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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.05.1999
Aktenzeichen: VIII R 17/95
Rechtsgebiete: FGO, VwGO
Vorschriften:
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 1 | |
FGO § 119 Abs. 1 | |
FGO § 124 Abs. 1 | |
FGO § 126 Abs. 1 | |
FGO § 120 Abs. 2 Satz 2 | |
VwGO § 138 Nr. 1 |
Gründe
Das Finanzgericht (FG) hat aufgrund einer mündlichen Verhandlung, in der es zwei Zeugen vernommen hat, die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wegen der Gewinnfeststellung für 1985 mit der Begründung abgewiesen, daß die Klägerin im Jahr 1985 nicht sanierungsbedürftig gewesen sei. Es hat die Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen.
Zur Begründung ihrer ausschließlich auf § 116 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 119 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützten Revision macht die Klägerin geltend, daß der ehrenamtliche Richter X während der mündlichen Verhandlung geschlafen habe und das Gericht deshalb nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Die Revision der Klägerin ist unzulässig und deshalb nach §§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 FGO zu verwerfen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Revisionsschrift den Anforderungen des Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs genügt und so zu verstehen ist, daß der Steuerberater, der die Revisionsschrift unterschrieben hat, dabei im eigenen Namen und zugleich im Namen seiner Sozien gehandelt hat (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. April 1989 I B 90/88, BFHE 156, 397, BStBl II 1989, 599; vom 19. August 1994 I B 148/93, BFH/NV 1995, 535). Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob die Revision zulässig ist, obwohl die Klägerin keinen förmlichen Antrag gestellt hat (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Denn die vom FG nicht zugelassene und nicht auf die Verletzung materiellen Rechts, sondern ausschließlich auf § 116 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 119 Nr. 1 FGO gestützte Revision ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß gerügt worden ist.
1. Ein Gericht ist nur dann vorschriftsmäßig besetzt, wenn jeder an der Verhandlung und Entscheidung beteiligte Richter die zur Ausübung des Richteramts erforderliche Fähigkeit besitzt, die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung wahrzunehmen und in sich aufzunehmen. Die beteiligten Richter müssen körperlich und geistig in der Lage sein, der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen (BFH-Beschluß vom 28. August 1986 V R 18/86, BFHE 147, 402, BStBl II 1986, 908). Es ist deshalb allgemein anerkannt, daß ein Gericht i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO nicht vorschriftsmäßig besetzt ist, wenn ein Richter während der mündlichen Verhandlung schläft und deshalb wesentlichen Vorgängen nicht folgen kann (vgl. BFH-Urteil vom 4. August 1967 VI R 198/66, BFHE 89, 183, BStBl III 1967, 558, m.w.N.).
2. Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO sind bei der Rüge eines Verfahrensmangels die Tatsachen, die den Mangel ergeben, zu bezeichnen. Die Rüge ist nur dann ordnungsgemäß erhoben, wenn die vorgetragenen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- den Verfahrensmangel ergeben (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Juli 1990 IV R 10/89, BFH/NV 1991, 250).
Beruft sich ein Beteiligter darauf, ein Richter sei in der mündlichen Verhandlung eingeschlafen und deshalb gleichsam abwesend gewesen, hat er konkrete Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, daß eine Konzentration des Richters auf wesentliche Vorgänge in der Verhandlung ausgeschlossen war (BFH-Entscheidungen in BFHE 147, 402, BStBl II 1986, 908; vom 5. Dezember 1985 IV R 114/85, BFH/NV 1986, 468). Das Schließen der Augen "über weite Strecken der Verhandlung" und mit einer in sich zusammengesunkenen Haltung beweist allein nicht, daß der Richter schläft (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1986, 468, 469). Denn diese Haltung kann auch zur geistigen Entspannung oder zwecks besonderer Konzentration eingenommen werden. Deshalb kann erst dann davon ausgegangen werden, daß ein Richter schläft oder in anderer Weise "abwesend" ist, wenn andere sichere Anzeichen hinzukommen, wie beispielsweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen, oder ruckartiges Aufrichten mit Anzeichen von fehlender Orientierung (vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 24. Januar 1986 6 C 141/82, Neue Juristische Wochenschrift 1986, 2721; BVerwG-Beschluß vom 3. März 1975 VI CB 43.74, Buchholz 310, § 138 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung --VwGO-- Nr. 17). Das BVerwG hat aber in einem Fall, in dem es als erwiesen angesehen hat, daß ein ehrenamtlicher Richter während der Vernehmung des Klägers etwa 20 Minuten lang die Augen geschlossen, den Kopf auf die Hand gestützt und das Gesicht zum Fenster gewandt hatte, angenommen, daß der Richter einem bedeutsamen Teil der Verhandlung nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit gefolgt sei (Urteil vom 16. Dezember 1980 6 C 110.79, Buchholz 310, § 138 Nr. 1 VwGO Nr. 20).
