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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 02.09.2008
Aktenzeichen: VIII R 2/07
Rechtsgebiete: AO, EStG
Vorschriften:
AO § 233a | |
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 | |
EStG § 12 Nr. 3 | |
EStG § 20 |
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob Nachzahlungszinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Zusammenhang mit den Zinseinnahmen aus der Anlage des nachgezahlten Steuerbetrages zu berücksichtigen sind.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und sein Vater veräußerten im Februar 1998 einen Teilbetrieb sowie eine Beteiligung. Den Veräußerungsgewinn legten sie in Höhe von 40 000 000 DM auf ihren gemeinsamen Konten als Festgeld an. Zusätzlich führten sie ein gemeinsames Girokonto. Nach dem Tod des Vaters im Oktober 1998 gingen die Konten auf den Kläger als Alleinerben über. Die insoweit erzielten Zinserträge aus den Jahren 1998 bis 2001 wurden der Einkommensteuer unterworfen. Im Dezember 1998 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer 1998 im Hinblick auf den Veräußerungsgewinn herauf; der Kläger leistete für das Jahr 1998 Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von insgesamt 7 941 488 DM.
Mit dem Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 6. April 2001 setzte das FA die Einkommensteuer 1998 in Höhe von 10 046 061 DM fest und berechnete für die Differenz zum Vorauszahlungsbetrag (2 104 573 DM) Nachzahlungszinsen in Höhe von 105 228 DM (5 % des Differenzbetrages).
Mit Einspruch gegen den Bescheid des FA über den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 2001 vom 11. April 2003 (aus nicht streitigen Gründen geändert durch Bescheid vom 6. April 2005) begehrte der Kläger, diese Nachzahlungszinsen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen im Zusammenhang mit der Festgeldanlage des Veräußerungsgewinns verlusterhöhend zu berücksichtigen. Denn die Nachzahlungszinsen stünden im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Zinseinnahmen aus der Festgeldanlage, soweit sie in Höhe von 174 350,66 DM auf den Differenzbetrag zwischen den geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen für 1998 und der für dieses Jahr festgesetzten und entrichteten Einkommensteuer 1998 entfielen. Er habe den Veräußerungsgewinn nämlich zum Teil vorsorglich zur Bezahlung von ggf. nachzuentrichtenden Steuern --zinsbringend-- zurückgelegt. Aufgrund dieses wirtschaftlichen Zusammenhangs seien die Nachzahlungszinsen Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG); der Ablehnung des Werbungskostenabzugs unter Hinweis auf § 12 EStG stehe das objektive Nettoprinzip entgegen.
Das FA wies den Einspruch wegen fehlenden wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den Nachzahlungszinsen und den Zinserträgen als unbegründet zurück. Die Nachzahlungszinsen seien zum Zeitpunkt der Zinseinahmen aus der Festgeldanlage des Veräußerungsgewinns noch nicht festgesetzt gewesen. Im Übrigen seien sie unabhängig davon angefallen, dass der Kläger die Einkommensteuernachzahlung mit den Beträgen aus der Festgeldanlage vorgenommen habe.
Die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 936 veröffentlichten Urteil abgewiesen. Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Im Streitfall seien die Nachzahlungszinsen (als Werbungskosten abziehbarer) Aufwand für die Möglichkeit der Kapitalnutzung --in Höhe der später festgesetzten Einkommensteuernachzahlung-- gewesen. Wirtschaftlich stelle sich der Liquiditätsvorteil als Kredit des FA dar, für den der Steuerpflichtige Zinsen --in Form der Nachzahlungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO)-- gezahlt habe. Damit bestehe zwischen Nachzahlungszinsen und dem Zinsertrag aus der Anlage des später nachgezahlten Betrages ein hinreichender wirtschaftlicher Zusammenhang. Auf die Gründe für die Gewährung des Liquiditätsvorteils, wie eine verspätete Abgabe der Steuererklärung oder eine verspätete Bearbeitung der Steuererklärung durch das FA, komme es nicht an.
Der Kläger und sein Vater hätten seit Anfang 1998 aufgrund einer zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung jedenfalls den Betrag von 2 104 573 DM zurückgelegt, um die im März 2001 erfolgte Nachzahlung leisten zu können. Diesen Betrag habe der Kläger von vorneherein zinsbringend angelegt.
