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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.11.2006
Aktenzeichen: VIII R 18/98
Rechtsgebiete: EStG 1990, AO 1977, FGO, GewStG


Vorschriften:

EStG 1990 § 32c
EStG 1990 § 32c Abs. 1
EStG 1990 § 32c Abs. 2 Satz 1
EStG 1990 § 32c Abs. 2 Satz 2
AO 1977 § 164
AO 1977 § 179
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
FGO § 68 a.F.
GewStG § 2 Abs. 2 Satz 2
GewStG § 7
GewStG § 9 Nr. 2a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) --die W-KG-- war im Streitjahr (1994) als gewerbesteuerrechtliche Organträgerin an der N-GmbH (Organgesellschaft) beteiligt (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG-- i.V.m. § 14 Nr. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1991 --KStG--). Die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft lagen --mangels Gewinnabführungsvertrag (§§ 14, 17 KStG)-- nicht vor.

Entgegen der Erklärung der Klägerin lehnte es der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 3. September 1996 ab, auch die im Streitjahr von der N-GmbH bezogenen Gewinnausschüttungen (... DM) als tarifbegünstigte gewerbliche Einkünfte gemäß § 32c des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Standortsicherungsgesetzes vom 13. September 1993 --EStG 1990-- (BGBl I 1993, 1569) festzustellen.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1998, 768).

Mit der Revision hält das FA an seiner Auffassung unter Berufung auf die Stellungnahme des Bundesrats (BTDrucks 13/5359, 123) fest. Hinzu komme, dass anderenfalls Gewinne nach § 32c EStG 1990 begünstigt würden, die bei der Personengesellschaft tatsächlich keiner gewerbesteuerlichen Entlastung unterlegen hätten.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA --im Anschluss an eine Betriebsprüfung-- mit Bescheid vom 25. Juli 2000 die Gewinnfeststellung 1994 gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert. Auch hiernach sind lediglich Einkünfte in Höhe von ... DM (bisher: ... DM) als nach § 32c EStG 1990 begünstigt festgestellt, nicht hingegen die Gewinnausschüttungen der N-GmbH.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 1. August 2000 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung a.F. (FGO a.F.) den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.

Das FA beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet.

1. Auf die Revision des FA ist die Vorentscheidung bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil der angefochtene Verwaltungsakt, über dessen Rechtmäßigkeit das Finanzgericht (FG) entschieden hat, während des Revisionsverfahrens geändert wurde (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 1992 IX R 152/89, BFHE 170, 57, BStBl II 1993, 589, m.w.N.). Der während des Revisionsverfahrens ergangene Feststellungsbescheid vom 25. Juli 2000 ist ein neuer Verwaltungsakt, der den Regelungsgehalt des vorangegangenen Bescheids (vom 3. September 1996) in sich aufgenommen und ihn zugleich inhaltlich bezüglich der Höhe der umstrittenen Einkünfte nach § 32c EStG 1990 geändert hat (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231). Die Klägerin hat diesen Bescheid wirksam nach § 68 FGO a.F. (i.V.m. Art. 6 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze, BGBl I 2000, 1757; dazu Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 68 Rz. 10, m.w.N.) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens erklärt. Das vorinstanzliche Urteil ist damit gegenstandslos geworden.

2. Hierdurch sind zwar die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht weggefallen (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1990 I R 127/88, BFH/NV 1992, 104); da diese jedoch keine abschließende Beurteilung des Klagebegehrens gestatten, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

a) Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass über die Höhe der von einer Personengesellschaft, d.h. den Mitunternehmern in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbindung, erzielten und nach § 32c EStG 1990 tarifbegünstigten Einkünfte im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung gemäß §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 zu entscheiden ist (Senatsurteil vom 6. Dezember 2005 VIII R 99/02, BFH/NV 2006, 1041, m.w.N.).

b) Dem FG ist auch darin zu folgen, dass in Fällen der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft für Ausschüttungen der Organgesellschaft (hier: N-GmbH), die auf von dieser in der Zeit der Organschaft erzielten Gewinnen beruhen, die Tarifbegrenzung nach § 32c EStG 1990 (im Streitjahr auf 47 v.H.) zu gewähren ist, soweit die Mitunternehmer des Organträgers (hier: Klägerin) der Einkommensteuer unterliegen. Die Ausschüttungen gehören zum einen zu den gewerblichen Einkünften i.S. von § 32c Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG 1990 i.V.m. § 7 GewStG. Zum anderen werden sie vom Ausschlusstatbestand des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG 1990 i.V.m. § 9 Nr. 2a GewStG nicht erfasst. Letztere Bestimmung betrifft zwar u.a. Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens 10 v.H. des Grund- oder Stammkapitals beträgt; § 9 Nr. 2a GewStG ist jedoch für Ausschüttungen einer (gewerbesteuerrechtlichen) Organgesellschaft an die Organträgerin (grundsätzlich) weder nach seinem Wortlaut erfüllt noch ist die Vorschrift --mit Rücksicht auf das Regelungsanliegen des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG 1990-- einer entsprechenden Anwendung zugänglich.

