das gesamte Kalenderjahr zustehen.
1. Der Kläger ist nur bis einschließlich 25. Mai des Streitjahres 1996 unbeschränkt steuerpflichtig i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG gewesen, da er nach diesem Zeitpunkt im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG, mit denen er der deutschen Einkommensteuer unterlegen hätte (§ 1 Abs. 4 EStG), hat er in der Folgezeit nicht erzielt, so dass er unstreitig nicht beschränkt steuerpflichtig war. Außerdem unterlagen die in Schweden erzielten Einkünfte nach der zutreffenden und vom Kläger nicht mit der Revision angefochtenen Auffassung der Vorinstanz dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG: Der Kläger war nur zeitweise während des Veranlagungszeitraums unbeschränkt steuerpflichtig und seine in der Folgezeit in Schweden erzielten Einkünfte haben unstreitig nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen. Die Vorentscheidung steht insoweit im Einklang mit den Grundsätzen, die der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Urteil vom 15. Mai 2002 I R 40/01 (BFHE 199, 224, BStBl II 2002, 660) zum Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG und seiner Übereinstimmung mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht aufgestellt hat.
2. Es ist unstreitig, dass die beiden minderjährigen Kinder des Klägers nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 EStG zu berücksichtigen sind. Der Abzug eines Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 6 EStG setzt gemäß § 31 Satz 4 EStG außerdem voraus, dass die gebotene steuerliche Freistellung nicht bereits in vollem Umfang durch das Kindergeld bewirkt wird. Kindergeld im Sinne dieser Vorschrift ist auch das im Ausland gezahlte Kindergeld (vgl. BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 53/01, BFHE 200, 206, BStBl II 2002, 867). Im Streitfall sind die Beteiligten stillschweigend davon ausgegangen, die Günstigerprüfung habe zu dem Ergebnis geführt, dass die gebotene steuerliche Entlastung nicht bereits durch das in Schweden gezahlte Kindergeld bewirkt worden ist. Dies ist zutreffend und gilt unabhängig davon, ob man die Kinderfreibeträge für 5 Monate oder für 12 Monate zugrunde legt.
3. Entgegen der Auffassung des FG sind die Kinderfreibeträge nur für 5 Monate und nicht für das gesamte Kalenderjahr abzuziehen.
Nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag von 261 DM für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen vorgelegen haben, bei der Veranlagung zur Einkommensteuer vom Einkommen abgezogen. Danach ist der Kinderfreibetrag ein Monatsbetrag und nur für solche Monate zu gewähren, in denen das Kind einen der in § 32 Abs. 3 bis 5 EStG genannten Tatbestände erfüllt.
a) Für die sog. Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG hat der Senat mit Urteil vom 16. Dezember 2002 VIII R 65/99 (BFHE 201, 195, BStBl II 2003, 593) entschieden, dass der Gesetzgeber für den Kinderfreibetrag und das Kindergeld den Grundsatz, dass die Grundlagen für die Festsetzung der Einkommensteuer jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln sind (§ 2 Abs. 7 Satz 2, § 25 Abs. 1, § 32a Abs. 1 Satz 1 EStG), durchbrochen habe. Deshalb sei bei der Prüfung, ob die gebotene steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes durch das Kindergeld nicht in vollem Umfang bewirkt werde und deswegen bei der Veranlagung zur Einkommensteuer der Kinderfreibetrag unter Verrechnung des Kindesgeldes anzusetzen sei, auch auf den Kalendermonat und nicht auf den Veranlagungszeitraum abzustellen. Er hat dabei den Umstand, dass der Abzugstatbestand des § 32 Abs. 6 EStG selbst einen nur zeitanteiligen Abzug vorsieht, unter Berücksichtigung des Zwecks des Kindergeldes auf die Methode der Günstigerprüfung durchschlagen lassen.
b) Nicht allein die zeitanteilige (monatliche) Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes, sondern auch der Zweck des Kinderfreibetrages spricht dafür, einen solchen nur für diejenigen Monate abzuziehen, in denen eine unbeschränkte Steuerpflicht bestanden hat. Durch den Kinderfreibetrag soll die geminderte Leistungsfähigkeit von Familien mit Kindern steuerlich berücksichtigt werden. Dieser Zweck wird uneingeschränkt erreicht, wenn bei einer Steuerfestsetzung, in deren Bemessungsgrundlage nur die in einem bestimmten Zeitraum des Kalenderjahres erzielten Einkünfte eingeflossen sind, auch nur die auf diesen Zeitraum entfallenden kindbedingten Belastungen steuermindernd berücksichtigt werden. Anderenfalls könnte in Fällen der nur zeitweisen unbeschränkten Steuerpflicht eine überschießende steuerliche Entlastung und damit eine Bevorzugung eintreten, für die es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen und der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit keinen sachlich einleuchtenden Grund gäbe.