Im Übrigen sei die Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) abzulehnen, das steuerrechtliche Schicksal von Schuldzinsen hänge allein von der Verwendung des Darlehensbetrages ab. Denn es gebe keine allgemeingültigen Kriterien für eine richtige Kreditzuordnung. Die Auffassung des BFH müsse auch vor dem Hintergrund der Einfügung des § 4 Abs. 4a EStG überdacht werden. Schließlich stünde § 12 EStG einem Abzug der Nachzahlungszinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht entgegen, wenn ein ausreichender wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart bestehe. Andernfalls liege ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip vor. Einer der Ausnahmefälle für die Durchbrechung dieses Prinzips sei im Streitfall nicht gegeben.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und den verbleibenden Verlustabzug auf den 31. Dezember 2001 unter Änderung des angefochtenen Änderungsbescheids vom 6. April 2005 durch Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 105 228 DM höher festzustellen, hilfsweise dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 12 EStG insoweit verfassungswidrig ist, als er die Absetzung von Nachzahlungszinsen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten untersagt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Einkommensteuer setze zwar eine einkommensteuerrelevante Erwerbssphäre voraus, sei aber selbst der Privatsphäre des Steuerpflichtigen zuzuordnen; dies gelte gleichermaßen für die steuerlichen Nebenleistungen. Hinzu komme, dass der Kläger sich bewusst aus wirtschaftlichen Gründen für eine zinsbringende und deshalb steuerpflichtige Kapitalanlage, nicht aber für die gleichermaßen mögliche Beantragung höherer Vorauszahlungen entschieden habe.
Die Nachzahlungszinsen stünden nicht im Zusammenhang mit einer Darlehensaufnahme. Der Kläger habe keinen Kredit vom FA erhalten, sondern Eigenkapital zur Einkünfteerzielung eingesetzt, so dass insoweit grundsätzlich keine Schuldzinsen anfallen könnten. Die bloße Widmung dieses Eigenkapitals für spätere Steuerzahlungen sei unerheblich; der Liquiditätsvorteil durch eine spätere Zahlung der Steuern stelle keine Kreditierung dar, die zum Schuldzinsenabzug führe.
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Zu Recht hat das FG die Abziehbarkeit der Nachzahlungszinsen i.S. des § 233a AO als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen im Zusammenhang mit den Zinseinnahmen aus der Festgeldanlage desjenigen Betrages verneint, den er zur Zahlung der Differenz zwischen Einkommensteuervorauszahlung und der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 1998 verwandt hat. Ferner bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 12 Nr. 3 EStG keinerlei Bedenken, so dass auch der Hilfsantrag des Klägers unbegründet ist.
1. Nach § 10d Abs. 4 EStG in der für das Streitjahr 2001 geltenden Fassung ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag getrennt nach Einkunftsarten gesondert festzustellen.
a) Verbleibender Verlustvortrag sind die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach § 10d Abs. 1 EStG abgezogenen und die nach § 10d Abs. 2 EStG abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag. Feststellungsbescheide sind zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit sich die nach § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigenden Beträge ändern und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist; Entsprechendes gilt nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG, wenn der Erlass, die Aufhebung oder die Änderung des Steuerbescheids mangels steuerlicher Auswirkungen --wie im Streitfall-- unterbleibt.
b) Die vom Kläger begehrte Erhöhung des verbleibenden Verlustvortrags bei den Einkünften aus Kapitalvermögen um den Betrag der Nachzahlungszinsen setzt nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG voraus, dass ihre Zahlung Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen aus dieser Einkunftsart sind, d.h. mit dieser Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang steht (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).
aa) Daran fehlt es schon dann, wenn der jeweilige Aufwand einen der Tatbestände des § 12 Nr. 1 bis 5 EStG erfüllt und damit schon nach dem Einleitungssatz des § 12 EStG ("... dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden ...") eine Zurechnung zu den Werbungskosten ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 22. Januar 1992 X R 155/90, BFH/NV 1992, 458; von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz A 91; Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 29). Zu den danach gemäß § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbaren Steuern vom Einkommen gehören nach dem zweiten Halbsatz der Vorschrift auch die darauf entfallenden Nebenleistungen, zu denen gemäß § 3 Abs. 4 AO auch festgesetzte Zinsen gehören (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 458 zu Aussetzungszinsen; zu Nachzahlungszinsen i.S. des § 233a AO BFH-Beschlüsse vom 18. Juni 2003 IX B 199/02, BFH/NV 2003, 1326; vom 10. August 2005 VIII B 324/04, BFH/NV 2006, 47).
bb) Selbst wenn man die Regelung des § 12 Nr. 3 EStG außer Betracht ließe, würde die Abziehbarkeit der streitigen Nachzahlungszinsen voraussetzen, dass sie zumindest wirtschaftlich als Zinsen auf ein vom FA gewährtes Darlehen angesehen werden könnten und --diese Voraussetzung unterstellt-- in einem objektiven Zusammenhang mit der Kapitalüberlassung stünden sowie subjektiv zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung bestimmt gewesen wären (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1326, sowie vom 13. Dezember 2005 VIII B 74/05, BFH/NV 2006, 740). Maßgeblich dafür ist der Verwendungszweck der Darlehensvaluta (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH?Urteile vom 19. August 1998 X R 96/95, BFHE 187, 21, BStBl II 1999, 353; vom 1. Juli 2003 VIII R 30/02, BFH/NV 2003, 1560).
