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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.12.2000
Aktenzeichen: VIII R 28/00
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977
Vorschriften:
FGO § 116 | |
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3 | |
FGO § 116 Abs. 1 | |
FGO § 119 Nr. 3 | |
FGO § 119 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 60 Abs. 3 | |
AO 1977 § 125 (2) Ziff. 4 |
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger zu 1 (Kläger zu 1) betreibt seit 1987 in D das Speiserestaurant "S". An diesem Gewerbe ist der Revisionskläger zu 2 (Bruder des Klägers zu 1) als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt.
1995/1996 fand bei dem Unternehmen eine Steuerfahndungsprüfung statt. Der Prüfer stellte fest, dass die Revisionskläger für den Prüfungszeitraum (1988 bis 1994) keine Kassenstreifen und Tagesendsummenbons (mehr) vorlegen konnten. Ferner waren nach den Feststellungen des Prüfers die beiden Registrierkassen des Restaurants --entgegen der vom Herstellerwerk vorgenommenen Grundprogrammierung-- so eingestellt, dass die eingebuchten Beträge jeweils kontinuierlich gelöscht wurden. Im Verlaufe der Durchsuchung der Wohnungen der Revisionskläger wurden bei dem Kläger zu 1 Bargeldbeträge in Höhe von ca. 56 000 DM und bei dem Revisionskläger zu 2 Bargeld in Höhe von ca. 13 000 DM gefunden.
Der Fahndungsprüfer schätzte die Besteuerungsgrundlagen (Gewinne) für die Streitjahre 1990 bis 1994, in dem er auf den um den angenommenen Eigenverbrauch bereinigten Wareneinsatz laut Gewinn- und Verlust-Rechnungen der atypisch stillen Gesellschaft die Rohgewinnaufschlagsätze der amtlichen Richtsatzsammlungen für Pizzerien anwendete. Die vom Prüfer zugrunde gelegten Rohgewinnaufschlagsätze betragen für 1990 203 %, für 1991 213 %, für 1992 225 %, für 1993 230 % und für 1994 250 %. Im Vergleich zu den Erklärungen der atypisch stillen Gesellschaft ergaben sich dabei für die Streitjahre 1990 bis 1994 Mehrgewinne in Höhe von insgesamt 645 909 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erließ --den Berechnungen des Prüfers folgend-- entsprechend geänderte Gewinnfeststellungsbescheide 1990 bis 1994. Die dagegen nach erfolglosem Einspruch vom Kläger zu 1 erhobene Klage, mit welcher er die Unrichtigkeit dieser Schätzungen rügte, blieb erfolglos. Die Revision ließ das Finanzgericht (FG) nicht zu.
Gegen das klageabweisende Urteil haben beide Revisionskläger --neben ihrer mit gleichem Schriftsatz erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde-- fristgerecht (zulassungsfreie) Revision gemäß § 116 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben.
Sie tragen --soweit es das Rechtsmittel der zulassungsfreien Revision betrifft-- im Wesentlichen vor:
"Die Steuerfahndung (habe) im Falle eindeutiger Nötigung im Verhandlungswege offen mitgeteilt, dass dann, wenn das damalige Verhandlungsergebnis nicht akzeptiert würde, Steuerbescheide erlassen würden, die um ein Drittel oder rd. 200 000 DM höhere Steuerschulden ergeben würden. Diese Nötigung (habe) die Steuerfahndung sodann auch vollzogen. Diesen schwerwiegenden Vorwürfen (sei) das FG überhaupt nicht nachgegangen, denn gemäß § 125 (2) Ziff. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) wäre ein solcher Verwaltungsakt, weil er gegen die guten Sitten verstoßen würde, nichtig."
Der atypisch stille Gesellschafter B (Revisionskläger zu 2) sei zwar als Zeuge vernommen, nicht aber als Beteiligter beigeladen worden. Er sei auch nicht vertreten gewesen, so dass ihm nicht nur das rechtliche Gehör versagt worden sei, sondern auch der Revisionsgrund des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO vorliege. Weil der Revisionskläger zu 2 als stiller Gesellschafter durch das angefochtene FG-Urteil seine Existenz verliere, hätte er zum Verfahren beigeladen werden müssen.