c) Eine nur zeitanteilige Berücksichtigung des Kinderfreibetrages bei nur zeitweiser unbeschränkter Steuerpflicht entspricht auch den übrigen Regelungen des EStG hinsichtlich des Kinderfreibetrages.
aa) Für den Fall, dass keine unbeschränkte, sondern nur eine beschränkte Steuerpflicht besteht, ist in § 50 Abs. 1 Satz 5 EStG angeordnet, dass u.a. auch § 32 EStG nicht anzuwenden, also kein Kinderfreibetrag abzuziehen ist. Nach § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG sind dann, wenn während eines Kalenderjahres sowohl unbeschränkte als auch beschränkte Einkommensteuerpflicht besteht, die während der beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte den während der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht erzielten Einkünften hinzuzurechnen. Das Gebot des § 50 Abs. 1 Satz 5 EStG, bei einer nur beschränkten Steuerpflicht § 32 EStG nicht anzuwenden, also keinen Kinderfreibetrag zu berücksichtigen, kann bei einem Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht innerhalb eines Kalenderjahres oder umgekehrt nur verwirklicht werden, wenn der Kinderfreibetrag nur für diejenigen Monate abgezogen wird, in denen eine unbeschränkte Steuerpflicht bestanden hat. Ist aber für Monate, in denen eine nur beschränkte Steuerpflicht bestanden hat, kein Kinderfreibetrag zu berücksichtigen, muss dies erst recht für Monate gelten, in denen überhaupt keine inländische Steuerpflicht bestanden hat.
Dass der Gesetzgeber --anders als z.B. bei bestimmten Jahrespauschalen (vgl. z.B. § 50 Abs. 1 Satz 7 EStG)-- keine ausdrückliche Regelung über eine nur zeitanteilige Berücksichtigung getroffen hat, rechtfertigt nicht etwa im Wege des Umkehrschlusses einen Abzug des Kinderfreibetrages für das gesamte Kalenderjahr. Vielmehr konnte er in Anbetracht des Zweckes des Kinderfreibetrages ohne weiteres annehmen, dass die zeitanteilige Ausgestaltung durch § 32 EStG in der für das Streitjahr 1996 gültigen Fassung auch einen nur zeitanteiligen Abzug zur Folge haben werde, wenn nicht während des gesamten Jahres eine unbeschränkte Steuerpflicht bestanden hat (vgl. auch Kaminski in Korn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 2 Rz. 201).
bb) Etwas anderes folgt auch nicht aus § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG. Danach steht dem Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag in Höhe von 522 DM monatlich auch dann zu, wenn der andere Elternteil verstorben oder --wie im Streitfall-- nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Denn diese Regelung sagt nichts darüber aus, ob im Falle einer nur zeitweisen unbeschränkten Steuerpflicht demselben Steuerpflichtigen der seit 1996 zeitanteilig (monatlich) ausgestaltete Kinderfreibetrag zeitanteilig oder für das gesamte Kalenderjahr zu gewähren ist. Sie kann daher nicht als Indiz für einen gesetzgeberischen Willen des Inhalts gewertet werden, bei einer Einkommensteuerveranlagung desselben Steuerpflichtigen einen Kinderfreibetrag auch für Monate abzuziehen, in denen im Inland keine unbeschränkte Steuerpflicht bestanden hat (a.A. FG Düsseldorf, Urteil vom 10. Juli 2003 14 K 503/03 E, nicht veröffentlicht, Revision beim BFH anhängig unter Az. VIII R 70/03). Im Gegenteil belegt § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG in der ab dem Jahr 2000 anzuwendenden Fassung, wonach sich für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 5 nicht vorliegen, die dort genannten Beträge um ein Zwölftel ermäßigen, dass auch für die Anwendung des § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 das Monatsprinzip gelten soll (vgl. z.B. Helmke in Berlebach, Familienleistungsausgleich, Fach A, I. Kommentierung; Greite in Korn, a.a.O., § 32 Rz. 111).
3. Zutreffend hat das FG entschieden, dass bei der Steuerfestsetzung für diejenigen Monate, für die ein Kinderfreibetrag nach § 31 Satz 4 i.V.m. § 32 Abs. 6 EStG abgezogen wird, gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 31 Satz 5 EStG das in Schweden gezahlte Kindergeld als eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung hinzuzurechnen ist (vgl. dazu auch BFH-Urteil in BFHE 200, 206, BStBl II 2002, 867). Über die Hinzurechnung besteht im Revisionsverfahren auch kein Streit mehr.
4. Die Steuer berechnet sich danach wie folgt: ...
Ende der Entscheidung
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