Danach besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang bei Schuldzinsen für ein Darlehen nur, soweit es tatsächlich zum Erzielen von Einkünften verwendet worden ist (z.B. Beschlüsse des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II.2. der Entscheidungsgründe, und vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B.I.1. und 2. der Entscheidungsgründe; BFH-Urteile vom 2. August 1994 IX R 21/91, BFH/NV 1995, 203, und vom 29. Juli 1997 IX R 89/94, BFHE 184, 80, BStBl II 1997, 772). Ein bloßer rechtlicher Zusammenhang reicht nicht aus (vgl. BFH-Urteil in BFHE 184, 80, BStBl II 1997, 772, m.w.N.). Auch kann der wirtschaftliche Zusammenhang nicht allein durch einen bloßen Willensakt des Steuerpflichtigen begründet werden (BFH-Beschluss vom 22. Februar 1994 IX B 119/93, BFH/NV 1994, 778; BFH-Urteil vom 24. April 1997 VIII R 53/95, BFHE 183, 155, BStBl II 1997, 682, unter II.1.c der Entscheidungsgründe, jeweils m.w.N.). Dagegen steht der Annahme einer wirtschaftlichen Veranlassung durch die Einkünfteerzielung nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige vorhandene Eigenmittel nicht zum Bestreiten der mit Darlehen finanzierten Aufwendungen eingesetzt hat. Denn er ist frei, wie er Fremd- und Eigenmittel verwendet; seine tatsächlich durchgeführte Entscheidung ist der Besteuerung zugrunde zu legen (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B.I.2. der Entscheidungsgründe; BFH-Urteil vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676).
2. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das FG zu Recht die Abziehbarkeit der Nachzahlungszinsen als Werbungskosten verneint.
a) Dies folgt schon aus der Regelung in § 12 Nr. 3 EStG. Sie schließt einen Abzug der Nachzahlungszinsen i.S. des § 233a AO als Werbungskosten aus. Denn sie erstreckt das Abzugsverbot für die Einkommensteuer auch auf die auf diese Steuer entfallenden Nebenleistungen, zu denen gemäß § 3 Abs. 4 AO die Nachzahlungszinsen gehören (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1326; in BFH/NV 2006, 47) und weist sie damit der nichtsteuerbaren Privatsphäre zu.
Gegen die Regelung des § 12 Nr. 3 EStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers, er habe die aus der Festgeldanlage des Betrages erzielten Zinsen nur um den Preis der später fällig werdenden Nachzahlungszinsen erzielen können, auch vor dem Hintergrund des objektiven Nettoprinzips keine Beanstandungen. Denn das (objektive) Nettoprinzip gebietet allein den Abzug der mit der Einkünfteerzielung zusammenhängenden Aufwendungen. Es lässt jedoch den Grundsatz unberührt, dass Vorgänge in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen --wie im Streitfall nach der ausdrücklichen Regelung in § 12 Nr. 3 EStG die Einkommensverwendung durch Zahlung von Steuern und Nebenleistungen-- einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden.
b) Abgesehen davon war der zur Erzielung der Zinseinnahmen angelegte Veräußerungsgewinn Eigenkapital, dessen Einsatz eine Geltendmachung von Fremdkapitalkosten unabhängig davon ausschließt, dass der Steuerpflichtige die zur Einkünfteerzielung eingesetzten Mittel auch durch Fremdfinanzierung hätte aufbringen können (vgl. BFH-Urteil in BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676 zur Maßgeblichkeit der tatsächlich gewählten Finanzierungsform für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung).
c) Des Weiteren hatte der Kläger die Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO unabhängig von der Art der zwischenzeitlichen Verwendung des Veräußerungsgewinns zu zahlen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446) beruht § 233a AO als Rechtsgrundlage der streitigen Nachzahlungszinsen auf einer zulässigen gesetzlichen Typisierung, die durch Vollverzinsung des nachzuversteuernden Betrages im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen die Folgen der unterschiedlichen Steuererhebungsformen beseitigt (vgl. BTDrucks 8/1410, S. 4) und nicht vorrangig Liquiditätsvorteile auf Seiten des Steuerpflichtigen abschöpfen, sondern vor allem mit Hilfe der Sollverzinsung die Zinsnachteile auf Seiten des Steuergläubigers ausgleichen soll. Deshalb hat der Gesetzgeber den auszugleichenden Zinsvorteil und -nachteil im Interesse der Praktikabilität und der Verwaltungsvereinfachung typisierend auf 0,5 % pro Monat festgesetzt, ohne dass es darauf ankommt, ob im Einzelfall der Steuerpflichtige einen Zinsvorteil erzielt bzw. der Steuergläubiger einen Zinsnachteil erlitten hat (vgl. BFH-Urteile vom 20. September 1995 X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53, und in BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446). Diese Typisierung ist nach der BFH-Rechtsprechung selbst für den Fall tatsächlich nicht erzielter Zinsvorteile schon deshalb nicht unbillig, weil der Steuerpflichtige der Belastung durch die Sollverzinsung ohne Weiteres durch nachträgliche Anpassung der Vorauszahlungen in Höhe der erwarteten Nachzahlung ausweichen kann (vgl. BFH-Entscheidung in BFHE 182, 293, BStBl II 1997, 446).