aa) Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG gilt für Zwecke der gewerbesteuerrechtlichen Organschaft die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers. Trotz dieser Fiktion entsteht kein einheitliches Unternehmen. Beide Gesellschaften bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie; BFH-Urteile vom 30. Januar 2002 I R 73/01, BFHE 198, 128, BStBl II 2003, 354; vom 25. Juli 1995 VIII R 54/93, BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794). Die Organschaft lässt demnach die sachliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaft unberührt; deren persönliche Gewerbesteuerpflicht ist aber für die Dauer der Organschaft dem Organträger zuzurechnen (BFH-Urteil vom 27. Juni 1990 I R 183/85, BFHE 161, 157, 160, BStBl II 1990, 916, 918) mit der Folge, dass der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag für die zum Organkreis gehörenden Gewerbebetriebe (Organträger und Organgesellschaft(en)) allein gegenüber dem Organträger festzusetzen ist. Um den für die Festsetzung des Steuermessbetrages maßgebenden Gewerbeertrag des Organkreises zu bestimmen, sind somit die getrennt ermittelten Gewerbeerträge des Organträgers und der Organgesellschaft(en) zusammenzurechnen und die Summe um die sich aufgrund der Zusammenrechnung ergebenden steuerlichen Doppelbelastungen oder ungerechtfertigten steuerlichen Entlastungen zu korrigieren. Je nachdem, um welchen Rechenposten es sich handelt, sind diese Korrekturen entweder bereits bei den selbständig ermittelten Gewerbeerträgen der zum Organkreis gehörenden Betriebe oder nachfolgend durch Hinzurechnungen zu bzw. Abzügen von der Summe der getrennt ermittelten Gewerbeerträge vorzunehmen. Rechtsgrundlage der Korrekturen ist § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG (vgl. BFH-Urteile in BFHE 198, 128, BStBl II 2003, 354; vom 6. November 1985 I R 56/82, BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73, jeweils m.w.N.).

bb) Aus diesen Regelungszusammenhängen hat der IV. Senat des BFH mit Urteil vom 27. September 2006 IV R 50/98 (BFH/NV 2007, 239) abgeleitet, dass die Ausschüttung der Organgesellschaft auf der ersten Stufe der Ermittlung der Gewerbeerträge --getrennte Gewerbeertragsbestimmung-- beim Organträger zu erfassen sei; § 9 Nr. 2a GewStG --i.V.m. dem Ausschlusstatbestand nach § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG 1990-- könne hierbei deshalb nicht zum Tragen kommen, weil die Vorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG --abgesehen von Unternehmensbeteiligungsgesellschaften-- nur Gewinnausschüttungen "nicht steuerbefreiter inländischer Kapitalgesellschaften" begünstige und eben diese Voraussetzung --mangels persönlicher Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaft (s.o.)-- nicht erfüllt werde. Des Weiteren sei --so der IV. Senat-- auch eine analoge Anwendung des § 9 Nr. 2a GewStG im Rahmen der zweiten Stufe der Ermittlung des Gewerbeertrags (Zusammenrechnung und Korrekturen) ausgeschlossen. Die durch das Zusammentreffen von zugerechnetem Gewerbeertrag der Organgesellschaft und Ausschüttungsgewinn eintretende Doppelbelastung des Organträgers sei vielmehr nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG zu korrigieren (s.o.); demnach fehle es bereits an der für einen Analogieschluss unerlässlichen Regelungslücke.

cc) Der erkennende Senat stimmt diesen Ausführungen zu. Er pflichtet dem IV. Senat auch im Hinblick auf die weiteren Erwägungen bei, denen zufolge die Neufassung des § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402; dazu BTDrucks 14/23, 182) keine Veranlassung gibt, die Nichtanwendung des Begünstigungsausschlusses nach § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG 1990 für das Streitjahr in Frage zu stellen. Vielmehr entspricht es angesichts dessen, dass der Gewerbeertrag der Organgesellschaft dem Organträger zugerechnet wird und damit die Kürzung des Gewerbeertrags des Organträgers um die Ausschüttungen, die auf den zugerechneten Erträgen beruhen, lediglich der Beseitigung einer ungerechtfertigten Doppelbelastung dient, Sinn und Zweck des § 32c EStG, die auf der Ebene des Organträgers gewerbesteuerlich belasteten Ausschüttungen in die Tarifbegrenzung des § 32c EStG 1990 einzubeziehen (vgl. dazu auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481 unter C.III. der Gründe; BFH-Beschluss vom 3. März 1998 IV B 49/97, BFHE 185, 418, BStBl II 1998, 608).

c) Die Sache ist indes nicht spruchreif.

Die Vorinstanz hat es versäumt, der Frage nachzugehen, ob und in welchem Umfang die Ausschüttungen der N-GmbH auf Gewinnen vor Begründung des (gewerbesteuerrechtlichen) Organschaftsverhältnisses beruhen. Soweit dies zutrifft, bleiben die Ausschüttungen nicht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG, sondern nach § 9 Nr. 2a GewStG außer Ansatz, weil die ihnen zugrunde liegenden --sog. vororganschaftlichen-- Gewinne noch von der Organgesellschaft zu versteuern waren (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 128, BStBl II 2003, 354, m.w.N.; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 6. Aufl., § 8 Nr. 10 Anm. 7); sie sind somit auch gemäß § 32c Abs. 2 Satz 2 EStG 1990 von der Tarifkappung ausgeschlossen (vgl. auch BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2006, Beilage 4, 481 unter C.III. der Gründe).

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