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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 31.10.2000
Aktenzeichen: VIII R 19/94
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1
EStG 5
EStG § 5 Abs. 1 Satz 1
FGO § 100 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --eine KG-- betrieb bis zum 31. Dezember 1985 ein Furnierwerk und eine Spankorbfabrik. Zum 1. Januar 1986 übertrug sie ihre gesamte Produktion auf eine neu gegründete GmbH, der sie auch das Anlagevermögen verpachtete. Die Klägerin erzielt seitdem außer den Einnahmen aus dem Verkauf von Spankörben nur noch Einnahmen aus der Verpachtung des Anlagevermögens an die GmbH.

An der Klägerin und der GmbH sind dieselben Personen, die Beigeladenen von 1 bis 10, in demselben Verhältnis beteiligt. Der persönlich haftende Gesellschafter der KG ist gleichzeitig Geschäftsführer der GmbH.

Das Wirtschaftsjahr beider Gesellschaften ist das Kalenderjahr. Über die Verwendung des Gewinns der GmbH beschließt die Gesellschafterversammlung lt. Gesellschaftsvertrag mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die GmbH hat jeweils in dem auf das abgelaufene Wirtschaftsjahr folgenden Jahr beschlossen, folgende Gewinne (brutto) auszuschütten:

- Für das Wirtschaftsjahr 1986 durch Beschluss vom 25. Juli 1987 einen Gewinn in Höhe von ... DM,

- für das Wirtschaftsjahr 1987 durch Beschluss vom 3. Dezember 1988 einen Gewinn in Höhe von ... DM und

- für das Wirtschaftsjahr 1988 durch Beschluss vom 11. November 1989 einen Gewinn in Höhe von ... DM.

Den jeweiligen Zeitpunkt der Feststellung der Jahresabschlüsse der Klägerin hat das Finanzgericht (FG) nicht festgestellt.

Die Gewinnausschüttungen der GmbH wurden außerhalb der Gesellschaftsbilanz der Klägerin im Rahmen der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung für die Jahre erfasst, in denen die Ausschüttung beschlossen wurde.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat demgegenüber die Ansicht, dass die Ausschüttungen der GmbH in den Jahren als Erträge der Klägerin bei ihren Einkünften aus Gewerbebetrieb zu erfassen seien, für die die Ausschüttungen erfolgt seien (Streitjahre), und änderte die Feststellungsbescheide für die Streitjahre entsprechend. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§§ 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und festzustellen, dass die Gewinnausschüttungen der X-GmbH für die Jahre 1986, 1987 und 1988 erst im Jahre des Gewinnausschüttungsbeschlusses bei der Gewinnfeststellung der Klägerin zu berücksichtigen sind.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die von der GmbH ausgeschütteten Gewinne sind jeweils in den Jahren als Sonderbetriebsertrag der Gesellschafter zu erfassen, in denen die Ausschüttung beschlossen wurde (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG).

1. Die Klägerin war als Besitzunternehmerin im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gewerblich tätig. Die hierfür erforderlichen sachlichen und personellen Voraussetzungen liegen vor. Das ist unter den Beteiligten unstreitig.

Die Betriebsaufspaltung hat u.a. zur Folge, dass die GmbH-Anteile zum Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter der Klägerin gehörten (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. November 1985 VIII R 240/81, BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296, und ständige Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Schmidt, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 15 Rz. 874). Damit gehören auch die auf diese Anteile entfallenden Ausschüttungen der GmbH zu den Sonderbetriebserträgen der Gesellschafter (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 21. Mai 1974 VIII R 57/70, BFHE 112, 391, BStBl II 1974, 613; vom 26. November 1998 IV R 52/96, BFHE 187, 492, BStBl II 1999, 547, unter 2. f aa der Gründe).

2. Die Klägerin musste die Gewinnansprüche gegen die GmbH erst in den für ihre Gesellschafter zu erstellenden Sondergewinnrechnungen der auf die jeweiligen Streitjahre folgenden Jahre erfolgswirksam erfassen.

a) Ein Unternehmer hat für den Schluss eines Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung auszuweisen ist (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG). Das gilt auch für die Sonderbilanz eines Mitunternehmers (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, unter C. III. 6. a bb der Gründe; BFH-Urteil vom 14. Juni 1994 VIII R 37/93, BFHE 176, 10, BStBl II 1995, 246, unter 3. a der Gründe; Schmidt, a.a.O., § 15 Rz. 475, m.w.N.). Dementsprechend müssen auch Gewinnausschüttungen einer GmbH an ihre Gesellschafter bei diesen nach den allgemeinen bilanzrechtlichen Grundsätzen als Sonderbetriebserträge erfasst werden, wenn zwischen der GmbH als Betriebsgesellschaft und der Personengesellschaft als Besitzgesellschaft eine Betriebsaufspaltung besteht und die Besitzgesellschaft --wie hier-- Bücher führt und regelmäßig Abschlüsse macht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG).