Außerdem muß für eine in sich schlüssige Rüge, das Gericht sei wegen eines in der mündlichen Verhandlung eingeschlafenen Richters nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, auch dargelegt werden, was während dieser Zeit in der mündlichen Verhandlung geschehen ist (BFH in BFHE 147, 402, BStBl II 1986, 908; in BFH/NV 1991, 250).
3. Die Ausführungen der Revision genügen diesen Anforderungen selbst unter Berücksichtigung des Vorbringens in dem nach Ablauf der Begründungsfrist für die Revision (vgl. § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) eingereichten Schriftsatz vom 4. Mai 1999 nicht. Die Klägerin hat in tatsächlicher Hinsicht lediglich vorgetragen, der ehrenamtliche Richter X habe über lange Strecken am Richtertisch gesessen, mit geschlossenen Augen seinen Kopf bewegungslos in der Hand abgestützt und der mündlichen Verhandlung schlafend beigewohnt. Eine Phase einer vorübergehenden Ermüdung (z.B. Gähnen, Kampf gegen den Schlaf) sei bei dem ehrenamtlichen Richter nicht erkennbar gewesen. Sodann hat die Klägerin weiter erklärt, daß die Zeitdauer, in der der Richter eingeschlafen gewesen sei, erheblich gewesen sei, und daß er von der Gesamtdauer dieser Verhandlung die gesamte Zeit, in der der Sachverhalt erörtert und die Zeugen vernommen worden seien, verschlafen habe.
Die vorgetragenen Tatsachen, nämlich geschlossene Augen und ein in der Hand abgestützter Kopf, reichen für die Annahme, der ehrenamtliche Richter habe geschlafen, nicht aus. Denn das geschilderte Verhalten --seine Richtigkeit unterstellt-- läßt allein nicht hinreichend sicher den Schluß zu, der Richter habe geschlafen. Andere Anzeichen, die dafür sprechen könnten, daß der Richter geschlafen habe, hat die Klägerin nicht dargelegt. Mit ihrem Vorbringen, daß die Phase einer vorübergehenden Ermüdung, z.B. Gähnen oder Kampf gegen den Schlaf, nicht wahrnehmbar gewesen sei, hat sie kein Anzeichen für Schlaf dargelegt.
Darüber hinaus hat die Klägerin auch nicht vorgetragen, was konkret in der Phase, in der der Richter die Augen geschlossen und den Kopf abgestützt haben soll, in der mündlichen Verhandlung geschehen ist. Sie hat zwar erklärt, der ehrenamtliche Richter habe die gesamte Zeit, in der der Sachverhalt erörtert worden sei und die Zeugen vernommen worden seien, geschlafen. Sie hat damit Geschehnisse in der mündlichen Verhandlung konkret bezeichnet. Sie hat aber, bezogen auf diese konkreten Geschehnisse in der mündlichen Verhandlung, nur pauschal behauptet, der Richter habe geschlafen; sie hat keine Tatsachen vorgetragen, die einen derartigen Schluß hinreichend sicher zulassen. Für die Tatsachen, die nach Auffassung der Klägerin auf einen Schlaf des Richters hindeuten, nämlich geschlossene Augen und ein in der Hand abgestützter Kopf, hat sie als Zeitpunkt und Zeitdauer lediglich angegeben, daß sie "über lange Strecken" der mündlichen Verhandlung vorgelegen hätten. Diese Angabe ist zu unbestimmt, um daraus ableiten zu können, der ehrenamtliche Richter sei bei wesentlichen Vorgängen in der mündlichen Verhandlung geistig abwesend gewesen.
Ende der Entscheidung
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