d) Ferner kann der Kläger die streitigen Zinszahlungen auch nicht deshalb als Aufwand zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen geltend machen, weil nach ständiger Rechtsprechung zu diesen Einkünften alle Vermögensmehrungen gehören, die bei wirtschaftlicher Betrachtung --unabhängig von einer Kapitalüberlassung durch Darlehensvertrag oder andere Rechtsgründe-- Entgelt für eine Kapitalnutzung sind, selbst wenn es sich um eine vom Schuldner erzwungene Kapitalüberlassung oder um die Vorenthaltung von Kapital handelt (vgl. BFH-Urteile vom 8. April 1986 VIII R 260/82, BFHE 146, 408, BStBl II 1986, 557; vom 31. Oktober 1989 VIII R 210/83, BFHE 160, 11, 15, BStBl II 1990, 532, 533, m.w.N.; vom 8. November 2005 VIII R 105/03, BFH/NV 2006, 527). Denn die steuerliche Erfassung der Erträge aus der Verwendung des Kapitals erfolgt nach der Rechtsprechung völlig unabhängig von der steuerrechtlichen Erheblichkeit der Auszahlung oder sonstigen Überlassung des Kapitals (vgl. BFH-Urteile vom 12. September 1985 VIII R 306/81, BFHE 145, 320, 326, BStBl II 1986, 252, 255; vom 20. Mai 1980 VIII R 64/78, BFHE 131, 297, 298, BStBl II 1981, 6, 7, und vom 22. April 1980 VIII R 120/76, BFHE 130, 451, BStBl II 1980, 570). Dementsprechend hat der BFH die Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG für Zinsen angenommen, die nach § 44 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) für die verzögerte Auszahlung --nicht steuerbarer-- sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche für das unberechtigte Vorenthalten der Rentenbezüge und zum Ausgleich der mit der verspäteten Zahlung verbundenen Nachteile geleistet werden und deshalb wirtschaftlich als Entgelt für die Vorenthaltung von Kapital gewährt werden (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 2007 VIII R 36/05, BFHE 220, 35, BStBl II 2008, 292).
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Differenzbetrag zwischen den Einkommensteuervorauszahlungen einerseits sowie der festgesetzten Einkommensteuer andererseits erst mit der Festsetzung durch den Steuerpflichtigen geschuldet wurde (vgl. dazu BFH-Urteil vom 19. April 2005 VIII R 12/04, BFHE 209, 409, BStBl II 2005, 683) und schon deshalb nicht im Sinne des Revisionsvorbringens von "vorenthaltenem Kapital" gesprochen werden kann.
e) Mit der Entscheidung weicht der Senat nicht i.S. des § 11 FGO von Entscheidungen anderer Senate ab. Soweit die Frage einer Abziehbarkeit von Nachzahlungszinsen als Werbungskosten in der Vergangenheit angesprochen wurde, ist sie schon unter Hinweis auf den fehlenden Zusammenhang zwischen Aufwand und Einkünfteerzielung nicht bejaht worden; ebenso ist uneingeschränkt auf die Zuordnung der Zinsen zu den kraft Gesetzes (§ 12 Nr. 3 2. Halbsatz EStG) nicht abziehbaren steuerlichen Nebenleistungen hingewiesen worden (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1326; in BFH/NV 2006, 47). Soweit der --eine Zulassung der Revision wegen dieser Frage ablehnende-- Beschluss in BFH/NV 2003, 1326 die Frage als geklärt angesehen und auf die Anwendung der allgemeinen Grundsätze für den Werbungskostenabzug von Darlehenszinsen hingewiesen hat, handelt es sich mithin allenfalls um ein obiter dictum, das regelmäßig die Annahme einer Abweichung i.S. des § 11 FGO nicht indiziert (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23. Januar 2001 VIII R 71/98, BFH/NV 2001, 894; BFH-Beschluss vom 22. Juli 1977 III B 34/74, BFHE 123, 112, BStBl II 1977, 838).
Ende der Entscheidung
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