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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.02.2004
Aktenzeichen: VIII R 21/03
Rechtsgebiete: EStG, FGO, StBerG


Vorschriften:

EStG § 74
EStG § 74 Abs. 1
FGO § 60 Abs. 3 Satz 1
FGO § 110 Abs. 1
FGO § 123 Abs. 1 Satz 2
FGO § 123 Abs. 2 Satz 2
StBerG § 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) kommt für die Kosten der Unterbringung und Betreuung der im Jahr 1982 geborenen Mutter und ihres im Februar 2002 geborenen Sohnes in einem Mutter-Kind-Heim auf. Dem Antrag der Mutter vom 20. Februar 2002 auf Bewilligung von Kindergeld hat der Beklagte und Revisionskläger (Beklagter) mit Verfügung vom 8. März 2002 entsprochen.

Mit Schreiben vom 4. März 2002 beantragte der Kläger unter Hinweis auf § 74 des Einkommensteuergesetzes (EStG), ihm das Kindergeld auszuzahlen, weil er bzw. das Kreisjugendamt für die gesamten Kosten des Lebensunterhalts der Mutter und ihres Kindes aufkomme. Von der Mutter könne mangels eigener Einkünfte kein Kostenbeitrag verlangt werden. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 15. März 2002 ab und wies den Einspruch mit Entscheidung vom 22. April 2002 zurück.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und verpflichtete den Beklagten, ab Februar 2002 das Kindergeld an den Kläger zu zahlen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1715 veröffentlicht.

Der Beklagte rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 74 Abs. 1 EStG.

II. Die Mutter ist zu dem Verfahren notwendig beizuladen (§ 60 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 123 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO hat eine Beiladung dann zu erfolgen, wenn an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung ihnen gegenüber nur einheitlich ergeben kann. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung nach Maßgabe des materiellen Steuerrechts notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Februar 2001 VI R 169/97, BFH/NV 2001, 812, m.w.N.). Die notwendige Beiladung soll sicherstellen, dass eine Sachentscheidung, die die Rechte eines Dritten in vorbezeichneter Weise betrifft und aus diesem Grunde auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann, nicht ohne Beteiligung des Dritten erlassen wird. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass der Dritte an die Rechtskraft des in der Sache ergehenden Urteils nach Maßgabe des § 110 Abs. 1 FGO gebunden ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 812).

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind im Streitfall erfüllt. Der Kindergeldanspruch eines Kindergeldberechtigten ist nur einmal zu erfüllen, und zwar entweder durch Zahlung an ihn oder durch Zahlung an den Abzweigungsempfänger. Wenn aufgrund einer bestandskräftigen Verfügung oder rechtskräftigen Entscheidung gemäß § 74 EStG das Kindergeld an den Abzweigungsempfänger und nicht an den Kindergeldberechtigten, zu dessen Gunsten es festgesetzt ist, gezahlt wird, wird der Anspruch des Kindergeldberechtigten auf diese Steuervergütung erfüllt und erlischt (vgl. § 31 Satz 3 EStG i.V.m. §§ 37 Abs. 1, 47, 224 der Abgabenordnung --AO 1977--; vgl. auch BFH-Urteil vom 24. August 2001 VI R 83/99, BFHE 196, 278, BStBl II 2002, 47). Deshalb beeinflusst die Entscheidung über das Abzweigungsbegehren unmittelbar die Rechtsposition der Beigeladenen.

Entgegen der Auffassung des FG spricht das Senatsurteil vom 14. Mai 2002 VIII R 88/01 (BFH/NV 2002, 1156) nicht gegen die Notwendigkeit der Beiladung. Der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt war mit demjenigen des Streitfalles nicht vergleichbar. Denn dort war bestandskräftig entschieden, dass ein Kindergeldanspruch nicht besteht, so dass durch eine Zahlung an den Sozialleistungsträger kein Anspruch eines Kindergeldberechtigten auf Zahlung von Kindergeld hätte erlöschen können.

2. Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung begründet zwar einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist. Die Beiladung kann aber nach § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO in der Revisionsinstanz nachgeholt werden. Der Senat übt sein ihm in dieser Vorschrift eingeräumtes Ermessen dahin gehend aus, dass er von einer Zurückverweisung der Sache an das FG absieht und die Beiladung selbst vornimmt.

3. Hierdurch erhält die Beigeladene die Stellung einer Beteiligten (vgl. § 57 Nr. 3 FGO). Die Rechtskraft einer Entscheidung in diesem Verfahren wirkt für und gegen die Beigeladene (§ 110 Abs. 1 FGO).

4. Der Senat weist darauf hin, dass die Beigeladene Verfahrensmängel nur innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses rügen kann (§ 123 Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Frist kann nach Maßgabe des § 123 Abs. 2 Satz 2 FGO verlängert werden. Jeder Beteiligte, also auch die Beigeladene, muss sich vor dem BFH durch eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes vertreten lassen (§ 62a Abs. 1 FGO). Zur Vertretung der Beteiligten vor dem BFH sind berechtigt Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer, ferner Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugte Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Halbsatz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden.

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