Mit welchen Methoden die Finanzbehörde in diesem Fall gearbeitet habe, sei auch daraus ersichtlich, dass in gleicher Sache zur Umsatzsteuer gleichzeitig zwei Umsatzsteuerbescheide zu denselben Jahren ergangen seien, ohne dass bei Erlass des zweiten Steuerbescheids der erste (fehlerhafte) Steuerbescheid aufgehoben worden sei. Es werde beantragt, die Vorgänge zum Az. ... beim FG beizuziehen, "damit sich auch der BFH ein Bild darüber machen kann, wie rechtlos der Steuerpflichtige in diesem Verfahren gestellt (gewesen sei und) mit welchen brutalen Methoden gearbeitet worden (sei)".
Zum Problem der Versagung des rechtlichen Gehörs gehöre auch die Tatsache, dass der erst kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung beim FG beauftragte Rechtsanwalt L den Berichterstatter des FG-Verfahrens gebeten habe, wegen Komplexität und wegen der Rückwirkung des Verfahrens auf das Strafverfahren diesen Termin zu verlegen, was abgelehnt worden sei.
II. Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
1. Die Revision des Revisionsklägers zu 2 ist schon deswegen unzulässig, weil dieser zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen das angefochtene Urteil nicht berechtigt war.
Zur Einlegung der Revision ist nur derjenige berechtigt, der in der Vorinstanz am Verfahren beteiligt (vgl. § 57 FGO) war. Maßgebend ist insoweit grundsätzlich die tatsächliche Beteiligung, so dass auch solche Personen nicht zur Einlegung der Revision berechtigt sind, die am Verfahren der Vorinstanz hätten beteiligt werden können oder müssen, tatsächlich aber nicht beteiligt waren (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 3, m.w.N., und § 122 Rz. 1, m.w.N.). Dies traf für den Revisionskläger zu 2 zu; er war im Klageverfahren vor dem FG weder als Kläger (§ 57 Nr. 1 FGO) noch als Beigeladener (§ 57 Nr. 3 FGO) beteiligt.
2. Auch die Revision des Klägers zu 1 ist unzulässig. Im Streitfall ist die Revision weder vom FG noch vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen worden. Die von den Revisionsklägern erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der beschließende Senat mit Beschluss vom heutigen Tag VIII B 66/00 als unzulässig verworfen, soweit sie vom Revisionskläger zu 2 erhoben wurde, und als unbegründet zurückgewiesen, soweit sie vom Kläger zu 1 eingelegt wurde.
a) Die Revision ist ohne Zulassung nur statthaft, wenn (innerhalb der Revisionsbegründungsfrist) ein wesentlicher Mangel des finanzgerichtlichen Verfahrens i.S. von § 116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt wird (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 29. Juni 1983 V R 112/88, V B 72/89, BFHE 157, 308, BStBl II 1989, 850, m.w.N.). Ein Verfahrensmangel ist schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen --ihre Richtigkeit unterstellt-- einen Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 FGO ergeben (BFH-Beschluss in BFHE 157, 308, BStBl II 1989, 850; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 3).
b) Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht.
aa) Die vom Kläger zu 1 in mehrfacher Hinsicht gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) stellt zwar einen absoluten Revisionsgrund i.S. des § 119 FGO dar, gehört aber nicht zu den in § 116 Abs. 1 FGO abschließend aufgeführten wesentlichen Verfahrensmängeln, welche die zulassungsfreie Revision eröffnen. Die Versagung rechtlichen Gehörs stellt insbesondere keinen Fall der nicht ordnungsgemäßen Vertretung eines Beteiligten i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO dar und kann deswegen nur mit der (auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützten) Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 4).
bb) Auch die vom Kläger zu 1 beanstandete Unterlassung der (notwendigen) Beiladung des stillen Gesellschafters B (Revisionskläger zu 2) nach § 60 Abs. 3 FGO führt nicht zur Eröffnung der zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. Mai 1988 IV R 21/88, IV B 36/88, BFH/NV 1989, 174, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 20, m.w.N.).
cc) Auch die weiteren vom Kläger zu 1 erhobenen Rügen liefern für das Vorliegen eines der in § 116 Abs. 1 FGO genannten wesentlichen Verfahrensmängel keinen Anhalt.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Fehler, die der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren oder im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren unterlaufen, nicht zu den Verfahrensmängeln i.S. des Revisionsrechts gehören (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Oktober 1994 V B 40/94, BFH/NV 1995, 610; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 25, m.w.N.). Auch Fehler des FG bei der Auslegung von Vorschriften der AO 1977 und anderer das Besteuerungsverfahren regelnder Bestimmungen sind keine Verfahrensfehler, sondern materiell-rechtliche Mängel (allgemeine Ansicht; vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 25, m.w.N.).
Ende der Entscheidung
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