b) Mit Beschluss vom 7. August 2000 GrS 2/99 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2000, 1682) hat der Große Senat des BFH entschieden, dass eine Kapitalgesellschaft, die mehrheitlich an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, Dividendenansprüche aus einer zum Bilanzstichtag noch nicht beschlossenen Gewinnverwendung der nachgeschalteten Gesellschaft grundsätzlich nicht aktivieren kann. Eine Ausnahme gelte nur für den Fall, dass am Bilanzstichtag der ausschüttungsfähige Gewinn den Gesellschaftern bekannt sei und für diesen Zeitpunkt anhand objektiver Umstände nachgewiesen sei, dass die Gesellschafter endgültig entschlossen gewesen seien, eine bestimmte Gewinnverwendung künftig zu beschließen. Diese Voraussetzungen seien --von äußerst seltenen Fällen abgesehen-- regelmäßig nicht gegeben. Deshalb trage die objektive Beweislast für das Vorliegen solcher Ausnahmefälle derjenige, der sich zu seinen Gunsten auf die phasengleiche Aktivierung berufe.

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft eine Personenhandelsgesellschaft oder ein bilanzierender Einzelunternehmer ist.

c) Die vom Großen Senat entwickelten Rechtsgrundsätze gelten auch für den Fall, dass sich die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft infolge einer Betriebsaufspaltung im Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter einer Personengesellschaft befindet.

aa) Die Anwendung dieser Grundsätze auf die vorstehend unter 2. b genannten Ausnahmefälle setzt voraus, dass ein Gesellschafter mehrheitlich an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Im Streitfall ist diese Voraussetzung nicht gegeben. Die Frage, ob auch die Beherrschung einer Kapitalgesellschaft durch eine Personengruppe, die lediglich in ihrer Gesamtheit einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen ausüben kann (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 19. Februar 1991 VIII R 97/87, BFH/NV 1991, 808, und in BFHE 187, 492, BStBl II 1999, 547), diese Voraussetzung erfüllt, kann im Streitfall jedoch offen bleiben. Die Gesellschafter haben auch in ihrer Gesamtheit keinen Sachverhalt verwirklicht, der eine phasengleiche Aktivierung zur Folge hat (siehe nachfolgend).

bb) Insbesondere kommt es nach dem Beschluss des Großen Senats (dort unter C. II. 6. a.E.) nicht mehr auf die im vorliegenden Fall streitige Frage an, ob der Jahresabschluss der Tochter(Betriebs-)Gesellschaft vor dem der Mutter(Besitz-)Gesellschaft oder ihrer Gesellschafter oder umgekehrt aufgestellt oder festgestellt wird. Das Urteil des X. Senats des BFH vom 8. März 1989 X R 9/86 (BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714), das eine phasengleiche Aktivierung bejaht hat, wenn die Bilanz der ausschüttenden Kapitalgesellschaft vor der Bilanz des die Dividende erzielenden Unternehmens festgestellt wird, ist deshalb überholt (noch offen gelassen im BFH-Urteil in BFHE 187, 492, BStBl II 1999, 547, unter 2. e und f sowie 6. der Gründe). Das gilt auch für die im Beschluss des Großen Senats des BFH angesprochenen "äußerst seltenen Ausnahmefälle", in denen eine phasengleiche Bilanzierung geboten ist. Denn diese Fälle setzen voraus, dass am Bilanzstichtag entweder bereits eine Verpflichtung zu einer bestimmten Gewinnausschüttung besteht (z.B. infolge eines Ausschüttungsgebotes nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, eines Vorabausschüttungsbeschlusses, einer Ausschüttungsvereinbarung etc.) oder doch zumindest die Meinungsbildung der Gesellschafter über die Höhe der späteren Ausschüttung am Bilanzstichtag bereits endgültig abgeschlossen ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

cc) Allein aus dem Umstand, dass zwischen der GmbH und der Klägerin eine Betriebsaufspaltung bestand, kann eine Verpflichtung zur phasengleichen Bilanzierung nicht abgeleitet werden. Darauf hat bereits der X. Senat in seinem Urteil in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714 hingewiesen. Der IV. Senat des BFH hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (im Urteil in BFHE 187, 492, BStBl II 1999, 547, unter 3. der Gründe). Ihr folgt auch der erkennende Senat.

d) Der Große Senat hat die ihm vorgelegte Rechtsfrage nur für den Bilanzstichtag 31. Dezember 1985 entschieden. Er geht jedoch davon aus, dass die von ihm in dieser Entscheidung entwickelten Rechtsgrundsätze auch für spätere Bilanzstichtage Anwendung finden (a.a.O., unter C. II. 12. der Gründe). Der erkennende Senat teilt diese Ansicht. Insbesondere hat sich die Rechtslage durch das In-Kraft-Treten des Bilanzrichtlinien-Gesetzes nicht verändert, das erstmals auf Jahresabschlüsse für nach dem 31. Dezember 1986 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden ist (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch).

3. Dem FA wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO aufgegeben, den Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb 1986, 1987 und 1988 unter Berücksichtigung der Ausführungen unter II. 2. anderweitig zu berechnen.



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